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5. Diskussion

5.1 in vitro

Sulindac (= Sulfoxid) wird in vivo in seinen aktiven Metaboliten Sulindac-Sulfid metabolisiert (PIAZZA et al., 1995); daher wurden beide Substanzen in die

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Untersuchungen einbezogen. Dabei zeigte die Behandlung HPV-positiver Zervixkarzinomzelllinien ausgeprägte, dosisabhängige Effekte auf das Wachstum und die Induktion von Apoptose.

5.1.1 Wachstumshemmung

Mittels Durchflusszytometrie ließ sich eine konzentrationsabhängige Hemmung des G1-S-Übergangs in HeLa-Zellen sowohl durch Sulindac als auch Sulindac-Sulfid nachweisen (Abb. 6 und 7). Die HeLa-Zelllinie dient einer enormen Reihe von Untersuchungen und ist benannt nach der Patientin, aus deren Zervixkarzinom die Zelllinie etabliert wurde, Henrietta Lacks. Henrietta Lacks war Afroamerikanerin, hatte fünf Kinder und starb 1951 an ihrer Erkrankung im Alter von 31 Jahren. HeLa-Zellen entstammen epithelialen HeLa-Zellen eines Adenokarzinoms.

Interessanterweise supprimieren Sulindac und Sulindac-Sulfid in HeLa-Zellen konzentrationsabhängig das Oncoprotein E7. Das Oncoprotein E7 konnte in allen weiteren Zervixkarzinomzelllinien durch Sulindac-Sulfid supprimiert werden, unabhängig vom HPV-Typ (16, 18) und der viralen Kopienzahl (Abb. 11). Der Verlust von E7 korreliert dabei mit der Induktion des G1-Arrests in den verwendeten Zelllinien.

Da die Expression der viralen Oncogene für die Aufrechterhaltung des malignen Phänotyps notwendig erscheint, könnte der Verlust von E7 sehr wohl für die Wachstumshemmung von Bedeutung sein, denn dieses virale Oncoprotein ist an der Induktion des Zellzyklus beteiligt (BANKS et al., 1990). Ein zentraler Mechanismus dabei besteht in der Aktivierung von cdk2, diejenige Kinase, die den Zellzyklus in die S-Phase steuert (MALUMBRES u. BARBACID, 2001). E7 kann dabei die cdk2 direkt durch Bindung an diesen Kinasekomplex aktivieren (HE et al., 2003) oder indirekt durch Hemmung der cdk-Inhibitoren (CKI) (MÜNGER et al., 2001).

Die cdk2 wird in der Tat durch Sulindac inaktiviert, wie weiterführende Versuche zeigten. Dabei werden die cdk-Inhibitoren p21 und p27 nicht induziert (KARL et al., submitted, persönliche Kommunikation Finzer). Hingegen verschwanden die G1-Cycline A und E konzentrations-abhängig, was mit der Induktion des G1-Arrests

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zusammenfiel (KARL et al., submitted, persönliche Kommunikation Finzer). Der Verlust der G1-Cycline nach Sulindac-Behandlung würde auf der einen Seite die Inaktivierung der cdk2 und damit den G1-Arrest erklären. Da jedoch andererseits E7 alleine die cdk2 aktivieren kann, ist der Verlust von E7 unter diesen Umständen für den Wachstumsarrest relevant.

In SiHa-Zellen bildet die Korrelation von E7-Suppression und G1-Arrest eine Ausnahme. Bei einer Behandlung mit 200 µM Sulindac-Sulfid trat ein G1-Arrest auf, das Oncoprotein war hingegen weiter exprimiert. Möglicherweise kommt es bereits während des Untersuchungsintervalls von 24 h zu einer (transienten) E7-Suppression und dann zu einer erneuten Induktion. Eine solche Regulation wurde bereits nach Behandlung mit Butyrat beschrieben (FINZER et al., 2002b). Es wäre auch denkbar, dass das Oncoprotein in dieser Zelllinie durch andere Mechanismen (z. B. durch Phosphorylierung (MASSIMI u. BANKS, 2000)) moduliert bzw. inaktiviert wird. Auch wenn dies in weiteren Untersuchungen zu klären bleibt, ist jedoch unter therapeutischen Gesichtspunkten die Wachstumshemmung bedeutsam.

