7 Berücksichtigung der Nutzungsszenarien
7.2 Zufriedenheit des Nutzers als oberste Priorität
7.2.3 Adaption mittels Berücksichtigung der Nutzerinteraktion
Ein weiterer (neben der Berücksichtigung semantischer Relationen) Weg, um Adaption zu ermöglichen, erfolgt durch Einbezug der Interaktion des Nutzers mit dem System [Kelly und Teevan, 2003; Joachims et al., 2007]. Durch Verwendung des in den Nutzer-‐‑
aktionen enthaltenen impliziten Feedbacks und dessen Berücksichtigung können Ver-‐‑
besserungen der Suchergebnisse aus Nutzersicht erzielt werden [White und Kelly, 2006].
Zum Thema des Implicit Feedback im Information Retrieval existieren bereits einige Un-‐‑
tersuchungen und Erkenntnisse.
Jansen und Mc Neese [Jansen und McNeese, 2005] zeigen mit qualitativen Methoden, dass sich Muster in der Interaktion von Nutzern ermitteln lassen und eine automati-‐‑
sche Suchassistenz dadurch verbessert werden kann. Morita und Shinoda [Morita und Shinoda, 1994] machten Zusammenhänge deutlich zwischen der expliziten Bewertung eines Textes durch den Nutzer und der Zeit, die er damit verbracht hat, diesen Text zu
17 im Sinne des in dieser Arbeit definierten Kontextes.
lesen. Für das in dieser Arbeit intendierte Forschungsdesiderat ist das eine wichtige Erkenntnis, da so mittels der Interaktion auf die situative Relevanz eines Textes ge-‐‑
schlossen werden kann (subjektive Relevanz eines Inhaltselements wird u.a. durch die Dauer der Berücksichtigung definiert, siehe dazu ab Kapitel 11.3).
Weitere Studien (z.B.[Claypool et al., 2001; Joachims et al., 2007]) konnten nachweisen, dass das Scroll-‐‑ und Klickverhalten der Nutzer sowie ebenfalls deren mit den Inhalten verbrachte Zeit eindeutige Zusammenhänge zur expliziten Bewertung der verwende-‐‑
ten Inhalte aufweist. Damit konnten Rückschlüsse auf die nutzerspezifischen Interes-‐‑
sen gezogen werden. Diese wiederum wurden erfolgreich dazu verwendet, um die Angebote zu verbessern. Auch die Blickbewegungen während der Suche [Buscher et al., 2008] liefern hilfreiche Hinweise in Form von implizitem Feedback, mit dessen Hil-‐‑
fe die Ergebnisse der Suche optimiert werden können.
In einer späteren Studie präzisieren Buscher et al. [Buscher et al., 2012] diese Ergebnis-‐‑
se. Die Autoren betonen, dass das gaze-‐‑based Implicit Relevance Feedback [Buscher et al., 2012] sehr gut geeignet ist, um die Websuche zu verbessern und die Suchergebnisse zu personalisieren.
Auch Untersuchungen von [Rayner, 1998; Nielsen, 2006] liefern Hinweise, dass durch die Analyse des Nutzerverhaltens Rückschlüsse auf deren Zufriedenheit mit den jewei-‐‑
ligen Inhalten getroffen werden können. Fox et al. [Fox et al., 2005] verwenden Maus-‐‑
klicks, die Verweildauer auf einer Seite sowie die Art und Weise, wie ein Nutzer die Suche beendete, als Indikatoren für seine Zufriedenheit.
Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Arbeiten von Feild und Kollegen [Feild et al., 2010], die mit großer Genauigkeit durch das Klick-‐‑Verhalten der Probanden verschiedene Frustrationslevel bestimmen können. Die aktuelle Zufrieden-‐‑
heit des Nutzers während der Suche zu erkennen ist ein wichtiger Grundstein für eine adaptive Informationspräsentation.
Auch Navalpakkam und Churchill [Navalpakkam und Churchill, 2012] verwendeten Interaktionsdaten, um Aussagen über den Nutzer zu treffen: sie zeigen, dass die Posi-‐‑
tion und die Bewegungsmuster der Maus Hinweise liefert, wie gut der Nutzer mit ei-‐‑
ner Seite zurechtkommt und ob er gerade zufrieden ist.
Neben der Beobachtung der Interaktion mit dem Browser werden in dieser Arbeit auch die Blickbewegungen der Nutzer aufgezeichnet. Nach Stand der Forschung lassen sich in der Anwendung theoretisch auch die Blickbewegungen aus den Interaktionsdaten nachvollziehen, wie [Rodden et al., 2008] und [Guo und Agichtein, 2010-‐‑2] beschrei-‐‑
ben. Guo und Agichtein identifizieren dazu drei verschiedene Typen einer Augen–
Maus–Koordination: Bookmarking (Maus verweilt an bestimmten Stellen), Incidental (Mausbewegungen sind zufällig) und Follow (Mauszeiger folgt den Blickbewegungen des Nutzers). Vor allem im Fall Bookmarking kann die Mausposition für Implizites Feedback verwendet werden, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen für den Nut-‐‑
zer interessanten Inhalt markiert [Guo und Agichtein, 2010-‐‑2]. Bei diesem Typen ist es sogar möglich, aus den Maus-‐‑Events präferierte Inhaltselemente vorherzusagen. Auch der Typ Follow bietet einige Hinweise auf die Augenbewegungen des Nutzers und hin-‐‑
sichtlich relevanter Inhalte. In den in dieser Arbeit durchgeführten Studien konnte al-‐‑
lerdings die Hand-‐‑Augen-‐‑Korrelation nicht bestätigt werden. Die Analyse der Brow-‐‑
ser-‐‑Interaktion zeigte keine eindeutigen Zusammenhänge mit den betrachteten Inhal-‐‑
ten (siehe dazu auch Kapitel 11.4.4).
