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Systematisch lassen sich Schiedssprüche als Endentscheidung, Teilschiedssprüche und Schiedssprüche mit vereinbartem Inhalt/Wortlaut unterscheiden. Was die verschiedenen Arten von Schiedssprüchen anbelangt, sind zwischen englischem und deutschem Recht keine größeren Unterschiede festzustellen.

1. Schiedsspruch als Endentscheidung

Nach beiden Rechtsordnungen ist der Schiedsspruch mit dem über den Streit insgesamt entschieden und das Verfahren beendet wird als Endentscheidung bekannt (vgl. Sec. 58; § 1056 Abs. 1 ZPO).

2. Teilschiedssprüche a) Bedeutung

Im zehnten Buch der ZPO nicht ausdrücklich geregelt, im deutschen Recht jedoch anerkannt sind Teilschiedssprüche.703 Im englischen Recht findet sich hierzu eine ausdrückliche und detaillierte Regelung (vgl. Sec. 47). Nach Ansicht des DAC ist die Vorschrift von besonderer Bedeutung. Sie ermöglicht

699 MünchKommZPO-Münch, § 1051, Rn. 24.

700 MünchKommZPO-Münch, § 1051, Rn. 20 spricht von der Eröffnung der „Hintertüre“ für die lex mercatoria.

701 MünchKommZPO-Münch, § 1051, Rn. 20.

702 MünchKommZPO-Münch, § 1051, Rn. 24.

703 Raeschke-Kessler/Berger, Rn. 845.

es dem Schiedsgericht, abtrennbare Komplexe des Streits abzuschichten und zu erledigen und so den Weg zu einer gütlichen Einigung bezüglich des restlichen Streitstoffes zu ebnen.704 Teilschiedssprüche erlauben es nach Ansicht des DAC dem Schiedsgerichts, das Verfahren so auszugestalten, dass eine schnelle und kostengünstige Streiterledigung erreicht werden kann (vgl. Sec.

33(1)(a)).705

Nach Sec. 47(1) kann das Schiedsgericht, Teilschiedssprüche, d.h.

Schiedssprüche zu abschichtbaren Teilfragen des Rechtsstreits, erlassen. Diese Befugnis steht - wie im deutschem Recht706 - jedoch zur Disposition der Parteien. Die Entscheidung über den Erlass eines Teilschiedsspruchs liegt im Ermessen des Schiedsgerichts, dieses ist an einen Antrag einer Partei auf Erlass eines Teilschiedsspruchs nicht gebunden; dies wird auch zum deutschen Recht so gesehen.707

Ob eine ablehnende Entscheidung selbst ein Schiedsspruch ist, ist umstritten.

Keinesfalls aber handelt es sich insoweit um die Entscheidung einer Rechtsfrage. Somit ist im Fall einer ablehnenden Entscheidung über einen Antrag auf Erlass eines Teilschiedsspruchs der Weg für einen „appeal on a point of law“ versperrt.708

b) Inhalt

Inhaltlich können Teilschiedssprüche nach Sec. 47(2) insbesondere Fragen betreffen, die sich bezüglich des gesamten geltend gemachten Anspruchs oder lediglich eines Teiles des mit der Klage oder Widerklage verfolgten Anspruchs stellen. Nach Sec. 47(3) muss der Teilschiedsspruch erkennen lassen, auf welchen Teil des Streitstoffes er sich bezieht. Als Teilschiedsspruch muss ein Schiedsspruch die endgültige Entscheidung eines Streitpunktes enthalten.

Verurteilt ein Schiedsspruch lediglich zu einer Abschlagszahlung, ohne über Fälligkeit und Schuldgrund zu entscheiden, so liegt kein Teilschiedsspruch

704 DAC February 1996 Report, para. 227.

705 DAC February 1996 Report, para. 230; siehe aber auch den Hinweis bei Raeschke-Kessler/Berger, Rn. 847f, dass es durch die isolierte Anfechtung von Teilschiedssprüchen zu einer Verzögerung des Verfahrens kommen kann.

706 Raeschke-Kessler/Berger, Rn. 850.

707 Raeschke-Kessler/Berger, Rn. 847.

708 Merkin, Guide, S. 77.

vor.709 Vielmehr kommt dann eine Maßnahme des einstweiligen Rechtschutzes in Betracht.

c) Abgrenzung zu Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes

Von solchen vorläufigen Maßnahmen, zu deren Erlass das Schiedsgericht neuerdings befugt ist (Sec. 39, siehe oben), sind die hier betrachteten (endgültigen) Teilschiedssprüche jedoch streng zu unterscheiden.

Teilschiedssprüche sind (echte) Schiedssprüche, d.h. sie entscheiden einen Teil des Rechtsstreits endgültig und bindend.710

Hinsichtlich seiner Wirkungen ist ein Teilschiedsspruch also wie jeder andere Schiedsspruch zu beurteilen. Bezüglich der entschiedenen Teilfrage(n) begründet ein Teilschiedsspruch ein „issue estoppel“ zwischen den Parteien.

