• Keine Ergebnisse gefunden

Englisches wie deutsches Recht räumen dem Schiedsgericht die Befugnis zum Erlass von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ein (vgl. Sec. 39629;

§ 1041 Abs. 1 ZPO). Im deutschen Recht geht damit eine grundlegende Änderung einher. Bislang konnte das Schiedsgericht keine Maßnahmen einstweiliger Sicherung erlassen; die Parteien konnten einstweiligen Rechtsschutz nur beim staatlichen Gericht beantragen.630

In der näheren Ausgestaltung der Regelungen unterscheiden sich englisches und deutsches Recht zum Teil erheblich.

1. Konkurrenzverhältnis zum staatlichen Gericht

Für das deutsche Recht gilt, dass einstweiliger Rechtsschutz durch das staatliche Gericht unbeschränkt und unbeschränkbar und immer parallel zum einstweiligen Rechtsschutz durch das Schiedsgericht offen steht.631

§ 1033 ZPO stellt klar, dass eine Schiedsvereinbarung einstweiligen Rechtsschutz durch das staatliche Gericht vor oder nach Beginn des Schiedsverfahrens ausschließt.

Anders dagegen das englische Recht: Nach Sec. 44(1) kann das staatliche Gericht einstweiligen Rechtsschutz (im Rahmen seiner

629 Die Überschrift zu Sec. 39 lautet: „Power to make provisional awards“ Dem Wortlaut nach handelt es sich bei Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes um (vorläufige)

Schiedssprüche. Dies würde jedoch Sec. 58(1) widersprechen, wonach Schiedssprüche endgültig und bindend sind. Der Text der Vorschrift selbst spricht dann auch richtigerweise von „provisional orders“, also von vorläufigen Anordnungen. Bei der Formulierung der Überschrift muss es sich demnach um ein Redaktionsversehen handeln (so

Harris/Planterose/Tecks, Rz. 39E; unklar Merkin, Guide 1996, S. 65; a.A. Menzies, Arbitration 1999, 107 (108)). Die hier angesprochenen vorläufigen Maßnahmen sind von den in Sec. 47 geregelten (endgültigen) Teilschiedssprüchen zu unterscheiden. Diese werden zwar nicht mehr im Gesetz (so aber noch Sec. 14 Arbitration Act 1950), aber doch in der Rechtsliteratur teilweise noch als „interim awards“ bezeichnet (vgl. Harris/Planterose/Tecks, Rz. 39E). Schon nach dem Gesetzeswortlaut bleibt die Befugnis zum Erlass von Teilschiedssprüchen von der Problematik des einstweiligen Rechtsschutzes völlig unberührt, Sec. 39(4). Einstweilige Anordnungen unterliegen – im Gegensatz zu Teilschiedssprüchen – der endgültigen Entscheidung des Schiedsgerichts. Im endgültigen Schiedsspruch müssen nach Sec. 39(3) solche vorläufigen Entscheidungen Berücksichtigung finden, und zwar entweder in der Entscheidung zur Sache selbst oder im Rahmen der Kostenentscheidung.

630 MünchKommZPO-Münch, § 1041, Rn. 3.

631 Vgl. MünchKommZPO-Münch, § 1041, Rn. 6.

Unterstützungsbefugnisse) anordnen, wenn die Parteien keine anderweitige Vereinbarung getroffen haben. Gerichtlicher einstweiliger Rechtsschutz steht demnach zur Disposition der Parteien. Zudem darf das staatliche Gericht nur handeln, wenn das Schiedsgericht einstweiligen Rechtsschutz nicht oder nicht effektiv gewähren kann Sec. 44(5). Einstweiliger Rechtsschutz durch das staatliche Gericht ist danach nur subsidiär möglich.

2. Voraussetzungen

Nach der Regelung in Sec. 39 müssen die Parteien die Befugnis des Schiedsgerichts zum Erlass von Maßnahmen im Wege des einstweiligen Rechtschut zes positiv vereinbaren.632 Treffen die Parteien keine solche positive Vereinbarung, so besitzt das Schiedsgericht die Befugnis nicht.

Im deutschen Recht dagegen ist eine zuständigkeitsbegründende Parteivereinbarung nicht erforderlich. Im Regelfall besitzt das Schiedsgericht die Befugnis zur Anordnung einstweiligen Rechtschutzes, die Parteien können diese Befugnis aber abwählen (vgl. § 1041 Abs 1 ZPO).

3. Inhalt der Maßnahme

Nach Sec. 39(1) kann Inhalt einer Maßnahme im einstweiligen Rechtsschutz alles sein, was auch Inhalt eines endgültigen Schiedsspruch sein kann. Als Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes werden beispielhaft genannt vorläufige Anordnungen zur Zahlung eines Geldbetrages, vorläufige Anordnungen hinsichtlich der Auf- bzw. Verteilung von Vermögensgegenständen zwischen den Parteien, sowie Anordnungen hinsichtlich vorläufiger Abschlagszahlungen auf die Kosten des Verfahrens.633 Detaillierte Kriterien zur Ermittlung der Voraussetzungen, unter denen einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren ist, finden sich im Arbitration Act 1996 nicht. In der Literatur wird deshalb vorgeschlagen, insoweit die für die staatlichen Gerichte geltenden Regeln entsprechend heranzuziehen.634

Auch im deutschen Recht ist das Schiedsgericht nicht auf bestimmte Maßnahmen beschränkt. Neben den in §§ 916ff, 935ff ZPO genannten

632 Sec. 39(1).

633 Sec. 39(2).

634 Oyre, Arbitration 1999, 113 (115); kritisch zur Formulierung des Gesetzes: Blessing, Rz.

849; Benton/Rogers, Arb Int 1997, 361 (370 f).

