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Verschiedene Lösungsmittel im Vergleich

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 26-30)

In Tabelle II.2 sind zu verschiedenen chemischen Stoffen, welche im fluiden Zustand als Sol-vens verwendet werden können, die kritischen Temperaturen und Drücke aufgeführt.

Stickstoff steht als Hauptbestandteil der Luft (78,09 Vol.-% [63]) in großen Mengen billig zur Verfügung. Er ist chemisch relativ inert, nicht brennbar, nicht explosiv, ungiftig, geschmacksneutral und nicht umweltgefährdend. Wegen dieser vielen positiven Eigenschaf-ten findet er in den unterschiedlichsEigenschaf-ten Techniken Anwendung. Auch für die Herstellung und Bearbeitung von Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Be-darfsgegenständen ist Stickstoff geeignet und gesetzlich zugelassen (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 LMBG [580]). Die Firma Uhde Hochdrucktechnik GmbH (Hagen)2 stellt zum Beispiel Tabakblähan-lagen her, in denen nach dem Incom-Verfahren von Reemtsma das Volumen von Tabakfasern vergrößert wird. Der als Prozeßmedium verwendete komprimierte Stickstoff extrahiert dabei außerdem bei Erhalt des Tabakaromas einen gewissen Anteil an Nikotin und Kondensatstof-fen. Daß sich überkritischer Stickstoff bislang nicht noch besser in der technischen Anwen-dung durchsetzen konnte, läßt sich durch seine besonders niedrige kritische Temperatur be-gründen. In der Nähe der Raumtemperatur müssen sehr hohe Drücke erzeugt werden, um eine ausreichend große Dichte für eine gute Lösefähigkeit zu erzielen. Dadurch sind die techni-schen Anforderungen an Verfahrensanlagen gesteigert und die aufzuwendenden Investitions-kosten in die Höhe geschraubt.

Die chemisch inerten Edelgase Argon, Krypton und Xenon sind ebenfalls nicht brenn-bar, nicht explosiv, ungiftig und nicht umweltgefährdend. In der Luft sind diese Stoffe jedoch nur zu geringen Anteilen enthalten (Ar: 0,92 Vol.-%, Kr: 0,0001 Vol.-%, Xe: 0,000008 Vol.-% [63]), was sich auch im Preis dieser Chemikalien wiederspiegelt. Während Argon noch vergleichsweise billig ist, sind Krypton und Xenon sehr teuer. Neben den bereits ge-nannten Charakteristika sind für technische Anwendungen auch die Koordinaten der kriti-schen Punkte von großer Bedeutung. Bei Argon mehr als bei Krypton ist die kritische Tempe-ratur sehr niedrig gelegen. Um bei diesen Edelgasen in der Nähe der RaumtempeTempe-ratur hohe Dichten im überkritischen Bereich zu erzielen müssen hohe Drücke aufgewendet werden.

Diese wiederum machen technische Anlagen aufwendig, teuer und wenig rentabel. Die kriti-sche Dichte von Xenon liegt dagegen sehr günstig nahe bei der Raumtemperatur und auch der kritische Druck ist nicht übermäßig hoch. Die technischen Anforderungen an Apparaturen sind bei diesem Medium oberhalb der kritischen Bedingungen demnach nicht so groß. Hier sind es die eingeschränkte Verfügbarkeit und der hohe Preis, was die Anwendung [64, 65] des Edelgases Xenon als überkritisches Fluid auf den wissenschaftlichen Bereich begrenzt.