Das Schiedsgericht darf zu einem späteren Zeitpunkt die bereits in einem Teilschiedsspruch entschiedenen Fragen nicht erneut entscheiden. Hinsicht lich der entschiedenen Punkte ist das Schiedsgericht mit Erlass des Teilschiedsspruchs functus officio. Werden dennoch solche Punkte in einem nachfolgenden Schiedsspruch erneut entschieden, so ist das Schiedsgericht (insoweit) unzuständig, der Schiedsspruc h folglich (insoweit) anfechtbar.711 d) „Interim awards“

Die Befugnis zum Erlass von Teilschiedssprüchen stand dem Schiedsgericht auch schon nach bisherigem Recht zu.712 Bezeichnet wurden solche Teilschiedssprüche allerdings wenig glücklich als „interim awards“ (mögliche Übersetzungen: vorläufige oder Zwischen- Schiedssprüche).713 Gemeint waren damit jedoch gerade keine vorläufigen, d.h. der endgültigen Entscheidung des Schiedsgerichts unterliegende Maßnahmen, sondern endgültige Schiedssprüche zu Teilfragen des Rechtsstreits, also Teilschiedssprüche.714

3. Schiedsspruch mit vereinbartem Inhalt a) Allgemeines

Unter der Überschrift „settlement“ regelt der Arbitration Act 1996 in Sec. 51 einzelne Aspekte des Schiedsvergleichs. Damit wird das nach altem Recht

709 Russell, Rz. 6-009.

710 Vgl. Sec. 58(1).

711 Russell, Rz. 6-018.

712 Sec. 13(1), 14 Arbitration Act 1950.

713 Vgl. Sec. 14 Arbitration Act 1950.

714 Merkin, Guide, S. 77; DAC February 1996 Report, para. 233.

unter der Bezeichnung „consent award“ bekannte Verfahren formalisiert.715 Das Gesetz stellt zunächst klar, dass die Parteien sich im Laufe des Verfahrens einigen und den Streit durch einen Vergleich beilegen können. Hinsichtlich der Bestimmung der Konsequenzen und des weiteren Verfahrens in einem solchen Fall sind die Parteien nach Sec. 51(1) frei. Haben sie insoweit nichts anderes vereinbart, so ist das Schiedsgericht verpflichtet, das Verfahren zu beenden.

Der Vergleich wird durch das Schiedsgericht in der Form eines „agreed award“

(also eines Schiedsspruchs) festgehalten, wenn die Parteien dies verlangen, Sec. 51(2). Hintergrund dieser - auch im deutschen Recht weitgehend ähnlich ausgestalteten716 - Regelung ist, dass Schiedsvergleiche nicht in den Anwendungsbreich des UNÜ fallen und deshalb im Ausland möglicherweise nicht vollstreckt werden können.717

Eine dem englischen Recht weitgehend ähnliche Regelung trifft § 1053 ZPO.718 Auch hier haben die Parteien die Möglichkeit während des Schiedsverfahrens einen Vergleich über die Streitigkeit zu schließen, mit der Folge, dass das Schiedsgericht das Verfahren beendet.719 Entsprechend dem

„agreed award“, hält das Schiedsgericht auf gemeinsamen Antrag der Parteien den Vergleich in der Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut fest.720 Ein solcher Schiedsspruch hat nach § 1053 Abs. 2 S. 2 ZPO dieselbe Wirkung wie jeder andere Schiedsspruch zur Sache.

b) Inhaltskontrolle durch das Schiedsgericht

Nach beiden Rechtsordnungen kann das Schiedsgericht eine inhaltliche Prüfung des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut vornehmen.

Unterschiedlich ist aber die Frage zu beantworten, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen das Schiedsgericht die Aufnahme eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Inhalt verweigern kann.

Der insoweit mit dem des UNCITRAL-MG721 übereinstimmende Wortlaut der englischen Vorschrift722 scheint hier dem Schiedsgericht die Möglichkeit zu

715 Harris/Planterose/Tecks, Rz. 51B.

716 Dazu siehe sogleich unten.

717 Vgl. zum deutschen Recht Zöller-Geimer, § 1053, Rn. 2.

718Diese ist jedoch im Vergleich zur englischen Regelung zwingend.

719 Vgl. § 1053 Abs. 1 S. 1 ZPO.

720 Vgl. § 1053 Abs. 1 S. 2 1. HS ZPO.

721 Vgl. Art 30 Abs. 1 UNCITRAL-MG; dieses ist insoweit von anglo -amerikanischen Vorstellungen geprägt, vgl. MünchKommZPO-Münch, § 1053, Rn. 11.

