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5 Besonderheiten in der Methodik der Untersuchung

5.2 Verwendung objektiver und subjektiver Messverfahren zur Erhebung des

Eine weitere methodische Besonderheit der vorliegenden Untersuchung stellt die Kombination objektiver und subjektiver Messverfahren zur Untersuchung des Bewegungs-verhaltens von Kindern im Vorschulalter dar. In der Studie wurden Pedometer (Schrittzähler) als objektives Messinstrument zur Erhebung der körperlichen Aktivität der Kinder im Vorschulalter eingesetzt. Im Folgenden wird eine kurze Übersicht über objektive Methoden zur Aktivitätsmessung gegeben und die Vorteile aber auch Limitationen von Pedometern gegenüber anderen Erhebungsinstrumenten dargestellt.

Im frühen Kindesalter stellt die Auswahl von geeigneten Messinstrumenten zur Erhebung des Aktivitätsverhaltens aufgrund des komplexen, multidimensionalen Bewegungsprofils von Kindern mit typischerweise eher kurzen, spontanen und sporadischen Bewegungen (vgl.

Kapitel 3.2) eine besondere Herausforderung dar (Bringolf-Isler 2014; McClain & Tudor-Locke 2009; Müller et al. 2010; Adamo et al. 2009). Im Jugend- und Erwachsenenalter können normalerweise Selbstberichte zur Erhebung der körperlichen Aktivität eingesetzt werden, Vorschulkinder sind jedoch aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten häufig noch nicht in der Lage, ihren eigenen Aktivitätstyp, Dauer oder Intensität der Aktivität zu berichten.

Dementsprechend müssen die stellvertretenden Berichte der Eltern oder anderer erwachsenen Bezugspersonen zum Bewegungsverhalten der Kinder herangezogen werden (Burdette et al.

2004; Adamo et al. 2009). Studien zeigen jedoch, dass die Validität der Elternberichte zu kindlichen Variablen eher limitiert ist und Eltern häufig das Aktivitätsniveau ihrer Kinder überschätzen (Sallis et al. 2002). Aus diesen Gründen wurden in den letzten Jahren zunehmend objektive Messinstrumente zur Erfassung des Bewegungsverhaltens von Kindern verwendet.

Insgesamt liegt ein breites Spektrum an objektiven Methoden zur Alltagsaktivitätsanalyse vor.

Nach Beneke (2008) können diese Messverfahren in drei Kategorien unterteilt werden (vgl.

Tab. 4):

Tab. 4: Übersicht über Messverfahren zur Alltagsaktivitätsanalyse (Beneke 2008)

Kategorie 1 Die Doubly Labeled Water – Methode (DLW) und indirekte Kalorimetrie (IK) sind Methoden, die aufgrund ihrer hohen Messpräzision bei der Bestimmung des

Energieverbrauchs als Goldstandard gelten. Zusammen mit der direkten Beobachtung werden sie auch zur Validierung von Methoden der zweiten und dritten Kategorie genutzt.

Kategorie 2 Objektive Technologien wie Herzfrequenzmessgeräte, Schrittzähler (Pedometer), Beschleunigungssensoren (Akzelerometer) und ADL (Activity of Daily Living) -Monitore eignen sich schwerpunktmäßig für klinische Fragestellungen.

Kategorie 3 Subjektive Methoden, wie Sporttagebücher, Interviews und Fragebogenerhebungen, die besonders für umfangreiche epidemiologische Untersuchungen praktikabel sind.

In aktuellen Studien werden zudem innovative Informations- und Kommunikations-technologien, sogenannte assistierende GesundheitsKommunikations-technologien, zur Erfassung der alltäg-lichen körperalltäg-lichen Aktivität eingesetzt. Anhand von Multisensorenarmbändern können sowohl der Energieumsatz, metabolische Einheiten (MET), Dauer der körperlichen Aktivität, Liege-, Schlaf- und Tragedauer sowie die Anzahl der Schritte ermittelt werden. Eine Rück-kopplung der analysierten Daten an die teilnehmenden Probanden erhöht die Transparenz der eigenen Alltagsaktivität und trägt dadurch zu einer Verbesserung des Selbstmanagement zur Steigerung der Alltagsaktivität bei (Plischke et al. 2008a, 2008b).

Als bisheriger Gold-Standard für die Messung der Alltagsaktivität gilt die direkte Beobachtung, die sich jedoch in der epidemiologischen Forschung häufig als impraktikabel erweist, aufgrund des hohen Zeitaufwands für den Untersucher und die untersuchte Person, der hohen Kosten, und der großen Abhängigkeit von der Präzision und Präsenz des Beobachters. In Kontrast dazu ermöglichen Akzelerometer und Pedometer eine objektive und effizientere Datensammlung (Oliver et al. 2007; Müller et al. 2010). Auch in der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen haben sich Akzelerometer und Pedometer als valide Messinstrumente bewiesen und gehören mittlerweile zu den am meisten verbreiteten objektiven Monitoren für die Quantifizierung von körperlicher Aktivität im Kindes- und Jugendalter (Ellery et al. 2014).

