• Keine Ergebnisse gefunden

Technische Anwendungsverfahren

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 23-26)

Die besonderen physikalischen Eigenschaften überkritischer Fluide werden in zahlreichen technischen Anwendungen genutzt. Vielfach haben die entwickelten Verfahren [7-11] auch Einzug in die industrielle Technik gehalten.

Besonders große Bedeutung erlangte die Extraktion mit überkritischen Fluiden (Su-percritical Fluid Extraction – SFE) [12-20]. Sie ist die am häufigsten angewandte Technik mit diesen Solventien. Da die Viskositäten überkritischer Fluide ähnlich gering sind wie die von Gasen, was mit geringen Oberflächenspannungen und geringen Strömungswiderständen verbunden ist, können sie besser als Flüssigkeiten in feinste Poren von Festkörpermaterialien eindringen und wieder daraus hervortreten. Dabei ist ihre Lösungskraft mit der von flüssigen Solventien vergleichbar, weil ähnliche Dichten erreicht werden können. Die Gewinnung ex-trahierter Stoffe aus dem Extraktionsmittel ist auf einfache Weise durch Erniedrigen der Dich-te des Mediums durch Druckabsenkungen ermöglicht. Zusätzliche Trennprozesse wie Destil-lation oder Reextraktion sind hier nicht so wie bei der Verwendung konventioneller flüssiger Lösungsmittel erforderlich. Die Extraktion mit geeigneten überkritischen Fluiden kann da-durch in besonderem Maße für das Gewinnen von Substanzen interessant sein, die thermola-bil sind. Eine Trennung von mehreren gelösten Stoffen mit ausreichend unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften ist in einer mehrstufigen Abscheidung unter Nützen der stufenlosen Modifizierbarkeit der Dichte des Solvens oberhalb der kritischen Temperatur möglich. Das durch die Dichteerniedrigung regenerierte Lösungsmittel kann nach einer erneu-ten Kompression wieder in den Extraktionsprozeß zurückgeführt werden [23]. Durch Tempe-raturänderungen ist die Gewinnung gelöster Substanzen ebenso ermöglicht, wenn keine zu berücksichtigende Thermolabilität besteht. Ob eine Erhöhung oder Erniedrigung der Tempe-ratur bei gleichbleibendem Druck notwendig ist, hängt von der Lage des Inversionsdrucks und der Höhe des Betriebsdrucks ab (siehe Punkt II.1.2). Gelöste Feststoffe mit verschiedenen Inversionsdrücken, die nicht zu nahe beieinander liegen, können durch eine retrograde Rekri-stallisation [24], bei der das unterschiedliche Löslichkeitsverhalten bei verschiedenen Tempe-raturen ausgenützt wird, teilweise voneinander getrennt werden. Dabei ist es möglich, eine der Substanzen fast völlig rein zu erhalten.

Die Chromatographie mit überkritischen Fluiden (Supercritical Fluid Chromatogra-phy – SFC) [18-22] hat sich vor allem als analytische Methode etabliert. Gelegentlich wird das Verfahren auch mit der Fluidextraktion kombiniert [25-28]. In der industriellen Produkti-on findet es allerdings kaum Anwendung. Die Chromatographie mit überkritischen Fluiden kann aufgrund der besonderen physikalischen Eigenschaften dieser Solventien als Bindeglied zwischen der Gaschromatographie (Gas Chromatography – GC) und der Flüssigkeitschroma-tographie (Liquid Chromatography – LC) angesehen werden. Wegen der kontinuierlichen Modifizierbarkeit der Dichte und damit der Lösungskraft überkritischer Fluide kann bei der SFC das Verteilungsgleichgewicht zwischen stationärer und mobiler Phase ganz besonders gut an die gegebenen Bedingungen angepaßt werden [29]. Durch eine druckkontrollierte Ar-beitsweise bei gemäßigter und gleichbleibender Temperatur ist die Fluidchromatographie be-stens für die Trennung thermisch labiler Stoffe geeignet, sofern ein passendes Lösungsmittel gewählt wird. Die meist temperaturkontrollierte Gaschromatographie stellt diesbezüglich oft kein geeignetes Verfahren dar. Ein anderes bevorzugtes Anwendungsgebiet der SFC ist die Separation von Substanzen mit relativ hohem Molekulargewicht und sehr geringer Flüchtig-keit, deren Dampfdruck nicht genügend groß ist, um mittels einem Niederdruckgas als mobile Phase gaschromatographisch unter Temperaturkontrolle getrennt werden zu können [30]. Ge-genüber Flüssigkeiten gewährleisten überkritische Fluide in der Chromatographie neben der leichten Beeinflußbarkeit des Lösungsvermögens der mobilen Phase durch eine druckbeding-te Änderung der Dichdruckbeding-te noch weidruckbeding-tere Vordruckbeding-teile. Einerseits haben sie wegen der sehr viel

nied-rigeren Viskositäten ein gesteigertes Elutionsvermögen und andererseits besitzen sie bessere Transporteigenschaften aufgrund der größeren Diffusionskoeffizienten. Bei präparativen Trennungen ist außerdem die Gewinnung der reinen getrennten Substanzen aus der mobilen Phase sehr viel einfacher, da lediglich eine Druckerniedrigung vorgenommen werden muß.

