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Möglicherweise industriell interessante Enzymreaktionen

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 108-112)

II.5 Komprimiertes Kohlendioxid als Reaktionsmedium

II.5.3 Enzymatisch katalysierte Reaktionen

II.5.3.5 Möglicherweise industriell interessante Enzymreaktionen

Im Folgenden seien einige enzymatisch katalysierte Umsetzungen vorgestellt, welche im Pro-zeßmedium komprimiertes Kohlendioxid gewinnbringend und daher auch von großgewerb-lichem Interesse sein könnten. Für weitere Anregungen sei auf die einschlägige Literatur ver-wiesen [354, 355]. Wegen der guten Umweltverträglichkeit und der toxikologischen Unbe-denklichkeit des betreffenden Lösungsmittels und der darin verwendeten Biokatalysatoren beziehen sich die gegebenen Beispiele vornehmlich auf Anwendungen in den Industriezwei-gen für Nahrungsmittel, Pharmazeutika und Kosmetika.

Die Verbindung 4-Cholesten-3-on kann durch eine Oxidation von Cholesterin mit Sauerstoff unter Einwirkung einer Cholesterin-Oxidase in komprimiertem Kohlendioxid ge-bildet werden. Randolph [338, 339] und Mitarbeiter zeigten dies zuerst. Sie verwendeten da-bei ein auf Glaskügelchen immobilisiertes Enzym (siehe Punkt II.5.3.1). Später demon-strierten Kane [255] und Mitarbeiter, daß die Durchführung der Reaktion auch mit Hilfe eines entsprechenden Biokatalysators, der in einem mizellären w/c-System gelöst vorliegt, möglich ist (siehe Punkt II.5.3.3). Das Oxidationsprodukt 4-Cholesten-3-on stellt ein kommerziell in-teressantes Ausgangsmaterial dar. Es ist eine Vorstufe in der pharmazeutischen Herstellung von Androst-1,4-dien-3,17-dion. Diese Substanz ist wiederum ein Ausgangsstoff für die Er-zeugung von Estradiol, das für die Herstellung oraler Kontrazeptiva verwendet wird.

In der öl- und fettverarbeitenden Industrie haben Lipase-katalysierte Umesterungen in organischen Lösungsmitteln zur Modifizierung der Zusammensetzung sowie der physikali-schen Eigenschaften von Triglyceriden eine beachtliche wirtschaftliche Bedeutung erlangt [354]. Es ist schwierig, auf nichtenzymatischem Wege zu erreichen, daß ein dreifach verester-tes Glycerin überwiegend bestimmte gewünschte Acylgruppen an den jeweils dafür vorgese-henen Positionen trägt. Gewöhnliche Umesterungsreaktionen verlaufen nämlich nach dem Zufallsprinzip. Dagegen zeichnen sich viele Lipasen durch eine ausgeprägte Regiospezifität aus [356, 357]. Durch ihre Anwendung können somit Umesterungsprodukte mit einer beson-deren Fettsäureverteilung und mit speziellen Eigenschaften erhalten werden. Bei Ausführung der enzymatischen Umsetzungen in organischen Medien (z. B. n-Hexan, Petrolether) mit ei-nem geringen Wassergehalt lassen sich konkurrierende Hydrolysereaktionen außerdem fast gänzlich unterdrücken [358]. Wirtschaftlich gewinnbringend sind solche Umesterungsprozes-se, bei denen ein billiger Rohstoff im großen Maßstab zu einem höherwertigen Produkt verar-beitet werden kann. Palmöl ist zum Beispiel ein Naturprodukt, das in großen Mengen und zu einem relativ geringen Preis verfügbar ist und das großtechnisch veredelt wird [354]. Seinen Hauptbestandteil macht das Triglycerid 1,3-Dipalmitoyl-2-oleyl-glycerol aus. Unter der Kata-lyse einer Lipase aus Rhizopus sp. kann dieser Stoff im Beisein von Stearinsäure zu 1-Palmitoyl-3-stearoyl-2-oleyl-glycerol und 1,3-Distearoyl-2-oleyl-glycerol umgeestert wer-den, wobei das eingesetzte Enzym die Reaktion regiospezifisch in die Positionen 1 und 3 lenkt. Abbildung II.31 zeigt hierzu ein Reaktionsschema. Die beiden entstehenden Triglyceri-de sind die Hauptbestandteile Triglyceri-der Kakaobutter, für die wegen ihres günstigen Schmelzverhal-tens vor allem in der Süßwarenindustrie, aber auch in der Pharmazie und im Gewerbe für Kosmetika ein großer Bedarf besteht.

