5 Unterschiedliche Nutzungsszenarien
5.6 Unterschiedliche Szenarien – weitere Einflüsse
5.6.7 Einfluss von Emotionen
In zweierlei Hinsicht spielt auch der Einfluss von Emotionen eine wesentliche Rolle.
Zum einen als Größe in den casual-‐‑leisure Szenarien, bei denen die Verbesserung der emotionalen Lage als zentrales Ziel auftreten kann [Elsweiler et al., 2011]. Zum anderen zeigen [Axelrod, 2004; Moshfeghi, 2009 so wie auch Nahl und Bilal, 2007] auch, dass
affektive (und nicht nur kognitive) Faktoren die Bedürfnisse eines Nutzers bei der Su-‐‑
che in digitalen Systemen beeinflussen.
Studien haben gezeigt, dass Emotionen auch im Information Seeking Process eine Rolle spielen [Nahl und Bilal, 2007; Axelrod, 2004; Poddar und Ruthven, 2010; Norman2005;
Arapakis et al., 2008 und Moshfeghi und Jose, 2013]. Gerade in Situationen, in denen Langeweile, Anspannung oder Stress herrschen, ist es damit möglich, dass die Präfe-‐‑
renzen für Inhalte unterschiedlich ausfallen.
Einerseits kann dies aus der grundsätzlichen Emotionsforschung und dem Wissen darüber abgeleitet werden [Scherer, 1990], dass Emotionen immer eine Rolle spielen, wenn Menschen Entscheidungen treffen [De Sousa, 1990]. Andererseits zeigen gezielte Arbeiten, dass während des Suchprozesses Wechsel in den Emotionen zu erkennen sind die sich auch abhängig von den Inhalten und dem Fortschritt der Suche zeigen [Kuhlthau, 1991] und [Moshfeghi und Jose, 2013].
Emotionale Erfahrungen können bei der Interaktion von Menschen mit Maschinen gemessen werden [Lopatovska, 2009]. Da sie das Verhalten der Menschen beeinflussen [De Sousa, 1990; Scherer, 1990], ist somit auch eine Auswirkung auf das Suchverhalten gegeben.
Im Rahmen einer Standard-‐‑Mensch-‐‑Maschine-‐‑Schnittstelle bleibt dies aber in der Regel unberücksichtigt – zumindest auf Seiten der Maschine [Picard, 1998]. Der emotionale Zustand des Nutzers kann sich aber verändern, entweder als Reaktion auf die Interak-‐‑
tion (als gewollt herbeigeführtes Ziel oder ungewollt) oder durch andere, äußere oder innere Einflüsse [Nahl und Bilal, 2007]. Nahl und Bilal beschreiben den Prozess der Informationsaufnahme und -‐‑verarbeitung als Zusammenspiel dreier unterschiedlicher Wahrnehmungsebenen: der sensomotorischen, der kognitiven und der affektiven. Die affektive Komponente ist also ebenfalls entscheidend (im Gegensatz zu einer reinen Fokussierung auf den Recall und die Precision entsprechend dem kognitiven Defizit).
Picard [Picard, 1998] zeigt in einer Studie exemplarisch, welches Potential dahinter steckt, wenn Systeme auf bestimmte affektive Zustände des Nutzers reagieren können, vor allem auf Frustration oder Ärger. Picard verwendet dazu zwei Wege, die Emotio-‐‑
nen des Nutzers zu erfassen: zum einen wird versucht, anhand der Interaktion auto-‐‑
matisch Rückschlüsse zu ziehen, zum anderen geben die Nutzer selber Auskunft über ihren emotionalen Zustand. [Picard, 1998] beschreibt Möglichkeiten, diese Auskünfte in der Mensch-‐‑Maschine-‐‑Interaktion zu berücksichtigen, vor allem im Bereich Enter-‐‑
tainment und Education. Dazu wurde ein System implementiert, mit dem gezeigt wer-‐‑
den konnte, dass es durchaus möglich ist, zum Beispiel durch Anpassung der Ge-‐‑
schwindigkeit auf z.B. Frustration des Nutzers zu reagieren. Diese Erkenntnis kann auch für die Informationssuche übernommen werden, da erstens bestimmte Emotio-‐‑
nen aus der Interaktion erkennbar sind (hierzu auch [Feild et al., 2010]) und zweitens eine Berücksichtigung dieser die Zufriedenheit der Nutzer steigern kann [Picard, 1998].