Genauso wie überkritische Fluide ganz besonders gut Substanzen aus festen Materiali-en herauslösMateriali-en könnMateriali-en, sind sie auch bestMateriali-ens dafür geeignet, um Stoffe in dieselbMateriali-en hineinzu-transportieren. Die niedrigen Viskositäten, Oberflächenspannungen und Fließwiderstände erlauben das Eindringen auch in feinste Poren. Das Färben mit überkritischen Fluiden (Su-percritical Fluid Dyeing – SFD) [31-39] ist eine Anwendung, in der dieses günstige Verhalten genützt wird. Eine andere ist das Imprägnieren [40-43] mit diesen Solventien. Nach dem Ein-dringen der gelösten chemischen Substanzen in die Poren des festen Materials können diese dort leicht durch eine Druckerniedrigung abgeschieden werden. Gleichermaßen ist eine Rück-gewinnung des überschüssigen Farb- oder Imprägnierstoffes und eine Regenerierung des Lö-sungsmittels in einfacher Weise ermöglicht.

Überkritische Fluide werden häufig in verschiedenen Verfahren der Supercritical Fluid Pre-cipitation (SFP) [52] auch zur Erzeugung von Feinstpartikeln verwendet.

Eine der angewandten Mikronisationstechniken ist die schnelle Expansion von Lösun-gen überkritischer Fluide (Rapid Expansion of Supercritical Fluid Solutions – RESS) [44-47].

Das Verfahren nützt die breite Modifizierbarkeit der Lösungskraft dieser Solventien durch Veränderung des Systemdrucks. Zunächst wird die Substanz, von der Feinstpartikel herge-stellt werden sollen, in einem überkritischen Fluid unter hohem Druck gelöst. Anschließend wird die Lösung über eine Düse entspannt. Die große und schnelle Druckerniedrigung führt zu einer starken Übersättigung des Solvens, welche das Auskristallisieren der mitgeführten Substanz in vielen kleinsten Partikeln bewirkt.

Durch den Gas Antisolvent (GAS)-Prozeß [48, 49] wird die hohe Löslichkeit überkriti-scher Fluide in Flüssigkeiten schon bei relativ niedrigen Drücken genützt. Bei dem Verfahren wird zunächst eine Lösung des zu mikronisierenden Stoffes in einem Autoklaven vorgelegt.

Anschließend wird darüber ein überkritisches Fluid erzeugt. Wird dieses im Umlauf durch die Lösung hindurchgeleitet, so kann dadurch ein besonders intensiver Phasenkontakt erzielt werden. Weil die Flüssigkeit bei diesem Verfahrensschritt in hohem Maße Gas aufnimmt, reduziert sich die Beladbarkeit bezüglich des von Beginn des Prozesses an gelösten Stoffes.

Dies resultiert in der Abscheidung dieser Substanz aus der Lösung in Form von kleinsten Par-tikeln.

Die Mikronisationstechnik PCA (Precipitation by Compressed Antisolvent) [50-52]

macht die hohe Lösungskraft von Fluiden in der Nähe der kritischen Temperatur dienstbar.

Eine Lösung des Stoffes, von dem Feinstpartikel erzeugt werden sollen, in einem geeigneten Solvens wird dabei über eine Düse in einen Druckbehälter gesprüht, welcher ein überkriti-sches Medium enthält. Die Flüssigkeit der kleinen Tröpfchen wird während dieses Vorgangs durch das Fluid aufgenommen. Wegen der rasch voranschreitenden Übersättigung der ge-sprühten Lösung kommt es zur Ausbildung feinster Partikel der mitgeführten chemischen Substanz, welche in dem überkritischen Medium nicht löslich ist. Auf die Beschaffenheit der entstehenden Teilchen kann neben den Prozeßbedingungen auch durch die Verwendung un-terschiedlich dimensionierter Düsen eingewirkt werden. Das Fluid wird stationär oder mit oder gegen die Sprührichtung bewegt zum Einsatz gebracht. In seinen verschiedenen Varian-ten wird das Verfahren auch als Supercritical Antisolvent (SAS)-Prozeß [44, 53] oder als Ae-rosol Solvent Extraction System (ASES) [54] bezeichnet. In der Literatur ist hier außerdem eine gewisse Uneinheitlichkeit in der Terminologie festzustellen [11, 55].

