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VIII. Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs

3. Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren

Ausnahmen vom Territorialitätsgrundsatz sind auch vorgesehen, soweit es um die Unterstützung ausländ ischer Schiedsverfahren durch die inländischen Gerichte geht.

a) Sicherstellung der Anwesenheit von Zeugen

Die englischen Gerichte können die Zwangsbefugnisse zur Sicherstellung der Anwesenheit von Zeugen nach Sec. 43 ausüben, Sec. 2(3)(a). Dazu muss jedoch eine weitere Voraussetzung treten: Die Anwendung der gerichtlichen Zwangsbefugnisse muss angesichts der Tatsache, dass der Sitz des Schiedsverfahrens gerade außerhalb Englands liegt oder liegen wird, besonders gerechtfertigt sein, Sec. 2(3) a.E. Freilich müssen zudem die in Sec. 43(3) genannten Voraussetzungen erfüllt sein: Der Zeuge muss sich im Vereinigten Königreich aufhalten und jedenfalls die entsprechende Zeugenvernehmung muss in England durchgeführt werden.97

Die allgemeine Regelung des deutschen Rechts in § 1050 ZPO, wonach das Gericht ein ausländisches Schiedsverfahren bei der Beweisaufnahme und durch die Vornahme sonstiger richterlicher Handlungen, zu denen das Schiedsgericht nicht befugt ist, unterstützen kann, erfasst auch die Fälle der Ladung und Vernehmung von Zeugen, die nicht freiwilig vor dem Schiedsgericht erscheinen, erforderlichenfalls mit Zwang, Abnahme von Eiden oder eidesstattlichen Erklärungen.98

b) Einstweilige sichernde Maßnahmen bezüglich des Streitgegenstandes

Nach Sec. 2(3)(b) sind die in Sec. 44 geregelten gerichtlichen Befugnisse zur Unterstützung eines ausländischen Schiedsverfahrens bei ausländischem Sitz

97 Vgl. auch Merkin, Guide, S. 16; Blackaby, Arb Int 1997, 431 (432 f), sieht einen

unüberbrückbaren Widerspruch zwischen den beiden Erfordernissen „Sitz außerhalb Englands“

einerseits und „Durchführung des Verfahrens in England“ andererseits. Dass dem Ort, an dem Verfahrensschritte durchgeführt werden (der aber nicht Sitz des Schiedsverfahrens ist) rechtliche Bedeutung zukommt (nämlich im Rahmen von Sec. 43) birgt nach der Ansicht von Blackaby die Gefahr der Schaffung zweier „curial laws“ und führt zu Verwirrung. Er schlägt als Lösung vor, dass die allgemeine Regel, nach der der Arbitration Act 1996 nur anwendbar ist, wenn Sitz des Schiedsverfahrens in England liegt, in vollem Umfang auch für Sec. 43 gelten soll.

98 Thomas/Putzo, § 1050, Rn. 1.

des Schiedsverfahrens anwendbar.99 Sec. 44 regelt im wesentlichen einstweilige sichernde Maßnahmen bezüglich des Streitgegenstandes und Beweismittel. Auch hier ist nach Sec. 2(3) a.E. maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts, ob der Umstand, dass der Sitz des Schiedsverfahrens außerhalb Englands liegt oder liegen wird, die Anwendung der genannten Vorschriften unangemessen erscheinen lässt.100 Im übrigen liegt die Gewährung des beantragten Rechtsschutzes im Ermessen des Gerichts.101 Die Anwendung von Sec. 2(3)(b) iVm. Sec. 44 soll nach Merkin in Betracht kommen, wenn der Sitz des Schiedsverfahrens außerhalb Englands liegt, englisches Recht aber hinsichtlich des Verfahrens anwendbar ist.

Gegebenenfalls soll eine weitere Verbindung zu England erforderlich sein.102 Unabhängig von der Wahl deutschen Rechts als Verfahrensrecht können deutsche Gerichte zur Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren einstweilige Maßnahmen zur Sicherung des Streitgegenstands erlassen, § 1025 Abs. 4 ZPO iVm. § 1033 ZPO.

aa) „Freezing-injunction“103 und „search-order”104

Der wichtigste Effekt von Sec. 2(3)(b) iVm. Sec. 44 ist, dass Parteien eines ausländischen Schiedsverfahrens Zugang zu den englischen Gerichten erhalten, um im Wege einer „freezing- injunction“105 in England belegene Vermögenswerte vorläufig zu sichern, oder mittels einer „search-order“106 in England belegene Räumlichkeiten des Gegners zu durchsuchen und dort befindliche Beweismittel zu sichern.107 Doch ist die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz in Form der „freezing- injunction“ nicht auf in England und damit innerhalb der Zuständigkeit („jurisdiction“) der englischen Gerichte belegene Vermögensgege nstände beschränkt. Vielmehr ist auch eine weltweite „freezing- injunction“ denkbar, freilich aber stellen die Gerichte insoweit hohe Anforderungen an das Vorbringen des Antragstellers. Eine

99 Sec. 44.

100 Sec. 2(3).

101 Vgl. die Analyse bei Lenon, New Law Journal 15. August 1997 (Nr. 6805), 1234 (1235).

102 Merkin, Guide, S. 16.

103 Vgl. Rule 25(1)(f) der Civil Procedure Rules („CPR“); vor Inkraftreten der englischen Zivilprozessreform als „Mareva-injunction“ bezeichnet.