CH2

Abbildung II.31: Umesterung von Palmöl mit Stearinsäure zu Kakaobutter durch eine Lipase aus Rhizopus sp. (Ol = Oleyl, Pa = Palmitoyl, St = Stearoyl) [354].

Als weiteres Beispiel kann die Umesterung des reichlich zur Verfügung stehenden und relativ billigen Olivenöls mit Stearinsäure in einem organischen Lösungsmittel wie n-Hexan durch eine Lipase aus Rhizopus delemar aufgeführt werden [356, 354]. Es wird dadurch ein Pro-duktgemisch erhalten, das kakaobutterähnliche Eigenschaften besitzt und welches wertvoller als der Ausgangsstoff ist. In ähnlicher Weise wie bei den Beispielen bezüglich Palmöl und Olivenöl werden des weiteren auch in der Margarineindustrie Triglyceride so modifiziert, daß höherwertigere Produkte mit gewünschter Konsistenz oder Qualität entstehen [354]. Es ist gut denkbar, daß die erwähnten enzymatisch katalysierten Umesterungen auch gewinnbringend und mit Vorteilen für die Prozeßführung (z. B. erleichterte Produktseparation und Lösungs-mittelregeneration) in dem umweltneutralen und gesundheitlich unbedenklichen Solvens komprimiertes Kohlendioxid durchgeführt werden können. Bezüglich der Herstellung von Kakaobutterbestandteilen wurde bereits eine einschlägige Forschungsarbeit veröffentlicht. Liu [333] und Mitarbeiter berichteten darin über gute Ergebnisse bei der Umesterung von Palmöl mit Tristearin in überkritischem Kohlendioxid ( p=103bar; Θ=50°C) zu den betreffenden Triglyceriden unter der katalytischen Einwirkung einer immobilisierten Lipase aus Mucor miehei. Weniger erfolgreich waren dagegen ihre Experimente mit Olivenöl und Erdnußöl. Im soeben behandelten Zusammenhang ist auch eine Untersuchung von Ooi [359] und Mitarbei-tern interessant, welche über die Raffinierung von rohem Palmöl durch einen im kontinuierli-chen Strom betriebenen Extraktionsprozeß mit überkritischem Kohlendioxid berichtet.

Für die Herstellung von Aromen und Duftstoffen sind in den Industriezweigen für Lebens- und Genußmittel sowie für Seifen und Parfüms Veresterungsprozesse von großer Bedeutung. Vielfach können diese betreffenden Synthesereaktionen auch Lipase-katalysiert durchgeführt werden. Um das chemische Gleichgewicht in Richtung der Esterbildung zu ver-schieben, wird dabei in organischen Lösungsmitteln mit einer geringen Menge anwesenden Wassers gearbeitet. Teilweise liegt der Gehalt daran in den eingesetzten Medien deutlich un-ter 1 Gew.-%. Im Folgenden seien einige kommerziell inun-teressante Esun-terverbindungen aufge-führt. Als Riechstoffe werden zum Beispiel mannigfach einige Zimtsäureester [77] eingesetzt.

Methylcinnamat duftet erdbeerartig, Ethylcinnamat besitzt einen fruchtig-balsamischen Zimt-geruch mit leichter Ambra-Note und Benzylcinnamat sowie Cinnamylcinnamat riechen bal-samisch süß. Ein Reaktionsschema für die Lipase-katalysierten Veresterungsreaktionen von Zimtsäure mit den betreffenden Alkoholen (Methanol, Ethanol, Benzylalkohol, Cinnamylal-kohol) zeigt Abbildung II.32.

