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Technische Anwendungen

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 32-42)

II.2 Überkritisches Kohlendioxid

II.2.2 Technische Anwendungen

Überkritisches Kohlendioxid wird aufgrund seiner zahlreichen vorteilhaften Eigenschaften (siehe Punkt II.2.1) in einer Vielzahl von technischen Anwendungen verwendet, und weitere Einsatzmöglichkeiten werden entwickelt. Im Folgenden sei ein Überblick [10, 11, 97] darüber unter Berücksichtigung von Industrie und Forschung gegeben.

Bis heute erfährt überkritisches Kohlendioxid seinen Einsatz weitaus am häufigsten in SFE-Extraktionsprozessen. Hierin konnte es sich auch auf industrieller Ebene in mehreren Anwen-dungen, vor allem in der Lebensmitteltechnologie, durchsetzen. In Tabelle II.3 sind verschie-dene Extraktionsprozesse, die wirtschaftlich sind, und Firmen, von verschie-denen diese betrieben werden, aufgelistet.

Am bekanntesten ist das Verfahren der Entkoffeinierung von Kaffe mit überkritischem Kohlendioxid [15, 98, 99]. Es geht zurück auf ein Patent von K. Zosel [100] aus dem Jahr 1970, das von ihm am Max-Planck-Institut für Kohleforschung (Mülheim) entwickelt wurde.

Es werden dabei grüne Kaffeebohnen mit einem bestimmten Wassergehalt mit überkritischem Kohlendioxid behandelt. Bemerkenswert ist, daß das Koffein auf diesem Wege hochselektiv herausgelöst werden kann. Stoffe, die beim anschließenden Rösten zur Bildung des Aromas beitragen, gehen den Kaffeebohnen nicht verloren. Von größter Bedeutung jedoch ist, daß nach der Druckentspannung mit Sicherheit keine giftigen Lösungsmittelrückstände in ihnen verbleiben. Damit hat das Verfahren der Entkoffeinierung von Kaffee mit überkritischem Kohlendioxid einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem, das die Chlorkohlenwasserstoffe Methylenchlorid oder Trichlorethylen als Extraktionslösungsmittel in Gebrauch nimmt. Von diesen bei der herkömmlichen Entkoffeinierungsmethode verwendeten Solventien wird vor allem in der Lebensmitteltechnologie zunehmend abgerückt, da sie im Verdacht stehen, krebserregend [77] zu sein. Heute werden weltweit mehr als 100 000 Tonnen Kaffee jährlich mit überkritischem Kohlendioxid entkoffeiniert [56]. Ein Verfahren zur Beseitigung von Kof-fein aus schwarzem Tee unter Erhalt des vollen Aromas wurde von Vitzthum und Hubert

aus-gearbeitet und patentiert [101]. Diese beiden Erfinder sind außerdem noch an vielen weiteren Patententwicklungen [102-109] im Zusammenhang mit überkritischem Kohlendioxid maß-geblich beteiligt.

Der größte Teil des heute produzierten Tabaks wird zur Herstellung von Zigaretten verwendet. Wegen der gesundheitsschädlichen Wirkungen des Rauchens besteht durch den Verbraucher das Bedürfnis nach leichtem Tabak. Darunter wird ein Produkt verstanden, das bei der Verbrennung im Rauch wenig Nicotin und Kondensatstoffe enthält. Bei der Behand-lung von Tabak mit organischen Lösungsmitteln zum Zwecke der Extraktion der gesundheits-schädlichen Substanzen besteht das Problem, daß das pflanzliche Material eine gummiartige Struktur annimmt. Hieraus ergeben sich wiederum Schwierigkeiten bei der Verarbeitung des Tabaks. Als besonders gut geeignetes Extraktionslösungsmittel hat sich dagegen überkriti-sches Kohlendioxid bewährt [102, 103]. Durch die Behandlung von Tabak mit diesem Sol-vens in Gegenwart von Wasser läßt sich der Nicotingehalt im biologischen Material und im daraus entstehenden Hauptrauch um ca. 95 % verringern [90]. Bei der Entspannung des Koh-lendioxids stellt sich durch das Austreten von Gasresten aus den pflanzlichen Fasern zudem eine gewisse Volumenszunahme ein. Dies ist von wirtschaftlichem Interesse, weil dadurch mit der gleichen Gewichtsmenge Tabak mehr Zigaretten hergestellt werden können und weil die Erzeugnisse besser brennen.

