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Beeinträchtigung des 5’-3’-mRNA-Abbauweges in G 81

Das Muster der reproduzierbar angereicherten Probensätze wies hohe Ähnlichkeit auf mit ak-kumulierenden Probensätzen in zwei genomweiten Knock-Out-Studien von Faktoren des in Saccharomyces cerevisiae als 5’-3’-mRNA-Abbauweg bekannten Stoffwechselweges.

Im folgenden wird ein kurzer Überblick über die bekannten, etablierten mRNA-Abbau-mechanismen der Bäckerhefe gegeben. Es existieren zwei generelle prädominante

Stoff-7-meGpppG

7-meGpppG

7-meGpppG pG

pG

Deadenylase

3’-Exonuklease 5’-Exonuklease

Dekapitierungsenzym Dcp1p

Deadenylierung

5’-3’-mRNA-Abbau nach deadenylierungs-abhängiger

5’-Cap-Abspaltung 3’-5’-mRNA-Abbau

(Exosom)

exonukleolytischer Abbau

5’- Kap 3’- Poly(A)-Verlängerung

AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA

AAAAAAAAAAAAA

A0-12

7-meGpp

A0-12 A0-12

Abbildung 6.1:Der generelle deadenylierungsabhängige mRNA-Abbau beginnt mit der enzymatischen Verkür-zung der Poly-A-Verlängerung. Beim Exosom-vermittelten 3’-5’-Abbauweg wird dann die deadenylierte mRNA mit intakter Cap-Struktur von 3’-5’-Exonukleasen abgebaut. Der normale 5’-3’-mRNA-Abbauweg beinhaltet die Abspaltung der 5’-Cap-Struktur mit nachfolgendem Angriff von 5’-3’-Exonukleasen wie Xrn1p.

wechselwege, die anhand der Abbaurichtung der mRNA klassifiziert werden und die ab-hängig von der Deadenylierung sind (vgl. Abb. 6.1). Der erste beinhaltet den Abbau vom 5’- zum 3’-Ende der mRNA. Der zweite wird als Exosom-abhängiger 3’-5’-Abbauweg be-zeichnet. [ANDERSONet al. 1998]; [MANGUSet al. 2003]. In beiden Wegen erfolgt zu Be-ginn eine Verkürzung der Poly(A)-Kette auf eine Oligo(A)-Länge von 10-12 Nukleotiden [DECKERC. J. 1993];

[MUHLRADet al. 1995]. Nachfolgend können die Transkripte entweder durch den 5’-3’- oder den 3’-5’-Weg abgebaut werden. Der erstere beinhaltet die Abspaltung der 5’-Cap-Struktur durch den Dcp1p/Dcp2p-Enzymkomplex und den darauf folgenden exonukleolytischen Verdau durch die 5’-3’-Exoribonuklease Xrn1p ([BEELMANet al. 1996]; [DUNCKLEYund PARKER1999];

[MUHLRADet al. 1994]; [MUHLRADet al. 1995]).

Der Nonsens-Codon vermittelte Abbauweg („Nonsense Mediated Decay “ = NMD) und der sog. „Nonstop-mRNA-Abbauweg“ [VAN HOOF et al. 2002]; [FRISCHMEYER et al. 2002]

stellen zwei spezielle 5’-3’-mRNA-Abbauwege dar, die 5’-Cap-Abspaltung und Abbau durch Xrn1p benötigen [PELTZund JACOBSON2000], jedoch keine Deadenylierung der Poly-A-Kette [GONZALESet al. 2001]. In Eukaryonten sind beide Abbauwege konserviert und beide Bestandteil des mRNA-Überwachungssystems, das fehlerhafte mRNAs vor der Translation eli-minieren soll. Zur Überwachungsmaschinerie des NMD, die u.a. Nonsens-mRNAs mit vor-zeitigen Stop-Codons oder Transkripte mit Frameshift-Mutationen vor der Translation erkennt, gehört ein Komplex aus den drei Upf-Proteinen Upf1p, Upf2p und Upf3p, die den Kern des sog.

Überwachungs-Proteinkomplexes („surveillance complex“) bilden [MUHLRADet al. 1994].

Bei Upf3p handelt es sich um ein Zellkern-Shuttle-Protein, in dessen Sequenz mehrere NES3 -und NLS3-Sequenzen vorhanden sind [HO et al. 2000]. Die drei für NMD in S. cerevisiae not-wendigen UPF-Gene zeigen im Sequenzvergleich mit den humanen Homologen von UPF1 nach UPF3 abnehmende Prozentsätze der Sequenzidentität. Sie liegt im UPF1 am höchsten bei 48,5%. Die ATP-Helikase-Domäne des Proteins besitzt dabei eine noch höhere Konser-viertheit und hat sich wahrscheinlich in einem frühen Vorfahren von Archaea und Eukaryonten entwickelt [CULBERTSONund LEEDS2003].

