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Verknüpfung der NMD- mit der Atmungs-Defizienz

6.5 Betrachtung der durch NMD bzw. 5’-3’-RNA-Abbau regulierten Gen- und

6.5.4 Verknüpfung der NMD- mit der Atmungs-Defizienz

Die Expressionsprofile von G81 und von Mutanten mit deaktivierten Upf-vermittelten RNA-Abbauwegen weisen übereinstimmend akkumulierte und damit potentiell durch NMD kon-trollierte mRNA-Transkripte auf, die im Zusammenhang mit mitochondrialen Funktionen ste-hen. Die Anreicherung bzw. Stabilisierung der mRNAs dieser Gene könnte zu einer Anreiche-rung der zugehörigen Proteinprodukte führen und so die mitochondrialen Dysfunktionen mit-beeinflussen. Von einigen mitochondrialen Proteinen ist bekannt, dass sie bei Überexpression mitochondriale Funktionen an verschiedenen Stellen beeinträchtigen. Z.B. führt die Pet127p-Aktivierung zu einer vollständigen Blockierung des atmungsabhängigen Wachstums und zum Verlust des mitochondrialen Genoms [WIESENBERGERund FOX1997]. Dem Protein wird ei-ne Rolle im mitochondrialen RNA-Überwachungssystem zugeschrieben. Bei Überexpression der RNA-Splicing-Proteine Mrs3p oder Mrs4p kommt es zur Ausbildung eines temperaturab-hängigen Petite-Phänotyps [WIESENBERGERet al. 1991].

Die Tabelle 6.1 listet mitochondriale Gene auf, deren Transkripte bei G81-Punktmutierung von Hyp(hum)p bei restriktiver oder permissiver Temperatur akkumulierten. Unter den höchst-angereicherten Genen dieser Gruppe finden sich wie bei den upf∆-Mutanten [LELIVELT1999]

PET18 und PET122. Die Funktion von ersterem ist nicht sicher bekannt. pet18-Nullmutanten weisen wie G81 Atmungsdefizienz und temperatursensitive Lethalität auf [LUet al. 2003].

PET18 hat sich außerdem zusammen mit MAK3 und MAK10 für die Vermehrung doppelsträn-giger RNA-Viren wie L-A (siehe unten) als notwendig erwiesen. Das Gen befindet sich auf dem Chromosom zwischen den Genen MAK32 und MAK31. Die etwa 30 MAK-Gene („maintenance of killer“) werden für die stabile Vermehrung der M1-dsRNA [WICKNER1996] benötigt. Bei PET122 handelt es sich um einen Translationsaktivator der in der mt-DNA codierten Cox3p-Untereinheit des Cytochrom-c-Oxidase-Komplexes.

Die COX1-mRNA besaß die geringste Expressionsrate in G81. In der Literatur ist die Aus-schaltung dieses Gens durch ungenügendes oder ausbleibendes Spleißen der Pre-COX1-mRNA

PobeSet ORF Gen Beschreibung FC (37°C)

±SD 4197_AT YIL114C POR2 Spannungs-abhängiger Anionenkanal (YVDAC2) 4,8 ±0,5 3988_AT Q0115 BI3 mitoch. mRNA-Maturase; Gruppe I-Intron-Spl. 4,1 ±1,2 8437_AT YOR100C CRC1 mitoch. Carnitin-Transporter, Fettsäure-Metabol. 3,9 ±0,9 6852_AT YCR020C PET18 Nullmutante zeigt mitoch. Atmungsdefizienz;

dsRNA-Virus L-A kann in pet18-Mutante nicht reifen

3,8 ±1,2 5547_AT YER153C PET122 Translationsaktivator der mitoch. codierten

Cytochrom-c-Oxidase Untereinheit COX3

3,6 ±1,7 4456_AT YHR075C PPE1 mitoch. ribosomales Protein der kleinen Untereinheit 3,4 ±0,9 4427_AT YHR091C MSR1 Arginyl-tRNA-Synthetase, mitochondrial 2,9 ±1,2 8553_AT YOL009C MDM12 mitoch. Protein der äusseren Membran 2,7 ±1,1 4570_AT YHL038C CBP2 Cytochrom-B-Pre-mRNA-Prozessierungs-Protein 2,6 ±0,4 4413_AT YHR120W MSH1 mutS-Homolog beteiligt an der mitoch. DNA-Reparatur 2,4 ±0,3

9963_AT YLR382C NAM2 mitoch. Leucin-tRNA-Synthetase 2,3 ±0,8

4498_AT YHR024C MAS2 mitoch. Prozessierungs-Peptidase 2,2 ±0,7

9668_AT YML042W CAT2 Carnitin-O-Acetyltransferase, peroxisomal und mitoch. 2,2 ±0,5

8334_AT YOR222W ODC2 mitoch. Transporter für 2-Oxoadipat 2,2 ±1,4

11044_AT YJL023C PET130 Protein benötigt für atmungsabhängiges Wachstum 2,1 ±0,2

8513_AT YOR040W GLO4 mitoch. Glyoxylase-II 2,1 ±0,9

6875_AT YCL004W PGS1 Phosphatidylglycerolphosphat-Synthase, mitoch. 2,1 ±0,9 9600_AT YMR023C MSS1 könnte eine Rolle in der mitoch. Translation spielen 2,0 ±0,2 4512_AT YHR038W RRF1 mitoch. ribosomaler Recycling-Faktor1;

