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Nichtenzymatische Reaktionen in mizellären Systemen

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 76-80)

II.5 Komprimiertes Kohlendioxid als Reaktionsmedium

II.5.2 Nichtenzymatische Reaktionen in mizellären Systemen

Mizelläre Lösungen und Mikroemulsionen in komprimiertem Kohlendioxid stellen ein mi-kroheterogenes Lösemedium sowohl für unpolare als auch für polare Substanzen dar. Wäh-rend die einen Stoffe eine Aufnahme durch die kontinuierliche Phase (CO2) erfahren, werden die anderen im Inneren der vorliegenden inversen Mizellen, in der dispergierten Phase (H2O), gelöst. Zusätzlich zu ihrer Funktion als Lösungsmittel können mizelläre Systeme auch als Medium für chemische Umsetzungen dienen. Wenn beide Reaktionspartner dabei im Inneren der inversen Mizellen vorliegen, dann werden die betreffenden Tensidaggregate häufig als

„Nanoreaktoren“ bezeichnet [296]. Reaktionen können jedoch auch in der kontinuierlichen Phase oder an der durch die Amphiphile gebildeten Grenzfläche stattfinden. Durch den zuletzt erwähnten Fall werden auch chemische Umsetzungen zwischen polaren und unpolaren Sub-stanzen ermöglicht, welche sich nicht gleichzeitig in einem einfachen Solvens lösen lassen.

Die enorme Größe10 der Grenzfläche zwischen kontinuierlicher und dispergierter Phase in Mikroemulsionen wirkt sich dabei förderlich auf die Geschwindigkeit aus, mit der solche Re-aktionen ablaufen [296, 297]. Gegenüber vergleichbaren mizellären Systemen in organischen Solventien besteht der Vorteil, daß nach Ablauf der jeweiligen chemischen Umsetzung eine Phasenentmischung und eine Produktseparation leicht durch eine Druckmanipulation erzielt werden können. Im gleiche Zuge ist es auch auf einfache Weise möglich, das Kohlendioxid, welches Hauptbestandteil des Lösemediums ist, zurückzugewinnen. Im Gegensatz zu vielen organischen Solventien ist dieses obendrein umweltneutral und ungiftig.

Mizelläre Lösungen und Mikroemulsionen in komprimiertem Kohlendioxid wurden bereits mehrfach als Medium für anorganische und organische Reaktionen benützt. Im Folgenden

10 In w/o-Mikroemulsionen bis zu 105 m2 pro Liter des mizellären Systems [296].

seien einige Beispiele aufgeführt. Auf manche spezielle Besonderheit bei diesen chemischen Umsetzungen soll dabei eingegangen werden, um einen Einblick in die Vielfalt der Einflüsse, welche auf chemische Reaktionen in solchen Systemen bestehen, zu geben. Weil die errichte-te Apparatur, welche in der vorliegenden Arbeit beschrieben wird, die Absorptionsspektro-photometrie als Untersuchungsmethode verwendet, werden bevorzugt solche Experimente erwähnt, bei denen die UV/VIS-Spektroskopie zum Einsatz kam. Auf enzymatische Reaktio-nen in mizellären Systemen in komprimiertem Kohlendioxid wird erst später eingegangen (siehe Punkt II.5.3.3).

Anorganische Reaktionen in mizellären Systemen in komprimiertem Kohlendioxid wurden zuerst von Clarke [196] und Mitarbeitern durchgeführt. Dabei wurden jeweils in der disper-gierten wäßrigen Phase gelöste Salze mit gasförmigen Reaktionspartnern, welche sich hervor-ragend mit dem verwendeten kontinuierlichen Medium mischen, umgesetzt. Im einen Fall brachten die Forscher mit Hilfe eines Perfluoropolyetherammoniumcarboxylat-Tensids (PFPECOO-NH4+: 1,4 Gew.-%, M =740 g/mol) eine schwefelsaure Kaliumdichromat-Lösung in überkritischem Kohlendioxid (p=143bar; Θ=32°C) in Lösung. Das entstan-dene optisch klare mizelläre System wies bei einer Wellenlänge von 380 nm eine starke Ab-sorption auf, welche Dichromat-Ionen zuzuordnen ist. Auf eine Zugabe von SO2-Gas hin ver-schwand diese charakteristische Bande im Laufe der Zeit, und es bildeten sich zwei schwä-chere bei 430 nm und 600 nm aus. Infolge einer Reduktion durch Schwefeldioxid war es zur Entstehung von Chrom(III)-Ionen aus den Dichromat-Ionen gekommen. Im anderen Fall brachten Clarke [196] und Mitarbeiter eine wäßrige Natriumnitroprussid-Lösung in einem mizellären System, ebenfalls gebildet durch ein Perfluoropolyetherammoniumcarboxylat-Tensid (PFPECOO-NH4+: 1,4 Gew.-%, M =740g/mol), in überkritischem Kohlendioxid (p=164bar; Θ=32°C) in Lösung. Infolge einer Zugabe von H2S-Gas zum optisch klaren Medium kam es zu einer Reaktion, bei der sich das Nitroprussid zersetzte.

