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3 Stand der Forschung

3.1 Effekte von Bewegung auf die Gesundheit von Kindern

Aus der Public Health-Perspektive gehört körperliche Aktivität in jedem Lebensabschnitt zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf die Gesundheit sowie das physische und psychische Wohlbefinden (vgl. Walter et al. 2005; RKI 2013; Timmons et al. 2012; Hnatiuk et al. 2014;

Larouche et al. 2014; Graf et al. 2014). Die Bedeutung körperlicher Aktivität für die Gesunderhaltung lässt sich sowohl anhand des medizinischen Risikofaktorenmodells (körperliche Inaktivität als Risikofaktor) als auch aus salutogenetischer Perspektive (körperliche Aktivität als Gesundheitsressource) begründen (Bös et al. 2006; Schlicht 2003;

Fuchs 2007). Eine prospektive Kohortenstudie aus Taiwan zeigte, dass bereits täglich 15 Minuten moderate körperliche Aktivität das Mortalitätsrisiko verringern und die Lebenserwartung um drei Jahre erhöhen kann (Wen et al. 2011). Körperliche Inaktivität wird dagegen als aktuell größter Problembereich in der Public Health bezeichnet (Bucksch &

Schneider 2014; Kohl et al. 2012) und gehört der WHO (2009) zufolge weltweit zu den fünf wichtigsten globalen Mortalitätsrisiken, neben Bluthochdruck, Tabakkonsum, hoher Blut-zucker sowie Übergewicht und Adipositas. Es wird geschätzt, dass körperliche Inaktivität ca.

21 % bis 25 % der Krankheitslast durch Brust- und Darmkrebs verursacht, 27 % der Diabetes und 30 % der Krankheitslast durch ischämische Herzerkrankungen. Ein körperlich aktiver Lebensstil vermindert dagegen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs sowie Diabetes mellitus Typ 2. Es verbessert zudem die muskoloskeletale Gesundheit, kontrolliert das Körpergewicht und kann depressive Symptome reduzieren (WHO 2009).

Aktuelle Berichte des Robert Koch-Instituts [RKI] (2013) und der WHO (2008) betonen, dass körperliche Aktivität für eine gesunde Entwicklung von Kindern essentiell ist und zu einer

Reduktion chronischer Erkrankungen im Lebenslauf beiträgt. Opper & Wagner (2009) konstatieren in ihrer Expertise zum 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, dass Bewegung und motorische Leistungsfähigkeit wichtige Bausteine der Gesundheit von Kindern bilden. Es wird angenommen, dass sich ein körperlich aktiver Lebensstil sowohl direkt als auch indirekt über die Verbesserung der motorischen Leistungsfähigkeit auf die Gesundheit auswirkt (Bös et al. 2009; Opper & Wagner 2009). Bereits im frühen Kindesalter konnte in einer Vielzahl an Longitudinal- und Querschnittstudien ermittelt werden, dass eine erhöhte körperliche Aktivität positive Effekte sowohl auf die körperliche als auch psychosoziale Gesundheit hat (De Bock 2012; Timmons et al. 2007, 2012; Strong et al.

2005). Dennoch lässt sich häufig keine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und den spezifischen Gesundheitsparametern bei Vorschulkindern nachweisen (Timmons et al. 2007), jedoch lassen eine Mehrzahl an biologischen Erklärungen auf kausale Zusammenhänge schließen (De Bock 2012, S. 136).

Mehrere Studien konnten einen konsistent positiven Zusammenhang zwischen den motorischen Fähigkeiten und der körperlicher Aktivität von Kindern ermitteln (vgl. Fisher et al. 2005; Timmons et al. 2007; Williams et al. 2008; Lubans et al. 2010; Larouche et al.

2014). Die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten wird als wichtiges Korrelat für Gesundheit betrachtet. Positive Effekte ließen sich ebenfalls auf die aerobe Fitness (Ausdauer/Kraft) feststellen (Sygusch et al. 2009; Dencker & Andersen 2011; Larouche et al.

2014), die bereits im Kindes- und Jugendalter im Zusammenhang mit kardiovaskulären Risikofaktoren steht (Ekelund et al. 2012), und auf die Knochengesundheit von Vorschul-kindern (Janz et al. 2010, 2014). Systematische Reviews zu den Effekten körperlicher Aktivität auf adipositasbezogene Parameter (BMI, Körperfettanteil) und kardiovaskuläre Risikofaktoren (Blutdruck, Cholesterinspiegel) im frühen Kindesalter zeigen jedoch mehr-heitlich inkonsistente Ergebnisse (Timmons et al. 2007, 2012; Sygusch et al. 2009; McMurray et al. 2013; Andersen et al. 2011).

Die häufigsten Risikofaktoren, die in Zusammenhang mit körperlicher Inaktivität bzw. dem Mangel an Bewegung bei Kindern genannt werden, sind – ähnlich wie bei Erwachsenen – Übergewicht, Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Risiken (u.a. erhöhte Blutdruck- oder Cholesterinwerte, abnehmende Insulinsensitivität, erhöhter Körperfettanteil, erhöhte Serum-lipidwerte) und Haltungsschwächen (vgl. Sygusch et al. 2009; Landsberg et al. 2009;

Sääkslahti et al. 2004; McMurray et al. 2013; Janssen & LeBlanc 2010).