722 Vgl. Sec. 51(2): “... and not objected by the tribunal, ...“.

eröffnen, sich dem Verlangen der Parteien nach Aufnahme des Vergleichs in der Form eines Schiedsspruch zu widersetzen. Ob dem Schiedsgericht jedoch ein echtes Weigerungsrecht zusteht, ist aber umstritten. Nach Auffassung des DAC entspricht ein solches Recht des Schiedsgerichts dem bisherigen Rechtszustand. Denkbar ist danach ein solches Weigerungsrecht, wenn der Inhalt des Vergleichs geeignet ist Dritte, z.B. die Steuerbehörden, zu täuschen.723 Für ein echtes Weigerungsrecht sprechen sich auch Harris/Planterose/Tecks aus, insbesondere soll dieses in Fällen gegeben sein, in denen es an der objektiven Schiedsfähigkeit des Streitgegenstandes fehlt.724 Merkin ist der Ansicht, dem Schiedsgericht werde durch die Formulierung der Vorschrift kein echtes Weigerungsrecht eingeräumt. Er gibt aber dem DAC insoweit zu, dass in bestimmten Situationen, insbesondere unter ordre public Gesichtspunkten, eine Weigerung gerechtfertigt sein kann. Würde das Schiedsgericht sich allerdings weigern, einen Vergleich als „agreed award“

aufzunehmen, so stünde den Parteien dagegen kein Rechtsbehelf zur Verfügung. Für eine Anfechtung der Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers nach Sec. 68 würde es an der notwendigen Schwere des behaupteten Fehlers fehlen.725

Für das deutsche Recht lässt sich die hier aufgeworfene Frage eindeutig beantworten. Das Schiedsgericht darf (!) dem Antrag nicht stattgeben, wenn der Inhalt des Vergleichs gegen den ordre public verstößt.726 Vom ordre public Vorbehalt erfasst werden alle von Amts wegen zu beachtenden Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO727, also insbesondere Fälle, in denen der Streitgegenstand nicht schiedsfähig ist oder international zwingende Normen nicht beachtet werden.728

c) Anwendbarkeit der Vorschriften über streitige Schiedssprüche Hinsichtlich seiner Rechtsnatur unterscheidet sich ein „agreed award“ nicht von einem sonstigen (streitigen) Schiedsspruch. Aus einem „agreed award“

muss aber hervorgehen, dass es sich dabei um einen Schiedsspruch des Schiedsgerichts handelt. Nicht erforderlich ist dagegen, dass der Schiedsspruch

723 DAC February 1996 Report, para. 242.

724 Harris/Planterose/Tecks, Rz. 51D.

725 Merkin, Guide, S. 82.

726 Vgl. § 1053 Abs. 1 S. 2 2. HS ZPO.

727 MünchKommZPO-Münch, § 1053, Rn. 12.

728 Vgl. Zöller-Geimer, § 1053, Rn. 5.

als „agreed award“ bezeichnet wird. Ausreichend ist, wenn dem staatlichen Gericht im Vollstreckbarerklärungsverfahren mitgeteilt wird, dass es sich um einen „agreed award“ handelt.729 Andere Wirkungen als einem (streitigen) Schiedsspruch in der Sache dürfen einem „agreed award“ nicht beigelegt werden.730 Im übrigen finden auf einen „agreed award“ die Vorschriften für streitige Schiedssprüche, namentlich Sec. 52 – 58 Anwendung.731 Ausdrücklich hiervon ausgenommen ist die Begründungspflicht.732 Dadurch wird erreicht, dass gegen einen „agreed award“ kein „appeal on a point of law“ gegeben ist.733 Die Ausnahme von der Begründungspflicht ist neu, jedoch ist davon auszugehen, dass die Gerichte auch andernfalls einen „appeal“ nicht zugelassen hätten.734 Ebenso sind die Vorschriften über die Kosten (Sec. 59 – 65) im Fall eines „agreed award“ anwendbar, es sei denn, die Parteien haben sich auch insoweit verglichen.735Die Vollstreckbarerklärung eines „agreed award“ erfolgt in gleicher Weise wie bei einem streitigen Schiedsspruch, d.h. das Eilverfahren nach Sec. 66 ist zulässig. Verweigert das Schiedsgericht die Aufnahme eines

„agreed award“, so ist hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung eine reguläre Klage „aus dem Vergleich“ erforderlich („action on the agreed settlement“).736 Die deutsche Regelung ist weitgehend parallel ausgestaltet. Für Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut ge lten die nach § 1054 ZPO bei streitigen Schiedssprüchen zu beachtenden Vorschriften über Form und Inhalt.737 Wie im englischen Recht ist das Schiedsgericht von der Begründungspflicht suspendiert.738 Anders als im englischen Recht ist der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ausdrücklich als „Schiedsspruch“ zu bezeichnen.739 Eine weitere Besonderheit des deutschen Rechts ist die Möglichkeit der Vollstreckbarerklärung durch den Notar.740

729 DAC February 1996 Report, para. 244.

730 Sec. 51(3).

731 Sec. 51(4).

732 Sec. 51(4) iVm. Sec. 52(4).

733 Vgl. Sec. 69(1).

734 Merkin, Guide, S. 82.

735 Sec. 51(5).

736 Merkin, Guide, S. 82.

737 Vgl. § 1053 Abs. 2 S. 1 ZPO.

738 Vgl. § 1054 Abs. 2 Alt. 2 ZPO.

739 Vgl. § 1053 Abs. 2 S.1 ZPO; mit Blick auf § 1054 Abs. 2 ZPO ist die Bezeichnung als

„Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut“ sinnvoll, vgl. Zöller-Geimer, § 1053, Rn. 6.

740 Vgl. § 1053 Abs. 4 ZPO.