104 Vgl. Rule 25(1)(h) CPR; vor Inkrafttreten der englischen Zivilprozessreform als „Anton Piller-order“ bezeichnet.

105 Vgl. hierzu näher Ward, English Legal System, 359 ff.

106 Vgl. hierzu näher Ward, English Legal System, 357 ff.

107 Merkin, Guide, S. 16.

außerhalb der Zuständigkeit englischer Gerichte wirkende „freezing-injunction“ darf nur in Ausnahmefällen gewährt werden.108

bb) „Anti-suit injunction“

Denkbar scheint es auch, eine „anti-suit injunction“ auf Sec. 2(3)(b) iVm. Sec.

44 zu stützen, wenn bei englischem Schiedsverfahrensrecht eine Partei abredewidrig in einer anderen als der in der Schiedsvereinbarung vorgesehenen Jurisdiktion ein gerichtliches Verfahren anstrengt. Mittels einer „anti-suit injunction“ können englische Gerichte dieser Partei aufgeben, das Gerichtsverfahren nicht weiter zu betreiben. Ein dennoch ergehendes Gerichtsurteil ist in England nicht vollstreckbar.109 Im Fall Bankers Trust Co.

and another v. PT Jakarta International Hotel and Development110 hatte zunächst die spätere Beklagte entgegen der englischem Recht unterliegenden Schiedsvereinbarung, die die Durchführung eines Schiedsverfahrens in London vorsah, die spätere Klägerin vor indonesischen Gerichten verklagt. Die Klägerin leitete daraufhin - entsprechend der Schiedsvereinbarung - in London ein Schiedsverfahren gegen die Beklagte ein und beantragte beim staatlichen englischen Gericht eine Verfügung, nach der die Beklagte das in Indonesien eingeleitete Verfahren nicht weiter betreiben sollte („anti-suit injunction“). Das Gericht gab dem Antrag statt. Voraussetzung für den Erlass einer „anti-suit injunction“ ist nach dieser Entscheidung, dass der Kläger glaubhaft macht, sein Fall habe Aussicht auf Erfolg und er sei berechtigt, vom Beklagten die Abstandnahme von dem ausländischen Gerichtsverfahren zu verlangen.

Gelingt dem Kläger dies und stellt er den Antrag unverzüglich und bevor das Gerichtsverfahren im Ausland zu weit vorangeschritten ist, so erlässt das Gericht die Anordnung, es sei denn, „gute Gründe“ („good reasons“) sprechen dagegen. Im vorliegenden Fall ergab die Abwägung, dass die Funktions fähigkeit der internationalen Finanzmärkte die Durchsetzung der Schiedsklausel und damit den Erlass der „anti-suit injunction“ erforderte.111

108 Vgl. Lenon, New Law Journal 15. August 1997 (Nr. 6805), 1234 (1235).

109 Vgl. Dutson, Arb Int 2000, 89 (94 f, 100); zur Problematik gerichtlicher

Unterstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem EuGVÜ siehe Petrochilos, LMCLQ 2000, 99 (103 ff); Seriki, Arbitration 2000, 49 ff.

110 [1999] 1 AllER (Comm) 785.

111 [1999] 1 AllER (Comm) 785, 789 ff; zur Zulässigkeit einer „anti-suit injunction“ vgl. auch Shell International Petroleum Co. Ltd. v. Coral Oil Co. Ltd. [1999] 1 Lloyd´s Rep. 72 (73).

cc) Anerkennung einer englischen „anti-suit injunction“ in Deutschland?

Der Erlass einer „anti-suit injunction“ wirft aber nicht nur die oben angesprochene Frage auf, ob eine auf Grund des abredewidrig und unter Missachtung der „injunction“ duchgeführten Verfahrens ergangene Gerichtsentscheidung im „Heimatstaat“ der „injunction“ anerkannt wird, sondern auch, ob die „injunction“ in dem Staat, in dem das angegriffene Verfahren geführt wird, durchsetzbar ist. In einem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall wurde die Zustellung einer englischen „anti-suit injunction“

