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5 Konstruktion der Erhebungsinstrumente

6.4 Die Berufsstruktur

6.4.1 Vergleich der Berufsstruktur der Abgeordneten und Wähler

Das "Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages" bietet eine Übersicht über die berufliche Tätigkeit der Bundestagsabgeordneten von der 1. bis zur 13. Wahlperioden (Schindler 1999, S. 680f.).17 Nach dieser Statistik waren nahezu alle Bundestagsabgeordneten vor der Übernahme des Bundestagsmandates berufstätig.

"Der Bundestag ist ein Parlament der berufstätigen Bevölkerung. Rentner, Arbeitslose und noch in Ausbildung Befindliche – aber auch die große Zahl der als Hausfrauen Berufstätigen – sind im Parlament der Bundesrepublik in persona kaum präsent" (Kaack 1988b, S. 148).

16 Der Chi-Quadrat Test kann nur durchgeführt werden, wenn für jeden erwarteten Wert auch ein tatsächlicher Wert erzielt wird. Da kein Abgeordneter der PDS einen Realschulabschluss hat, wurden die Hautpschul- und Realschulabschlüsse der Mitglieder in einer Kategorie zusammen gefasst.

17 Schindler verwendet dabei Daten von Emil-Peter Müller.

Das bedeutet, dass die nicht berufstätige Bevölkerung durch den Bundestag praktisch nicht repräsentiert wird. Beim Vergleich der Berufsstruktur werden die Abgeordneten aus diesem Grund nicht der gesamten Wahlbevölkerung, sondern nur den Erwerbstätigen gegenüber-gestellt.

Nach der Berufsstatistik im "Datenhandbuch des Deutschen Bundestages" sind seit der 5.

Wahlperiode die "Beamten" mit 24% aller Abgeordneter die größte Berufsgruppe im Deutschen Bundestag. Bis 1994 nimmt ihr Anteil kontinuierlich bis 36% zu (Schindler 1999, S. 680f). In den ersten Wahlperioden war die Gruppe der "Angestellten politischer und gesellschaftlicher Organisationen" größer und im 13. Bundestag stammen immer noch 14%

der Abgeordneten aus diesem Bereich. Daneben sind die Berufsgruppen der "Angestellten der Wirtschaft", der "Angehörigen freier Berufe", der "Selbständigen" sowie der "ehemaligen und aktuellen Regierungsmitglieder" relativ groß. Dagegen erreichen die Gruppen der "Arbeiter",

"Hausfrauen" und "Pfarrer" zusammen in keiner Legislaturperiode einen Anteil von fünf Prozent (ebd.).

Für einen Vergleich mit den Erwerbstätigen ist dieses Kategorienschema aus mehreren Gründen nicht brauchbar. Erstens ist die Berufsgruppe der "Regierungsmitglieder" nicht geeignet. Regierungsmitglieder sind politische Repräsentanten und es wäre nicht sinnvoll zu untersuchen, inwieweit die politischen Repräsentanten sich selbst repräsentieren.18 Stattdessen wurde ihre letzte berufliche Tätigkeit vor dem Wechsel in Politik erfasst. Zum anderen ist ein Vergleich nur möglich, wenn die Kategorien in Hinblick auf die Daten der Bevölkerung gebildet werden. D.h. die Bildung der Berufsgruppen orientiert sich an anderen Datenquellen, um zeigen zu können, welche sozialen Gruppen über- und unterrepräsentiert sind.

Dementsprechend werden für die vorliegende Studie andere Berufskategorien gebildet (vgl.

Abschnitt 5.1 "Operationalisierung der Variablen").

Zunächst wird für die hier untersuchten Legislaturperioden der Anteil der Erwerbstätigen und Nichterwerbspersonen dargestellt (vgl. Tabelle 20 auf der folgenden Seite).

Nichterwerbspersonen "sind Personen, die keinerlei auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben" (Statistisches Bundesamt 1999, S. 16). In dieser Arbeit werden auch die Erwerbslosen zur Gruppe der Nichterwerbspersonen gezählt.19 Erwerbstätige sind dagegen

18 Bis 1990 nimmt diese Gruppe in der Berufsstatistik des "Datenhandbuches" 2,5 bis 14,3% ein. Für die 13. WP wurde die Kategorisierung überarbeitet und die Gruppe der "Regierungsmitglieder" ersatzlos gestrichen (Schindler 1999, S. 681).

