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Lebensmittelrechtliche Bestimmungen und Toxikologie von perfluo- perfluo-rierten Chemikalien perfluo-rierten Chemikalien

Im Dokument Für meine lieben Eltern (Seite 112-115)

Kohlendioxid, welches in Nahrungsmitteln enthalten ist, ist gesundheitlich unbedenklich, und ähnlich verhält es sich mit Enzymen. Dies legt die Anwendung dieser Substanzen als Lö-sungsmittel bzw. als Katalysatoren in Prozessen der Lebensmitteltechnologie nahe. Wie unter Punkt II.2.1 bereits dargelegt wurde, spiegelt sich die Unbedenklichkeit von Kohlendioxid auch in verschiedenen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen wieder. Werden in biokataly-sierten chemischen Umsetzungen in komprimiertem Kohlendioxid zur Herstellung von Nah-rungsmittelzutaten freie oder immobilisierte Enzyme verwendet, so ist dies vom Aspekt des Gesundheitsschutzes her weitgehend unproblematisch. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Prozesse mit mizellär gelösten Enzymen durchgeführt werden sollen. Hierfür ist nämlich die Verwendung von Tensiden notwendig, die speziell für den Einsatz in komprimiertem Kohlendioxid geeignet sind (siehe Punkt II.4.4) und die möglicherweise gesundheitsgefähr-lich sein können. Werden nicht Amphiphile benützt, die gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Lebens-mittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) [580] offiziell als Zusatzstoffe zugelassen sind, so muß für eine möglichst vollständige Beseitigung dieser Substanzen aus der erzeugten Lebensmittelzutat gesorgt werden. Dies kann je nach Art des hergestellten Produkts schwierig und aufwendig sein. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 LMBG sind nur solche Begleitsubstanzen vom Zusatzstoffverbot nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LMBG ausgenommen, die aus dem Lebensmittel vollständig oder soweit entfernt werden, daß sie in dem zur Abgabe an den Verbraucher be-stimmten Erzeugnis nur als technisch unvermeidbare und technologisch unwirksame Reste in gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenklichen Anteilen enthalten sind. Bei der Herstellung von Lebensmittelzutaten in komprimiertem Kohlendioxid unter der Katalyse von mizellär gelösten Enzymen und unter Verwendung von Tensiden, die zumindest teilweise im Reaktionsprodukt enthalten bleiben, handelt es sich nach Auffassung [583] des Landesun-tersuchungsamtes für das Gesundheitswesen Südbayern (Oberschleißheim) um die Herstel-lung eines neuartigen Lebensmittels im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 258/97 [584] des Eu-ropäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten. Nach Art. 1 Abs. 2 Buchstabe f dieser Verordnung findet diese auf Lebensmittel und Lebensmittelzutaten Anwendung, bei deren Herstellung ein nicht übli-ches Verfahren angewandt worden ist und bei denen dieses Verfahren eine bedeutende Ver-änderung ihrer Zusammensetzung oder der Struktur der Lebensmittel oder der Lebensmittel-zutaten bewirkt hat, was sich auf ihren Nährwert, ihren Stoffwechsel oder auf die Menge un-erwünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt. Die zuständige Lebensmittelprüfstelle zur Durchführung der Erstprüfung nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 und für die Entgegennahme von Anträgen nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 vor dem erstmaligen Inverkehrbringen derartiger Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NLV) [585] das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin BgVV (Berlin). Kompetent in den einschlägigen Rechtsfragen sind außerdem Sachverständige der Industrie- und Handelskammer und Mitglieder des Lehrstuhls für Deutsches und Europäi-sches Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth [586].

Es gibt mehrere Typen von besonderen Tensiden, die sich zur Ausbildung inverser Mizellen in komprimiertem Kohlendioxid gut eignen (siehe Punkt II.4.4). Für die folgende toxikologi-sche Betrachtung seien darunter diejenigen Amphiphile herausgegriffen, die perfluorierte hy-drophobe Ketten wie Perfluoralkyl- oder Perfluoropolyethergruppen besitzen. Diese Stoffe lassen sich in die Klasse der Perfluorochemikalien einordnen. Bei solchen Substanzen handelt es sich um organische Verbindungen, in denen außer in den funktionellen Gruppen alle

Was-serstoffatome durch Fluoratome ersetzt sind [77]. Sie bestehen hauptsächlich aus Kohlenstoff- und Fluoratomen und können zudem auch andere Bestandteile wie Sauerstoff oder Stickstoff enthalten. Der Ersatz aller Wasserstoffatome in organischen Molekülen durch Fluor bewirkt in den Verbindungen einerseits eine erhöhte Stabilität gegenüber Chemikalien und anderer-seits eine Reaktivitätssteigerung der eventuell vorhandenen funktionellen Gruppen. Hierfür sind die sehr hohe C–F-Bindungsenergie [63] bzw. der starke durch die Fluoratome bewirkte Elektronenzug [111] verantwortlich. Perfluoralkane sind chemisch inert und Trifluoressigsäu-re besitzt in wäßrigen Systemen einen Dissoziationsgrad, welcher fast dem einer MineralsäuTrifluoressigsäu-re gleichkommt. C–F-Bindungen sind so stark, daß sie in biologischen Organismen in aller Re-gel nicht Re-gelöst werden können. Aus diesem Grunde zeichnen sich viele Perfluorochemikalien durch Ungiftigkeit aus, was zu Anwendungen im medizinischen Bereich geführt hat.