Von verschiedenen Forschern wurden mizelläre Systeme in komprimiertem Kohlendi-oxid auch zur Synthese von Nanopartikeln verwendet. Holmes [295] und Mitarbeiter stellten solche feinsten Teilchen aus Cadmiumsulfid her. Dazu erzeugten sie zunächst mizelläre Lö-sungen mit einem bestimmten Gehalt an Wasser in überkritischem Kohlendioxid (p=345bar; Θ=45°C), welche durch ein Perfluoropolyetherammoniumcarboxylat-Surfactant (PFPECOO-NH4+: 3 Gew.-%, M =672g/mol) stabilisiert wurden und die eine genau bekannte Menge an Cadmiumnitrat enthielten. Danach wurde mittels einer Hochdruck-pumpe, eines Injektionsventils und einer geeigneten Probenschleife eine wäßrige Natriumsul-fid-Lösung zudosiert ( ( ) 1

2 2

3 NaS =

NO

Cd n

n ). Als Folge davon bildeten sich sofort gelbe Cadmi-umsulfid-Nanopartikel in der jeweiligen mizellären Lösung (5≤W0 ≤10). Durch eine Aus-wertung angefertigter UV/VIS-Spektren konnte auf deren Größe geschlossen werden. Es stellte sich heraus, daß sich stets relativ monodisperse Nanokristalle gebildet hatten, deren Durchmesser in etwa mit dem der winzig kleinen Wassertröpfchen in den inversen Mizellen übereinstimmten. Nach der Zugabe von Natriumsulfid schritt das Partikelwachstum demnach so lange fort, bis das Innere der Tensidaggregate weitgehend ausgefüllt war, und kam dann zum Stillstand. Die Größe der sich in diesem Verfahren bildenden Cadmiumsulfid-Nano-partikel läßt sich folglich über den Wassergehalt W0 der mizellären Lösung, der bestimmend ist für die Größe der Wasserkernradien, kontrollieren. Weitere Untersuchungen zur Synthese von feinsten Cadmiumsulfid-Teilchen in komprimiertem Kohlendioxid unter Verwendung von Tensidaggregaten führten Irvin und John [254] durch. Metallische Silber-Nanopartikel wurden von Ji [199] und Mitarbeitern in optisch klaren mizellären Lösungen (W0korr =12) unter Bedingungen im flüssigen (p=300bar; Θ=25°C) und überkritischen (p=367bar;

°C

=

Θ 35 ) Bereich hergestellt. Als Tensid verwendeten die Forscher Natrium-bis(2-ethylhexyl)-sulfosuccinat (AOT), dessen Wirksamkeit hinsichtlich der Ausbildung in-verser Mizellen durch ein Perfluoropolyetherphosphat (PFPE-PO4)-Cosurfactant unterstützt wurde (AOT: 12,8 mM; PFPE-PO4: 25,3 mM). Die Erzeugung der SilbNanopartikel er-folgte dadurch, daß zu den mizellären Lösungen, die Silbernitrat enthielten, ein Reduktions-mittel (NaBH(OAc)3) in geeigneter Menge hinzuinjiziert wurde. Nach Ablauf einer Zeit von höchstens 3 Minuten ab dem Zeitpunkt der Zugabe waren die Reaktionen weitestgehend ab-geschlossen. Mit Hilfe der UV/VIS-Spektroskopie konnte die Bildung der Silber-Nanoparti-kel, welche bei 400 nm durch eine Absorptionsbande charakterisiert sind, in Abhängigkeit von der Zeit beobachtet werden. Durch entsprechende Auswertungen der Spektren waren auch Rückschlüsse auf die Größe der gebildeten Partikel möglich. Die so erhaltenen Ergeb-nisse konnten durch Untersuchungen mit einem Transmissionselektronenmikroskop bestätigt werden. In diesem Fall der Erzeugung von feinsten Teilchen ergab sich ein relativ hoher Grad an Polydispersität. Silberhalogenid-Nanopartikel (AgI, AgBr, AgCl) wurden von Ohde [200]

und Mitarbeitern in komprimiertem Kohlendioxid hergestellt. Zunächst lösten die Forscher hierzu Silbernitrat und Natriumhalogenid (NaI, NaBr, NaCl) in zwei anfangs voneinander getrennt vorliegenden mizellären Lösungen (AOT: 12,8 mM; PFPE-PO4: 25,3 mM;