19 Erwerbslose bemühen sich um eine Arbeitsstelle, sind aber momentan ohne Arbeitsverhältnis, unabhängig davon, ob sie beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet sind. Arbeitslose, die vorübergehend eine geringfügige Tätigkeit ausüben zählen nicht zu den Erwerbslosen.

Personen, "die in einem Arbeitsverhältnis stehen, selbständig ein Gewerbe oder Land-wirtschaft betreiben oder einen Freien Beruf ausüben" (ebd.).

Tabelle 20: Das Erwerbsniveau im Vergleich (alle Angaben in Prozent)

Erwerbstätige Nichterwerbspersonen* Gesamt

Bevölkerung 44,3 55,7 100

11. WP

Abgeordnete 97,3 2,7 100

Bevölkerung 47,0 53,0 100

12. WP

Abgeordnete 97,0 3,0 100

Bevölkerung 44,5 55,5 100

13. WP

Abgeordnete 96,5 3,5 100

Bevölkerung 44,1 55,9 100

14. WP

Abgeordnete 97,0 3,1 100

* Bei den Abgeordneten inklusive "keine Angaben".

Quellen für die Bevölkerung (nur deutsche Staatsangehörige): Für die 11. WP Daten von 1987 (Statistisches Bundesamt 1988b). Für die 12. WP Daten von 1991 (Statistisches Bundesamt 1993).

Für die 13. WP Daten von 1995 (Statistisches Bundesamt 1995). Für die 14. WP Daten von 1998 (Statistisches Bundesamt 1999).

Die Gruppe der Nichterwerbspersonen ist im Bundestag während der vier untersuchten Wahlperioden in persona kaum präsent. Mindestens 97% der Abgeordneten war vor dem Wechsel in die Politik erwerbstätig. Die "Randgruppe" der nicht erwerbstätigen Abgeordneten setzt sich folgendermaßen zusammen:

11. WP: vier Studenten, acht Hausfrauen, ein Arbeitsloser und einmal unzureichende Angaben

12. WP: drei Studenten, dreizehn Hausfrauen und viermal unzureichende Angaben

13. WP: sechs Studenten, dreizehn Hausfrauen, ein Arbeitsloser, drei Rentner oder Pensionäre und einmal unzureichende Angaben

14. WP: fünf Studenten, zehn Hausfrauen, zwei Arbeitslose und viermal unzureichende Angaben.

Im folgenden werden von der deutschen Bevölkerung nur noch die "Erwerbstätigen"

berücksichtigt. So kann untersucht werden, ob die Abgeordneten die Berufsstruktur der Wähler repräsentativ vertreten. Die Berufsstruktur wird dabei sowohl nach Tätigkeitsbereichen als auch nach beruflichen Stellungen beschrieben. Für die Abgeordneten

ist dabei die berufliche Tätigkeit unmittelbar vor der Übernahme des Bundestagsmandates oder eines anderen hauptamtlichen öffentlichen Amtes ausschlaggebend.20

Vergleich der Tätigkeitsbereiche

Tabelle 21: Tätigkeitsbereiche der Erwerbstätigen im Vergleich (Angaben in Prozent)

Quellen für die Bevölkerung (nur deutsche Staatsangehörige): 11. WP Daten von 1987 (Statistisches Bundesamt 1988c). 12. WP Daten von 1991 (Statistisches Bundesamt 1993b).

13. WP Daten von 1995 (Statistisches Bundesamt 1996). 14. WP Daten von 1998 (Statistisches Bundesamt 1999c). Eigene Berechnungen.