Obwohl Sulindac sowohl die Cyclooxygenase 1 als auch 2 hemmen kann, konnten hochspezifische COX-1- bzw. COX-2-Hemmer die E7-Expression in HeLa-Zellen nicht verändern. Die geringgradige Suppression von E7 bei 100 µM NS-398 ist wohl nicht auf die COX-2-Hemmung zurückzuführen, da die für die Suppression notwendige Konzentration (100 µM) sehr viel höher ist als die für die selektivve COX-2-Hemmung (IC50 = 0,1 µM). Nicht nur die hier verwendeten Substanzen SC-560 und NS-398 zeigten dieses Ergebnis, auch weitere selektive COX-2-Hemmer (z. B. SC-236) brachten das gleiche Resultat (KARL et al., submitted, persönliche Kommunikation Finzer). Durch die spezifische Hemmung der Cyclooxygenasen kann E7 also nicht supprimiert werden. Daher müssen für den Verlust von E7 COX-unabhängige Mechanismen angenommen werden.

Dieser Befund passt sehr gut zu Berichten in der neueren Literatur, in denen die Bedeutung der COX-Hemmung für die therapeutischen Effekte der NSAIDs relativiert oder gar in Zweifel gezogen werden (TEGEDER et al., 2001). Wie unterschiedliche Studien zeigen, sind an der entzündungshemmenden Wirkung der NSAIDs auch die

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Beeinflussung bestimmter Transkriptionsfaktoren wie z. B. NF-κB und AP-1 beschrieben worden. Da die wachstumshemmende Wirkung mit der Suppression von E7 korreliert, erschien dieses virale Oncoprotein als relevantes COX-unabhängiges Target von Sulindac.

Auf der Suche nach dem zugrundeliegenden Mechanismus der E7-Suppression konnten weiterführende Versuche zeigen, dass die HPV-Transkription durch Sulindac nicht signifikant gehemmt wurde. Bei gleichzeitiger Behandlung von HeLa-Zellen mit Sulindac und dem Proteasomhemmer MG132 ließ sich jedoch die Degradation des Oncoproteins E7 weitgehend verhindern. Das Proteasom, eine multikatalytische Protease (RIVETT, 1993), die an der Aufrechterhaltung des Enzym- und Proteingleichgewichts der Zelle mitwirkt (COUX et al., 1996), ist also an der E7-Degradation durch Sulindac beteiligt (KARL et al., submitted, persönliche Kommunikation Finzer). Die Regulationen dieser Systeme - im Zusammenhang mit der E7-Degradation - durch Sulindac bleibt Gegenstand zukünftiger Forschung.

5.1.2 Apoptose

Ein wichtiger tumorhemmener Effekt von Sulindac und seinem aktiven Metaboliten Sulindac-Sulfid bildet ihre Fähigkeit Apoptose auszulösen. In allen vier verwendeten Zervixkarzinomzellen konnte konzentrationsabhängig, jedoch unabhängig vom HPV-Typ und der viralen Kopienzahl, Apoptose induziert werden.

Sulindac löst entsprechend weiterführenden Untersuchungen über den mitochondrialen Weg Apoptose aus, welcher wahrscheinlich auf einer Veränderung des Gleichgewichts zwischen den pro-apoptotischen und anti-apoptotischen Mitgliedern der Bcl-2-Familie beruht (KARL et al., submitted, persönliche Kommunikation Finzer, VANDER HEIDEN u. THOMPSON, 1999). In HeLa-Zellen verändert Sulindac durch Suppression der anti-apoptotischen Mitglieder das Verhältnis zugunsten der pro-apoptotischen Moleküle.

Möglicherweise besteht dabei ein Zusammenhang zwischen der Degradation von E7 und der Induktion von Apoptose: Spezifische Peptidaptamere, künstliche Peptide, die mit einer hohen Spezifität an das E7-Protein binden, verhindern auf diesem Weg die

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Interaktion von E7 mit zellulären Proteinen und induzieren Apoptose (NAUENBURG et al., 1993).

Allerdings war für die Zelllinie CaSki eine längere Behandlungszeit erforderlich (32 h statt 24 h), um eine Wirkung auszulösen. HeLa-Zellen hingegen verhielten sich besonders empfindlich gegenüber Sulindac-Sulfid (Abb. 14). Inwieweit diese Abweichungen auf Unterschiede in der Suppressionskinetik von E7 in Verbindung stehen, müssen weitere Untersuchungen erbringen; beispielsweise ob E7 eine gewisse Zeit vor der Induktion von Apoptose supprimiert wird und ob der Verlust von E7 in CaSki-Zellen später erfolgt.