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IV. Objektive Schieds fähigkeit

2. Die Ausnahmen der englischen Regelung

Nach Sec. 29(1) ist ein Schiedsrichter, ebenso wie ein „umpire“374, für aktives Tun oder Unterlassen in Ausübung seines Amtes nicht haftbar, es sei denn, es liegt Bösgläubigkeit („bad faith“) vor.375 „Bad faith“ ist jedoch kein durchgängiges Konzept des englischen Rechts und wurde deshalb bislang auch nicht definiert.376 Im Zusammenhang mit der Tätigkeit von staatlichen Regulierungsbehörden wird „bad faith“ beschrieben als böswillige Schädigung oder wissentlich unberechtigtes Verwaltungshandeln (bewusster Machtmissbrauch).377 An anderer Stelle werden Handlungen beschrieben, die den Tatbestand einer bewussten und schwerwiegenden Vertragsverletzung erfüllen, und im Fall deren Vorliegen es auch möglich sein sollte, das Vorliegen auch von „bad faith“ darzutun.378 Dies soll der Fall sein, wenn der Schiedsrichter das Verfahren bewusst verzögert, indem er z.B. zu Terminen zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint, an den Beratungen des Schiedsgerichts nicht teilnimmt, die Unterzeichnung des Schiedsspruchs verweigert, oder Einzelheiten der Beratung vor Veröffentlichung des Schiedsspruchs preisgibt.379 Im Schrifttum wird die Ansicht geäußert, die genannten Handlungen rechtfertigten darüber hinaus wohl auch die Absetzung des Schiedsrichters durch das staatliche Gericht.380

Soweit die hier angeprochenen Fälle deutsche Straftatbestände erfüllen, zB.

Rechtsbeugung, § 339 StGB, greift das Haftungsprivileg jedenfalls nicht. Sind Straftatbestände nicht erfüllt, ist im Einzelfall abzugrenzen, ob die eigentliche schiedsricht erliche Tätigkeit betroffen ist. Ist dies nicht der Fall, kommt eine Haftung wegen Verletzung des Schiedsrichtervertrages in Betracht.

374 Vgl. Sec. 82(1).

375 Das Haftungsprivileg erstreckt sich nach Sec. 29(2) auch auf Angestellte und Vertreter des Schiedsrichters.

376 So Russell, Rz. 4-202; Harris/Planterose/Tecks, Rz. 29C; anders DAC February 1996 Report, para. 134: “Our law is well aquainted with this expression and […] we conluded that there were unlikely to be any difficulties in practice in using this test.

377 Melton Medes Ltd and another v. Securities and Investments Board [1995] 3 AllER 880 (889 f).

378 Russell, Rz. 4-205.

379 Russell, Rz. 4-025.

380 Nach Sec. 24 ; Russell, Rz. 4-025.

b) Einseitige Amtsniederlegung

Dagegen greift nach der englischen Regelung das Haftungsprivileg nicht ein, wenn der Schiedsrichter sein Amt einseitig niederlegt.381 In solchen Fällen ist der Schiedsrichter nicht davor geschützt, von den Parteien wegen Vertragsbruchs verklagt zu werden. Jedoch kann der Schiedsrichter beim staatlichen Gericht eine Entscheidung über die Befreiung von der Haftung herbeiführen. Das Gericht kann dem Antrag stattgeben, wenn die Amtsniederlegung billigerweise erfolgte.382

Aus deutscher Sicht betrifft die einseitige Amtsniederlegung nicht die schiedsrichterliche Tätigkeit im eigentlichen Sinn, so dass eine Haftung wegen Verletzung des Schiedsrichtervertrages in Betracht kommt.

c) Ausnahme de lege ferenda: Gerichtliche Absetzung eines Schiedsrichters?

Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die Ausnahme vom Haftungsprivileg auf die Fälle der einseitigen Amtsniederlegung beschränkt ist. Setzt dagegen das staatliche Gericht einen Schiedsrichter auf Antrag einer Partei wegen Vorliegen eines Absetzungsgrundes383 ab, so greift das Haftungsprivileg. Der Schiedsrichter ist also von jeglicher Haftung frei, es sei denn „bad faith“ ist gegeben. Dies verwundert umso mehr, als der Vergütungsanspruch des Schiedsrichters in beiden Fällen gerichtlich festgesetzt werden kann.384 Diese unterschiedliche Behandlung der beiden Situationen hält das DAC für nicht gerechtfertigt.385 Das DAC hat deshalb die Empfehlung ausgesprochen, die Ausnahme vom Haftungsprivileg auch auf die Fälle der gerichtlichen Absetzung eines Schiedsrichters zu erstrecken. Gleichzeitig solle aber dem Gericht die Befugnis eingeräumt werden, die Haftung des Schiedsrichters auf einen Höchstbetrag zu beschränken.386 Diese Empfehlung des DAC ist jedoch nicht Gesetz geworden. 387 Freilich sind Fälle denkbar, in denen das Vorliegen eines Absetzungsgrundes zugleich die Annahme von „bad faith“ rechtfertigt,

