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Virulenz- und Virulenz-assoziierte Faktoren

2.1 Streptococcus suis

2.1.3 Virulenz- und Virulenz-assoziierte Faktoren

2.1.3.1 Kapsel

Die Kapsel galt für lange Zeit als der einzig bestätigte Virulenzfaktor von S. suis. Sie ist vornehmlich aus Zuckern aufgebaut und bildet die Grundlage der Serotypisierung.

Hauptkomponenten dieses komplexen Oligosaccharidgerüstes sind Glukose, Galak-tose, Acetylglukosamin und Sialinsäure, wobei die Serotyp 1 Kapsel zusätzlich N-Acetylgalaktosamin, die Serotyp 2 Kapsel hingegen Rhamnose enthält (CHARLAND et al. 1995). Sialinsäure, als nicht-Zuckerbestandteil der Kapsel, konnte bis jetzt le-diglich bei den Serotypen 1, 2, 14, 27 und 1/2 nachgewiesen werden (SMITH et al.

2000).

Die Inaktivierung der für den Kapselsyntheseapparat verantwortlichen Gene führte in zwei verschiedenen Infektionsmodellen mit dem Schwein zu einem totalen Verlust der Virulenz. Als Ursache dafür wird die in vitro ermittelte, erhöhte Phagozytoserate isogener Kapseldefizienzmutanten gegenüber porzinen Monozyten und alveolaren Makrophagen diskutiert (CHARLAND et al. 1998; SMITH et al. 1999). Da die Mehr-zahl der avirulenten Stämme aber auch in der Lage ist eine Kapsel auszubilden, bzw.

kapsellose hochvirulente Stämme existieren, ist von weiteren, Serotyp-übergreifenden Virulenzfaktoren auszugehen.

2.1.3.2 OFS

Mit dem Opazitätsfaktor von S. suis (OFS), ein Mitglied der MSCRAMM- (microbial surface components recognizing adhesive matrix molecules) Familie, konnte kürzlich ein weiterer Virulenzfaktor identifiziert werden (BAUMS et al. 2006). Die N-terminale Signalsequenz und das C-terminale LPXTG-Motiv lassen vermuten, dass das Protein auf der bakteriellen Oberfläche lokalisiert ist. Der N-terminale Bereich zeigt darüber hinaus hohe Homologien zu dem Fibronektin-bindenden Oberflächenprotein (FnBA) von S. dysgalactiae und dem Serum-Opazitätsfaktor (SOF) von S. pyogenes. In Ü-bereinstimmung mit diesen führte rekombinantes OFS ebenfalls zu einer Trübung

von equinem, porzinem und humanem Serum. Diese Serumtrübung ist wohl zurück-zuführen auf die Degradation von sog. „high-densitiy lipids“ (HDL), die in der Mani-festation der Infektion als anti-inflammatorische Faktoren eine Rolle spielen (WADHAM et al. 2004). Die Identifizierung von OFS als Virulenzfaktor von S. suis konnte in einem Infektionsversuch mit Schweinen nachgewiesen werden. Eine iso-gene ofs-Deletionsmutante war in ihrer Virulenz hochgradig attenuiert (BAUMS et al.

2006).

2.1.3.3 MRP und EF

Das muramidase-released protein (MRP) und der extracellular factor (EF) werden als sog. Virulenzmarker bezeichnet. Grund dafür ist ihr Vorkommen in hochvirulenten S. suis Serotyp 2 Stämmen, isoliert aus Organen erkrankter Schweine. Dagegen werden von den Tonsillen gesunder Schweine vornehmlich MRP/EF-negative Geno-typen isoliert (VECHT et al. 1991). Das MRP hat ein errechnetes Molekulargewicht von 136 kDa und ist auf Grund der N-terminalen Signalsequenz sowie des C-terminalen LPXTG-Motivs als Membran-assoziiertes Protein beschrieben worden (SMITH et al. 1992). WISSELINK et al. (2000) berichteten zudem von einer kleineren Variante des MRP Proteins (MRPsmall), die insbesondere bei virulenten Serotyp 1 Stämmen isoliert werden konnte. Eine größere Variante (MRP*) wird dagegen zu-meist beim Serotyp 9 nachgewiesen. Der EF besitzt keine Membranverankerung und wurde als sezerniertes Protein im Kulturüberstand identifiziert (VECHT et al. 1991). I.