Beide Instrumente unterscheiden sich in der Funktionsweise und Art der gewonnenen Daten und weisen jeweils eigene Vor- und Nachteile auf. Akzeleromter sind derzeit die beliebtesten und am häufigsten verwendeten Sensoren für die Messung von körperlicher Aktivität jüngerer

gut validiert (Ellery et al. 2014; Oliver et al. 2007). Im Vergleich zu Pedometern sind sie technisch höher entwickelt, da sie Bewegungen auf bis zu drei verschiedenen Achsen messen und Informationen über die Dauer, Intensität und Häufigkeit von körperlicher Aktivität über längere Zeitperioden geben können. Neuere Akzelerometer können sogar statische Gravitationskräfte messen und damit auch die Körperhaltung feststellen, also ob jemand sitzt, steht oder liegt. Als Ergebnis einer Aktivitätsmessung mit dem Akzelerometer erhält der Anwender entweder Schrittzahlen/Gangzyklen und/oder einen sog. ’Activity Counts’-Wert, der die Intensität, Frequenz und Dauer der körperlichen Aktivität beschreibt und so Rückschlüsse auf den Energieverbrauch zulässt. Gleichermaßen wie Pedometer sind Akzelerometer kleine, leichte und unaufdringliche Geräte (Ellery et al. 2014).

Akzelerometer gehen jedoch auch mit Limitationen einher. Die hohen Kosten (mind. 450 $ pro Stück) limitieren häufig den Einsatz in größeren Forschungsstudien einschließlich Screenings, Interventionen und Evaluationen. Zudem sind Akzelerometer weniger praktikabel, da sie bestimmte Hardware, Software und technische Expertise erfordern und ihre Messeinheiten (Grafen) weniger intuitiv verwendet werden können als die Schrittzahlen der Pedometer (Oliver et al. 2007; Tudor-Locke et al. 2004). So handelt es sich zum Beispiel bei den „Activity Counts“ um einen abstrakten Wert, der – im Gegensatz zu Schrittzahlen – einen Bezug zur Alltagsaktivität nicht zulässt (Müller et al. 2010).

Pedometer sind für die objektive Messung der körperlichen Aktivität aufgrund ihrer Erschwinglichkeit, Praktikabilität, Verlässlichkeit und Validität bei der Messung von Alltags-aktivität häufig eine bevorzugte Alternative zu Akzelerometern, insbesondere bei jüngeren Kindern (Oliver et al. 2007). Sie werden bereits seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Populationen eingesetzt und zeigen sich als relativ gute Messgeräte von robusten Aktivitäts-niveaus. Pedometer sind kleine, leichte und günstige Geräte, die körperliche Aktivität mit variierenden Genauigkeitsgraden bestimmen und messen können (Ellery et al. 2014). Sie weisen unterschiedliche Technologien auf (Pendelarm-/Magnettechnologie, Piezokristall), die Alltagsaktivität wird jedoch bei allen Sensoren mittels Schrittzahlen gemessen. Während des Untersuchungszeitraums werden diese durchgehend summiert, so dass der Bewegungsumfang anhand der Gesamtschrittzahl angegeben wird (Müller et al. 2010).

Insgesamt können Pedometer sehr präzise Schritte zählen; bei der Messung und Bestimmung von Distanzen sind sie jedoch weniger präzise und am ungenauesten bei der Messung des Energieverbrauchs (Ellery et al. 2014; Müller et al. 2010). Daher bieten Akzelerometer ein größeres Potential, komplexe Muster von körperlicher und sitzender Aktivität, die

Bewegungsintensität sowie Aktivitätsperioden zu untersuchen. Dies ist insbesondere für die Beschreibung des Bewegungsverhaltens von Kindern und Jugendlichen relevant, da die aktuellen Aktivitätsempfehlungen häufig auf Zeit und Intensität basieren (Lubans et al. 2009;

Ellery et al. 2014). Bisher liegen noch keine einheitlichen Aktivitätsempfehlungen vor, die sich auf die gesundheitswirksame Anzahl an Schritten pro Tag beziehen (vgl. Kapitel 3.3).

Eine weitere Limitation, die mit der Anwendung von Schrittzählern einhergeht, sind Schwierigkeiten bei der Erfassung von Alltagsaktivität bei anderen Bewegungsformen als Gehen oder Laufen. So werden sportliche Belastungen wie Fahrradfahren, Schwimmen, Rudern oder Gerätetraining nicht oder nur teilweise erfasst, da diese aufgrund der Befestigung am Becken keine ausreichend starken Signale aussenden (Müller et al. 2010).

Von Studien mit Erwachsenen ist jedoch bekannt, dass solche Aktivitäten im Alltag häufig hervorstechen und daher auch einfach zu erfragen sind, auch scheinen Daten hierzu auf Populationsebene und insbesondere im frühen Kindesalter weniger relevant zu sein (Lubans et al. 2009).