In Tabelle II.2 sind des weiteren mehrere Kohlenwasserstoffe und Alkohole aufge-führt. Darunter haben Ethylen und Ethan kritische Temperaturen ganz in der Nähe der Raum-temperatur, was diese Verbindungen als überkritische Lösungsmittel grundsätzlich sehr inter-essant macht. Auch Propylen und Propan haben noch relativ günstige kritische Daten. Bei den anderen Stoffen sind die kritischen Temperaturen für viele Anwendungen zu hoch. Ethylen und Propylen bringen die spezielle Problematik mit sich, daß sie in der Gegenwart von Radi-kalen polymerisieren können. Ihre Eignung als Lösungsmittel ist dadurch beeinträchtigt, wenn dieses Verhalten unerwünscht ist. Ethylen kann sich außerdem oberhalb bestimmter Drücke und Temperaturen explosionsartig zu Kohlenstoff, Wasserstoff und Methan zersetzen, was verhängnisvolle Folgen haben kann [66]. Benzol bringt den Nachteil mit sich, daß es giftig und cancerogen ist. Des weiteren ist Methanol giftig und n-Hexan und Toluol sind mindergif-tig. Mit allen Kohlenwasserstoffen und Alkoholen in Tabelle II.2 ist die Gefahr der Ent-flammbarkeit dieser Verbindungen verbunden. Durch das Auftreten von Undichtigkeiten an

2 http://www.uhde-uht.com

der jeweils verwendeten Druckapparatur können daher zusammen mit Luftsauerstoff explosi-onsgefährliche Gasgemische gebildet werden. Die Benützung der hier behandelten überkriti-schen Solventien ist deswegen nur dann möglich, wenn entsprechende Sicherheitsvorkehrun-gen getroffen sind. Damit verbindet sich wiederum der Nachteil, daß der Bau geeigneter Ver-fahrensanlagen verteuert wird. Trotzdem gibt es wirtschaftliche industrielle Anwendungen [56], wie zum Beispiel die Herstellung von Polyethylen mit niedriger Dichte (Low-Density-Polyethylene – LDPE). Bei diesem Verfahren wird Ethylen bei Temperaturen zwischen 80 °C und 300 °C und Drücken zwischen 1000 bar und 3000 bar radikalisch polymerisiert [67]. Als Reaktionsstarter werden Sauerstoff oder Verbindungen wie Dibenzoylperoxid oder Azoisobu-tyronitril (AIBN) verwendet. Das Ethylen, welches sich unter den Reaktionsbedingungen im überkritischen Zustand befindet, bildet mit dem entstehenden Polyethylen eine homogene Phase. Die Hochdruckpolymerisation des Ethylens wird kontinuierlich in einem Rohrreaktor oder einem Rührautoklaven durchgeführt. Allein in den USA werden derzeit ungefähr

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5 ,

3 ⋅ Tonnen LDPE pro Jahr mit einer Tendenz zu noch größeren Mengen hergestellt [68].

Eine andere industrielle Anwendung ist die Hydratisierung von leichten Alkenen im überkriti-schen Zustand zu den entsprechenden Alkoholen in Gegenwart eines Katalysators. Ethylen kann zum Beispiel bei einer Temperatur von 300 °C und einem Druck von 70 bar im Beisein von Wasser und Phosphorsäure auf einem Silika-Trägermaterial zu Ethanol hydratisiert wer-den. Die Unternehmen Shell, BP, Erdöl-Chemie und Hibernia-Chemie wenden dieses Verfah-ren im industriellen Maßstab an. Isopropanol wird von der Firma ICI unter Anwendung eines Wolframoxid-Katalysators bei einer Temperatur von 270 °C und einem Druck von 250 bar aus Propylen und Wasser hergestellt [69]. Der Betrieb VEBA verwendet hierzu bei Tempera-turen zwischen 180 °C und 260 °C und bei Drücken bis zu 650 bar Phosphorsäure auf einem Silika-Trägermaterial als Katalysator [70]. Für Anwendungen und Untersuchungen im wis-senschaftlichen Bereich gibt noch sehr viel mehr Beispiele, und nur eine kleine Auswahl da-von kann hier aufgeführt werden. So wurden zum einen Feinstpartikel da-von β-Carotin, einem orangefarbigen und vermutlich krebshemmenden Lebensmittel-Zusatzstoff, aus überkriti-schem Ethylen und Ethan nach dem RESS-Verfahren (siehe Punkt II.1.3) hergestellt [46].

