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Während im deutschen Recht die Rechtsschutzform nicht von einer prozessualen Befugnis des Richters abhängt, sondern sich aus dem materiellen Recht ergibt, bedarf nach englischer Vorstellung der Richter bestimmter prozessrechtlicher Befugnisse, um den rechtlichen Ausgleich herbeiführen zu können.770 Grundform des Rechtsschutzes im englischen Recht ist das Zahlungsurteil. Andere Rechtsschutzformen bedürfen einer besonderen – gesetzlichen oder vertraglichen – Grundlage.771 Im Schiedsverfahren kommt insoweit regelmäßig eine Parteivereinbarung in Betracht.

2. Die Regelung

So sind dann auch nach Sec. 48(1) die Parteien frei, die dem Schiedsgericht offenstehenden Entscheidungsformen zu vereinbaren. Treffen die Parteien insoweit keine Vereinbarung, so stellt das Gesetz folgende Entscheidungsformen zur Verfügung:

768 BHG, Urt. V. 7.3.1985, NJW 1985, 1903 (1904).

769 Dem Gericht stehen nach Sec. 56(2) drei verschiedene Möglichkeiten offen, über den Antrag zu entscheiden. Zum einen kann es die Übergabe des Schiedsspruchs gegen

Hinterlegung der geforderten Gebühren des Schiedsgerichts anordnen, vgl. Sec. 56(2)(a). Zum zweiten kann es anordnen, dass die angemessene Höhe der zu zahlenden Honorare und Auslagen durch ein vom Gericht festgelegtes Verfahren ermittelt wird, Sec. 56(2)(b).

Schließlich kann das Gericht anordnen, dass von der bei ihm hinterlegten Summe für Honorare und Auslagen ein angemessener Betrag an die Schiedsrichter ausgezahlt, ein gegebenenfalls verbleibender Restbetrag an den Antragsteller zurückgezahlt wird, Sec. 56(2)(c). Angemessen in diesem Sinne ist nach Sec. 56(3) der vom Gericht im Rahmen von Sec. 28 bestimmte Betrag oder der zwischen den Parteien und dem Schiedsgericht vereinbarte Betrag.

770 Vgl. Schlosser, Rz. 861.

771 Vgl. Schlosser, Rz. 858.

a) Zahlung aa) Allgemeines

Das Schiedsgericht kann die Zahlung von Geldbeträgen in jeder beliebigen Währung anordnen, Sec. 48(4). Hierbei handelt es sich um die praktisch wichtigste Entscheidungsform. Die Neuregelung kodifiziert eine neuere Rechtsprechung772, nach der eine Fremdwährung nicht mehr in Pfund Sterling umzurechnen ist.773

Eine Zahlungspflicht kann sich nach englischem Recht entweder unter dem Gesichtspunkt einer (primären) vertraglichen Zahlungspflicht („debt“) oder der (sekundären) Verpflichtung zum Schadensersatz („damages“) ergeben.774 Letzteres ist für den kontinentaleuropäischen Juristen in der Ausformung des Strafschadensersatzes („exemplary bzw. punitive damages“) ein Reizwort. Aus diesem Grund erscheint hierzu folgende kurze Erläuterung angebracht.

bb) Strafschadensersatz („punitive damages“)

Die Möglichkeit zur Verurteilung zu Strafschadensersatz ist nach englischem Recht begrenzt. So darf Strafschadensersatz nur unter dem Gesichtspunkt der deliktischen Handlung („tort“)775, und hier nur bei Vorliegen einer von drei Fallgruppen776, zugesprochen werden.

Soweit Strafschadensersatz in einem Schiedsspruch zugesprochen werden soll, stellen sich im wesentlichen zwei Fragen, nämlich erstens, ob das Schiedsgericht überhaupt berechtigt (befugt) ist, Strafschadensersatz zuzusprechen und zweitens, ob ein solcher Schiedsspruch, in einem Land, das dieses Institut nicht (aner)kennt, vollstreckbar ist.777

Was die erste Frage anbelangt, so ist davon auszugehen, dass vor Geltung des Arbitration Act 1996 ein Schiedsgericht in England, das in der Sache englisches Recht anwendete, berechtigt war, ausschließlich in den vom

772 Jugoslavenska Oceanska Plovidba v. Castle Investment Co Inc. [1974] QB 292; Miliangos v. George Frank Textiles Ltd. [1976] AC 443.

773 Merkin, Guide, S. 78.

774 Russell, Rz. 6-119.

775 Der Begriff „tort“ ist nicht mit dem der unerlaubten Handlung des deutschen Rechts gleichzusetzen, vgl. v. Bernstorff, S. 96.

776 Nach Russell, Rz. 6-124, Fn. 48 sind dies die folgenden Fallgruppen: (1) willkürliches Handeln durch staatliche Beamte, (2) Fälle, in denen der Beklagte mit seinem berechnenden Verhalten einen Gewinn erstrebt, der die an den Kläger zu leistenden Ausgleichszahlungen weit übersteigt, sowie (3) gesetzlich audrücklich geregelte Fälle.