Inaktivität wird neben einer Fehlernährung als wichtigster Risikofaktor für Übergewicht und Adipositas im Kindesalter gesehen. Die Daten des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys [KiGGS] zeigen, dass bereits im Alter von drei bis sechs Jahren 6,2 % der Kinder über-gewichtig und 2,9 % adipös sind (Kurth & Schaffrath Rosario 2007). Mit zunehmenden Alter steigt die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas (Landsberg et al. 2009; Kurth &

Schaffrath Rosario 2007). Kardiovaskuläre Risikofaktoren, die im Erwachsenenalter enge Assoziationen mit Übergewicht aufweisen, lassen sich häufig bereits bei übergewichtigen Kindern feststellen (Landsberg et al. 2009; Flechtner-Mors et al. 2012).

Neben positiven Effekten einer ausreichenden Bewegung auf den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf- und Immunsystem sowie die motorische Entwicklung, werden bei Kindern vor allem emotionale, psychosoziale und kognitive Aspekte herausgestellt (De Bock 2012;

Lampert et al. 2007). So konnte ermittelt werden, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer guten Feinmotorik und Hand-Augen-Koordination im Vorschulalter und frühen Schulleistungen in Mathematik und Sprachen besteht (Timmons et al. 2007). Bei älteren Kindern wurde ermittelt, dass regelmäßige körperliche Aktivität mit Verbesserungen der kognitiven Fähigkeiten und akademischen Leistungen assoziiert ist, jedoch mit geringen Effekten (Biddle & Asare 2011).

Regelmäßige körperliche Aktivität in der Kindheit weist zudem enge Assoziationen mit einer verbesserten psychischen Gesundheit auf, wie einem höheren Selbstbewusstsein und einem geringeren Erleben von Ängstlichkeit und Stress (Lampert et al. 2007; Biddle & Asare 2011).

In systematischen Reviews wurden signifikant positive Effekte von Bewegung auf das Selbstbewusstsein von Kindern ermittelt (Ekeland et al. 2005; Biddle & Asare 2011). Biddle

& Asare (2011) wiesen für ältere Kinder zudem günstige Effekte auf Depression und Ängstlichkeit nach, aufgrund der unterschiedlichen Qualität der Studiendesigns der ein-geschlossenen Studien jedoch mit limitierter Evidenz. Darüber hinaus fördert ausreichende Bewegung die Persönlichkeitsentwicklung, das Erlernen sozialer Kompetenzen sowie ein positives Selbstbild und trägt zu einer Stärkung der personalen und sozialen Ressourcen bei (Graf et al. 2006; Lampert et al. 2007). Ein positives Selbstkonzept spielt besonders für die Entwicklung der kindlichen Gesamtpersönlichkeit eine wichtige Rolle und wirkt sich förder-lich auf einen ganzheitförder-lich gesunden Lebensstil aus (Graf et al. 2006). Die Wirkungen von Bewegung auf die psychische Gesundheit lassen sich nach De Bock (2012) zu einem gewissen Teil darauf zurückführen, dass Kinder, die sich viel bewegen, häufig in Kinder-gruppen aktiv sind und damit Bewegung auch eine Gemeinschaftserfahrung darstellt.

Bewegung fördert daher unmittelbar die Gesundheit im Kindesalter. Jedoch lassen sich ebenfalls protrahierte positive Effekte im Jugend- und Erwachsenenalter feststellen (De Bock 2012). Ein systematisches Review von Völker (2009) lässt auf ein moderates Tracking3 körperlicher Aktivität vom Kindes- bis ins Jugendalter schließen; beim Tracking von der Jugend bis ins Erwachsenenalter zeigt sich zwar ein konsistenter, jedoch relativ schwacher Effekt. Zudem scheint es, dass geringe körperliche Aktivität oder Inaktivität ein stabileres Tracking aufweisen als ein hohes Aktivitätsniveau (Völker 2009; Janz et al. 2005).

Zusammenfassend belegt der derzeitige Erkenntnisstand, dass körperliche Aktivität im Kindesalter nicht in vollem Umfang die positiven Effekte aufzuweisen scheint, die ihr häufig zugeschrieben werden, sondern ihre Wirkung sich eher in einzelnen Variablen nachweisen lässt (Völker 2009; Sygusch et al. 2009). Dennoch unterstreichen die aus der aktuellen Datenlage hervorgehenden Erkenntnisse die Entwicklung adäquater Strategien zur Förderung von Bewegung im Kindesalter, insbesondere aus der Public-Health-Perspektive (Völker 2009;

Graf et al. 2014). Internationale Expert_innen empfehlen daher, dass Interventionen zur Förderung eines gesunden Bewegungsverhaltens und zur Prävention von Übergewicht und Adipositas bereits im frühen Kindesalter beginnen sollten (U.S. Department of Health and Human Services 2000; WHO 2009; Timmons et al. 2012; Hnatiuk et al. 2014; Larouche et al.

2014).

3.2 Besonderheiten des Bewegungsverhaltens von Kindern im