Relativ exakt werden die Berufstätigen des Sektors "Land-, Tier-, Forstwirtschaft und Gartenbau" sowie die "Technischen Berufe" repräsentiert. Die "Bergleute und Mineralgewinner" sind auf der Ebene der erwerbstätigen Bevölkerung so unbedeutend, dass ihre Nicht-Repräsentation in drei der vier Wahlperioden nicht ausschlaggebend ist. Dagegen sind die "Fertigungsberufe" massiv unterrepräsentiert und die "Dienstleistungsberufe" stark überrepräsentiert. Aufgrund der großen Unterschiede in diesen zwei Sektoren ist die Berufs-struktur der Abgeordneten für die Erwerbstätigen nicht repräsentativ (11. WP: χ2 = 242,830;

df: 3; p < 0,0001 / 12. WP: χ2 = 286,483; df: 4; p < 0,0001 / 13. WP: χ2 = 251,293; df: 3;

p < 0,0001 / 14. WP: χ2 = 233,997; df: 3; p < 0,0001).21

20 D.h., dass für Abgeordnete, die unmittelbar vor dem Bundestagsmandat bereits ihren Lebensunterhalt über ein öffentliches Wahlamt finanziert haben (z.B. im Landtag oder als Oberbürgermeister) die Tätigkeit erfasst wird, die vor dem ersten hauptamtlichen öffentlichen Mandat liegt.

21 Die Kategorie "Sonstige Arbeitskräfte" wurde beim Chi-Quadrat Test nicht berücksichtigt, in der 11., 13. und 14. WP wurde die Kategorie der "Bergleute" mit den "Fertigungsberufen" zusammengeführt, da in diesen Legislaturperioden bei den Abgeordneten keine Werte für die "Bergleute" erzielt wurden.

Vergleich der beruflichen Stellung

Für den Vergleich mit der erwerbstätigen Bevölkerung wird das Kategorienschema der beruflichen Stellungen (vgl. Abschnitt "5.1 Operationalisierung der Variablen") gestrafft:

"Selbständige Landwirte", "Akademisch freie Berufe" und "Selbständige im Handel" werden in einer gemeinsamen Gruppe erfasst ("Selbständige"). Die verschiedenen Beamtengruppen (einfacher bis höherer Dienst) werden wie die Angestellten (einfache bis leitende Angestellte) und die Arbeiter (ungelernte Arbeiter bis Meister) nicht weiter untergliedert. Zudem werden die "Mithelfenden Familienangehörigen" der Gruppe der "Angestellten" zugewiesen.22

Tabelle 22: Berufliche Stellung der Erwerbstätigen im Vergleich (Angaben in Prozent)

Selbständige Beamte Angestellte Arbeiter Gesamt

Bevölkerung 9,2 9,4 45,1 36,3 100

11. WP

Abgeordnete 20,6 39,7 39,3 0,4 100

Bevölkerung 8,2 7,2 48,0 36,6 100

12. WP

Abgeordnete 20,6 39,6 39,2 0,6 100

Bevölkerung 9,2 7,5 49,8 33,5 100

13. WP

Abgeordnete 17,1 39,7 42,6 0,6 100

Bevölkerung 10,1 7,3 50,6 32,0 100

14. WP

Abgeordnete 17,0 39,8 42,3 0,9 100

Quellen für die Bevölkerung (nur deutsche Staatsangehörige): Für die 11. WP Daten von 1987 (Statistisches Bundesamt 1988b). Für die 12. WP Daten von 1991 (Statistisches Bundesamt 1993).

Für die 13. WP Daten von 1995 (Statistisches Bundesamt 1995). Für die 14. WP Daten von 1998 (Statistisches Bundesamt 1999). Eigene Berechnungen.

Die meisten Abgeordneten des Deutschen Bundestages waren vor dem Wechsel in die Politik entweder Angestellte oder Beamte. Ein vergleichsweise hoher Prozentsatz war selbständig und nur sehr wenige waren als Arbeiter beschäftigt.

Im Vergleich mit der erwerbstätigen Bevölkerung sind die Selbständigen und Beamten überrepräsentiert, während die Angestellten und vor allem die Arbeiter unterrepräsentiert sind. Nach ihrer früheren beruflichen Stellung unterteilt, sind die Abgeordneten für die Wähler nicht repräsentativ (11. WP: χ2 = 749,299; df: 3; p< 0,0001 / 12. WP: χ2 = 1303,439;

df: 3; p < 0,0001 / 13. WP: χ2 = 1158,563; df: 3; p < 0,0001 / 14. WP: χ2 = 1173,175; df: 3;

p < 0,0001).

22 Im Anhang befindet sich eine detaillierte Übersicht über die berufliche Stellung der Abgeordneten (Tabellen A5 bis A8 "Berufliche Stellung der Abgeordneten).