d. R. hat EF ein Molekulargewicht von 110 kDa, kommt aber in fünf verschiedenen Größenvarianten (EF*) vor (SMITH et al. 1993). Homologievergleiche beider Proteine mit bekannten Virulenzfaktoren ließen keinen Schluss über eine mögliche Funktion zu. Die hohe Prävalenz MRP/EF-positiver Stämme in erkrankten Tieren lässt jedoch auf eine Beteiligung dieser Faktoren in der Pathogenese schließen. Ferner wurde EF als ein in vivo aufreguliertes Protein nachgewiesen (SMITH et al. 2001). Infektions-versuche mit MRP-, EF- und MRP/EF-negativen Deletionsmutanten zeigten aller-dings keine Attenuation in der Virulenz, so dass ein diagnostischer Nachweis beider Faktoren lediglich als Hinweis eines erhöhten Virulenzpotentials des Erregers gedeu-tet werden kann (SMITH et al. 1996).

2.1.3.4 Suilysin

Die Hämolyseaktivität von S. suis ist eine seit langem bekannte Eigenschaft (KLIPPER-BAELZ und SCHLEIFER 1987). JACOBS et al. (1994) identifizierten zum ersten Mal ein aus dem Kulturüberstand gewonnenes Protein von 54 kDa mit hämo-lytischer Aktivität. Sequenz- (SEGERS et al. 1998) und Proteinaktivitätsanalysen (JACOBS et al. 1994) charakterisierten dieses Suilysin (SLY) als einen Vertreter der Thiol-aktivierten Zytolysine (TACY). Epidemiologische Studien ergaben, dass SLY in nahezu allen Serotypen nachgewiesen werden kann (OKWUMABUA et al. 1999) und in dem in Europa dominierenden Serotyp 2 mit einer Prävalenz von 95 % auftritt (SEGERS et al. 1998). Dies gab Grund zu der Annahme, dass SLY in der Pathoge-nese von S. suis beteiligt sein könnte. In vitro Analysen zeigten, dass neutralisieren-de anti-SLY-Antikörper (α-SLY) neutralisieren-den zytolytischer Effekt SLY-positiver Stämme auf Epithelzellen komplett inhibierten (NORTON et al. 1999). Ein Suilysin-abhängiger zytolytischer Effekt auf Epithel- (LALONDE et al. 2000), Endothel- (CHARLAND et al.

2000) und Immunzellen (SEGURA u. GOTTSCHALK 2002) konnte ebenfalls nach-gewiesen werden. In vivo führte die Immunisierung mit rekombinantem SLY zu einer vollständigen Protektion gegen eine homologe experimentelle Infektion im Mausmo-dell (JACOBS et al. 1994). Infektionsversuche im Schwein mit einer SLY-defizienten Mutante führten hingegen nur zu geringer (ALLEN et al. 2001) oder überhaupt keiner Attenuation (LUN et al. 2003). Andererseits konnten Unterschiede im Zytokinprofil der Wirtsantwort beobachtet werden (LUN et al. 2003; SEGURA et al. 2006) was das Suilysin zwar nicht als essentiellen Virulenzfaktor, wohl aber als Virulenz-assoziiert charakterisiert.

2.1.3.5 Fibronektin- und Fibrinogen bindendes Protein und weitere Adhäsine Mittels in vivo Promotoranalysen konnte das Fibronektin- und Fibrinogen-bindende Protein (FBPS) als ein an der Pathogenese beteiligter Faktor nachgewiesen werden (SMITH et al. 2001). Sequenzanalysen ergaben hohe Homologien zu entsprechen-den Fibrinogen-binentsprechen-denentsprechen-den Proteinen von S. pneumoniae und S. gordonii. Das Prote-in erwies sich als immunogen und war Prote-in der Lage sowohl humanes FibronektProte-in als auch humanes Fibrinogen zu binden (DE GREEFF et al. 2002b). FBPS konnte bei

allen Serotypen mit Ausnahme von Serotyp 32 und 34 nachgewiesen werden. Letz-tere wurden jedoch als S. orisratti klassifiziert (HILL et al. 2005). Eine Beteiligung des FBPS in der Pathogenese von S. suis wurde durch einen Kompetitionsinfektionsver-such im Schwein bestätigt. Während die Kolonisation der Tonsillen keine Unter-schiede zwischen dem WT und einer FBPS-defizienten Mutante zeigte, konnte bei erkrankten Schweinen der WT signifikant häufiger aus den Organen reisoliert werden (DE GREEFF et al. 2002b).

