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1. Überblick

Der Arbitration Act 1996 eröffnet zwei Verfahren für die Herbeiführung einer Entscheidung der Zuständigkeitsfrage. Zum einen können die Parteien eine Entscheidung des Schiedsgerichts herbeiführen (Sec. 31), zum anderen steht ihnen der Weg zum staatlichen Gericht offen, um eine Vorabentscheidung über

407 Reithmann/Hausmann, Rn. 2518; Bosch, JZ 1989, 202.

408 Schwab/Walter, Kap. 6, Rn. 9; die Kritik des Schrifttums ausdrücklich erwähnend, BGH Urt. v. 06.06.1991, NJW 1991, 2215.

409 In diesem Abschnitt sollen nur solche Verfahren zur Herbeiführung einer Entscheidung der Zuständigkeitsfrage beleuchtet werden, die jedenfalls die Konstituierung des Schiedsgerichts voraussetzen. Das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist deshalb hier nicht zu erörtern.

die Zuständigkeitsfrage zu erlangen (Sec. 32). Für beide Verfahren gelten Präklusionsregeln, d.h. die Rüge kann nach im Gesetz näher bestimmten Zeitpunkten nicht mehr wirksam erhoben und eine Entscheidung somit nicht mehr herbeigeführt werden.410 Die Vorschriften sind zwingend.411

Die beiden Verfahren stehen zueinander im Verhältnis der Alternativität, vorausgesetzt, die Parteien haben die Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts nicht durch Vereinbarung nach Sec. 30(1) abbedungen.412 Besitzt das Schiedsgericht aufgrund einer entsprechenden Parteivereinbarung keine Befugnis zur Bestimmung der eigenen Zuständigkeit, so ist ausschließlich der Weg über das gerichtliche Vorabentscheidungsverfahren gangbar.

Während das englische Recht grundsätzlich alternativ zur Zuständigkeitsentscheidung durch das Schiedsgericht den Weg zum staatlichen Gericht eröffnet, kann nach deutschem Recht der Weg zum staatlichen Gericht nur im Anschluss an eine schiedsrichterliche Entscheidung der Zuständigkeitsfrage beschritten werden. Nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO kann jede Partei gegen die positive Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts binnen eines Monats nach schriftlicher Mitteilung des Entscheids eine gerichtliche Entscheidung413 beantragen. Unmittelbar, d.h. ohne den Umweg über die schiedsrichterliche Entscheidung, kann das staatliche Gericht dagegen nicht angerufen werden. Die Zuständigkeitsprüfung durch das Schiedsgericht ist „Vorschaltinstanz“.414 Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass auch nach englischem Recht der unmittelbare Weg zum staatlichen Gericht durch vielfältige Hindernisse erschwert ist und jedenfalls die Rüge der Unzuständigkeit zum Schiedsgericht voraussetzt.

2. Entscheidung der Zuständigkeitsfrage durch das Schiedsgericht a) Rechtzeitige Rüge der mangelnden Zuständigkeit

aa) Rüge und Sperrwirkung einer verspäteten Rüge

Nach beiden Rechtsordnungen muss die mangelnde Zuständigkeit des Schiedsgerichts rechtzeitig gerügt werden, da andernfalls Präklusion eintritt

410 Vgl. Sec. 73(1)(a), (2).

411 Sec. 4 in Verbindung mit Schedule 1.

412 Harris/Planterose/Tecks, Rz. 31C.

413 Durch das nach § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuständige OLG.

414 MünchKommZPO-Münch, § 1040, Rn. 13.

(vgl. Sec. 73(1)(a) iVm. Sec. 31(1), (2); § 1040 Abs. 2 S. 1, 3 ZPO). Das Rügerfordernis wird allerdings in beiden Rechtsordnungen dadurch abgemildert, dass das Schiedsgericht eine verspätete Rüge zulassen kann, wenn die Verspätung entschuldigt ist (vgl. Sec. 31(3); § 1040 Abs. 2 S. 4 ZPO).

Folge einer verspäteten und nicht zugelassenen Rüge ist, dass die Partei hinsichtlich mit der Rüge vor dem Schiedsgericht und vor dem staatlichen gericht ausgeschlossen ist. Dies bedeutet, dass auch eine spätere Anfechtung des Schiedsspruchs vor dem staatlichen Gericht unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Zuständigkeit (vgl. Sec. 67, 66(3); §§ 1059/1060 ZPO) ausgeschlossen ist.415

bb) Rechtzeitigkeit der Rüge

Parallel geregelt ist auch der für die Rechtzeitigkeit der Rüge entscheidende Zeitpunkt. Die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ist spätestens mit dem ersten Verfahrensschritt, der eine wie auch immer geartete Einlassung zur Sache darstellt, vorzubringen (vgl. Sec. 31(1))416 bzw. mit der Klagebeantwortung (vgl. § 1040 Abs. 2 S. 1 ZPO417). Die Ernennung oder die Mitwirkung an der Ernennung eines Schiedsrichters schließt die Möglichkeit der Rüge nicht aus (vgl. Sec. 31(1); § 1040 Abs. 2 S. 2 ZPO).