Der einfache Output an Schrittzahlen erhält eine zunehmende Glaubwürdigkeit, sowohl in der Forschung als auch in der Praxis, als akzeptable Annäherung an den täglichen Umfang von körperlicher Aktivität. Aufgrund der einfachen Interpretierbarkeit der Daten und der geringen Kosten werden Pedometer zunehmend in den klinischen und Public Health-Bereich übernommen und eher von der Öffentlichkeit akzeptiert (Tudor-Locke et al. 2011). Studien konnten zudem zeigen, dass der Einsatz von Pedometern zu einer höheren körperlichen Aktivität beitragen kann (Bravata et al. 2007). Vor diesem Hintergrund ist die Ermittlung von assoziierten kriteriengeleiteten Standards für die Empfehlung von Schrittzahlen pro Tag gerechtfertigt (vgl. Kapitel 3.3) (Ellery et al. 2014). Studien zeigen, dass die Unterschiede, die zwischen Akzelerometern und Pedometern bei der Messung des Bewegungsverhaltens von Kindern ermittelt wurden, nicht konsistent sind und Pedometer-Outputs mit den Outputs verschiedener Akzelerometern korrelieren (Tudor-Locke et al. 2002; McNamara et al. 2010).

Zudem sind die gefundenen Unterschiede nicht so übermäßig stringent, dass empfohlen werden kann, eine Marke der anderen vorzuziehen. Daher erfolgt die Auswahl eines Bewegungsmessers derzeit vor allem aus praktischen Gründen (Adamo et al. 2009; De Vries et al. 2009).

Einschränkend muss jedoch bemerkt werden, dass für das Vorschulalter bisher nur limitierte Informationen zur Reproduzierbarkeit von Bewegungssensoren vorliegen. Während diese

Effektivität bei jüngeren Vorschulkindern (unter 5 Jahre) (De Vries et al. 2009; Oliver et al.

2007). Oliver et al. (2007) ermittelten, dass der Umfang zwischen beobachteten Schritten und mittels Pedometer gemessenen Schrittzahlen deutlich voneinander abweicht (die Kinder sollten auf einer graden Linie laufen); auch zeigen sich Abweichungen hinsichtlich des mittels der Children’s Activity Scale beobachteten Aktivität. Die Studie deutet auf eine hohe Variabilität in der Fähigkeit von Pedometern, akkurat das Aktivitätslevel zu messen.

Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass die Bewegungsmuster von jüngeren Kindern mehr horizontale Bewegungen aufweisen als bei älteren Kindern (Oliver et al. 2007).

Zudem scheint die Genauigkeit der Pedometer von der Ganggeschwindigkeit und der Platzierung abhängig zu sein (Oliver et al. 2007). Pedometer werten einen Schritt erst dann, wenn die Beschleunigung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. Wird die Schwelle durch den Bewegungsausschlag nicht überschritten, wird der Schritt nicht registriert. In verschiedenen Untersuchungen zeigten Pedometer eine erhöhte Messpräzision bei zunehmender Bewegungsgeschwindigkeit (Müller et al. 2010). In anderen Studien mit Vor-schulkindern korrelierten dagegen die mittels Pedometer gemessenen Schrittzahlen und die (anhand der Children’s Activity Scale) beobachtete Aktivität signifikant (Louie & Chan 2003;

McKee et al. 2005).

Neben der Anwendung von Pedometern wurde in der vorliegenden Studie das Aktivitäts-verhalten der Kinder über eine Fragebogenerhebung der Eltern erfasst. Der Fragebogen basiert auf den im Motorik-Modul der KiGGS-Studie eingesetzten Elternfragebogen. Obwohl objektive Instrumente quantitativ präziser sind, sollten Instrumente für Selbstberichte nicht als weniger „wertvoll“ angenommen werden, da viele Instrumente validiert und verlässlich sind.

Selbstberichte geben Informationen zu Arten von Aktivitäten (z.B. Schwimmen) und der Selbstwahrnehmung (z.B. von der Intensität von Aktivitäten), die mittels objektiver Instrumente nicht erfasst werden können. Zudem können auch spezifische Bewegungs-indikatoren, wie die draußen verbrachte Zeit oder der Transport zur Kita, ermittelt werden, die mit den meisten Monitoren nicht nachweisbar sind (Ellery et al. 2014). Hinsichtlich der Elternberichte zeigten Burdette et al. (2004), dass die von den Eltern angegebene Zeit, die von Kindern im Vorschulalter draußen verbracht wird, signifikant mit den Daten von Akzelerometern korrelieren. Selbst- bzw. Elternberichte sind einfach und kostensparend durchzuführen, bedeuten einen geringen Aufwand für die Teilnehmer_innen und genießen eine generelle Akzeptanz in der Bevölkerung (De Vries et al. 2009; Adamo et al. 2009) und sollten daher auch zukünftig als wichtiges Erhebungsinstrument eingesetzt werden.