Einige Substanzen eignen sich zum Beispiel als Blutersatzstoffe [360-364]. Es wird dabei die gute Fähigkeit der perfluorierten Verbindungen, Sauerstoff zu lösen und zu trans-portieren, ausgenützt. Abbildung II.34 zeigt einige Perfluorochemikalien, welche in verschie-denen Blutsubstitutionspräparaten verwendet werden. Es finden sich perfluorierte Alkane und Polyether darunter.

Abbildung II.34: Perfluoro-chemikalien, welche in Blut-substitutionspräparaten An-wendung finden [360].

Daß Perfluorochemikalien gut Sauerstoff lösen und biologische Gewebe damit versorgen können, wurde zum ersten Mal von Clark und Gollan [365] demonstriert. Die Forscher tauch-ten Mäuse in einem sauerstoffhaltigen Öl, das aus einer perfluoriertauch-ten Substanz bestand, unter und zeigten, daß die Tiere überlebten. Bald darauf wurden von Geyer [366] Transfusionsex-perimente durchgeführt, in denen Ratten ihr gesamtes Blut durch ein Blutsubstitutionsmittel auf der Basis einer Perfluorochemikalie ersetzt wurde. Abbildung II.35 veranschaulicht einen solchen Versuch. Die so behandelten Tiere zeigten sich in ausgezeichneter Verfassung und führten alle Aktivitäten aus, die gewöhnliche Ratten tun [360]. Es wird berichtet, daß sie we-nigstens mehrere Stunden lang überlebten. In der Folgezeit sind Blutsubstitutionsmittel, die Perfluorochemikalien verwenden, so gut erforscht und weiterentwickelt worden, daß damit sogar medizinische Eingriffe an Menschen mit guten Erfolgen vorgenommen werden können [361].

Abbildung II.35: Transfusionsexpe-riment, bei dem an einer Ratte ein Totalaustausch ihres Blutes gegen ein Blutsubstitutionsmittel auf der Basis einer Perfluorochemikalie vorgenom-men wird [360].

Darüber hinaus gibt es noch weitere Anwendungen für perfluorierte Substanzen im medizini-schen Bereich [77, 367]. Zum Beispiel kann Octafluorocyclobutan zeitweilig als Ersatz für die Glaskörperflüssigkeit des Auges benützt werden. Die Perfluorochemikalie ist hierbei im direkten Kontakt mit einem Körpergewebe, das einen äußerst aktiven Stoffwechsel unterhält und das besonders empfindlich auf Sauerstoffmangel oder toxische Verbindungen reagiert.

Ein anderes Beispiel ist die Verwendung von Perfluorooctylbromid als Röntgenkontrastmittel.

Des weiteren werden aus dem perfluorierten Kunststoffmaterial Teflon® Implantate herge-stellt. Außerdem wird es für Bauteile in medizinischen Instrumenten verwendet, die mit Kör-perflüssigkeiten in Berührung kommen, zum Beispiel für Schläuche in Geräten zur extrakor-poralen Blutzirkulation.

Vor diesem Hintergrund kann vermutet werden, daß sich mit den perfluorierten Tensi-den, die in komprimiertem Kohlendioxid zur Erzeugung inverser Mizellen eingesetzt werTensi-den, keine allzu hohe Toxizität verbindet. Trotzdem dürfen aber keinerlei Gefahren unterschätzt werden. Eine toxikologische Studie [368] an Perfluoropolyetherammoniumcarboxylat-Tensiden ergab zum Beispiel, daß diese Verbindungen bei Ratten eine Abnahme des Körper-gewichts und eine Vergrößerung der Leber verursachen können. Für einen Gebrauch bei der enzymatischen Herstellung einer Lebensmittelzutat in einem mizellären System in kompri-miertem Kohlendioxid wären sie demnach wohl nicht geeignet, wenn nicht eine vollständige Abtrennung vom Reaktionsprodukt sichergestellt werden kann. Für Anwendungen dieser Art wäre es wünschenswert, wenn durch die Forschung noch Tenside hervorgebracht werden würden, die einerseits zweckdienlich und andererseits gesundheitlich vollkommen unbedenk-lich sind.

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