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IV. Objektive Schieds fähigkeit

1. Absetzung von Schiedsrichtern

Englisches wie auch deutsches Recht sehen die Absetzung der Schiedsrichter sowohl einverständlich durch die Parteien („revocation of arbitrator´s authority“, Sec. 23; § 1038 Abs. 1 S. 1 ZPO), als auch durch das staatliche Gericht vor („removal of arbitrator“, Sec. 24; §§ 1036, 1038 ZPO).

a) Einverständlich durch die Parteien (Parteiautonomie)

Das englische Recht differenziert zwischen der anfänglichen (Sec. 23(1)) und der nachträglichen (Sec. 23(4)) Beendigungsvereinbarung; eine solche Beendigungsvereinbarung muss schon nach der Grundregel in Sec. 5(1) schriftlich abgefasst werden.306 Insbesondere die nachträgliche Beendigungsvereinbarung erfasst die Fälle der „grundlosen“ Beendigung des Schiedsrichteramtes.307

Ebenso können nach deutschem Recht die Parteien die Beendigung des Schiedsrichteramtes vereinbaren, ohne das einer der in § 1038 Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Gründe vorliegt.308 Letztlich ist der gemeinsame Parteiwille hier

306 Das Schriftlichkeitserfordernis entfällt – bei der nachträglichen Vereinbarung – nur, wenn die Parteien gleichzeitig vereinbaren, die Schiedsvereinbarung zu beenden.

307 Die Möglichkeit der Abbestellung eines Schiedsrichters durch die Parteien lässt die Befugnis zur Abbestellung durch das Gericht (Sec. 24), sowie die oben beschriebene Befugnis des Gerichts zur Aufhebung einer Schiedsrichterbestellung nach Sec. 18 unberührt, Sec. 23(5).

308 Arg. § 1038 Abs. 2, § 1039 ZPO, vgl. Zöller-Geimer, § 1038, Rn. 4; MünchKommZPO-Münch, § 1038, Rn. 1.

stets maßgeblich; gegen diesen kann der Schiedsrichter die Amtsausübung nicht beanspruchen.309

b) Gerichtliche Amtsbeendigung

aa) Absetzungs- bzw. Ablehnungsgründe

Weitgehend parallel laufen englisches und deutsches Recht auch bei der gerichtlichen Absetzung eines Schiedsrichters. Hier ist stets ein Absetzungsgrund erforderlich (vgl. Sec. 24(1), §§ 1036, 1038 Abs. 1 ZPO).

Die Absetzungsgründe lassen sich folgendermaßen systematisieren: (i) Zweifel an der Unparteilichkeit/Unabhängigkeit, (ii) Mangelnde Qualifikation, (iii) körperliche/geistige Defekte, sowie (iv) Verletzung der Pflichten in Bezug auf das schiedsrichterliche Verfahren.

aaa) Zweifel an der Unparteilichkeit aaaa) Unparteilichkeit

Nach Sec. 24(1)(a) kommt die Absetzung eines Schiedsrichters in Betracht, wenn Umstände vorliegen, die Anlass zu berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters geben. Unparteilichkeit der Schiedsrichter ist einer der Grundpfeiler der Schiedsgerichtsbarkeit.310 Mangelnde Unparteilichkeit ist deshalb in allen Rechtsordnungen und so auch im deutschen Recht, § 1036 Abs. 2 S. 1 1. Alt. ZPO, ein Absetzungs- bzw.

Ablehnungsgrund.311

309 MünchKommZPO-Münch, § 1038, Rn. 2.

310 Vgl. schon Sec. 1(1)(a).

311 In einer neueren Entscheidung zum Arbitration Act 1996 wurde festgehalten, dass sich die Zweifel an der Unparteilichkeit aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise ergeben müssen (Laker Airways Ltd. v. FLS Aerospace Ltd. and Burnton, („Laker Airways“)[1999] 2 Lloyd´s Rep. 45). Behauptet eine Partei lediglich, sie habe das Vertrauen in die Unparteilichkeit des Schiedsrichters verloren, so reicht dies nach dieser Entscheidung nicht aus (Laker Airways, aaO, 48). In der selben Entscheidung wurde ausgeführt, die Tatsache, dass ein von einer Partei ernannter Schiedsrichter und der anwaltliche Vertreter eben dieser Partei in ein und demselben Schiedsverfahren derselben „chambers of barristers“ angehören, begründe per se keine Zweifel an der Unparteilichkeit des betreffenden Schiedsrichters (Laker Airways, aaO, 52; zu dieser Problematik allgemein vgl. schon DAC February 1996 Report, para. 102; siehe auch Kendall, Arb Int 1992, 287 ff). Zur Begründung wurde ausgeführt, „barristers“ seien selbstständig tätig und das Berufsrecht verbiete ihnen die Eingehung von Sozietäten oder Partnerschaften im Sinne von Erwerbsgemeinschaften. Zulässig seien lediglich als Bürogemeinschaften

organisierte „chambers“. Dem Kläger obliege es, konkrete Umstände vorzutragen, die Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters begründen könnten, z.B. dadurch, dass aufgrund der konkreten Organisation der „chambers“ vertrauliche Informationen des einen „barrister“

seinem Kollegen zugänglich sind. Dem sei der Kläger letztlich jedoch nicht nachgekommen (Laker Airways, aaO, 53; Laker Airways Ltd. war im Termin weder erschienen noch

anwaltlich vertreten; schon deshalb war der Klägervortrag nicht ausreichend; zur detaillierten