Zum anderen erfolgte die Durchführung und Erforschung von Reaktionen. Bezüglich überkri-tischem Ethan können die heterogen katalysierte enantioselektive Hydrierung von Ethylpyru-vat an einem mit Cinchonidin modifizierten Pt / Aluminium-Katalysator [71], die photoindu-zierte Ligandensubstitution von bestimmten Metallcarbonylverbindungen [72] und die Tri-plet-Triplet Annihilierungsreaktion von Benzophenon [73] als Beispiele angeführt werden.

Propan und Hexan im überkritischen Zustand fanden in den letzten Jahren als Reaktionsmedi-um in Untersuchungen [74-76] zur Verbesserung des Verfahrens der Fischer-Tropsch-Synthese [77] Anwendung, bei der aus Fischer-Tropsch-Synthesegas (CO und H2) in einer heterogen kataly-sierten Reaktion Kohlenwasserstoffe erzeugt werden. Für die Luftoxidation von Isobutan zu tert.-Butylalkohol an speziellen in heterogener Weise wirksamen Katalysatoren konnte ge-zeigt werden, daß sie unter überkritischen Bedingungen bei einer Temperatur von 153 °C und einem Druck von 54 bar effizienter als in den Bereichen des gasförmigen oder des flüssigen Zustands vor sich geht [79, 80]. Es ist außerdem auch möglich, in überkritischen Kohlenwas-serstoffen Enzymreaktionen durchzuführen. Zum Beispiel wurde Methylmethacrylat durch eine suspendierte Lipase aus Candida cylindracea mit Ethylhexanol in Ethylen und Ethan unter überkritischen Bedingungen umgeestert [81]. Bei Ethan konnte dabei die Aktivität des Enzyms durch Druckveränderungen beeinflußt werden.

Verbindung kritische Temperatur

[ ]

K

Tc

kritische Temperatur

[ ]

C

c ° Θ

kritischer Druck

[ ]

bar

pc

Stickstoff 126,21 -146,94 33,9

Argon 150,87 -122,28 48,98

Krypton 209,41 -63,74 55,0

Ethylen 282,34 9,19 50,41

Xenon 289,73 16,58 58,4

Chlortrifluormethan 302 29 38,70

Kohlendioxid 304,21 31,06 73,825

Ethan 305,4 32,3 48,84

Distickstoffoxid 309,57 36,42 72,55

Schwefelhexafluorid 318,69 45,54 37,7

Propylen 364,85 91,70 46,01

Propan 369,82 96,67 42,50

Dichlordifluormethan 384,95 111,80 41,36

Isobutan 407,85 134,70 36,30

n-Butan 425,14 151,99 37,84

n-Pentan 469,69 196,54 33,64

Trichlorfluormethan 471,2 198,1 44,1

2,3-Dimethylbutan3 500,0 226,9 31,31

tert.-Butylalkohol 506,21 233,06 39,73

n-Hexan 507,7 234,6 30,10

Isopropanol 508,3 235,2 47,62

Methanol 512,64 239,49 80,92

Ethanol 513,92 240,77 61,32

Cyclohexan 553,5 280,4 40,7

Benzol 562,16 289,01 48,98

Toluol 591,79 318,64 41,04

Wasser 647,14 373,99 220,6

Tabelle II.2: Kritische Daten verschiedener chemischer Substanzen [61, 62].

3 2,3-Dimethylbutan wird in der Gaschromatographie als Bezugssubstanz verwendet.

Auch einige Chlorfluorkohlenstoffverbindungen (CFK) [77, 82] sind in Tabelle II.2 berück-sichtigt. Chlortrifluormethan weist darunter eine besonders günstig gelegene kritische Tempe-ratur in der Nähe der RaumtempeTempe-ratur auf, und auch der kritische Druck ist relativ niedrig.