0korr =12

W ), welche der in diesem Text zuletzt beschriebenen sehr ähnlich waren. Eine davon stand unter einem Druck von 80 bar, die andere war mit 200 bar druckbeaufschlagt. Durch Öffnen eines Ventils wurde dann eine Vermischung der beiden mizellären Lösungen eingelei-tet. Im Folgenden ermöglichten Kollisionen der Tensidaggregate einen intermizellären Stoff-austausch und anschließend die Bildung von Silberhalogenid. Das Entstehen der Nanopartikel von AgI, AgBr und AgCl wurde bei den Wellenlängen 426 nm, 325 nm bzw. 300 nm in Ab-hängigkeit von der Zeit UV/VIS-spektrophotometrisch mitverfolgt. Die gemachten Beobach-tungen lassen den Schluß zu, daß der intermizelläre Stoffaustausch der geschwindigkeitsbe-stimmende Schritt des betreffenden Partikelbildungsprozesses ist.

Organische Reaktionen in mizellären Systemen in komprimiertem Kohlendioxid führten als Erste Jacobson [296] und Mitarbeiter erfolgreich aus. Sie untersuchten eine nukleophile Sub-stitutionsreaktion und zwei verschiedene Hydrolysereaktionen.

Bei der nukleophilen Substitutionsreaktion handelte es sich um die chemische Umset-zung von Benzylchlorid mit Kaliumbromid zu den Produkten Benzylbromid und Kaliumchlo-rid in optisch klaren mizellären Lösungen (4,6≤W0korr ≤9,7) in überkritischem Kohlendioxid (p=276bar; 45°C ≤Θ≤65°C), welche durch ein Perfluoropolyetherammoniumcarboxy-lat-Tensid (PFPECOO-NH4+: 1,4 Gew.-% und 3 Gew.-%, M =740 g/mol) gebildet worden waren. Das hydrophobe Substrat Benzylchlorid war nur in der kontinuierlichen Phase löslich, während das hydrophile Kaliumbromid durch die dispergierte Phase aufgenommen wurde. Es zeigte sich, daß die prozentualen Reaktionsausbeuten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mit zunehmender Konzentration an Benzylchlorid und steigender Temperatur größer wurden.

Auf eine Absenkung des Wassergehaltes hin kam es dagegen zu einer Verringerung an gebil-detem Produkt. Der begrenzende Faktor bei der Synthese von Benzylbromid in den mizellä-ren Lösungen (Ausbeute ≤ 30 %) war die relativ geringe Menge an Kaliumbromid, die in den wasserarmen Systemen aufgenommen werden konnte. Weil kein als Nebenprodukt gebildetes Benzylhydroxid festgestellt werden konnte, kann gefolgert werden, daß die Reaktion in einer nichtwäßrigen Umgebung, und zwar an der mizellären Grenzfläche, stattfand. Die Verwen-dung des anionischen Perfluoropolyetherammoniumcarboxylat-Surfactants erweist sich in diesem Zusammenhang somit als weniger günstig, da die negativen Ladungen der Kopfgrup-pen antikatalytisch auf den Ablauf der chemischen Umsetzung einwirken. Sie erschweren an der Grenzfläche die Bildung des ebenfalls negativ geladenen Übergangszustandes, der

wäh-rend der nukleophilen Substitutionsreaktion durchlaufen wird. Der Einsatz eines nichtioni-schen oder kationinichtioni-schen Tensids würde sich wahrscheinlich als vorteilhafter erweisen. Die chemische Umsetzung von Benzylchlorid mit Kaliumbromid wurde zu Vergleichszwecken auch in einem w/o-System aus Wasser, n-Octan und dem anionischen Tensid AOT unter sonst sehr ähnlichen Bedingungen durchgeführt. Dabei ergab sich eine um eine Größenordnung geringere Ausbeute (< 2 %). Dies läßt sich auf die beträchtlich geringere Mikroviskosität des mizellären Systems in überkritischem Kohlendioxid zurückführen. Jacobson [297] und Mitar-beiter führten die betreffende nukleophile Substitutionsreaktion auch in trüben w/c-Emulsio-nen durch, die unter Anwendung eines Perfluoropolyetherammoniumcarboxylat-Tensids (PFPECOO-NH4+: 0,5 Gew.-%, M =940g/mol) gebildet worden waren und die Wasser und Kohlendioxid zu gleichen Gewichtsanteilen enthielten. Wegen der viel größeren Menge an Wasser im System konnte im Vergleich zu den mizellären Lösungen auch wesentlich mehr Kaliumbromid darin aufgenommen werden. Aus diesem Grund wurden in diesem Emulsi-onsmedium auch höhere Reaktionsausbeuten (≤ 47 %) erzielt.