Die Überschreitung der Zuständigkeit (Befugnisüberschreitung, „exceeding substantive jurisdiction“) ist zu rügen, sobald die relevante Angelegenheit im

415 Vgl. zum deutschen Recht MüchKommZPO-Münch, § 1040, Rn. 22. a.A. Thomas/Putzo,

§ 1040, Rn. 5; zum englischen Recht Merkin, S. 53. Nicht von den Präklusionsvorschriften betroffen sind nach Sec. 72(1) solche Personen, deren Parteieigenschaft (von der anderen Partei) lediglich behauptet wird, die aber am Verfahren nicht teilnehmen. Sie können jederzeit eine gerichtliche Entscheidung der Zuständigkeitsfrage herbeiführen, den Schiedsspruch anfechten, Sec. 72(2), oder sich gegen die Vollstreckung des Schiedsspruchs zur Wehr setzen, vgl. Merkin, Guide, S. 110.

416 Während das deutsche Recht insoweit ausdrücklich auf die „Klagebeantwortung“ abstellt, verzichtet der Arbitration Act 1996 bewusst darauf, bestimmte technische Formulierungen zu verwenden, die den Eindruck erwecken könnten, in jedem Schiedsverfahren seien bestimmte förmliche Schriftsätze („pleadings“) auszutauschen (vgl. DAC February 1996 Report, para.

140). Vielmehr soll die bewusst weite Formulierung deutlich machen, dass unter dem Arbitration Act 1996 auch (zum herkömmlichen Gerichtsverfahren) alternative Verfahren zulässig sind (vgl. DAC February 1996 Report, para. 144). Hinsichtlich der zeitlichen

Fixierung deutet der englische Gesetzeswortlaut (vgl. Sec. 31(1): „...proceedings...“, „...arbitral tribunal...“) weiter darauf hin, dass das Schiedsverfahren im weiteren Sinn bereits begonnen haben muss, dass also die Schiedsrichter bereits ernannt sein müssen. Äußerungen der Parteien vor diesem Zeitpunkt stellen demnach keine solchen ersten Verfahrensschritte dar. Vielmehr muss es sich wohl um einen in gewisser Hinsicht förmlichen Verfahrensschritt handeln, möglicherweise muss das Schiedsgericht den Verfahrensschritt angeordnet haben. Die Anwesenheit bei einer Vorbesprechung („preliminary meeting“) würde danach noch keinen Verfahrensschritt im hier verstandenen Sinn darstellen, ein förmliches Bestreiten des Anspruchs dagegen schon (vgl. Harris/Planterose/Tecks, Rz. 31D).

417 So auch das UNCITRAL-MG, vgl. Art. 16 Abs. 1 S. 1.

schiedsrichterlichen Verfahren erörtert wird (vgl. Sec. 31; § 1040 Abs. 2 S. 3 ZPO).

b) Die Entscheidung des Schiedsgerichts

Nach der englischen Regelung stehen dem Schiedsgericht für die Entscheidung über die Unzuständigkeitsrüge grundsätzlich zwei Wege offen. Einmal kann das Schiedsgericht nach Sec. 31(4)(a) einen auf die Frage der Zuständigkeit beschränkten (Zwischen- oder Teil-) Schiedsspruch erlassen. Das Schiedsgericht kann aber auch die Zuständigkeitsfrage im endgültigen Schiedsspruch zur Sache entscheiden, Sec. 31(4)(b). Das dem Schiedsgericht insoweit eingeräumte Ermessen ist jedoch durch eine entsprechende Parteivereinbarung eingeschränkt.418

Etwas anders ist dies im deutschen Recht. Die die Zuständigkeit bejahende Entscheidung ist regelmäßig in der Form des Zwischenentscheids zu treffen (vgl. § 1040 Abs. 3 S. 1 ZPO). Dieser ist – wie der Zwischenschiedsspruch nach Sec. 31(4)(a) – auf die Zuständigkeitsvorfrage beschränkt.419 Aber auch im deutschen Recht kann die Zuständ igkeitsfrage – abweichend von der Regelvorgabe – in der Sachentscheidung (inzident) mitentschieden werden, etwa wenn die Unzuständigkeitsrüge ganz offensichtlich erfolglos ist.420

3. Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage durch das staatliche Gericht

a) In England: Vorabentscheidung aa) Der Alternativitätsgrundsatz

Grundsätzlich alternativ421 zur oben dargestellten Herbeiführung einer Entscheidung über die Zuständigkeit durch das Schiedsgericht steht den Parteien im englischen Recht nach Sec. 32 die Anrufung des staatlichen Gerichts zur Vorabentscheidung der Zuständigkeitsfrage zur Verfügung. Das Vorabentscheidungsverfahren beim staatlichen Gericht können die Parteien nicht abbedingen, da die Vorschrift zwingendes Recht ist.422

418 Sec. 31(4) am Ende.

419 MünchKommZPO-Münch, § 1040, Rn. 14.

420 MünchKommZPO-Münch, § 1040, Rn. 14.

421 Das Verfahren nach Sec. 32 steht ausschließlich zur Verfügung, wenn die Parteien die Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts nach Sec. 30(1) abbedungen haben.