Translations-Terminations-Aktivität

1,8 ±0,2 7803_AT YPL040C ISM1 Kern-codierte mitoch. Isoleucyl-tRNA-Synthetase 1,8 ±0,3 5775_AT YEL059C-A SOM1 High-Copy-Suppressor einer imp1- Mutante; könnte zur

mitoch. Protein-Sortierungsmaschinerie gehören

1,8 ±0,0

8914_AT YNL073W MSK1 mitoch. Lysin-tRNA-Synthetase 1,8 ±0,4

8510_AT YOR037W CYC2 Cytochrom-c mitoch. Importfaktor 1,7 ±0,3

5751_AT YEL039C CYC7 Iso-2-Cytochrom-c 1,7 ±0,1

7687_AT YPR067W ISA2 mitoch. Eisen-Ionen-Transport 1,7 ±0,6

6834_AT YCR046C IMG1 benötigt für Atmung und die Erhaltung des mitoch.

Genoms

1,7 ±0,1 4523_AT YHR005C-A MRS11 könnte kooperativ mit Mrs5p beim mitoch.

Protein-Import und anderen verwandten Prozessen beteiligt sein.

1,7 ±0,4

Tabelle 6.1:Gene mit mitochondrialen Funktionen, die in der HDOA-Analyse der Hypp-Mutante G81von Kultu-ren nach Inkubation bei 37°C angereichert erschienen. Sie können potentiell durch den NMD- bzw. 5’-3’-mRNA-Abbauweg und damit durch die Hypp-Funktion reguliert sein.

beschrieben Cox1p [DECOSTERet al. 1993]. Die Autoren zeigten die Kontrolle dieses Spleiß-vorgangs durch MSS1. Das Spleißen der COX1-mRNA war in mss1-Mutanten blockiert und verursachte einen kompletten Verlust von Cox1p. Das MSS1-Transkript war sowohl in der G81 -als auch in den upf123-Studie angereichert.

Ungenügendes Spleißen von Genen des mitochondrialen Genoms kann dessen Stabilität negativ beeinflussen. In diesen Kontext passt, dass das G81-Suppressorgen YHM2, von dem eine Stabilisierung der mtDNA bekannt ist, als herunterregulierte RNA in den verschiedenen Genchipanalysen von upf∆-, xrn1∆-Mutanten und von G81 gefunden wurde.

Zwei der Gene mit mitochondrialen Funktionen aus Tabelle 6.1 sind direkte Substrate für NMD. Die PET130-mRNA enthält ein uORF-Cluster mit den bei [HEet al. 2003] beschriebe-nen Eigenschaften. Das Gen CAT2 wurde als Pseudogen eingruppiert.

Neben der Funktion von UPF1 im NMD-Abbauweg gibt es eine weitere Verknüpfung des Gens mit mitochondrialen Vorgängen, beinhaltete doch der erste bekannt gewordene Phänotyp von upf∆-Mutanten eine herabgesetzte mitochondriale Atmungsfähigkeit [ALTAMURAet al. 1992].

Das UPF1-Gen war ursprünglich als NAM7 in einem Screeningansatz zur Suche nach

Multicopy-Suppressoren der mitrochondrialen Spleißdefizienz (MSD), die bei cis-dominanten mitochondrialen intronischen Mutationen auftrat [ALTAMURAet al. 1992], isoliert worden. Diese Beeinträchti-gung blieb auch in Stämmen erhalten, die intronfreie mitochondriale DNA trugen, was zeigte, dass die Mitwirkung an mitochondrialen Spleißprozessen nicht die Hauptfunktion des Prote-ins bei der Generierung eines atmungsdefizienten Phänotyps sein konnte. In einer aktuelleren Studie wurde gezeigt, dass nur Upf1p als Suppressor der Spleißeffizienz fungiert und nicht der Aktivität von UPF2 oder UPF3 bedarf [DE PINTOet al. 2004]. Die Autoren zeigten auch, dass es sich um einen indirekten Effekt handelt.

Upf1p selbst wurde nicht im Mitochondrium detektiert. Jedoch befindet es sich auf dem Chromosom direkt stromaufwärts in unmittelbarer Nähe zu ISF1, einem Faktor, der in der Mi-tochondrien-Biogenese involviert ist. Seine Genfunktion komplementierte einen Ausfall der Gene HAP2, HAP3 und HAP4, transkriptionelle Aktivatoren des Sauerstoff-abhängigen Me-tabolismus und der Mitochondrien-Biogenese. Bei Ausschaltung des Gens HAP1, welches auch als Aktivator von HYP2 und CYC7 fungiert [ZITOMERund LOWRY1992], kam es zu einer drei- bis vierfachen Anreicherung der UPF1-mRNA und gleichzeitig zur Bildung eines ISF1-UPF1-Kotranskriptes. Dabei ist von Interesse, dass das UPF1-Transkript selbst einen u-Openreading-Frame nach HE von ca. 260 Condons enthält, der in den ersten zehn Codons mit der codierenden Sequenz von UPF1 überlappt [ALTAMURAet al. 1997].