Die Adhärenzeigenschaften der Bakterien sind gerade im ersten Schritt der Patho-genese von ausgesprochener Wichtigkeit. Die Studien zu diesem Thema begannen mit den Arbeiten von KURL et al. (1989) sowie GOTTSCHALK et al. (1991). Letzterer konnte zeigen, dass S. suis in der Lage war, sowohl an gesunde als auch an er-krankte Lungengewebe zu adhärieren. Die Fähigkeit zur Adhärenz ging dabei einher mit der Dicke der Polysaccharidkapsel (GOTTSCHALK et al. 1991). Die hämaggluti-nierenden Eigenschaften von S. suis wurden erstmals von KURL et al. (1989) unter-sucht. Dabei wurde gezeigt, dass die Agglutination von Erythrozyten durch Galakto-se, N-Acetylgalaktosamin und Sialinsäure inhibiert werden konnte. Weiterführende Untersuchungen von HAATAJA et al. (1993; 1996) identifizierten die Galα1-4Gal Bindung des auf Erythrozyten vorkommenden Trihexosyldceramids (GbO3) als Epi-top für Galaktose-abhänginge Agglutination. Das dafür verantwortliche Adhäsin wur-de erstmals von TIKKANEN et al. (1995) charakterisiert. Es hat ein Molekulargewicht von 18 kDa und kommt auf Grund unterschiedlicher Bindungsspezifitäten in den zwei Varianten PO und PN vor. Darüber hinaus scheint es serotypübergreifend exprimiert zu werden (TIKKANEN et al. 1996). Das Adhäsin ist immunogen und induziert eine bakterizide Aktivität nach Passage in BALB/c Mäusen. Des Weiteren konnte eine Antiproportionalität zwischen der Expression der Kapsel und den hämagglutinieren-den Eigenschaften von S. suis nachgewiesen werhämagglutinieren-den.

In diesem Zusammenhang konnten LIUKKONEN et al. (1992) die α2-3 Bindung aus dem N-Acetylneuraminyl-α2-3poly-N-Acetyllactosamin Glykan als Rezeptor für die Sialin-abhängige Hämagglutination von S. suis identifizieren.

QUESSY et al. (1997) identifizierten ein weiteres Adhäsin mit einem spezifischen Molekulargewicht von 39 kDa. N-terminale Ansequenzierung erbrachte eine hohe Homologie zu einer Glycerinaldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase (GAPDH). Da ein

Vorkommen sowohl in virulenten als auch in avirulenten S. suis Stämmen gezeigt werden konnte, blieb die Beteiligung in der Pathogenese unklar. Die Supplementati-on vSupplementati-on Albumin steigerte allerdings die Virulenz vSupplementati-on S. suis im Mausmodell, so dass eine Interaktion zwischen dem Enzym und dem Albumin diskutiert wurde. Neben Al-bumin konnte auch eine Bindung an humanes sowie porzines Plasminogen gezeigt werden (JOBIN et al. 2004). Da aber der Verlust der GAPDH nur zu einer verringer-ten Plasminogenbindung führte, sind weitere Studien zur Interaktion mit der extrazel-lulären Matrix nötig. BRASSARD et al. (2001; 2004) konnten zeigen, dass die GAPDH von S. suis oberflächenassoziiert ist und neben der Rolle im glykolytischen Stoffwechsel auch als Adhäsin des respiratorischen Epithels fungiert.

2.1.3.6 Weitere Virulenz-assoziierte Faktoren

In diesem Abschnitt sollen nun die Faktoren zusammengefasst werden, die sich auf Grund ihrer Funktion oder ihrer Immunogenität als Virulenz-assoziiert qualifizieren.

FONTAINE et al. (2004) identifizierten eine DNase (SsnA), die auffallend häufig bei aus inneren Organen isolierten Stämmen aller Serotypen vorkam. Die Proteinse-quenz kodiert für eine N-terminale SignalseProteinse-quenz und einen C-terminalen Membran-anker (LPKTG), was für eine extrazelluläre, membrangebundene Lokalisation spricht.

Funktionell scheint die Aktivität von SsnA an die Verfügbarkeit von Calcium und Magnesium gebunden zu sein und konnte durch Supplementation neutralisierender Antikörper inhibiert werden. Das Protein erwies sich darüber hinaus als ausgespro-chen immunogen. Die Rolle in der Pathogenese ist unklar. FONTAINE et al. (2004) gehen davon aus, dass die DNase-Aktivität Nukleotide für den zelleigenen Stoff-wechsel rekrutiert.

RevS ist ein Regulatorprotein, dass die Transformation von einem schwach virulen-ten zu einem hochvirulenvirulen-ten Stamm bedingen kann (SMITH et al. 2001). Der genaue Regulationsmechanismus ist unbekannt. Allerdings konnte gezeigt werden, dass RevS für die Repression von mindestens einem Gen verantwortlich ist (DE GREEFF et al. 2002a). Eine RevS-negative Deletionsmutante stellte sich als attenuiert in der Kolonisation der Tonsillen dar (DE GREEFF et al. 2002a).