Aus Rationalisierungsgründen werden in der Brauindustrie zunehmend Hopfenextrak-te verwendet. Diese enthalHopfenextrak-ten in konzentrierHopfenextrak-ter Form die wertvollen AnHopfenextrak-teile der Hopfenharze, verschiedene Lupulone und Humulone [77]. Vor allem letztere ergeben nach einer Isomerisie-rung beim Brauprozeß den typischen Bittergeschmack. Im konventionellen Verfahren werden Hopfenextrakte mit Hilfe des Lösungsmittels Methylenchlorid, das im Verdacht steht, carci-nogen zu sein [77], hergestellt. Nach dem Lösen der Harze muß dieses Solvens abgedampft werden, wobei in der entstehenden pastösen Masse maximal 2,2 Gew.-% davon zurückblei-ben dürfen [90]. Hopfenextrakte ohne gesundheitsgefährdende Lösungsmittelrückstände kön-nen mit Hilfe von überkritischem Kohlendioxid hergestellt werden [91, 104]. Schon durch einen einstufigen Abscheidungsprozeß durch Druckabsenkung können hochwertige Hopfen-extrakte mit besten Ausbeuten an Humulonen und guten Extraktionsgraden an Lupulonen erhalten werden.

In der Lebensmittelindustrie kommen gleichfalls aus Rationalisierungsgründen immer häufiger Extraktkonzentrate von Gewürzen zum Einsatz. Diese Oleoresine werden als um so wertvoller eingestuft, je besser sie das Aroma, den Geschmack, die Schärfe und/oder andere sensorische Eigenschaften des Ausgangsmaterials infolge einer Verdünnung wiederherstellen.

Bei der Verwendung herkömmlicher Extraktionslösungsmittel (z. B. Methylenchlorid) zur Herstellung von Oleoresinen verbleiben in diesen jedoch meist Rückstände davon, welche geschmacksverändernd oder möglicherweise auch gesundheitsschädlich sein können.

Manchmal sind die Geruchs- und Geschmackskomponenten von Gewürzen auch temperatur-empfindlich, so daß ein einfaches Abdampfen des Lösungsmittels unter Temperaturaufwand, bedingt durch chemische Reaktionen, zu einem Verlust oder einer Veränderung des ursprüng-lichen Aromas führt. Auch für die Herstellung von Oleoresinen bietet sich deswegen in vielen Fällen der Einsatz von überkritischem Kohlendioxid als Extraktionslösungsmittel an [105].

Zum einen hinterläßt es in den lebensmitteltechnisch verwendeten Konzentraten keine ge-schmacksverändernden oder toxischen Stoffe, und zum anderen können die extrahierten Sub-stanzen leicht durch Druckerniedrigungen und ohne Anwendung höherer Temperaturen ge-wonnen werden. Einer Gewürzextraktion mit überkritischem Kohlendioxid werden zum Bei-spiel schwarzer Pfeffer [92], Muskatnüsse und Chillies unterzogen. Es werden dabei sehr gute prozentuale Ausbeuten an Piperin, etherischem Öl und Capsaicin erreicht [90].

Prozeß Firma Entkoffeinierung von Kaffee Kaffee HAG AG (Bremen, Deutschland)

General Foods (Houston, Texas, USA) Hermsen (Bremen, Deutschland) SKW-Trostberg (Pozzillo, Italien)

Entkoffeinierung von Tee SKW-Trostberg (Münchsmünster, Deutschland) Extraktion von Fettsäuren aus Biertreber Marbert GmbH (Düsseldorf, Deutschland) Nikotinextraktion Philip Morris (Hopewell, Virginia, USA) Aufreinigung von Pyrethrumextrakt4 Agrofarm, Großbritannien

Hopfenextraktion Pfizer Hops Extraction (Sydney, Nebraska, USA)

Hopfenextraktion HVG Barth, Raiser & Co.