Die genauen Mechanismen der Stop-Codon-Erkennung sind noch nicht bekannt, wenn-gleich der Weg in Hefe am besten charakterisiert ist. Abbildung 6.2 zeigt ein aktuell diskutiertes Modell für NMD in höheren Eukaryonten, das zum Großteil aus Vergleich mit Hefedaten auf-gestellt wurde [WILUSZet al. 2001].

Neben den angesprochenen Haupt-mRNA-Abbauwegen existieren weitere Varianten in He-fe. Zu ihnen gehören der oben angesprochenen zellkernlokalisierte mRNA-Abbau [DASet al. 2003].

Desweiteren werden einige Messenger-RNAs durch einen seltenen endoribonukleolytischen Weg abgebaut [WILUSZet al. 2001].

In den letzten Jahren konnte Evidenz dafür gefunden werden, dass NMD in Bäckerhefe ne-ben dem Abbau fehlerhafter RNA eine weitere Funktion in der Zelle bei der posttransskriptio-nellen Kontrolle von speziellen nicht durch Mutation veränderten mRNA-Transkripten erfüllt.

Bei der Identifikation dieser NMD-Substrate sind einige Fortschritte gemacht worden, die zu einer Einteilung nach bestimmten Strukturklassen geführt haben. Zu diesen zählen:

1. mRNAs, die in ihrer codierenden Region früh auftretende Nonsens-Codons tragen („Nonsens-Mutationen“)

[PELTZ et al. 1993b]; [LOSSONund LACROUTE1979].

2. mRNAs, die in ihrer 5’-UTR (untranslatierte Region am 5’-Ende der mRNA) einen oder mehrere kurze offene Leserahmen („upstream open reading frames“ (uORFs)) tragen [VILELAet al. 1998]; [RUIZ-ECHEVARRIAund PELTZ2000].

3. mRNAs mit abnormal verlängerten 3’-UTRs [MUHLRAD und PARKER1999].

4. mRNAs, bei welchen durch lückenhaftes Scannen des ORFs die Nutzung von au-ßerhalb des Rahmens liegenden AUGs für die Translationsinitiierung begünstigt wird [WELCHund JACOBSON1999].

5. Intron enthaltende Pre-mRNAs, die im Zellkern nicht zurückgehalten wurden und das Zytoplasma erreichen [HEet al. 1993].

1999 veröffentlichte die Arbeitsgruppe um M. R. CULBERTSONeine genomweite Knock-Out-Studie der UPF-Gene in Saccharomyces cerevisiae [LELIVELTund CULBERTSON1999].

Die Autoren beschrieben Transkriptomanalysen von Hefestämmen, in denen die Genfunktionen von UPF1, UPF2 und UPF3 jeweils einzeln und auch zusammen ausgeschaltet worden waren.

3NES = „nuclear export sequence“;