Aufgrund ihrer hohen Lösungskraft und ihren herausragenden Transporteigenschaften sind überkritische Fluide auch als Solventien für Reaktionen von Interesse. Vorteilhaft sind zudem

die durch sie gegebenen Möglichkeiten der vereinfachten Produktseparation und Lösungsmit-telregeneration durch Absenken des Drucks. Vor allem für die Gewinnung temperaturemp-findlicher Stoffe werden überkritische Fluide oft als Lösungsmittel bevorzugt. Ein breites Spektrum von Reaktionstypen kann in diesen Solventien ausgeführt werden [56]. Es seien davon Oxidations- und Reduktionsreaktionen, Diels-Alder-Reaktionen, Spaltungs- und Eli-minierungsreaktionen, Umlagerungen, photochemische und photoinduzierte Reaktionen, Po-lymerisationen, Bildungen metallorganischer Komplexe, heterogen und homogen katalysierte Reaktionen und enzymatisch katalysierte Reaktionen genannt (siehe auch die Punkte II.1.4 und II.2.2).

Die besonderen physikalischen Eigenschaften von überkritischem Wasser haben zur Entwick-lung eines interessanten Oxidationsverfahrens (Supercritical Water Oxidation – SCWO) [57-60] geführt, das sein Anwendungsgebiet vor allem in der Zerstörung von gefährlichen chemischen Abfällen besitzt. Wasser hat als überkritisches Fluid ein ganz anderes Löseverhal-ten als unter Normalbedingungen. Im Bereich oberhalb seiner kritischen Temperatur und sei-nes kritischen Drucks (siehe Tab. II.2) nimmt es organische Substanzen und Gase sehr gut auf, während Salze nur schlecht oder gar nicht gelöst werden. Bei dem SCWO-Verfahren werden organische Stoffe, komprimierte Luft und Wasser unter überkritischen Bedingungen miteinander zusammengeführt. Wegen der Höhe der vorherrschenden Temperatur, wird dar-aufhin spontan eine Oxidation der organischen Substanzen durch den Luftsauerstoff eingelei-tet. Durch die nachfolgend entstehende Reaktionswärme kommt es im Fluid zu einer Tempe-raturerhöhung, was eine Beschleunigung des Ablaufs des chemischen Vorgangs bewirkt.

Schließlich wird eine vollständige Oxidation der anfangs beigemischten organischen Stoffe zu den Endprodukten Kohlendioxid und Wasser erreicht. In den Verbindungen enthaltene Hete-roatome wie Schwefel, Chlor oder Phosphor führen zum Entstehen der zugehörigen Mineral-säuren. Stickstoffatome verursachen je nach den vorherrschenden Bedingungen die Bildung von Ammoniak, Lachgas oder Stickstoff. Die aus den organischen Verbindungen entstehen-den Oxidationsprodukte sind allesamt relativ ungefährlich. Ein weiterer Vorteil ist, daß sie kontrollierbar in einem Druckgefäß eingeschlossen sind und nicht ins Freie entweichen kön-nen, was aus ökologischer Sicht zu begrüßen ist. Technische Probleme entstehen jedoch da-durch, daß die Produkte teilweise hochkorrosive Eigenschaften besitzen. Eine Schwierigkeit ist auch, daß bei Gegenwart von Basen mit den sich bildenden Mineralsäuren Salze gebildet werden, die vom überkritischen Wasser nicht mehr gelöst werden und ausfallen. Das auch als MODAR-Prozeß bezeichnete Verfahren wird unter anderem für die Vernichtung von chemi-schen Kampfstoffen und giftigen industriellen Abfällen in Erwägung gezogen. Seit 1994 wird in Austin (Texas) eine von der Firma Eco Waste Technologies entwickelte Anlage kommerzi-ell zur Zerstörung von gefährlichen Chemikalien betrieben. In Europa existieren verschiedene Pilotanlagen. Eine umfassende industrielle Anwendung hat das Verfahren der Oxidation in überkritischem Wasser bisher trotz gewichtiger Vorzüge vor allem für den Schutz der Umwelt noch nicht erhalten. In Deutschland wird durch das Fraunhofer-Institut für Chemische Tech-nologie (ICT) in Pfinztal an der Weiterentwicklung dieser Technik geforscht.

Weitere Informationen zu Anwendungen eines überkritischen Fluids sind unter Punkt II.2.2 gegeben.

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 23-26)