(Wolnzach, Deutschland)

Hops Extraction Corp. Of America (Yakima, Washington, USA)

J. I. Haas, Inc. (Yakima, Washington, USA) Carlton United Breweries Ltd. (Melbourne, Australia)

Hopfen- und Gewürzextraktion SKW-Trostberg (Münchsmünster, Deutschland) Pauls & White, Reigat, Großbritannien

Aromastoffextraktion Camilli Albert & Louie, Grasse, Frankreich Flavex GmbH, Rehlingen, Deutschland Maisölextraktion Mohri Oil Mills, Japan

Farbstoffextraktion aus rotem Pfeffer Mohri Oil Mills, Matsuzaka, Japan Fuji Flavor, Japan

Sumitomo Seoko, Japan Yasuma, Japan

Hasegawa Koryo, Japan Takasago Foods, Japan

Tabelle II.3: Industriell angewandte Extraktionsprozesse unter Verwendung von überkriti-schem Kohlendioxid [12].

Als extraktionsähnliches Verfahren kann die industrielle Teilereinigung [23] mit überkriti-schem Kohlendioxid angesehen werden. Mit dieser Methode, die vorzugsweise fertigungsin-tegriert angewandt wird, werden öl- oder fettkontaminierte Bauteile nach ihrer Herstellung oder vor einer Weiterverarbeitung gesäubert. Als Lösungsmittel dient überkritisches Kohlen-dioxid. Es nimmt die anhaftenden Verunreinigungen auf und kann anschließend rückstands-frei und ohne daß ein Nachtrocknen notwendig wäre entfernt werden. Von großem prakti-schen Wert ist die Methode vor allem für kleine, hochporöse und/oder mechanisch

4 Pyrethrum ist ein Insektizid, welches aus getrockneten Blütenköpfen verschiedener Chrysanthemum-Arten durch Extraktion oder Pulverisieren gewonnen werden kann.

che Gegenstände (z. B. Platinen). Insbesondere ist sie für die Entölung von Sintermetallteilen sehr gut geeignet. Vorteile bringt es, wenn die zu reinigenden Gegenstände während des Pro-zesses bewegt werden oder wenn das überkritische Kohlendioxid mit einer turbulenten Strö-mung einwirkt. Die Effektivität der Säuberung der heikleren Stellen der Bauteile (z. B. Ge-winde, Sacklöcher) wird dadurch verbessert. Die Unternehmen Draper Laboratories (Cam-bridge, Massachusetts, USA) und Litton Industries (Salt Lake City, Utah, USA) benützen Anlagen gemäß einem Anwendeverfahren der Firma CF Technologies (Hyde Park, Massa-chusetts, USA) zur Reinigung von Metallteilen [59].

In Wissenschaft und Technik sind viele weitere Extraktionsprozesse mit überkritischem Koh-lendioxid Gegenstand von Untersuchungen zum Zwecke der Forschung und der Verfahrens-entwicklung:

Infolge einer industriellen oder militärischen Nutzung als Deponien, Produktionsstät-ten oder Stationierungsstandorte kommt es immer wieder zur Kontaminierung von Bodenflä-chen mit giftigen und/oder umweltgefährdenden Stoffen. Oftmals sind es die hohen Kosten, die dazu führen, daß notwendige Sanierungen aufgeschoben werden. Häufig werden dann nur notwendigste Sicherungsmaßnahmen durchgeführt, bei denen lediglich eine gewisse Reduzie-rung des Gefährdungspotentials der chemischen Schadstoffe erreicht wird. Zum einen bleibt damit die Umweltgefährdung durch die verseuchten Böden teilweise erhalten und zum ande-ren werden die Sanierungskosten letztendlich doch fällig, wenn die Bodenflächen zu einem späteren Zeitpunkt wieder genutzt werden sollen, so daß insgesamt mehr Gelder aufgewendet werden. Aus diesen Gründen besteht das Interesse, kostengünstigere innovative Sanierungs-verfahren zu entwickeln. Hauptsächlich für organische Kontaminationen hat sich diesbezüg-lich die Bodensanierung durch Hochdruckextraktion (HDE) [93, 94] mit überkritischem Koh-lendioxid als vielversprechend herauskristallisiert. Kostenabschätzungen ergaben, daß dieses Verfahren mit einem vergleichsweise niedrigen finanziellen Aufwand verbunden ist, so daß es eine wirtschaftlich interessante Alternative zu etablierten Sanierungsmethoden darstellen kann. Weitere Vorteile sind die sehr gute Fähigkeit von überkritischem Kohlendioxid, in Ma-terialien einzudringen und Stoffe herauszulösen sowie die erleichtert mögliche Abscheidung der Schadstoffe und die damit verbundene einfache Regenerierbarkeit des Lösungsmittels.

