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Die vorliegende kumulative Dissertation untersucht, welche Effekte unterschiedliche Bedingungen (räumlich-materiell, inhaltlich-organisatorisch, personell), Strukturen und Ver-haltensweisen in den Settings Kindertagesstätte1 (im Folgenden: Kita) und Familie – die zentralen sozialen Mikrosysteme von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren – auf die Gesundheitsressourcen (körperliche Aktivität, Sozialverhalten und Lebensqualität) von Kindern im Vorschulalter haben. Bewegung gehört aus der Public Health-Perspektive zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf die Gesundheit und das körperliche und psychische Wohl-befinden (Walter et al. 2005). Sowohl aus gesundheits- als auch aus entwicklungspsycho-logischer Sicht hat Bewegung eine hohe Relevanz für die gesamte kindliche Entwicklung (Hurrelmann 2004). Die Förderung der körperlichen Aktivität bei Kindern und Jugendlichen stellt auch zukünftig eine zentrale Public Health-Aufgabe dar (WHO 2008). Das Vorschul-alter ist eine besonders kritische Periode für die Entwicklung eines gesundheitsrelevanten Lebensstils, insbesondere des Bewegungsverhaltens. Systematische Bewegungsförderung in der Kita kann die Freude der Kinder an Bewegung erhöhen und zu einer aktiven Alltags-gestaltung beitragen und damit das Auftreten von gesundheitlichen Risikofaktoren, wie ein Übermaß an sitzenden Tätigkeiten, reduzieren (Zimmer 2009a; Payr & Woll 2012). Soziale und umweltbezogene Faktoren als Korrelate von körperlicher Aktivität im Kindesalter wurden bisher nur in wenigen Studien untersucht (Sallis et al. 2002, 2006), gewinnen jedoch für die Erklärung des Bewegungsverhaltens und als Ansatzpunkte für bewegungsfördernde Interventionen zunehmend an Bedeutung (Bucksch & Schneider 2014). Obwohl die Vorschule eine Vielzahl an verhaltens- und umweltbezogenen Möglichkeiten zur Förderung der körperlichen Aktivität von Kindern bietet, liegen nur wenige Kenntnisse über die Angebotsstrukturen sowie die Effekte einer systematischen Bewegungsförderung in Kitas auf die Gesundheitsressourcen von Kindern vor. Die vorliegende Arbeit setzt an diesem Forschungsbedarf an. Folgende Fragestellungen liegen der Untersuchung zu Grunde:

• Über welche Maßnahmen und in welchem Umfang führen Kitas systematische Bewegungsförderung durch und inwieweit bestehen Unterschiede in der Bewegungs-förderung von Kindern?

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• Welche Effekte hat systematisch geförderte Bewegung in Kitas auf das Bewegungs-verhalten, die Gesundheitsressourcen (u.a. Lebensqualität) und das Sozialverhalten von Kindern?

Die Sozialisierung des Gesundheitsverhaltens erfolgt vor allem innerhalb der Familie. Die kindlichen Einstellungen, Überzeugungen und gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen (z.B.

ein gesundes Ernährungsverhalten und gesundheitsförderliches Bewegungsverhalten) werden in dieser Lebenswelt erworben und eingeprägt und können in späteren Altersabschnitten protektiv wirksam werden (Lohaus & Klein-Heßling 2009, S. 165-166). Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Untersuchung folgende weitere Fragestellung überprüft:

• Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem Sozialisierungsverhalten der Eltern und der körperlichen Aktivität der Kinder?

Den Fragestellungen wurden vor dem theoretischen Hintergrund und den empirischen Erkenntnissen die folgenden Hypothesen zu Grunde gelegt:

1. Kinder in Kitas mit systematischem Bewegungskonzept bewegen sich häufiger als Kinder in Kitas ohne Bewegungskonzept.

2. Kinder in Kitas mit systematischem Bewegungskonzept weisen stärker ausgeprägte soziale Kompetenzen auf als Kinder in Kitas ohne Bewegungskonzept.

3. Die soziale Interaktion zwischen Kindern ist in Kitas mit systematischem Bewegungs-konzept besser als in Kitas ohne BewegungsBewegungs-konzept.

4. Kinder in Kitas mit systematischem Bewegungskonzept weisen eine höhere Lebens-qualität auf als Kinder in Kitas ohne Bewegungskonzept.

5. Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Sozialisierungsverhalten der Eltern (bewegungsbezogenes Unterstützungsverhalten, Einstellung zu körperlicher Aktivität, bewegungsbezogenes Vorbildverhalten) und dem Aktivitätsniveau der Kinder.