Maßnahmen können auch sonstige Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden.635

4. „Freezing-injunction“

Unterschiedlich jedoch wird die Frage nach der Zulässigkeit einer „freezing-injunction“ beantwortet.

Im englischen Recht soll das Schiedsgericht - auch im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes nach Sec. 39 - keine Befugnis zum Erlass von

„freezing“- (oder „search“-)Verfügungen haben. Bewusst wurden diese

„drakonischen“ Maßnahmen den staatlichen Gerichten vorbehalten.636

„Freezing“- und „search“-Verfüngungen ergehen nämlich im gerichtlichen Verfahren regelmäßig ex parte, d.h. ohne Anhörung des Gegners. Dies würde den Grundprinzipien des Schiedsverfahrens zuwiderlaufen, wonach stets allen Parteien rechtliches Gehör zu gewähren ist. Zudem greifen derartige Verfügungen regelmäßig in Rechte und Pflichten unbeteiligter Dritter ein und wären insoweit nicht vollstreckbar.637

Die Zulässigkeit einer „freezing- injunction“ auf der Grundlage von

§ 1041 Abs. 1 ZPO wird in der Literatur zum Teil bejaht.638 Die im englischen Recht diskutierten Argumente gegen die Zulässigkeit einer „freezing-injunction“ werden freilich auch zum deutschen Recht erörtert.639

5. Vollziehung

Wie bereits oben im Rahmen der „besonderen“ Befugnisse ausgeführt, ist für die Vollziehung von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Hilfe durch staatliche Gerichte erforderlich (Vollzugshilfe).

Das deutsche Recht sieht insoweit ausdrücklich vor, dass das staatliche Gericht die Vollziehung einer durch das Schiedsgericht angeordneten Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes zulassen kann (§ 1041 Abs. 2 S. 1 ZPO). Das Gericht hat sogar eine Abänderungsbefugnis, wenn die Abänderung der schiedsrichterlichen Eilmaßnahme zur Vollziehung der Maßnahme notwendig ist (§ 1041 Abs. 2 S. 3 ZPO).

635 Raeschke-Kessler/Berger, Rn. 594.

636 DAC February 1996 Report, para. 201.

637 Vgl. Oyre, Arbitration 1999, 113 (114) ; zur Drittwirkung vgl. Ward, English Legal System, 361.

638 Raeschke-Kessler/Berger, Rn. 594, mwN; vgl. auch Heigl, S. 168 f, mwN.

639 Vgl. Heigl, S. 168 f, (dort Fn. 502 f).

Die Vollziehung schiedsrichterlich angeordneten einstweiligen Rechtsschutzes durch die staatlichen Gerichte ist im englischen Recht nicht ausdrücklich geregelt. Zu denken wäre an eine Durchsetzung der Maßnahmen nach Sec. 41(5), 42 unter der Voraussetzung, dass das Schiedsgericht eine

„peremptory order“ erlässt. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass sowohl die Befugnis zum Erlass von „peremptory orders“ als auch die Befugnis des staatlichen Gerichts zur Durchsetzung von „peremptory orders“

zur Disposition der Parteien steht (vgl. Sec. 41(1), 42(1)) und der konkrete Antrag zum staatlichen Gericht nur bei positiver Parteivereinbarung oder mit Zustimmung des Schiedsgerichts zulässig ist (vgl. Sec. 42 (2)) Dieser Weg wird in der englischen Literatur für wenig geeignet gehalten.640

Die zweite Möglichkeit, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu vollziehen, wäre die Vollstreckung im summarischen Verfahren nach Sec. 66.

Hierbei ist freilich zu beachten, dass Sec. 66 dem Wortlaut nach nur für die Vollstreckung von Schiedssprüchen, also endgültigen Entscheidungen gilt, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aber gerade vorläufigen Charakter haben, wie sich schon aus dem Wortlaut von Sec. 39 („provisional orders“) ergibt.

Zu beiden Rechtsordungen ist festzuhalten, dass die Vollziehung von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes jeweils auf den nationalen Bereich beschränkt ist, weil eine internationale Vollstreckung nach dem UNÜ mangels Verbindlichkeit der Entscheidung ausscheidet (vgl. Art 5(1)(e) UNÜ).

6. Sicherheitsleistung und Vollzugsregress

Nach § 1041 Abs. 1 S. 2 ZPO kann das Schiedsgericht im Zusammenhang mit solchen Maßnahmen von den Parteien angemessene Sicherheit verlangen.

Insoweit findet sich im Arbitration Act 1996 keine Regelung. Gleiches gilt für die nach Abs. 4 vorgesehene Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs für den Fall, dass die Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes sich als von Anfang an ungerechtfertigt erweist.