NLS = „nuclear localisation sequence“

AAAAAAAAAAA AAAAAAA

AAAAAAAAAAA

AAAAAAAAAAA

AAAAAAAAAAA Pab1p

Pab1p Export

Prozessierung

Kernpore

Kernmembran

Stop-Codon-Erkennung

Überwachung

Überwachungskomplex

Translation beginnt

STOP STOP

STOP STOP

STOP

STOP

2 2

2 3

3

3 1

1

1

3

3

1

1

2

2 Dcp1p

Ablösung des

5’-Cap-Bindungkomplexes

Marker-Erkennung

AAAAAAAAAAA 3 1 2 Xrn1p

Beginn

des 5’-Exonukleaseabbaus 2

1

verfrühtes Stop-Codon

Upf1p Upf2p nukärer

5’-Cap-Bindungskomplex

Slicing-abhängiger Marker (Upf3p?) Terminationsfaktoren (RF3) eIF4G

Ribosom

Abbildung 6.2: Nonsens-Codon vermittelter mRNA-Abbauweg (NMD) in höheren Eukaryonten [WILUSZet al. 2001]. Ein mögliches Modell, wie vorzeitige Stop-Codons in Transkripten erkannt und über einen Poly-A-unabhängigen Weg durch die 5’-3’-Exonuklease abgebaut werden. Noch im Zellkern bindet ein Marker (potentiell Upf3p) spezifisch an Nonsens-RNA. Das Poly-A-bindende Protein Pab1p deckt die Poly-A-Kette ab. Die mRNA wird dann in das Cytoplasma transportiert. Die Translation beginnt, noch bevor die Translokation durch den Kernporenkomplex abgeschlossen ist und die mRNA noch mit dem nukleären 5’-Cap-Bindungskomplex assoziiert ist. Die Passage des Ribosoms kann die Bindung von Marker-Proteinen (Upf3p?) zerstören, so dass eine RNA nach einer Translationsrunde nicht mehr markiert ist. Bei der Translationsterminie-rung baut sich ein „Überwachungskomplex“ auf, der Upf1p enthält. Dieser Komplex scannt stromabwärts des Stop-Codons nach Markerproteinen. Findet der Überwachungskomplex einen Marker, kommt es zur Umformung der RNA. Dies führt zur Zerstörung des Cap-Bindungskomplexes, zur raschen 5’-Cap-Abspaltung und zum exoribunukleolytischen Abbau.

Vor kurzem erschien eine umfassendere Studie, welche neben der Disruption der drei UPF-Gene auch den Ausfall der stromabwärts von ihnen agierenden Faktoren DCP1 und XRN1 durch Genchipanalysen untersuchte [HEet al. 2003]. Die Ausschaltung jedes einzelnen oder aller drei UPF-Gene zusammen bewirkte dabei die Akkumulierung immer derselben RNA-Transkriptgruppe. Bei Ausschaltung von DCP1 oder XRN1 (bzw. beider Gene gemeinsam) rei-cherten sich diese Transkripte ebenfalls an. Die Gesamtzahl angreicherter Probensätze in diesen Stämmen lag aber um ca. 40% über denen der upf∆-Stämme, da Dcp1p und Xrn1p nicht nur Teil des NMD- sondern auch essentielle Komponenten des generellen 5’-3’-Abbauweges sind (vgl. Abb. 6.1).

Ein Großteil der angereicherten Transkripte in den nmd∆-Stämmen wurde auch im Arei-cherungstranskriptom von G81 gefunden. Die Höhe der Übereinstimmung von >75% deutet auf eine starke funktionelle Beeinträchtigung des NMD-Abbauweges bzw. des 5’-3’-mRNA-Abbauweges in der Mutante hin. Die Gesamtzahl angereicherter ORFs in G81 stimmte dabei

besser mit den ORF-Zahlen der upf∆-Stämme als mit denen der dcp1- bzw. xrn1-∆-Stämme überein.

Der NMD-Abbauweg überschneidet sich mit dem normalen 5’-3’-Abbauweg in den beiden letzten Schritten der 5’-Cap-Abspaltung durch Dcp1p/Dcp2p und dem exoribonukleolytischen Abbauschritt durch Xrn1p. Der Einfluss Hypps könnte demnach an den verschiedenen Stufen des Abbauweges ansetzen, nämlich an der Funktion eines einzelnen oder jedes der drei UPF-Genprodukte, am 5’-Cap-Abspaltungsschritt der RNA oder an der Xrn1p-Funktion.

Die G81-Ergebnisse sprechen nicht gegen eine Beteiligung, Hypps bei der mRNA-Cap-Abspaltung und/oder beim exonukleolytischen Abbau. Die bessere Übereinstimmung mit upf ∆-Stämmen deutet jedoch eher auf eine Funktion Hypps im Zusammenhang mit den UPF-Funktionen bzw. mit NMD hin. In diese Richtung deutete auch die spezielle Anreicherung des Transkriptes von UPF2 im Gegensatz zu den anderen bekannten, essentiellen Faktoren des 5’-3’-Abbauweges, die nicht reguliert erschienen. Dies gibt Anlass zur Spekulation, dass Hypp über UPF2 mit NMD verknüpft ist.

Eine andere Verbindung Hypps mit NMD könnte über Upf3p bestehen. Es fungiert als klassisches Kern-Shuttle-Protein für den Export der NMD-Substrate und der 60S-ribosomalen Untereinheit [GATFIELDet al. 2003]. Als Ran-GTP-abhängiger Export-Faktor wurde wie für Hypp in höheren Eukaryonten [ROSORIUSet al. 1999] Crm1p gefunden. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Identifizierung von zwei temperatursensitiven Hyp2p-Punktmutanten, die den Export der 60S-Untereinheit behinderten [STAGE-ZIMMERMANNet al. 2000]. Hypp könnte demnach im NMD-Weg auch als Kofaktor für den Kernexport von Upf3p wirken.

ZUKund JACOBSEN haben bereits auf eine mögliche Rolle Hypps in S. cerevisiae bei der RNA-Prozessierung, insbesondere im RNA-Abbau hingewiesen [ZUK und JACOBSON 1998].