Huang et al. [Huang et al., 2012] unterscheiden etwas genauer zwischen den einzelnen Arten der curser behaviour patterns [Huang et al., 2012, S.1] wie lesen, scrollen, klicken und deren Zusammenhang mit den Blickbewegungen des Nutzers. Durch die Berück-‐‑
sichtigung der verschiedenen Muster gelang es den Autoren, die gaze-‐‑position anhand der Curser-‐‑Aktivitäten sehr genau zu approximieren. Für eine adaptive Informations-‐‑
präsentation sind diese Erkenntnisse hilfreich, da so rückgeschlossen werden kann, welche Inhalte der Nutzer zur Problemlösung verwendet. Weitere Ergebnisse zur Hand-‐‑Augen-‐‑Korrelation sind zu finden bei [Guo und Agichtein, 2010-‐‑1].
Ein Zusammenhang zwischen gaze position und Curser-‐‑Bewegungen ist grundlegend, da im Falle eines adaptiven Interfaces auf die Browserinteraktion des Nutzers zurück-‐‑
gegriffen werden muss. Eyetracker stehen in der Regel dann nicht mehr zur Verfü-‐‑
gung.
Weitere Informationen, die der Interaktion des Nutzers mit dem Browser entnommen werden können, zeigen Adafre und de Rijke [Adafre und Rijke, 2006]. Mit Hilfe von Logfiles zu Suchtasks in der Wikipedia gelang es ihnen, automatisch zwischen einer directed (also einer gezielten Suche nach etwas) und undirected (Suche mit unspezifi-‐‑
schem Ziel) zu unterscheiden. Wenn die Hypothese, dass Nutzerpräferenzen abhängig von diesem Faktor unterschiedlich ausfallen bestätigt werden kann, so ist eine automa-‐‑
tische Erkennung der gezielten bzw. ungerichteten Suche eine Grundlage, damit ein System entsprechend adaptiv reagieren kann.
Auch Moshfeghi und Jose [Moshfeghi und Jose, 2013] zeigen, dass Kenntnisse über die Ziele des Nutzers die Ergebnisse verbessern können. Dazu untersuchten sie die Cha-‐‑
rakteristika vier verschiedener Suchtasks, einmal die Suche nach Informationen an sich, weiter den Typ information-‐‑refinding – also die Situation, dass ein Nutzer bereits einmal gefunden Informationen wieder sucht, und zwei Typen von reinem entertai-‐‑
ning-‐‑Charakter, etwa entsprechend den in dieser Arbeit verwendeten casual-‐‑leisure Si-‐‑
tuationen. Diese unterschieden sie noch zwischen adjusting arousal und adjusting mood.
Die Tasks wurden den Nutzer in einer simulated need situation präsentiert [Borlund, 2000]18.
Die Testpersonen wurden sowohl in Fragebögen vor, während und nach der Studie befragt als auch deren Interaktion mit dem verwendeten System mitgeloggt. Unter Bezug auf das mouse-‐‑gaze position alignment entsprechend [Guo und Agichtein, 2010-‐‑1]
konnte so ein Überblick gewonnen werden, wie lange die Nutzer jeweils die Ergebnis-‐‑
se betrachteten. Anhand von Fragebögen zeigen [Moshfeghi und Jose, 2013], welche Erfahrungen die Nutzer während der Suche gemacht haben, z.B. bezüglich ihrer Ge-‐‑
nauigkeit der Vorstellung der gesuchten Information, den Problemen, die Query zu formulieren oder der Vorstellung darüber, welche Informationen relevant sind. Es ist deutlich zu erkennen, dass sich diesbezüglich die Einschätzungen zwischen den ver-‐‑
schiedenen Tasktypen teilweise stark unterscheiden. Die Erkenntnis, dass sich die Be-‐‑
wertungen der Ergebnisse zwischen diesen Klassen unterscheiden ist ein Indiz dafür, dass es sinnvoll ist, diese Aspekte eines Nutzungsszenarios bei der Informationsprä-‐‑
sentation zu berücksichtigen.
18 Siehe dazu auch 11.2.3.
In der Studie von Moshfeghi und Jose wurde ebenfalls deutlich, dass anhand der Inter-‐‑
aktionsdaten statistisch signifikant unterschiedliche Verhaltensmuster zwischen den verschiedenen Aufgabentypen gefunden werden konnten. Deutlicher sind diese Er-‐‑
gebnisse noch, teilt man den Suchprozess in verschiedene Phasen [Moshfeghi und Jose, 2013]. Allerdings fehlen in dieser Studie Hinweise darauf, welche Inhaltstypen und -‐‑
elemente in den verschiedenen Aufgaben bevorzugt wurden, bzw. wo die Unterschie-‐‑
de in der Bewertung der Inhalte durch die Nutzer bei den unterschiedlichen Aufgaben liegen.
Die besprochenen Arbeiten zeigen, dass zwischen dem Informationsbedürfnis, dem Suchverhalten und der Zufriedenheit des Nutzers mit den präsentierten Inhalten Rückschlüsse möglich sind und dass deren Berücksichtigung die Zufriedenheit der Nutzer im Information Retrieval verbessern kann.
Durch die Curser-‐‑Positionen und Aktivitäten können (teilweise) Rückschlüsse auf die betrachteten Inhalte gezogen werden. Weiterhin sind Zusammenhänge zwischen der mit den Inhalten verbrachten Zeit und der Zufriedenheit damit [Fox et al., 2005] sowie einer Identifikation von Unzufriedenheit [Feild et al., 2010] durch das Klickverhalten vorhanden.