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5 Konstruktion der Erhebungsinstrumente

6.7 Politische Erfahrung

Herzog geht davon aus, dass ca. 90% aller hauptberuflichen Politiker, zu denen die Bundestagsabgeordneten zählen, vor dem Wechsel in die hauptamtliche Politik durch Partei-arbeit und andere öffentliche Wahlämter politische Erfahrung gesammelt haben (Herzog 1975, S. 151). Um dieses Ergebnis von Herzog zu überprüfen, werden die Wahlämter und Parteimandate der Bundestagsabgeordneten erfasst. Zudem kann berechnet werden, wie viele Jahre vor dem Bundestagsmandat die Abgeordneten in ihre Partei eingetreten sind.

6.7.1 Politische Erfahrung aller Bundestagsabgeordneten

Ca. 88% aller Abgeordneten geben an, wann sie in die jeweilige Partei eingetreten sind.

Zwischen dem Eintritt und der erstmaligen Wahl in den Bundestag liegen ca. 16 Jahre.35 Während dieser Zeit können politische Erfahrungen auf anderen Ebenen gesammelt werden.

34 Tiefster Stand in der 13. WP (66,9% + 15,7% = 82,6%)

35 11. WP: 15,3 Jahre / 12. WP: 16,1 Jahre / 13. WP: 15,9 Jahre / 14. WP: 16,5 Jahre.

In der folgenden Tabelle wird der Anteil der Abgeordneten aufgeführt, die vor der entsprechenden Legislaturperiode bereits ein Parteimandat oder ein öffentliches Wahlamt inne hatten. In der letzten Zeile der Tabelle ist der Anteil der Abgeordneten aufgeführt, die in ihrer Biographie weder ein Parteimandat noch ein öffentliches Wahlamt angegeben haben und demnach keine politischen Vorerfahrungen gemacht haben.

Tabelle 33: Politische Erfahrung der Bundestagsabgeordneten (in Prozent)

11. WP 12. WP 13. WP 14. WP

Gemeinde- oder Kreisrat 62,4 61,6 60,1 60,4

Landtag 21,4 14,7 16,1 16,6

Europäisches Parlament 1,7 1,2 1,2 1,3

Volkskammer (DDR) - 10,6 7,4 5,6

Parteiamt auf Gemeinde-, Kreis oder Bezirksebene

71,8 77,8 76,0 76,2

Parteiamt auf Landesebene 48,8 44,1 46,1 49,9

Parteiamt auf Bundesebene 46,4 31,4 35,0 41,1

ohne politische Erfahrung 5,0 3,3 3,3 2,1

In allen Wahlperioden haben mindestens 95% der Abgeordneten vor der Wahl in den Bundestag wenigstens ein anderes Wahlamt oder Parteimandat ausgeübt. Damit werden die Ergebnisse von Herzog und die vierte Hypothese dieser Arbeit bestätigt.

Der Anteil der Abgeordneten mit politischer Erfahrung ist in der 14. WP auf 97,9%

angestiegen. Parlamentarier ohne Erfahrung in politischer Gremienarbeit sind damit die absolute Ausnahme.

Der Anteil der Abgeordneten, die vor der Legislaturperiode andere öffentliche Wahlämter wahrgenommen haben, sinkt geringfügig. Dagegen steigt offenbar die Bedeutung der Partei-arbeit. Sowohl bei den öffentlichen Wahlämtern als auch bei den Parteimandaten waren die Bundestagsabgeordneten vor allem auf kommunaler und regionaler Ebene aktiv. Eine regionale Parteifunktion übten ca. 75% aller Abgeordneten aus.

Die Bindung zu den regionalen Ebenen bleibt häufig während der Zeit im Bundestag bestehen. Mehr als ein Viertel der Abgeordneten übt die regionalen Wahlämter auch während der Amtszeit im Bundestag aus und ca. 50% arbeiten weiterhin auf regionaler Parteiebene.36 Nur ein sehr kleiner Teil der Bundestagsabgeordneten ist zugleich im Landtag oder im

36 Gemeinde- oder Kreisrat vor und während der Legislaturperiode: 11. WP: 23,5% / 12. WP: 27,2% / 13. WP:

21,4% / 14. WP: 22,7%. Parteifunktion auf regionaler Ebene vor und während der Legislaturperiode: 11. WP:

46,8% / 12. WP: 53,8% / 13. WP: 48,7% / 14. WP: 51,1%.

europäischen Parlament (ca. 0,2%). Parteiämter auf Landes- oder Bundesebene werden von rund 25% der Bundestagsabgeordneten auch während der Legislaturperiode ausgeübt.37 Der Anteil der Bundestagsabgeordneten, die in der Volkskammer der ehemaligen DDR ein Mandat hatten, geht von 10,6% in der 11. WP auf 5,6% in der 14. WP zurück. Dabei werden die ehemaligen Volkskammerabgeordneten ausschließlich in den fünf neuen Bundesländern gewählt. Von den Bundestagsabgeordneten, die in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen gewählt wurden, waren in der 11. WP 48,8% auch in der Volkskammer der DDR als Abgeordnete aktiv. In der 13. WP sind es noch 35,5% und in der 14. WP 26,2%.38

6.7.2 Politische Erfahrung in den Fraktionen

Die politische Erfahrung der Abgeordneten variiert nach Fraktionen. Die meisten politischen Erfahrungen haben die Abgeordneten der CSU und FDP, am wenigsten die der PDS und der Grünen.39

Von den Abgeordneten der CDU haben 96% bis 98% politische Erfahrung (vgl. Tabelle A15 "Politische Erfahrung der CDU Abgeordneten " im Anhang). Die Anteile der Abgeordneten mit einem öffentlichen Wahlamt oder einem Parteiamt sind bei der CDU-Fraktion ungefähr so groß wie im gesamten Bundestag. Vor der erstmaligen Wahl in den Deutschen Bundestag waren die CDU Abgeordneten durchschnittlich 16,5 Jahre Mitglied ihrer Partei.