Jacobson [296] und Mitarbeiter untersuchten des weiteren die Hydrolysereaktionen von Benzoylchlorid und p-Nitrophenylchloroformiat in mizellären Lösungen (5≤W0korr ≤10) in überkritischem Kohlendioxid (p=276bar; Θ=35°C), welche durch ein Perfluoropoly-etherammoniumcarboxylat-Surfactant (PFPECOO-NH4+: 1,4 Gew.-%, M =940g/mol) gebildet worden waren. Da beide Substrate hydrophober Natur sind, wurden sie nur durch die kontinuierliche Phase gelöst, während sich der Reaktionspartner Wasser bevorzugt in der dispergierten Phase aufhielt. Die chemischen Umsetzungen fanden auch in diesem Falle an der mizellären Grenzfläche statt. Für die Geschwindigkeit der Reaktionen war der Wasserge-halt der inversen Mizellen von großer Bedeutung. Bei einem W0korr-Wert von 5 verlief die Hydrolyse von p-Nitrophenylchloroformiat schneller als die von Benzoylchlorid. Umgekehrt verhielt es sich jedoch bei einem W0korr-Wert von 10. Begründen läßt sich dies einerseits durch etwas unterschiedliche Reaktionsmechanismen und andererseits durch die physikali-schen Eigenschaften von Wasser, welche sich mit den W0korr-Werten verändern. Im Falle von Benzoylchlorid ist im Vergleich zu p-Nitrophenylchloroformiat der C–Cl-Bindungsbruch im Übergangszustand wegen des konjugativen Elektronenschubs durch die Arylgruppe weiter fortgeschritten. Deswegen wird die Reaktion durch eine hohe Wasserpolarität, welche das kationische Acyliumion und auch das Nukleofug stabilisiert, gefördert. Mit steigenden W0korr-Werten nimmt sie zu. Benzoylchlorid wird folglich besser bei höheren Wassergehalten der inversen Mizellen hydrolysiert. Im Falle von p-Nitrophenylchloroformiat sorgt die Aryl-oxygruppe für einen gesteigert elektrophilen Charakter des Carbonyl-Kohlenstoffatoms, so daß für den Ablauf der Hydrolysereaktion vor allem die Nukleophilie des Wassers, welches als angreifendes Agens fungiert, von Bedeutung ist. Eine Abnahme des W0korr-Wertes, mit der eine Reduktion der Größe des Wasserkerns in den inversen Mizellen einhergeht, führt zu ei-ner Konzentration der negativ geladenen anionischen Tensidkopfgruppen und zu stärker aus-geprägten Assoziationen der Wassermoleküle mit diesen. Damit ist eine Steigerung der Nu-kleophilie des Grenzflächenwassers verbunden. Dies erklärt, weswegen p-Nitrophenylchloro-formiat besser bei niedrigen Wassergehalten der inversen Mizellen hydrolysiert wird. Zu Ver-gleichszwecken wurden die beiden Reaktionen auch in einem w/o-System aus Wasser, n-Octan und dem anionischen Tensid AOT unter sonst sehr ähnlichen Bedingungen durchge-führt. Es ergab sich, daß sowohl die Hydrolyse von Benzoylchlorid als auch die von p-Nitro-phenylchloroformiat in den untersuchten mizellären Lösungen in überkritischem Kohlendi-oxid mit Geschwindigkeitskonstanten verliefen, die um eine Zehnerpotenz größer waren. Dies läßt sich erneut auf die in diesen Systemen deutlich geringere Mikroviskosität zurückführen.

Polymerisationen in Dispersionen [217, 298] und in inversen Emulsionen [218, 299]

in komprimiertem Kohlendioxid weisen eine Verwandtschaft mit Reaktionen in mizellären Lösungen und Mikroemulsionen in diesem Solvens auf. Auch bei diesen chemischen Prozes-sen [56, 170, 172, 210] werden spezielle Tenside zur Systemstabilisierung eingesetzt. Disper-sionspolymerisationen werden zur Herstellung einheitlicher Polymerpartikel mit Durchmes-sern zwischen 100 nm und 10 µm für Anwendungen im Bereich der Oberflächenbeschichtun-gen durchgeführt [172].

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 76-80)