10 Bilder bei der Suche in der Wikipedia
10.3 Verwendung von Bildern
Bilder spielen in vielen Disziplinen eine Rolle. Auch in der Informationswissenschaft und im Rahmen des Information Retrieval bzw. Multimedia Retrieval sind Bilder Ge-‐‑
genstand der aktuellen Forschung (z.B. [Cai et al., 2012]).
Das Nebeneinander von Text und Bild ist unter pädagogischen Aspekten bzw. im Zu-‐‑
sammenhang mit Lerntheorien mitunter ein entscheidender Faktor. Nöth [Nöth, 2008]
beschreibt dieses Zusammenspiel von Text und Bild als „...den Beitrag des einen für das andere Medium im Rahmen einer Gesamtbotschaft“ [Nöth, 2008, S.492].
Traditionelle enzyklopädische Texte wie in der Brockhaus Enzyklopädie sind tenden-‐‑
ziell nicht so stark bebildert, da jedes Bild Kosten in Anschaffung und Druck verur-‐‑
sacht und darüber hinaus einigen Platz beansprucht. Generell gilt aber, dass die tradi-‐‑
tionell knappe Formulierungsweise enzyklopädischer Texte von einer Anreicherung mit Bildmaterial profitiert.
In den digitalen Medien dagegen sind Bilder – abgesehen von Urheber-‐‑und Verwer-‐‑
tungsrechtsfragen und der entsprechenden generellen Verfügbarkeit – mühelos bunt und großzügig zu verteilen, ohne dass erhebliche Mehrkosten oder Platzprobleme auf-‐‑
treten. Dabei ist deshalb manchmal nicht mehr klar, ob ein Bild in einem digitalen Me-‐‑
dium wie z.B. einer Website oder einem Wikipedia-‐‑Artikel nur deshalb dort platziert wurde, weil es eben vorhanden und/oder zudem hübsch war, oder ob es wirklich zur Verdeutlichung eines Sachverhaltes beiträgt.
Nicht einmal die Richtigkeit eines Bildes, im Sinne von „der abgebildete Gegenstand entspricht dem Artikel/Seiten-‐‑Inhalt und/oder gehört zum Kontext des Inhaltes“ bzw.
„enthält neue, noch nicht an anderer Stelle vorhandene Information“ kann man allzu leicht feststellen und noch viel weniger voraussetzen.
Darüber hinaus besteht die Vermutung, dass auch syntaktische Faktoren Einfluss auf die Eignung oder den Nutzen eines Bildes haben können. Ein syntaktischer Faktor ist etwa die Größe eines Bildes oder die Frage, ob es sich um ein Farbbild oder ein schwarz-‐‑weißes Bild handelt. Auf pragmatischer Ebene werden Fragen nach der Bild-‐‑
verwendung untersucht, also zum Beispiel, ob das Bild nur eines von vielen ist oder einzeln an prominenter Stelle platziert wurde (siehe auch [Nöth, 2008]). Unter Um-‐‑
ständen kann ein an sich gutes Bild zum Beispiel in der Reihe vieler Bilder eher zur Verwirrung des Betrachters beitragen als zur Verbesserung der Verständlichkeit und/oder der Behaltensleistung.
Georg Peez beschreibt [Peez, 2006, S. 18]:
„die Analyse des visuellen Materials wird mit der Analyse verbalsprachlichen Materials verifiziert. Bild und Textanalyse sind demnach nicht als konkurrierende, sondern als er-‐‑
gänzende Interpretationswege zu verstehen.“
Der ergänzende Aspekt von Bildern ist wichtig, da nur dieser es möglich macht, indi-‐‑
viduelle Entscheidungen über die Verwendung von Bildern zu treffen. Diese subjekti-‐‑
ve Bewertung von Bildern als ergänzendes Moment bei der Informationsrecherche ist hier von Interesse.
Nach [Peez, 2006] gilt für die Analyse von Bildern bzw. für deren Interpretation das Verfahrensprinzip der Objektiven Hermeneutik. Entscheidend dafür ist, dass es bei der Interpretation nicht um Perspektivenübernahme und Fremdverstehen geht – ganz be-‐‑
tont nicht um das Handeln nach bestimmten Regeln oder darum, latente Sinnstruktu-‐‑
ren bei der Interpretation zu erkennen. Objektivität steht also nicht im Gegensatz zur subjektiven und individuellen Bewertung und Interpretation durch eine Person son-‐‑
dern bedeutet, frei von einer vorgegebenen Strukturiertheit. Auch wenn sich ein Bild optisch nicht ändert, so kann sich aber unsere Perzeption von ihm durch neue Informa-‐‑
tionen innerhalb kürzester Zeit drastisch verändern (dies auch entsprechend [Brookes, 1980; Ingwersen und Järvelin, 2005; Schamber et al. 1990; Ingwersen1982]).
Die Vorstellung von einem Bild beruht also auch auf unseren Vorstellungen und Er-‐‑
wartungen, die wir an das Bild herantragen [Haasebrook, 1995]. Diese Tatsache ent-‐‑
spricht dem Bezug des cognitive viewpoint [Ingwersen und Järvelin, 2005] auf das Bild.
Die kognitive Struktur hat ebenfalls einen Einfluss auf den situativen Mehrwert eines Bildes (z.B. ist der Bildgegenstand bekannt, erkennbar, ist er emotional konnotiert usw.). Bilder lassen eine Mehrdeutigkeit zu, die Spielraum für Interpretationen bietet [Schnotz, 2006].
Das referiert auch auf die kontextabhängige Relevanz von Bildern, allerdings mit der Erweiterung, dass dabei nicht nur das Medium, sondern vor allem auch die Unter-‐‑
scheidung innerhalb des Mediums Bild nach bestimmten Kriterien eine Rolle spielt.
Im Allgemeinen sollten Bilder und Text zwar in einer synergetischen Beziehung stehen – das ist aber eben nicht immer zwangsläufig der Fall. Formale und inhaltliche Aspekte der Text-‐‑Bild-‐‑Beziehung müssen aufeinander abgestimmt werden. Oft wird zuerst das Bild erfasst, dann erst der Text [Weidenmann, 1991]. Hier entscheidet der Nutzer, ab-‐‑
hängig von seinen Bedürfnissen. Allerdings kann ein Bild auch in einer fehlerhaften Text-‐‑Bild-‐‑Beziehung stehen, also ohne eine für die Lernförderlichkeit notwendigen Funktion (z.B. durch „falschen“ Inhalt, der nicht dem erwarteten bzw. dem der syner-‐‑
getischen Beziehung entsprechenden Sachverhalt darstellt). In dieser Arbeit wird die-‐‑
ser der Aspekt der Lernförderlichkeit noch durch die situative Angemessenheit bezüg-‐‑
lich des individuellen Nutzerbedürfnisses erweitert. Das bedeutet, dass auch wenn die Text-‐‑Bild-‐‑Beziehung formal korrekt ist ein Bild unter Umständen situativ keinen Bei-‐‑
trag zum intendierten Lernerfolg liefert (siehe dazu vor alle auch Kapitel 11.3). Dazu gehört der Logik des cognitive viewpoint (und nach [Weidenmann, 1991]) folgend auch die aktuelle Wissensstruktur des Nutzers.
„Ein Bild muss vom Betrachter umfassend wahrgenommen und richtig interpretiert und mit dem vorhandenen Wissen verknüpft werden“
[Weidenmann 1991, S. 24]
Das bestärkt, dass die Unterscheidung bei Bildern nicht ausschließlich auf die Frage ob, sondern auch darauf, welches Bild verwendet wird, gerichtet ist.