Durch Tests wurde gezeigt, daß eine Reihe unterschiedlicher Stoffklassen aus verschiedenen Bodentypen extrahiert werden kann. Die Hochdruckextraktion zur Sanierung kontaminierten Erdreiches ist zum Beispiel anwendbar bei Verschmutzungen mit Mineralölen, Benzol, Tolu-ol, XylTolu-ol, chlorierten Kohlenwasserstoffen wie Hexachlorcyclohexan, HexachlorbenzTolu-ol, Pen-tachlorphenol, polychlorierten Biphenylen (PCB), Dioxinen sowie mit explosiven und toxi-schen Kampfstoffen wie Trinitrotoluol (TNT) und S-Lost. Auch polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, die besonders schwerflüchtig sind, lassen sich mit diesem Verfahren aus Böden beseitigen.

Nach der Extraktion von gefährlichen Stoffen aus festen Materialien oder auch aus Flüssigkeiten durch überkritisches Kohlendioxid wäre es vorteilhaft, diese in einem unmittel-bar darauffolgenden zweiten Verfahrensschritt unschädlich zu machen. Eine vollständige Vernichtung der Schadstoffe so wie bei dem SCWO-Verfahren, der Oxidation in überkriti-schem Wasser (siehe Punkt II.1.3), ist hierbei erstrebenswert. Neben der Einsparung ver-schiedener Arbeitsschritte könnten in dem Kombinationsverfahren Risiken durch den Trans-port und die weitere Handhabung der gefährlichen Chemikalien vermieden werden [23]. Erste Experimente [60] an den Modellsubstanzen Ethanol, Methanol und Toluol führten zu dem Ergebnis, daß die Oxidation dieser Verbindungen in überkritischem Kohlendioxid durch Luft-sauerstoff mit ebenso hohen Umsetzungsraten durchgeführt werden kann wie bei der Durch-führung eines entsprechenden SCWO-Prozesses. Bei Methanol war sogar eine niedrigere Zündtemperatur festzustellen. Am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in

Pfinztal wird an der Weiterentwicklung des kombinierten Verfahrens zur Gefahrstoffvernich-tung geforscht.

Ein interessanter Prozeß zur Abfallverwertung, der kurz vor der Kommerzialisierung steht, ist die Aufbereitung von ölhaltigen Schleifschlämmen, die bei der Bearbeitung von Glas und Metall anfallen [23, 95, 96]. Der Sonderabfall besteht aus Metallstaub oder Glasmehl, welche mit Schleifmittelabrieb, Kühlschmierstoffen und zusätzlichen Verunreinigungen ver-mischt sind. Durch Behandlung mit überkritischem Kohlendioxid ist es möglich, hieraus wie-derverwendbare Komponenten zu gewinnen. Zum einen können die aus den Schleifschläm-men herausgelösten Kühlschmierstoffe durch einen Abscheidungsprozeß in wiedereinsetzba-rer Form zurückerhalten werden. Daraus ergibt sich der Vorteil, daß Frischöl bei der Bearbei-tung von Glas oder Metall eingespart wird. Zum anderen bleiben das Glasmehl bzw. der Me-tallstaub nach der Behandlung in einer Form zurück, die ein Wiederverwenden dieser Mate-rialien ermöglicht. Das als EMSIC (Entölung von Metallschleifschlämmen in CO2) bezeichne-te Verfahren wurde 1996 mit einem Umweltpreis der Abfallberatungsagentur Baden Würt-temberg (ABAG) ausgezeichnet. Die Lizenz dafür erwarb 1998 die Hessische Industriemüll Technologie GmbH (HIMTECH).