Bei der CSU ist in allen vier Wahlperioden kein einziger Abgeordneter ohne politische Erfahrung (vgl. Tabelle A16 "Politische Erfahrung der CSU Abgeordneten" im Anhang). Die CSU Abgeordneten nehmen dabei sehr häufig ein Wahlamt oder Parteimandat auf regionaler Ebene wahr (In der 14. WP haben 89% der CSU Abgeordneten vor der Legislaturperiode ein regionales Wahlamt ausgeübt und 96% eine regionale Parteifunktion). Kein CSU Abgeordneter war Mitglied in der Volkskammer der DDR. Vor der erstmaligen Wahl in den Bundestag waren die Abgeordneten der CSU 14,5 (11. WP) bis 18 Jahre (14. WP) Mitglied in ihrer Partei.

Bei der Fraktion der SPD steigt der Anteil der Abgeordneten mit politischer Erfahrung von 96,9% (11. WP) auf 98,7% (14. WP). Im Vergleich mit dem gesamten Bundestag sammeln

37 Parteifunktion auf Landesebene vor und auch während der Legislaturperiode: 11.WP: 34,9% / 12.WP: 29,3%, 13. WP: 27,5% / 14. WP: 27,4%. Parteifunktion auf Bundesebene vor u. während der Legislaturperiode: 11. WP:

25,2% / 12. WP: 22,7% / 13. WP: 23,7% und 14. WP: 28,7%.

38 In Berlin wurden in der 12. WP acht ehemalige Volkskammerabgeordnete in den Bundestag gewählt, in der 13. WP sechs und in der 14. WP fünf.

39 Vgl. Tabellen A15 bis A20: "Politische Erfahrungen" im Anhang.

die SPD Abgeordneten ihre politische Erfahrung etwas häufiger auf den regionalen Ebenen (vgl. Tabelle A17 "Politische Erfahrung der SPD Abgeordneten" im Anhang). Vor der erst-maligen Wahl in den Bundestag waren die Abgeordneten der SPD ca. 16 Jahre Mitglied ihrer Partei.

In der FDP-Fraktion sind nur in der 12. WP (direkt nach der deutschen Wiedervereinigung) 2,5% der Abgeordneten ohne politische Erfahrung. In den anderen Wahlperioden haben alle Abgeordneten bereits vor der Legislaturperiode ein öffentliches Wahlamt oder ein Parteimandat ausgeübt (vgl. Tabelle A18 "Politische Erfahrung der FDP Abgeordneten" im Anhang). Im Vergleich mit dem gesamten Bundestag haben bei der FDP die regionalen Wahlämter keine so große Bedeutung. Dagegen ist der Anteil der Abgeordneten mit Parteimandaten auf allen Ebenen deutlich höher als im gesamten Bundestag. Vor der erstmaligen Wahl in den Bundestag waren die Abgeordneten der FDP bereits ca. 14 Jahre in ihrer Partei.

Bei den Grünen steigt der Anteil der Abgeordneten mit politischer Erfahrung besonders stark an: Im 11. Deutschen Bundestag haben 68,2% vor der Legislaturperiode ein Wahlamt oder Parteimandat ausgeübt, in der 12. WP sind es bereits 87,5%, in der 13. WP 95,9% und in der 14. WP 97,9% (vgl. Tabelle A19 "Politische Erfahrung der Abgeordneten der Grünen" im Anhang). Wie bei der FDP erwerben die Abgeordneten der Grünen ihre politische Erfahrung in erster Linie über Parteiarbeit. Ausnahme ist die 12. WP, in der die Grünen nur über die Wahl in den neuen Bundesländer in den Bundestag einziehen konnten. Von den acht Abgeordneten der Grünen in dieser Wahlperiode haben fünf ihre politische Erfahrung in der Volkskammer der DDR gesammelt. Im Durchschnitt sind die Abgeordneten der Grünen ca.

sechs (11. WP) bis acht Jahre (14. WP) vor dem Übernahme des Bundestagsmandates in die Partei eingetreten.

Bei der PDS ist der Anteil der Abgeordneten mit politischer Erfahrung am niedrigsten. In der 12. WP haben 41,2% keine politische Erfahrung, in der 13. WP 40,0% und in der 14. WP 11,1%. Der Anteil der ehemaligen Volkskammerabgeordneten ist zunächst sehr hoch, in der 12. WP waren neun der 17 Abgeordneten der PDS bereits in der Volkskammer. In der 13. WP sind es nur noch 23,4% der Fraktion und in der 14. WP noch 19,5%. Relativ häufig waren die PDS Abgeordneten in Wahlämtern auf regionaler Ebene sowie in der Partei auf Bundesebene aktiv (vgl. Tabelle A20 "Politische Erfahrung der PDS Abgeordneten" im Anhang). Vor der Wahl in den Deutschen Bundestag waren die Abgeordneten der PDS ca. 17 (14. WP) bis 21 Jahre (12. WP) Mitglied der SED bzw. PDS.