777 Vgl. Russell, Rz. 6-124.

englischen Recht anerkannten, eng umgrenzten Fällen Strafschadensersatz zuzusprechen. Bei Geltung eines ausländischen Rechts in der Sache hätte dagegen geprüft werden müssen, ob die Schiedsvereinbarung und die betreffende Rechtsordnung einen solchen Schiedsspruch zugelassen hätte.778 Nach dem neuen Recht sind die Parteien, wie bereits oben dargestellt, in der Bestimmung der Rechtschutzformen frei. Sie können also nach dem Wortlaut des Gesetzes (Sec. 48, Sec. 46) dem Schiedsgericht uneingeschränkt, d.h. auch über die vom englischen Recht anerkannten Fälle hinaus, die Befugnis einräumen, Strafschadensersatz zuzusprechen. Jedoch könnte eine durch Parteivereinbarung uneingeschränkte Möglichkeit der Verurteilung zum Strafschadensersatz gegen den ordre public und damit gegen Sec. 1(b) verstoßen.779

Zur Frage der Vollstreckbarkeit existieren bislang keine Entscheidungen englischer Gerichte. Im Lichte des Leitbilds des Arbitration Act 1996, namentlich der Parteiautonomie, sprechen die gleichen Argumente, die bereits hinsichtlich der ersten Frage fruchtbar gemacht wurden, auch für eine Zulassung zur Vollstreckung, freilich begrenzt durch ordre public Gesichtspunkte, gestützt auf eine Einschränkung von Sec. 48 durch Sec. 1(b).780

b) Feststellung/Erklärung

Nach Sec. 48(3) ist das Schiedsgericht befugt, Erklärungen und/oder Feststellungen zu jedem im Schiedsverfahren zu entscheidenden Gesichtspunkt abzugeben bzw. zu treffen. Diese Rechtsschutzform stand dem Schiedsgericht bereits nach bisherigem Recht, wenn auch nicht ausdrücklich, zur Verfügung.781 Nicht geeignet sind Feststellungsentscheidungen - wie im deutschen Recht auch - zur Klärung lediglich hypothetischer Rechtsfragen oder zur Entscheidung über nicht geltend gemachte Ansprüche.782

778 Vgl. Russell, Rz. 6-125.

779 Vgl. Russell, Rz. 6-126.

780 Vgl. Russell, Rz. 6-128.

781 Merkin, Guide, S. 78.

782 Russell, Rz. 6-118.

c) Handlungs-/Unterlassungsverfügung

Unter den selben Voraussetzungen und im selben Umfang wie dies einem staatlichen Gericht möglich ist, kann das Schiedsgericht nach Sec. 48(5)(a) einer Partei gegenüber ein Tun oder Unterlassen anordnen.

Insoweit wurde früher die Auffassung vertreten, es handle sich ausschließlich um ureigene Befugnisse des staatlichen Gerichts.783 Begründet wurde diese Auffassung damit, das Schiedsgericht verfüge nicht über die Zwangsmittel des staatlichen Gerichts. Andererseits würde dieses Argument auch gegen die Befugnis zur Verurteilung zur Erfüllung des Vertrages sprechen. Außer Streit steht zudem, dass das Schiedsgericht verfahrensleitende Anordnungen („interlocutory orders“) treffen darf, die von den Parteien ein aktives Tun oder Unterlassen fordern.784

d) Vertragserfüllung („specific performance“)

Nach Sec. 48(5)(b) kann das Schiedsgericht - ebenso wie ein staatliches Gericht - die Erfüllung eines Vertrages („specific performance“) anordnen. Für Grundstücksverträge gilt nach dieser Vorschrift insoweit jedoch eine Ausnahme.785

e) Berichtigung, Aufhebung, Löschung einer (Vertrags-)Urkunde Sec. 48(5)(c) erlaubt dem Schiedsgericht die Berichtigung („rectification“), Aufhebung oder Löschung eines Vertrages. Unter „rectification“ wird im englischen Recht die Anpassung eines Vertrages an den wirklichen Willen der Parteien verstanden, wenn der Vertrag aufgrund eines beiderseitigen Irrtums oder Fehlers von dem wirklichen Willen, der wirklichen Absicht der Parteien abweicht.786 Die Bedeutung des Rechtsbehelfs liegt darin, dass das prozessuale Beweisrecht787 grundsätzlich keine außerhalb der Vertragsurkunden liegenden Beweismittel zulässt, die den Inhalt der Vertragsurkunde ergänzen, ändern oder ihm widersprechen. Für die Auslegung eines Vertrages kommt es grundsätzlich ausschließlich auf dessen Wortlaut an; außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen für die Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden.

783 Chandris v. Isbrandtsen-Moller [1951] 1 KB 240 (262).

784 Rokison, in: Lew (Hg.) Contemporary Problems in International Arbitration, 1987, 86 (98).

785 Sec. 48(5).

786 Vgl. Lovell & Christmas Ltd. v. Wall [1911] 104 LT 85, (93).

787 Vgl. v. Bernstorff, S. 64; in den USA dagegen wird die „parol evidence rule“ nicht (mehr) als „rule of evidence“, sondern als für den materiellen Inhalt eines Vertrages als

ausschlaggebend angesehen, vgl. Hay, Rz. 272.