O

OH

+ Lipase

O

O R R OH

Zimtsäure Zimtsäureester

+

H2O

Abbildung II.32: Veresterung von Zimtsäure (R = Methyl, Ethyl, Benzyl, Cinnamyl).

Auch finden verschiedene Geranylester [77] vielfache großgewerbliche Anwendung. Geranyl-acetat besitzt einen an Rosen erinnernden Blumengeruch und wird häufig in der Seifenindu-strie und in der Parfümerie verwendet. Als Fixateurmittel und als Duftkomponenten für Duftwässer werden zudem Geranylbutyrat (Rosenduft), Geranylisobutyrat, Geranylisovalerat, Geranylcaproat und Geranylpelargonat (z. B. geeignet für die Duftnoten Neroli, Efeu, Cycla-men, Reseda und Maiglöckchen) eingesetzt. Geranylbenzoat riecht ähnlich wie das ätherische Öl aus den Blüten des Ylang-Ylang-Baumes und ist ebenfalls von großem Wert für die Par-fümerie. Ein Reaktionsschema für die Lipase-katalysierten Veresterungsreaktionen der betref-fenden Säureverbindungen (Essigsäure, Butyrsäure, Isobutyrsäure, Isovaleriansäure, Capron-säure, PelargonCapron-säure, Benzoesäure) mit Geraniol zeigt Abbildung II.33.

OH

+ HO

O

R

Lipase

O O

R

Geraniol Geranylester

+ H2O

Abbildung II.33: Veresterung verschiedener Säureverbindungen mit Geraniol (R = Methyl, Propyl, Isopropyl, Isobutyl, Pentyl, Octyl, Phenyl).

Zu Geraniol strukturisomer ist die Verbindung Linalool. In der Parfümerie finden auch einige mit dieser Substanz gebildete Ester eine vielseitige Anwendung [77]. Dazu gehören die fruch-tig/blumig riechenden Stoffe Linalylbutyrat (Citrus-Lavendel-Duft), Linalylpropionat (Ber-gamotte-Lavendel-Maiglöckchen-Duft), Linalylvalerianat und Linalylanthranilat. Ein weiterer Flavour-Ester ist 2-Methylpentansäure-prenylester. Er läßt sich aus 2-Methylpentansäure und Prenylalkohol unter der Katalyse einer Lipase aus Candida cylindracea herstellen und besitzt eine fruchtige Geruchsnote [354]. Auch bezüglich der erwähnten enzymatischen Vereste-rungsreaktionen ist es gut denkbar, daß sie anstatt in organischen Lösungsmitteln gewinnbrin-gend und mit Vorteilen für die Prozeßführung (z. B. erleichterte Separation des unter Um-ständen thermolabilen Produktes und einfache Lösungsmittelregeneration) in dem umwelt-neutralen und gesundheitlich unbedenklichen Solvens komprimiertes Kohlendioxid durchge-führt werden können. Verschiedentlich wurden schon Forschungsarbeiten geleistet, welche diese Intention verfolgen. Zum Beispiel führten Chulalaksananukul [327] und Mitarbeiter in überkritischem Kohlendioxid (p=140bar; Θ=40°C) eine Umesterung von Propylacetat mit Geraniol durch und stellten so Geranylacetat her. Als Enzym verwendeten sie dabei eine Lipase aus Mucor miehei, welche auf makroporösen anionischen Harzkügelchen in fixierter Form vorlag.

Auf welche Art und Weise Biokatalysatoren in komprimiertem Kohlendioxid am vorteilhafte-sten angewandt werden, hängt grundsätzlich von ihrer Wirksamkeit in den betreffenden che-mischen Umgebungen und darüber hinaus von dem jeweiligen Prozeß ab, der ausgeführt wer-den soll. Stehen alle Einsatzmöglichkeiten (frei, immobilisiert, mizellär gelöst) zur Wahl, dann wird man wohl zumeist den immobilisierten und nicht den in freier Form eingesetzten Enzymen den Vorzug geben. Die oftmals sehr teuren Biokatalysatoren lassen sich dann nach ihrem Gebrauch nämlich leicht zurückerhalten und später wiederverwenden. Seltener er-scheint der Einsatz von in mizellären Systemen gelösten Enzymen sinnvoll zu sein, was meh-rere Gründe hat. Zum einen müssen bei dieser Art der Benützung der Biokatalysatoren spezi-elle Tenside verwendet werden. Diese sind einerseits fast immer teuer, andererseits erschwe-ren sie die Gewinnung des Reaktionsproduktes in reiner Form, und überdies kann meist nicht ganz ausgeschlossen werden, daß sie gesundheitlich bedenklich sind (siehe Punkt II.6), was Anwendungen zum Beispiel im Bereich der Lebensmitteltechnologie problematisch macht.