Die Dissertation beruht auf dem Forschungsprojekt „Bewegungs- und Sozialverhalten von Kindern im Vorschulalter – Einflussfaktoren zur Stärkung der Gesundheitsressourcen im Kontext von Kindergarten und Familie“ (Projektleitung: Prof. Dr. phil. Ulla Walter, Medizinische Hochschule Hannover; Prof. Dr. phil. Rolf Werning, Leibniz Universität Hannover; Prof. Dr. phil. Michael Urban, Goethe-Universität Frankfurt am Main, zuvor Leibniz Universität Hannover). Das Kooperationsprojekt des Instituts für Epidemiologie,

Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Medizinischen Hochschule Hannover und des Instituts für Sonderpädagogik der Leibniz Universität Hannover wurde für den Zeitraum von zwei Jahren (10/2010 bis 12/2012) vom Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) gefördert.

Im Rahmen des dreiphasig angelegten Forschungsprojektes erfolgte in der ersten Forschungs-phase eine Bestandserhebung der Bewegungskonzepte und Angebotsstrukturen der Kitas in Niedersachsen (Vollerhebung). Anhand der Bestandserhebung wurden drei Kita-Gruppen mit unterschiedlich ausgeprägten Bewegungskonzepten ermittelt:

• Gruppe 1: Kitas mit systematischem Bewegungskonzept;

• Gruppe 2: Kitas ohne Bewegungskonzept;

• Gruppe 3: Kitas mit eingeschränktem Bewegungskonzept.

In der zweiten Forschungsphase wurde überprüft, inwieweit sich das Bewegungs- und Sozial-verhalten sowie die Gesundheitsressourcen der Kinder zwischen den Kitas mit einem systematischen Bewegungskonzept (Gruppe 1) und Kitas ohne Bewegungskonzept (Gruppe 2) unterscheiden. Es erfolgte zudem eine Analyse der Zusammenhänge zwischen dem bewegungsbezogenen Sozialisierungsverhalten der Eltern und dem Bewegungsverhalten von Kindern. In der dritten Forschungsphase wurden die konkreten Bewegungsaktivitäten und deren soziale Kontextualisierung in den Interaktionsformen und den Angebotsstrukturen der Kitas sowie Peer-Interaktionen der Kinder fokussiert.

Die Untersuchung der Fragestellungen und Hypothesen erfolgte unter einer systemischen Perspektive der Gesundheitsförderung spezifiziert durch sozial-ökologische Modelle der Gesundheit. Unter Anwendung eines Mixed-Methods-Designs, das standardisierte quanti-tative Erhebungsinstrumente und fokussierte Ethnografie verband, wurden die Ergebnisse der drei Forschungsphasen wechselseitig aufeinander bezogen, um sie in einem umfassenden Kontext zu stellen und einen detaillierten Einblick in den Umfang und die Umsetzung von Bewegungskonzepten und -programmen im Setting Kita sowie deren Effekte auf die Gesundheitsressourcen von Kindern zu erhalten. Es handelt sich um eine Querschnitt-untersuchung, deren deskriptive Ergebnisse der Hypothesenprüfung dienen und von denen Hinweise auf mögliche kausale Zusammenhänge generiert werden können, die im Rahmen von längsschnittlich angelegten Untersuchungen näher überprüft werden sollten. Ziel aus Public Health-Perspektive war es, Handlungsempfehlungen für die Umsetzung einer

systematischen Bewegungsförderung im Setting Kita zur Förderung des Bewegungsver-haltens von Kindern im Vorschulalter abzuleiten.

Zur theoretischen Einbettung der im Rahmen der kumulativen Dissertation veröffentlichten Artikel, werden diese in eine übergreifende Dissertationsschrift eingeordnet, die sich aus den folgenden Inhalten zusammensetzt. Zu Beginn wird eine umfassende Übersicht über die theoretischen Grundlagen der vorliegenden Untersuchung gegeben. Hierfür erfolgt zunächst die Definition der Begrifflichkeiten „körperlich Aktivität“, „Bewegung“, „Sport“ und „Spiel“.

Nachgehend soll der systemische Ansatz der Gesundheitsförderung vorgestellt werden, der den übergreifenden theoretischen Rahmen der Untersuchung bildet. Spezifiziert wird dieser theoretische Rahmen durch zwei ökologische Modelle von Gesundheit: das sozial-ökologische Modell nach Bronfenbrenner (1981) und die sozial-kognitive Theorie nach Bandura (2001). Anschließend wird der Stand der Forschung zur Bewegungsförderung bei Kindern abgebildet. Es werden zunächst wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Effekten der Bewegungsförderung im frühen Kindesalter auf die Gesundheit und die Besonderheiten des Bewegungsverhaltens von Kindern sowie Aktivitätsempfehlungen für das Vorschulalter dar-gestellt. Die Bedeutung der Förderung von Bewegung für die Bildungs- und Entwicklungs-prozesse von Kindern und deren Umsetzung im Setting Kita werden beschrieben. Im Anschluss wird ein Überblick über den Einfluss der Eltern auf das kindliche Bewegungs-verhalten gegeben. Diese Ausführungen fokussieren die für die vorliegende Dissertation bedeutsamen Settings der Bewegungsförderung im Kindesalter (Kita und Familie) und belegen die Relevanz der hier vorgestellten Studie.