an die Partei eines deutschen Zivilprozesses nach dem Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965112 („HZÜ“) abgelehnt, weil diese geeignet sei, Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.113 Die „anti-suit injunction“ stellt nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf einen Eingriff in die Justizhoheit der Bundesrepublik Deutschland dar, weil die deutschen Gerichte ausschließlich selbst nach den für sie geltenden Verfahrensgesetzen und völkerrechtlichen Verträgen darüber befinden, ob sie für die Entscheidung einer Streitsache zuständig sind oder ob sie die Zuständigkeit eines anderen in- oder ausländischen Gerichts (auch Schiedsgerichts) zu respektieren haben. Auch könnten ausländische Gerichte keine Weisungen erteilen, ob und in welchem Umfang ein deutsches Gericht in einer bestimmten Streitsache tätig werden kann und darf. Diese Beurteilung mag zunächst überraschen, denn eine „anti-suit injunction“ ist - formal - nicht unmittelbar gegen den deutschen Staat und die deutschen Gerichte gerichtet, sondern gegen die das deutsche Gerichtsverfahren betreibende Partei. Da aber der Adressat des Prozessführungsverbots aufgrund der „contempt of court“-Anordnung (Haft oder Geldbuße bei Nichtbeachtung der „anti-suit injunction“) tatsächlich gehindert ist, das untersagte (anhängige) Verfahren weiter zu betreiben, ist auch das deutsche Gericht an einer Sachentscheidung in diesem Verfahren gehindert; damit greift das Prozessführungsverbot in die deutsche Justizhoheit ein. Auch mit Blick auf noch nicht anhängige Verfahren gilt, dass eine „anti-suit injunction“ einen Eingr iff in die Hoheitsrechte darstellt, da der Grundsatz des freien Zugangs zu den deutschen Gerichten als solcher Ausdruck staatlicher Souveränität ist und weder die Entscheidung des Klägers,

112 BGBl 1977 II S. 577.

113 OLG Düsseldorf v. 10.01.1996 - 3 VA 11/95, IPRax 1997, 260 (261).

sein Anliegen einem Gericht zu unterbreiten, noch die Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der vorgesehenen Prozessführung durch Weisungen ausländischer Gerichte vorweggenommen werden darf. Schließlich, so das OLG Düsseldorf, ist zu beachten, dass „anti-suit injunctions“, in welche Form sie auch gekleidet und an wen sie auch gerichtet sind, dem alleinigen Zweck dienen, den behaupteten ausländischen Gerichtsstand zu sichern und somit schon von der Zielsetzung her darauf gerichtet sind, in die Kompetenz der deutschen Justiz einzugreifen.114

4. „Starthilfe“

Schließlich ist im deutschen Recht ausdrücklich die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Gerichte zur „Starthilfe“ vorgesehen, wenn der Ort des Schiedsverfahrens noch nicht bestimmt wurde. Durch diese Ausnahmevorschrift kann das Gericht ein Schiedsverfahren durch die Konstituierung des Schiedsgerichts (§§ 1034, 1035, 1037 und 1038 ZPO) erst einmal in Gang bringen. Andernfalls bestünde die Gefahr eines „circulus vitiosus“115, weil nach dem Territorialitätsprinzip ja die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Bestimmung des Ortes des Schiedsverfahrens und über die gerichtlichen Befugnisse im Zusammenhang mit der Konstituierung des Schiedsgerichts von einem inländischen Ort des Schiedsverfahrens abhängig ist.116 Die „Starthilfe“ des Gerichts hat jedoch eine gewisse Verbindung des Klägers zu Deutschland zur Voraussetzung. Dieser muss seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.

Eine vergleichbare, auf den Fall der „Starthilfe“ zugeschnittene Regelung kennt das englische Recht nicht. Jedoch können nach Sec. 2(4) zur Unterstützung eines ausländischen Schiedsverfahrens (oder wenn der Sitz noch nicht bestimmt wurde) die Gerichte ganz allgemein auch die Befugnisse nach den weiteren, oben nicht ausdrücklich genannten Vorschriften von Part I des Arbitration Act 1996 ausüben, vorausgesetzt eine gewisse Verbindung zu England rechtfertigt die Anwendung.117 Hierunter fallen dann z.B. die gerichtlichen Befugnisse im Zusammenhang mit der Bestellung und Abberufung von Schiedsrichtern. Nach Merkin fasst die Regelung die Fälle ins

114 Vgl. OLG Düsseldorf, aaO; dazu die Anm. von Hau, IPRax 1997, 245 (248).

115 Schultsz, IPRax 1987, 383, zum niederländischen Recht, das der deutschen Regelung insoweit als Vorbild diente.

116 Epping, S. 10.

117 Sec. 2(4).

Auge, in denen englisches Recht als Verfahrensrecht gewählt wurde. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet aber wohl aus, wenn ein anderes als das englische Recht Verfahrensrecht ist, weil dann die Verbindung zu England zu schwach ist, um ein Eingreifen englischer Gerichte zu rechtfertigen.118 Insoweit wäre die Regelung dann wieder enger als im deutschen Recht, das ja gerade unabhängig von einer Wahl des deutschen Schiedsverfahrensrechts die Möglichkeit der „Starthilfe“ zulässt.

III. Anwendbarkeit von be stimmten Vorschriften, sofern die