Poddar und Ruthven [Poddar und Ruthven, 2010] beschäftigen sich ebenfalls mit dem Zusammenhang der Emotionen des Nutzers und bestimmten weiteren Variablen eines Suchtasks. Dazu wurden die VPs gebeten, verschiedenen Suchaufgaben zu lösen, die vom fact finding bis hin zum exploratory learning in Komplexität, Umfang und persönli-‐‑
cher Gestaltungsfreiheit variierten. Es wurden von jeder Testperson Daten wie Vorwis-‐‑
sen, Erfahrung bei der Informationssuche und persönliche Interessen abgefragt.
Zusätzlich wurden die VPs gebeten, ihre Gedanken und Erfahrungen während der Suche laut mitzusprechen (think aloud). Ein Beobachter versuchte gleichzeitig, non-‐‑
verbale Ausdrücke mit zu protokollieren, die Hinweise für affektive Reaktionen sein könnten. Mit Hilfe dieses Versuchsaufbau wurde angestrebt, herauszufinden, ob die Teilnehmer bestimmte emotionale Muster im Zusammenhang mit den einzelnen Task-‐‑
typen durchliefen, ob die Emotionen unterschiedlich ausfielen, je nachdem ob die Nut-‐‑
zer einen künstlich konstruierten Task lösen mussten oder nach eigenem Interesse ex-‐‑
plorativ vorgehen durften. Außerdem war hier von Bedeutung, welche Faktoren der Interaktion am wichtigsten sind, um die Emotionen vorhersagen und erkennen zu können. Die Autoren fanden heraus, dass vor allem bei den eigenen (nicht vorgegeben) Search Tasks die Emotionen vor und nach der Suche besser waren als bei den konstru-‐‑
ierten Aufgaben [Poddar und Ruthven, 2010]. Damit wurde hier ein Einfluss des Auf-‐‑
gabentyps auf die Emotionen des Nutzers dargelegt.
Arapakis et al. [Arapakis et al., 2008] untersuchten ebenfalls den Einfluss von unter-‐‑
schiedlichen Suchtasks auf die emotionale Lage der Personen. Auch sie konnten zei-‐‑
gen, dass zum Beispiel die Komplexität einer Aufgabe einen Einfluss auf die Emotio-‐‑
nen der Nutzer hat. Weiter beschreiben Arapakis et al., dass auch der Schwierigkeits-‐‑
grad der Suche die Emotionen der Personen von einem eher positiven zu einem eher negativen Bereich bewegten. In der Konsequenz dazu erkannten die Autoren weiter, dass ein allgemeines, komplexes Zusammenspiel zwischen der Suche, den Emotionen der Probanden, deren kognitiven und auch physischen Prozessen und letztendlich wiederum mit den angewandten Suchstrategien vorliegt [Arapakis et al., 2008].
Die beschriebenen Studien legen dar, dass Emotionen sowohl als Zielgröße als auch als Einflussgröße auf das Suchverhalten in der Interaktion mit Systemen im Allgemeinen und dem Information Retrieval im Speziellen eine Rolle spielen. Es ergibt sich die Fra-‐‑
ge, ob dies auch auf die Suche in der Wikipedia zutrifft.
Eine weitere Problematik beim Thema der Emotionen ist die Komplexität sowohl bei der Beschreibung als auch der Erfassung selbiger, vor allem im Bereich der Mensch-‐‑
Maschine-‐‑Interaktion. Was sind Emotionen eigentlich, wie beeinflussen sie den Men-‐‑
schen und welche Emotionsmodelle sind für die Mensch-‐‑Maschine-‐‑Interaktion rele-‐‑
vant? Zentral ist auch die Frage, wie und in wie weit emotionale Zustände in der Kommunikation zwischen Nutzer und Computer im Allgemeinen und bei der Suche in der Wikipedia im Speziellen erfasst und berücksichtigt werden können. Diesen Frage-‐‑
stellungen wird im empirischen Teil dieser Arbeit nachgegangen (siehe ab Kapitel 11.1.1).