Das Polyen β-Carotin findet in der Lebensmitteltechnologie Anwendung als gelber Farbstoff (EG-Nr. E 160 a), zum Beispiel für Butter, Margarine und Käse sowie in Fruchtsäf-ten und Limonaden. Auch in der Kosmetikindustrie wird die Farbigkeit dieser Verbindung genutzt. Des weiteren wird β-Carotin als Futtermittelzusatz, als Antioxidans und in medizini-schen Präparaten als Vitamin A-Vorstufe verwendet [77]. Die Antitumor-Wirkung von β-Ca-rotin [78], die wissenschaftlich durch epidemiologische Studien nachgewiesen wurde, könnte das Interesse an dieser Substanz noch steigern. Ein hoher Anteil der industriell in großen Mengen benötigten Verbindung wird synthetisch über Vitamin A, das nach einer Wittig-Reaktion [110, 111] gebildet wird, hergestellt [112]. Geringe Mengen von gesundheitsschäd-lichen Chemikalien, die bei der Synthese als Reagens oder Solvens verwendet werden, ver-bleiben im hergestellten β-Carotin und können auf diesem Wege in Lebensmittel, Kosmetika und medizinische Präparate hineingelangen. Ähnliche Vorgänge wurden bei Nahrungsmitteln zum Beispiel schon nachgewiesen [113]. Es ist daher ein Forschungsinteresse, Extraktions-verfahren mit dem ungiftigen überkritischem Kohlendioxid für β-Carotin aus pflanzlichen Quellen zu verbessern und konkurrenzfähig zu machen [114, 115]. Die Verbindung ist in vie-len Früchten und Gemüsesorten enthalten [116]. Mit überkritischem Kohvie-lendioxid wurde β-Carotin unter verschiedenen Bedingungen bereits aus Moltebeeren [117], Paprika [118], Karotten [114, 119, 120], Kartoffeln [121] und Tomaten [122, 123] sowie aus Kürbissen, Grünkohl, Zucchini, Brokkoli, Mais und weiteren pflanzlichen Ursprüngen [120] extrahiert.

Eine vorteilhafte Einsatzmöglichkeit von überkritischem Kohlendioxid als Extrakti-onslösungsmittel bietet sich außerdem für die lederverarbeitenden Industrie an [124]. Der natürliche Fettgehalt von Schafhäuten kann mitunter relativ hoch sein. Damit Lederartikel von hoher Qualität daraus hergestellt werden können, muß er bis auf ein bestimmtes Maß redu-ziert werden. In konventionellen Entfettungsverfahren werden dazu organische Extraktionslö-sungsmittel verwendet, welche oft aus Gründen des Schutzes von Gesundheit und/oder Um-welt bedenklich sind. Wäßrige Systeme mit Tensidzusätzen als Alternative bringen den öko-logischen Nachteil großer Abwassermengen mit sich. Alle diese Probleme können mit der Verwendung von überkritischem Kohlendioxid als Fettlösemedium umgangen werden, da es ungiftig und umweltfreundlich ist und leicht als Solvens regeneriert werden kann. Bezüglich der Entfettung werden dabei außerdem hohe Wirkungsgrade erzielt.

In der großtechnischen Produktion ist die Chromatographie mit überkritischen Fluiden (SFC) von wesentlich geringerer Bedeutung als die Extraktion (SFE). Für analytische Laboruntersu-chungen ist diese Methode häufiger einsetzbar. So ist in Europa die einzige SFC-Anwendung im Produktionsmaßstab [11] die Fraktionierung von Fettsäureestern [125, 126], die von

Fisch-öl abstammen. Wegen der Bedeutung des Verfahrens für die Lebensmittelindustrie wird auch hier das ungiftige und physiologisch unbedenkliche Kohlendioxid als überkritisches Fluid verwendet. Fischöle enthalten einen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wel-che ihnen eine besondere ernährungsphysiologiswel-che Bedeutung geben [77]. So neigen Eski-mos, die viel Fisch essen, kaum zu Herzerkrankungen, obwohl sie sich hochkalorisch und fettreich ernähren. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren haben nämlich eine positive Wirkung auf die Prävention und Behandlung von Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Der diätetisch günstigste Effekt der mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist hauptsächlich der Eico-sapentaensäure und der Docosahexaensäure zuzuschreiben. Diese Substanzen kommen in vielen Fischarten zu hohen Anteilen vor. Die Chromatographie mit überkritischem Kohlendi-oxid kann beispielsweise auch dazu benützt werden, um das Triglyceridgemisch von Sardi-nenöl nach dem Grad der Ungesättigtheit seiner Bestandteile zu fraktionieren [127].