381 Sec. 29(3).

382 Sec. 25(3)(a).

383 Sec. 24(1)(a)-(d).

384 Vgl. Sec. 24(4) für den Fall der Absetzung eines Schiedsrichters durch das Gericht, sowie Sec. 25(3)(b) für den Fall der einseitigen Amtsniederlegung durch einen Schiedsrichter.

385 DAC February 1996 Report, para. 361: “This is anomalous”.

386 DAC February 1996 Report, paras. 136, 361.

387 Vgl. Harris/Planterose/Tecks, Rz. 29D.

etwa wenn der Schiedsrichter in besonders krasser Weise die Pflicht zur Unparteilichkeit verletzt.388

Auch hier ist aus deutscher Sicht nicht die eigentliche schiedsrichterliche Tätigkeit betroffen, so dass das Haftungsprivileg nicht greift.

§ 5: Die Zuständigkeit des Schieds gerichts („jurisdiction“)

Im konsensualen389 Schiedsverfahren sind es die Parteien, die mit ihrer Vereinbarung, den Streit einem Schiedsgericht vorzulegen, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründen.390 Die Antwort auf die Frage, ob die Zuständigkeit des Schiedsgerichts überhaupt gegeben ist/war, ist von zentraler Bedeutung. Die mangelnde Zuständigkeit des Schiedsgerichts kann sowohl zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen391, als auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren einen Einwand begründen392 und so die Vollstreckbarerklärung vereiteln.

I. Entscheidung der Zuständigkeitsfrage

Aus der oben dargestellten zentralen Bedeutung der Frage nach der Zuständigkeit des Schiedsgerichts folgt auch die Bedeutung der Frage, welchem der Beteiligten im Schiedsverfahren die Entscheidung über die Zuständigkeit zugewiesen ist.

Gesteht man dem Schiedsgericht die Befugnis zu, über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung, und damit über die Grundlage der eigenen Zuständigkeit zu entscheiden, so erscheint dies auf den ersten Blick wie der Versuch, „sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen zu wollen“.393 Dennoch ist eine jedenfalls vorläufige Zuständigkeitsprüfung durch das Schiedsgericht heute weitgehend anerkannt.394 Sie bietet den Vorteil, dass zeitliche Verzögerungen vermieden werden können, die regelmäßig auftreten, wenn die Parteien insoweit die Hilfe der staatlichen Gerichte in Anspruch nehmen müssen.

388 Vgl. Mustill/Boyd, S. 232.

389 Der Begriff ist hier im Sinne einer Abgrenzung zu gesetzlich angeordneten Schiedsverfahren zu verstehen.

390 Vgl. statt vieler Redfern/Hunter, Rz. 5-25.

391 Vgl. hierzu im englischen Recht: Sec. 67; im deutschen Recht: § 1059 Abs. 2 ZPO.

392 Vgl. hierzu im englischen Recht: Sec. 66(3) bzw. für ausländische Schiedssprüche Sec. 103;

im deutschen Recht: § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 1059 Abs. 2 ZPO bzw. für ausländische Schiedssprüche § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit Art. 5 UNÜ.

393 Vgl. das vom DAC February 1996 Report, para. 138 verwendete entsprechende englische Sprichwort: „... a classic case of pulling oneself up by one´s bootstrap ...“, vgl. auch Schlosser, Rz. 553.

394 Schlosser, Rz. 541.

Für die Zuständigkeitsprüfung und –entscheidung durch das Schiedsgericht hat sich – auch im englischsprachigen Raum395 – die Beze ichnung Kompetenz-Kompetenz etabliert. Bei der Verwendung dieses Begriffs ist jedoch Vorsicht geboten. Im deutschen Recht wurde bis zur Reform unter dem Begriff Kompetenz-Kompetenz eine die staatlichen Gerichte bindende Entscheidungbefugnis des Schiedsgerichts verstanden; heute ist die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts lediglich vorläufiger Art.396 In der Literatur zum anglo-amerikanischen Recht findet die Bezeichnung Kompetenz-Kompetenz darüber hinaus auch im Hinblick auf die Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts zur Frage der Wirksamkeit des Hauptvertrages Anwendung.397

1. Vorläufige Zuständigkeitsentscheidung durch das Schiedsgericht