Zum anderen lassen sich die Enzyme nach ihrer Benützung in mizellärer Lösung nicht auf einfache Weise zurückgewinnen. Sie müßten durch komplizierte Verfahren einerseits vom Tensid und andererseits vom Reaktionsprodukt abgetrennt werden. Da dies sehr aufwendig ist, sind sie auf diese Art und Weise in den meisten Fällen wohl nur ein einziges Mal benütz-bar, was einen bedeutenden ökonomischen Nachteil darstellt.

Trotzdem gibt es zumindest ein konkreteres Beispiel für eine sinnvolle Anwendung von in mizellären Systemen gelösten Biokatalysatoren. Es gehört in einen Einsatzbereich, wo nicht ganz so hohe Anforderungen an die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Tenside ge-stellt sind wie zum Beispiel in der Lebensmitteltechnologie. Und zwar könnten mizellär gelö-ste Enzyme unterstützend beim Reinigen von Stoffgeweben in komprimiertem Kohlendioxid (siehe Punkt II.4.6) wirken. In diesem Fall muß der Biokatalysator im Textilreinigungsgerät selbst an den Ort der Verunreinigung gelangen können. Er muß mobil sein. Daß die ver-schmutzten Gewebestellen an eine fixierte Enzymträgersubstanz herangeführt werden, ist hier nicht möglich. Zur Immobilisierung von Biokatalysatoren werden außerdem meist Glas- oder Harzkügelchen verwendet. Diese würden sich ohne eine Fixierung bei einem Reinigungsvor-gang mit den Textilien vermengen und zu unerwünschten Nachfolgearbeiten führen. Überdies könnten unter Umständen technische Komplikationen durch die Kügelchen verursacht wer-den. In freier Form eingesetzte und durch Tenside gelöste Enzyme sind für die Anwendung der Reinigung von Textilien also vorteilhafter. Wenn die Biokatalysatoren hierbei jeweils nur einmal benützt werden können, müssen relativ billige verwendet werden, um das Säube-rungsverfahren nicht unwirtschaftlich werden zu lassen. Es gibt durchaus auch Enzyme, die nicht sehr teuer sind (z. B. Lipase aus Schweinepankreas). Aber auch eine Wiederaufarbei-tung der eingesetzten Biokatalysatoren zusammen mit der gebrauchten Tensidmischung ist denkbar. Über die Verwendung von Enzymen zur Unterstützung der Reinigung von ver-schmutzten Stoffgeweben in überkritischem Kohlendioxid (p=276bar; 40°C ≤Θ≤45°C) berichteten schon Jureller [260] und Mitarbeiter in einer Patentschrift. Die Forscher erzielten ohne die Verwendung von Tensiden verbesserte Ergebnisse bei der Entfernung von Flecken.

Vor der Behandlung mit überkritischem Kohlendioxid wurden die verschmutzten Stoffe dabei jeweils mit einer Enzymlösung getränkt. Unter Einwirken einer Protease (Savinase) konnten Spinat-Flecken aus einem Baumwollgewebe effektiver entfernt werden, und unter Anwen-dung einer Lipolase-Lösung gelang die Beseitigung von roten Kerzenwachsflecken aus dem-selben Material und aus Kunstseide besser. Der Einsatz einer Amylase (Termamyl) bewährte sich bei der Reinigung von Wolle, die mit Stärke und einem Azurblau-Farbstoff verschmutzt war.

II.6 Lebensmittelrechtliche Bestimmungen und Toxikologie von

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 108-112)