422 Vgl. Sec. 4 in Verbindung mit Schedule 1.

Der oben genannte Alternativitätsgrundsatz erfährt durch Sec. 32 gewisse Einschränkungen. Der Gesetzgeber hat nämlich für die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens beim staatlichen Gericht enge Voraussetzungen aufgestellt. Grund hierfür ist, dass die Parteien ermuntert werden sollen, die Frage der Zuständigkeit unmittelbar durch das Schiedsgericht selbst nach Sec. 31 – mit der sich dann ergebenden Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung des Schiedsspruchs nach Sec. 67 – entscheiden zu lassen. Das DAC sieht das Verfahren nach Sec. 31 im Verhältnis zum Verfahren nach Sec. 32 als das regelmäßige Verfahren an, während Letzteres nur in Ausnahmefällen Anwendung finden soll.423

bb) Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen

Wählt eine Partei das gerichtliche Vorabentscheidungsverfahren, so ha t sie dennoch zunächst beim Schiedsgericht dessen Unzuständigkeit zu rügen.

Insoweit gelten die in Sec. 31 festgelegten zeitlichen Schranken.424

Zudem ist der Antrag zum staatlichen Gericht nur zulässig, wenn das schriftliche Einverständnis aller Parteien (Sec. 32(2)(a)) oder die Genehmigung des Schiedsgerichts (Sec. 32(2)(b)) vorliegt. In letzterem Fall ist die Zulässigkeit jedoch über das Vorliegen der Genehmigung des Schiedsgerichts hinaus davon abhängig, dass das staatliche Gericht davon überzeugt ist, dass der Antrag der Kostenersparnis dient, er ohne Verzögerung gestellt ist, und

„gute Gründe“ („good reasons“) dafür sprechen, dass die Zuständigkeitsfrage gerade durch das staatliche Gericht und nicht durch das Schiedsgericht nach Sec. 31 entschieden wird, Sec. 32(2)(b). Diese weiteren Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Wird der Antrag nicht mit dem Einverständnis aller Parteien, sondern mit Erlaubnis des Schiedsgerichts gestellt, so müssen nach Sec. 32(3) die oben genannten Gründe („good reasons“) im Antrag angeführt sein.

cc) Auswirkungen auf das laufende Schiedsverfahren

Wird ein Antrag nach Sec. 32 zum staatlichen Gericht gestellt, so kann das Schiedsgericht das Schiedsverfahren bis zur Entscheidung des staatlichen Gerichts aussetzen („stay of proceedings“). Das Schiedsgericht hat nach Sec. 32(4) aber auch die Möglichkeit, das Schiedsverfahren fortzusetzen und

423 DAC February 1996 Report, paras. 141, 147.

424 Merkin, Guide, S. 56; Harris/Planterose/Tecks, Rz. 32C.

einen Schiedsspruch zu erlassen, solange über den Antrag noch nicht entschieden ist. Damit kann Verzögerungstaktiken wirksam begegnet werden.

Das Ermessen des Schiedsgerichts kann jedoch durch eine entsprechende Parteivereinbarung eingeschränkt sein.425

b) In Deutschland: Gerichtliche Überprüfung des Zwischenentscheids Nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO kann jede Partei den die Zuständigkeit bejahenden Zwischenentscheid gerichtlich überprüfen lassen. Die Frist für den Antrag beträgt einen Monat. Das gerichtliche Kontrollverfahren hindert den Fortgang des Schiedsverfahrens nicht, das Schiedsgericht kann vielmehr das Verfahren fortsetzen und einen Schiedsspruch erlassen (vgl. §1040 Abs. 3 S. 3 ZPO). Stellt das Gericht die Unzuständigkeit fest und läuft das Schiedsverfahren noch, so hat sich das Schiedsgericht in einem Prozessschiedsspruch für unzuständig zu erklären. Hat das Schiedsgericht dagegen bereits einen verurteilenden Schiedsspruch erlassen, so kann der Einwand der Unzuständigkeit nur im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend gemacht werden.426

4. Zusammenfassung zu II.

Mit Blick auf die Entscheidung der Zuständigkeitsfrage durch das Schiedsgericht bestehen zwischen der englischen und der deutschen Regelung keine wesentlichen Unterschiede. Mit Blick auf die Entscheidung der Zuständigkeitsfrage durch das staatliche Gericht besteht jedoch ein grundlegender Unterschied. Diese ist nach englischem Recht grundsätzlich alternativ (als Vorabentscheidungsverfahren) zulässig, während das deutsche Recht die schiedsgerichtliche Entscheidung stets als „Vorschaltverfahren“ für die gerichtliche Kontrolle vorschreibt. Die Alternativität des englischen Rechts wird freilich dadurch wieder eingeschränkt, dass der Vorabentscheidungsantrag nur unter erschwerten Voraussetzungen zulässig ist.

425 Sec. 32(4).

426 MünchKommZPO-Münch, § 1040, Rn. 15.

§ 6: Das Verfahren im engeren Sinn