Beim Färben nach der SFD-Technik [31-39] ist überkritisches Kohlendioxid wegen seiner zahlreichen vorteilhaften Eigenschaften (siehe Punkt II.2.1) prädominierend. Aus ökologi-schen und ökonomiökologi-schen Gründen ist es in vielen Fällen den Prozeßmedien herkömmlicher Färbeverfahren überlegen. Große Beiträge zur Entwicklung der SFD-Technik wurden durch die Firmen Uhde Hochdrucktechnik GmbH (Hagen) und Ciba Geigy (Basel) in Zusammenar-beit mit dem Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West (DTNW) in Krefeld geleistet.

Zum Beispiel können dadurch Textilien aus Polyester schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt im kommerziellen Ausmaß gefärbt werden. Während die Firma Uhde die Entwicklung entspre-chender Hochdruckanlagen vorantrieb, arbeitete das Unternehmen Ciba Geigy an der Synthe-se geeigneter Farbstoffe [10].

Polyesterfasern werden im herkömmlichen Verfahren [32] in Wasser als Prozeßmedi-um gefärbt. Es werden dabei hydrophobe Dispersionsfarbstoffe verwendet, welche in die wasserabweisenden Polyesterfasern eindringen können. Da die Löslichkeit dieser Farbstoff-klasse in Wasser extrem schlecht ist, müssen den wäßrigen Färbeflotten Egalisiermittel (z. B.

Tenside) zugesetzt werden. Nur moleküldispers gelöste Farbstoffe können in die Fasern ein-diffundieren. Da das Eindringen in die Poren sich nur langsam vollzieht, ist ein relativ großer Zeitaufwand zum Färben nötig. Im Anschluß an diesen Vorgang erfolgt noch ein Nachreini-gungsschritt unter Verwendung von Wasser. Durch das gesamte Färbeverfahren entstehen große Abwassermengen, die umweltbelastende Chemikalien mit sich führen.

Wird überkritisches Kohlendioxid als Färbemedium eingesetzt, so ergeben sich daraus viele Vorteile [32]. Zum einen müssen keine zusätzlichen Chemikalien mehr als Egalisiermit-tel zugegeben werden. Die Farbstoffe werden durch das überkritische Kohlendioxid ohne wei-tere Zusätze gut gelöst. Zum anderen erfolgt das Eindringen der Farbmoleküle in die Poly-esterfasern schneller, so daß der Färbevorgang beschleunigt ist. Hierfür sind einerseits die hervorragenden Transporteigenschaften überkritischer Fluide und andererseits die Fähigkeit von Kohlendioxid, Polymere zu quellen [128-130] und damit ihre Poren zu weiten, verant-wortlich. Des weiteren sind im Anschluß an das eigentliche Färben kein Nachreinigungs- und kein Trocknungsvorgang mehr erforderlich. Durch Absenken des Betriebsdrucks wird Koh-lendioxid auf einfache Weise regeneriert. Überschüssiger Farbstoff fällt dabei als Pulver aus.

Beides kann später wieder verwendet werden. Von größter Bedeutung ist, daß während des gesamten Färbeprozesses kein Wasser benötigt wird. Dies stellt einen großen ökologischen Vorteil dar, da es nicht zum Entstehen von mit Chemikalien belasteten Abwässern kommt.

Aus dem Wegfall des Trocknungsprozesses ergibt sich überdies eine Energieeinsparung. Die relativ hohen Investitionskosten für die notwendigen Hochdruckapparaturen können dadurch und durch den geringeren Zeitaufwand für das Färben bald amortisiert werden. Danach erge-ben sich Kosteneinsparungen.