Grundsätzlich wäre diese Verbindung dadurch für die Verwendung als überkritisches Fluid interessant, da relativ geringe technische Anforderungen damit verbunden sind. Hinzu kommt, daß die aufgelisteten Chlorfluorkohlenstoffverbindungen thermisch und chemisch sehr beständig sind. Sie sind nicht brennbar und nur relativ wenig toxisch. Seit einigen Jahren sind diese lange Zeit technisch in großem Umfang verwendeten Verbindungen jedoch in Mißkredit geraten. Es besteht der begründete Verdacht, daß die Ozonschicht der Erde durch sie geschädigt werden kann, wenn sie in die Stratosphäre gelangen [83]. Demnach können sie durch harte solare UV-Strahlung photolysiert werden, wobei Chlorradikale entstehen. Diese wiederum reagieren in einer komplexen Reaktionsfolge mit dem Ozon, das die Erde kugel-schalenförmig umgibt. Als Resultat ergibt sich eine Schwächung dieses relativ dünnen Gas-mantels. Harte UV-Strahlung kann dann weniger stark gefiltert aus dem Weltraum bis zur Erdoberfläche vordringen und bei den dort lebenden Menschen verstärkt Hautkrebs verursa-chen. Aus diesem Grund wurde 1986 von 31 Nationen beschlossen, den Verbrauch der in dieser Weise vermutlich gefährlichen Verbindungen einzufrieren und ab 1992 zu verringern.

Der dargelegte Sachverhalt begründet ausreichend, weswegen von Chlorfluorkohlenstoffver-bindungen als Lösungsmittel auch unter überkritischen Bedingungen Abstand genommen wird.

Neben Stickstoff sind auch noch die anorganischen Verbindungen Kohlendioxid, Di-stickstoffoxid (Lachgas), Schwefelhexafluorid und Wasser in Tabelle II.2 enthalten. Wegen seiner vielen besonderen Vorzüge wird Kohlendioxid ganz besonders häufig in der Technolo-gie überkritischer Fluide eingesetzt. Hierauf wird an anderer Stelle ausführlich eingegangen (siehe Punkt II.2.1). Lachgas besitzt eine günstige kritische Temperatur in der Nähe der Raumtemperatur. Von Nachteil bei dieser Verbindung ist, daß sie brandfördernd ist. Außer-dem hat sie eine narkotische Wirkung, wenn sie eingeatmet wird. Bei Vorhandensein einer genügenden Menge Sauerstoff ist sie jedoch praktisch ungiftig. Gelegentlich findet Distick-stoffoxid damit auch Anwendung als überkritisches Fluid [84]. Für manche Verbindungen ist Lachgas als Extraktionsmittel im Vergleich zu Kohlendioxid besser geeignet. Letzteres kann nämlich mit Aminen Carbamate bilden [85], welche in diesem überkritischen Fluid nicht lös-lich sind. Auch für Lipide ist Distickstoffoxid das bessere Solvens als Kohlendioxid [86, 87].

Schwefelhexafluorid hat ebenfalls eine kritische Temperatur in der Nähe der Raumtempera-tur, die es für die technische Verwendung als überkritisches Fluid interessant macht. Auch der moderate kritische Druck und die Ungiftigkeit und Ungefährlichkeit dieser Verbindung tragen hierzu bei. Überkritisches Schwefelhexafluorid erwies sich als Lösungsmittel, in dem auch Enzymreaktionen durchgeführt werden können. Bei der Umesterung von Methylmethacrylat mit Ethylhexanol durch eine suspendierte Lipase aus Candida cylindracea stellte es sich im Vergleich mit überkritischem Ethylen und Ethan sogar als das bessere Solvens heraus [81].

Das ungiftige, ungefährliche, in überaus großer Menge verfügbare und billige Wasser ist durch sehr hohe kritische Konstanten charakterisiert. Dadurch sind an technische Anwendun-gen wie die Oxidation in überkritischem Wasser (siehe Punkt II.1.3) sehr hohe apparative Anforderungen gestellt.

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 26-30)