Nachfolgend werden die zu Grunde liegenden Fragestellungen vertiefend erläutert sowie die Besonderheiten in der Methodik der Studie beschrieben: die Verwendung eines Mixed-Methods-Designs aus quantitativen und qualitativen Methoden und die Anwendung objektiver und subjektiver Messverfahren zur Erhebung des Bewegungsverhaltens von Kindern. Der anschließende Abschnitt umfasst die Vorstellung der eingereichten Beiträge der kumulativen Dissertation und deren inhaltliche Relation. Der Reviewprozess, der innerhalb der einzelnen Zeitschriften durchlaufen wurde, und die Beiträge der Ko-Autor_innen zu den Publikationen werden beschrieben. Den Hauptteil der vorliegenden Dissertationsschrift bilden die drei publizierten Artikel. Es folgt unter methodischer und theoretischer Perspektive eine kritische Diskussion des Studiendesigns, dessen Anwendbarkeit und Limitationen. Die zentralen Ergebnisse der Untersuchung werden anschließend unter Einbeziehung der zu Grunde liegenden Hypothesen weiterführend diskutiert. Als Ausblick werden wesentliche

Forschungs- und Praxisperspektiven, die sich aus den vorliegenden Ergebnissen ableiten lassen, aufgezeigt.

Die beschriebenen Inhalte gehen über die bisherigen projektbezogenen Berichte und Veröffentlichungen der Studie hinaus.

Zunächst soll an dieser Stelle jedoch der Beitrag der Autorin der vorliegenden kumulativen Dissertation zu dem oben beschriebenen Forschungsprojekt „Bewegungs- und Sozial-verhalten von Kindern im Vorschulalter – Einflussfaktoren zur Stärkung der Gesundheits-ressourcen im Kontext von Kindergarten und Familie“, auf dem die Dissertation beruht, beschrieben werden.

Beitrag der Autorin zu dem Forschungsprojekt „Bewegungs- und Sozialverhalten von Kindern im Vorschulalter“

Die Autorin der vorliegenden kumulativen Dissertation wirkte als Projektmitarbeiterin maßgeblich an dem Design sowie der Organisation, Koordination und Durchführung des vom nifbe geförderten Forschungsprojektes „Bewegungs- und Sozialverhalten von Kindern im Vorschulalter – Einflussfaktoren zur Stärkung der Gesundheitsressourcen im Kontext von Kindergarten und Familie“ mit. Die Autorin verfasste federführend den Projektantrag sowie den Abschlussbericht des Forschungsvorhabens mit. In der ersten Forschungsphase entwickelte sie das Untersuchungsinstrument für die Analyse der Bewegungskonzepte in den Kitas mit und hat die niedersachsenweite online und schriftliche Bestandserhebung der Bewegungskonzepte in den Kitas organisiert und durchgeführt.

In der zweiten Forschungsphase war die Autorin an der Entwicklung des Fragebogens für die schriftliche Befragung der Eltern und der systematischen Recherche und Auswahl von geeigneten standardisierten Erhebungsinstrumenten zur Erhebung der körperlichen Aktivität, der Lebensqualität, der kognitiven Fähigkeiten und des Sozialverhaltens der Kinder beteiligt.

Sie hat die persönliche Befragung der Kinder sowie den Einsatz der Pedometer und die schriftliche Befragung der Eltern und pädagogischen Fachkräfte koordiniert und mit-umgesetzt. Die Autorin konzipierte und realisierte maßgeblich die statistische Auswertung der quantitativen Daten der ersten und zweiten Forschungsphase. In der dritten Forschungsphase war die Autorin an der Planung und Organisation der ethnografischen Beobachtungsstudie sowie der Durchführung der Motorik-Tests mit den Kindern beteiligt.

Als Erstautorin der in die vorliegende kumulative Dissertationsschrift eingebetteten Publikationen war sie hauptverantwortlich für die Erstellung und Veröffentlichung der Manuskripte in international anerkannten Wissenschaftsjournalen mit Gutachtersystem (Peer Review). Zudem präsentierte und diskutierte die Autorin die Studienergebnisse auf nationalen und internationalen wissenschaftlichen Kongressen.

Die Beiträge der Ko-Autor_innen der eingereichten Publikationen der vorliegenden kumulativen Dissertation werden in Kapitel 6 ausführlich dargelegt.