OKWUMABUA u. CHINNAPAPAKKAGARI (2005) identifizierten ein Protein mit un-bekannter Funktion, dass in nahezu allen Serotypen zu finden ist. Sequenzanalysen

ergaben ein Molekulargewicht von 38 kDa. Das Protein ist hochimmunogen und be-wirkt eine 100 %ige Protektion nach homologer Infektion im Schweineinfektionsmo-dell.

ALLEN et al. (2004) beschrieben erstmalig das Vorkommen einer Hyaluronat-Lyase (Hyl) in S. suis. Dabei handelt es sich um ein Enzym, das spezifisch die β-1-4 Bin-dung zwischen N-Acetylglukosamin und Glukoronat der Hyaluronsäure spalten kann.

Hyaluronsäure ist Bestandteil in vielen eukaryotischen Geweben, wie z.B. Synovia und Knorpel, und bildet einen Großteil der Extrazellularmatrix. Die Beteiligung von Hyl an der Pathogenese von S. suis ist unklar. Vorstellbar ist zum einen die Akquirie-rung von Kohlenstoffquellen, zum anderen kann es eine Rolle bei der Dissemination im Wirt spielen.

Ein hochimmunogenes Enzym wurde als Glutamat-Dehydrogenase von S. suis iden-tifiziert (OKWUMABUA et al. 2001). Trotz fehlender N-terminaler Signalsequenz konnte das Protein auf der Zelloberfläche nachgewiesen werden. Eine mögliche Be-teiligung an der Pathogenese ist bisher unklar, jedoch konnte gezeigt werden, dass hochvirulente Serotyp 2 Stämme eine ebenfalls hohe Enzymaktivität aufwiesen.

Sortasen spielen in der Struktur und Funktion der Zellhülle grampositiver Bakterien eine große Rolle. Sie sind für die kovalente Bindung von Proteinen an die äußere Zellwand verantwortlich. OSAKI et al. (2002) identifizierten fünf solcher Sortasen (srtA-E) im Genom von S. suis. Zwei-D-Gelelektrophorese Studien des Oberflächen-profils ergaben, dass bei einer srtA negativen Mutante 15 Proteine im Vergleich zum Wildtyp signifikant herunterreguliert waren oder fehlten. Die Inaktivierung der ande-ren putativen Sortasen erbrachte allerdings keine Unterschiede (MARRAFFINI et al.

2006; OSAKI et al. 2002). Später konnte das Vorhandensein der Sortasen B-D je-doch mit der Ausbildung von Pili-Strukturen in S. pneumoniae in Verbindung ge-bracht werden (BAROCCHI et al. 2006). Da ein ähnliches Gencluster auch bei S. suis vorliegt, ist ebenfalls von der Fähigkeit des Erregers zur Bildung von Pili aus-zugehen.

Durch Transposonmutagenese konnte ein hyperhämolytischer S. suis Phänotyp ge-neriert werden (LUN u. WILLSON 2005). Sequenzanalysen ergaben, dass es sich bei dem defizienten Gen um die putative Mannose-Permease IID handelte (manN).

Ein regulatorischer Einfluss des entsprechenden Proteins auf die Suilysin-Transkription wurde mittels gfp-Reporterstudien bestätigt.

Wasserstoffperoxid ist ein Nebenprodukt des aeroben Stoffwechsels, welches durch die Fenton-Reaktion in toxische Hydroxyl-Radikale umgewandelt werden kann. So-wohl PULLIAINEN et al. (2003; 2005) als auch KAUKO et al. (2004; 2006) konnten zeigen, dass das Dps-like peroxide resistance protein (Dpr) von S. suis in der Lage ist, zweiwertiges Eisen zu inkorporieren und so dessen Oxidation in der Fenton-Reaktion zu inhibieren. Diese Fähigkeit könnte Grundlage für die Wasserstoffpero-xidresistenz Katalase-negativer Streptokokken sein.

Des Weiteren konnten durch Eisen-Mangelbedingungen 18 und durch in vivo Kom-plementation 22 weitere, putativ Virulenz-assoziierte Gene identifiziert werden. Dazu gehörten unter anderem Regulatoren, Transporter- und Stoffwechselgene (SMITH et al. 2001). Eine mögliche Beteiligung an der Pathogenese von S. suis Infektionen ist in weiteren Studien zu klären.