Gen ORF Lage

ARN1 YHL040C tel

ARN2 YHL047C tel

ARN3/SIT1 YEL065W tel ARN4/ENB1 YOL158C tel

FIT1 YDR534C tel

FIT2 YOR382W tel

FIT3 YOR383C tel

FRE1 YLR214W nicht tel

FRE2 YKL220C tel

FRE3 YOR381W tel

FRE4 YNR060W tel

FRE5 YOR384W tel

FRE6 YLL051C tel

FTR1 YER145C nicht tel

FET3 YMR058W nicht tel

FET4 YMR319C tel

AFT2 YPL202C nicht tel

Tabelle 6.2: HDOA-akkumulierende mRNAs mit Funktionen bei der Eisen-Siderophoraufnahme. tel = subtelomerisch codiert

In Mitochondrienfraktionen der Mutante G81 wur-de eine stark abgeschwächte cytochromale Braunfärbung festgestellt. Da die Färbung durch Fe3+-Ionen in der Hämgruppenumgebung mit hervorgerufen wird, war ein stark abgeschwächter Eisengehalt in der Mutante wahr-scheinlich. Dies würde direkt in starkem Ausmaß die Funktion mitochondrialer Atmungsketten-Komplexe, in welchen viel chelatisiertes Eisen bzw. Kupfer enthal-ten ist, beeinflussen und zur Atmungsdefizienz syner-gistisch beitragen. Eine starke Abschwächung des mi-tochondrialen Membranpotentials ∆ψm ist bei der Mu-tante in dieser Arbeit nachgewiesen worden (vgl. Kapi-tel 5.1.8.1, Seite 105).

Gene, die im Zusammenhang mit der Eisenaufnahme über Siderophore6 stehen, erwiesen sich in der HDOA-Analyse überrepräsentativ angereichert. Wie Tabelle 6.2 auflistet, sind Gene des gesamten Eisenaufnahmesystems betroffen. Siderophor gebundenes Eisen gelangt in Fungi-Zellen durch zwei deutlich abgegrenzte hoch affine Systeme [YUNet al. 2000]: Ein

redukti-6Als Siderophore werden kleine Metallionen-komplexierende Verbindungen bezeichnet, die von Hefezellen und anderen Einzellern in das sie umgebende Medium abgegeben werden und für die Zelle essentielle Metallio-nen chelatisieren. Hefezellen besitzen in der Plasmamembran spezielle Siderophor-Transporter, welche dann die Aufnahme der komplexierten Metalle vermitteln.

ves System funktioniert über die Plasma-Membran gebundenen Metalloreduktasen der FRE-Gene und transportiert reduziertes Eisen über den hoch affinen Eisentransportkomplex, der aus der Multi-Kupfer-Oxidase Fet3p und der Permease Ftr1p besteht [[ASKWITHet al. 1994];

[STEARMANet al. 1996]].

Das nicht reduktive System hängt von den vier Transportproteinen Arn1p-Arn4p ab, die speziell Siderophor-Eisenchelate erkennen. Die Aufnahme von Siderophor-gebundenem Ei-sen wird auch durch die Zellwand-Mannoproteine Fit1p-Fit4p vermittelt, die die Menge des mit der Zellwand assozierten Eisens erhöhen können [PROTCHENKOet al. 2001]. Alle auf-geführten Gene sind transkriptionell kontrolliert durch Aft1p, dem eisenabhängigen Haupt-Transkriptionsfaktor in Hefe [YAMAGUCHI-IWAIet al. 1996]. Der zweite eisenabhängige Tran-skriptionsfaktor Aft2p betrifft die Zellantwort auf Eisenmangel [BLAISEAUet al. 2001]. Die AFT2-mRNA war im Gegensatz zu der von AFT1 in den G81 und xrn1∆-Genchipstudien ange-reichert.

Aus den Daten ist ersichtlich, dass die Eisenaufnahme in Hefe eine Regulationskomponente durch den 5’-3’-mRNA-Abbauweg und durch Hypp besitzt. Viele der durch die AFT-Faktoren regulierten Gene sind subtelomerisch codiert. Dies betrifft alle ARN und viele der FRE und FIT-Gene. Einige der FRE-Gene enthalten zudem die oben angesprochenen uORF-Cluster.

Demnach könnte die Regulation der Gene über NMD von direkter und indirekter Art über die Steuerung des telomeren Positionseffektes erfolgen.

Evident ist auch, dass eine mitochondriale Atmungsdefizienz vielfache Ursachen haben kann, die über die oben angesprochenen Aspekte hinaus gehen. So erzeugt z.B. auch der Aus-fall der EST1-Funktion einen Atmungsdefekt. Alle Indizien zusammen implizieren jedoch, dass eine Defizienz des NMD-Weges vermittelt durch eine fehlerhafte Hypp-Funktion durchaus die in G81 beobachtete Atmungsdefizienz zu großen Teilen mitverursachen kann.