Baumwolle kann auch nach der SFD-Technik unter Verwendung von überkritischem Kohlendioxid als Prozeßmedium gefärbt werden, obgleich dies wegen der hydroplastischen

Natur der Fasern schwieriger ist [37]. Werden sie ausgetrocknet, so besteht eine zunehmende Wahrscheinlichkeit, daß sie eine glasartige Struktur annehmen, in der nur mehr sehr schwer Farbstoffe in sie eingebracht werden können. Es ist deswegen erforderlich, einen ausreichen-den Schutz vor Entwässerung zu gewährleisten. Eine zufrieausreichen-denstellende Aufnahme von Farb-stoff durch die Baumwollfasern kann erreicht werden, wenn eine Vorbehandlung mit Poly-ethylenglycol vorgenommen wird. Gute Waschechtheit läßt sich erzielen, wenn während des Färbeprozesses Benzamid zugegen ist, das die Farbstoffmoleküle durch Ausbilden von Was-serstoffbrückenbindungen in die Poren der Textilfasern einschließen kann. Polyethylenglycol und Benzamid sind wie Kohlendioxid physiologisch unbedenklich. Nach dem Färben kann der Überschuß an diesen Stoffen durch heißes Wasser ausgewaschen werden. Darüber hinaus gibt es weitere Methoden zum Färben von Textilmaterialien aus Wolle oder Cellulose [39].

Auch beim Imprägnieren [40-43] mit überkritischen Fluiden wird wegen seiner vielfältigen Vorzüge (siehe Punkt II.2.1) meist Kohlendioxid als Lösungsmittel verwendet. Polymere, Textilien, Keramiken und Holz sind Materialien, die sich in besonderer Weise für eine derar-tige Behandlung anbieten, da sie eine poröse Struktur besitzen. Durch eine Imprägnierung lassen sich manche physikalische und chemische Eigenschaften der behandelten Materialien verändern. So ist es zum Beispiel möglich, die Widerstandsfähigkeit gegenüber verschiedenen Einflüssen zu verbessern und/oder die thermische Leitfähigkeit sowie die Härte der Substan-zen zu erhöhen.

Kohlendioxid besitzt die Fähigkeit, viele Polymere zu quellen [128-130]. Dadurch ist es chemischen Verbindungen leichter ermöglicht, in die Poren solcher Kunststoffe einzudrin-gen [171]. Thermoplastische Polymere können unter anderem mit Duftstoffen, Pheromonen, Insektiziden und pharmazeutischen Stoffen imprägniert werden. Oft handelt es sich hierbei um Anwendungen, bei denen eine kontrollierte Freigabe (engl. Begriff: „controlled release“) der eingebrachten Verbindungen von großer Bedeutung ist. Als Beispiel sei die Imprägnie-rung von Naturkautschuk mit Farnesylacetat in überkritischem Kohlendioxid aufgeführt [41].

Nach der Behandlung wird der Duftstoff über einen längeren Zeitraum hinweg in kontinuier-licher Weise abgegeben. Manchmal werden Polymere auch mit organometallischen Verbin-dungen imprägniert, was für die Entwicklung von Katalysatoren von Bedeutung ist. Das in dieser Weise behandelte Material stellt ein interessantes Medium für Reaktionen, an denen die Organometallverbindung beteiligt ist, dar [42].

Zum Schutz vor Nässe werden viele Arten von Textilien mit wasserabweisenden Sub-stanzen imprägniert. Als besonders wirkungsvolle Chemikalien sind verschiedene Poly-Fluor-kohlenstoffverbindungen und Silicone bekannt [40]. Günstigerweise sind diese Stoffe auch in überkritischem Kohlendioxid gut löslich. Vorteilhaft an diesem Solvens ist auch, daß es nicht befeuchtend wirkt. Eine Imprägnierung von Textilien mit überkritischem Kohlendioxid wird dadurch besonders interessant.

Hölzer können mit Polymeren, Konservierungsmitteln, flammwidrigen Stoffen und anderen Substanzen imprägniert werden, um ihre funktionalen Eigenschaften zu verbessern.

Hölzer können mit Polymeren, Konservierungsmitteln, flammwidrigen Stoffen und anderen Substanzen imprägniert werden, um ihre funktionalen Eigenschaften zu verbessern.

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 32-42)