Sie fanden bei der Suche nach lebenswichtigen Faktoren des mRNA-Turnovers die C-terminale Punktmutante ts1159 von Hyp2p, bei der der nichtkonservierte Serinrest S149 durch Prolin er-setzt war. Gescreent wurde nach einer Anreicherung der instabilen CYH2-Prä-mRNA, die ein ungespleißtes Intron enthält. Der Phänotyp des temperatursensitiven Allels wies eine zu 30%

verringerte Gesamtproteinsynthese bei 37°C auf. Wie die Messung der Aminosäureinkorporati-on bei zunehmenden KAminosäureinkorporati-onzentratiAminosäureinkorporati-onen Cycloheximid, einem TranslatiAminosäureinkorporati-onshemmer, zeigte, kAminosäureinkorporati-onn- konn-te die Größenordnung der Translationsabnahme nicht die dort beobachkonn-tekonn-ten mRNA-Abbau-Defekte erklären. Die Autoren schlugen eine Rolle im generellen mRNA-Abbau vor, da es zur Stabilisierung sowohl von Nonsens-Codon-mRNAs als auch von normalen Wildtyp-mRNAs kam, die keiner NMD-Substrat-Klasse zuzuordnen waren. Beobachtet wurde mit Hilfe eines m7GMP-Antikörpers auch eine Anhäufung und Stabilisierung von mRNA-Molekülen ohne 5’-Cap-Struktur, was zur Annahme führte, dass Hypp nach der Abspaltung des 5’-Cap wirkt. Da das Transkriptionsprofil von G81 die zuvor beschriebenen Übereinstimmungen aufweist, wird die Hypothese der Beteiligung Hypps bei der 5’-3’-RNA-Prozessierung, insbesondere bei den auf die 5’-Cap-Abspaltung folgenden Schritten, sowohl von ZUKals auch von der Transkripti-onsanalyse dieser Arbeit gestützt. Da bei ZUKauch Nicht-NMD-Substrate stabilisiert wurden, ist die Wirkung im normalen 5’-3’-mRNA-Abbauweg wahrscheinlich und deutet hier auf eine Beeinflussung der Xrn1p-Funktion hin.

Aus den Genchipergebnissen ist auch auch in indirekter, pleiotropischer Effekt Hypps auf den NMD-Weg diskutierbar. Dabei könnte es zu einer Defizienz im Transport oder der Prozes-sierung einer mRNA kommen, deren Proteinprodukt eine essentielle Komponente des NMD-Weges darstellt. In diesem Zusammenhang ist auch eine Doppelfunktion Hypps denkbar, bei der Hypp am Abbau von RNA-Spezies beteiligt ist und gleichzeitig deren Prozessierung oder Transport selbst kontrolliert.

Einige Fakten sprechen dafür, dass es sich bei der Defizienz im 5’-3’-mRNA-Abbau bei Ausfall der HYP-Funktion nicht um Sekundäreffekte handelt. (VALENTINIet al. [2002] hielten die Stabilisierung von mRNAs in den dort analysierten HYP2-Mutanten für sekundär.):

• In G81ist der mRNA-Anreicherungseffekt im Gegensatz zu den Beobachtungen an hyp2-ts-Mutanten von VALENTINI kaum abhängig von der Temperatur oder der Dauer ei-ner Inkubation bei 37°C. Die RNA-Anreicherung war auch bei permissiver Tempera-tur sehr ausgeprägt messbar, wie die Expressionsmuster bei 25°C und 37°C im Ver-gleich zum Wildtyp eindeutig ergaben. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen von ZUK et al., die bei ihrer ts-Mutanten von HYP2 ebenfalls bei weniger als 45 min nach Shift auf die hohe Temperatur deutliche mRNA-Anreicherungen messen konnten [ZUKund JACOBSON 1998].

• Die Transkriptionsprofile angereicherter Transkripte zeigen sehr hohe Ähnlichkeiten zu den Datensätzen von upf∆-, dcp1∆- und xrn1∆-Mutanten. Bei Sekundäreffekten wären die Übereinstimmungen weniger ausgeprägt.

• Die Expressionsprofile waren aus unabhängig isolierten Mutantenstämmen und zellulären RNA-Unterfraktionen gut reproduzierbar.

• Die von der Punktmutation G81V ausgelösten phänotypischen Eigenschaften stehen nach-weislich im Zusammenhang (s. nächster Abschnitt) mit dem Ausfall von Genen, die bekanntermaßen durch NMD kontrolliert werden [LELIVELTund CULBERTSON1999];

[HEet al. 2003].

6.5 Betrachtung der durch NMD bzw. 5’-3’-RNA-Abbau regulierten Gen- und