bbbb) Unabhängigkeit

Bewusst hat der englische Gesetzgeber – im Gegensatz zur Regelung des SchiedsVfG312 und des UNCITRAL-MG313 - darauf verzichtet, mangelnde Unabhängigkeit der Schiedsrichter als eigenständigen Ablehnungs grund festzuschreiben.314 Nach englischer Auffassung würde ein strikt zu beachtendes Erfordernis der Unabhängigkeit mit der Rechtswirklichkeit nicht in Einklang stehen, wonach – jedenfalls im Fall des konsensualen Schiedsverfahrens – jede Partei einen („ihren“) Schiedsrichter ernennt. Einen wirklich unabhängigen Schiedsrichter gibt es nach englischer Auffassung nicht. Das DAC verweist auf Erfahrungen in Schweden und den USA, wo jede auch noch so entfernte Verbindung eines Schiedsrichters mit einer Partei als Grund für die Anfechtung wegen mangelnder Unabhängigkeit herangezogen wird.315 Andererseits besagt die englische Lösung aber gerade nicht, dass mangelnde Unabhängigkeit nicht zur Absetzung eines Schiedsrichters führen kann. Entscheidend ist aber, dass die ma ngelnde Unabhängigkeit konkret Anlass zu der Sorge geben muss, der Schiedsrichter könne sein Amt nicht mehr unparteiisch ausüben.316 Führt also die mangelnde Unabhängigkeit konkret zu Zweifeln an der Unparteilichkeit, so ist dieser Absetzungsgrund gegeben.

Kritik an der Entscheidung aus US-Sicht (Laker Airways war eine US -amerikanische Inc.) vgl.

Merjian, JIntArb 2000, Nr. 1, 31 ff). In einer weiteren aktuellen Entscheidung, AT&T Corporation and another v. Saudi Cable Co. („AT&T“)([2000] 2 Lloyd´s Rep. 127), ging es um die Frage, ob der Umstand, dass ein Schiedsrichter, der hauptberuflich als „non-executive director“ (dieser ist Mitglied des board of directors, das eine Zwischenstellung zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat nach deutschem Recht hat, vgl. Bungert, S. 98) einer im Wettbewerb zu einer der Parteien stehenden Gesellschaft tätig ist und dies nicht offen legt, Zweifel an der Unparteilichkeit begründet. Der Court of Appeal hielt die erstinstanzliche Entscheidung ([2000] 1 Lloyd´s Rep. 22 (QBD Commercial Court)), die diese Frage verneint hatte, aufrecht. Als „non-executive director“ habe der Schiedsrichter keine direkten

finanziellen Interessen an oder keine enge Verbindung zu einer der Parteien des

Schiedsverfahrens. Zu dem von AT&T erhobenen Vorwurf des „misconduct“ (dieses Konzept wurde durch den Arbitration Act 1996 abgeschafft, siehe dazu unten § 10.II) äußerte der Court of Appeal sich dahin, AT&T´s Hauptsorge sei die mögliche Offenlegung von vertraulichen Informationen gegenüber einem „non-executive director“ eines Konkurrenten, nicht aber die mangelnde Unabhängigkeit des Schiedsrichters. Selbst wenn „procedural mishap“ (auch dieses Konzept wurde durch den Arbitration Act 1996 abgeschafft, siehe dazu unten § 10.II.1.b)bbb)) anzunehmen sei, sei die (hier beantragte) Aufhebung des Schiedsspruchs hier nicht

angemessen ([2000] 2 Lloyd´s Rep. 127 (128)). In der Entscheidung Rustal Trading Ltd. v.

Gill & Duffus S.A. ([2000] 1 Lloyd´s Rep. 14) schließlich sah das Gericht keine Zweifel an der Unparteilichkeit eines Schiedsrichters, der zwei Jahre zuvor in seiner Eigenschaft als

Geschäftsführer einer Gesellschaft gegen ein Unternehmen, dessen Geschäftsführer Berater einer Partei des aktuellen Schiedsverfahrens war, prozessiert hatte.

312 Vgl. § 1036 Abs. 1 S. 1 ZPO.

313 Art. 12 Abs. 1 UNCITRAL-MG.

314 DAC February 1996 Report, para. 101.

315 DAC February 1996 Report, para. 102.

316 DAC February 1996 Report, para. 101 ff; Russell, Rz. 4-036.

Lediglich einen eigenständigen Absetzungsgrund „Mangelnde Unabhängigkeit“ sah das DAC als überflüssig an.317

cccc) Offenbarungspflicht

Der Arbitration Act 1996 statuiert keine gesetzliche Pflicht der Schiedsrichter, Umstände offen zu legen, die Zweifel an der Unparteilichkeit wecken können.

Zwar wurde in der Entscheidung AT&T318 auch problematisiert, dass der betreffende Schiedsrichter seine Tätigkeit als „non-executive director“ nicht offengelegt hatte, doch ergab sich in diesem Fall die Offenlegungspflicht schon aus der vereinbarten ICC-Schiedsordnung.319 Nach Kendall unterliegen Schiedsrichter keiner allgemeinen Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die (möglicherweise) Zweifel an ihrer Unparteilichkeit wecken könnten („might give rise“); dagegen besteht nach dieser Ansicht eine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die Anlass zu solchen Zweifeln tatsächlich geben können („would give rise“).320

Im deutschen Recht ergibt sich eine solche Offenlegungspflicht ausdrücklich aus dem Gesetz, § 1036 Abs. 1 S. 1 ZPO. Diese erstreckt sich auch auf den Zeitraum ab der Bestellung bis zur Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens.321

bbb) Mangelnde Qualifikation

Besitzt ein Schiedsrichter die nach der Schiedsvereinbarung vorausgesetzten Qualifikationen nicht, so stellt dies ebenfalls einen Absetzungsgrund (Sec. 24(1)(b))322, bzw. im deutschen Recht einen Ablehnungsgrund dar (§ 1036 Abs. 2 S.1 2. HS ZPO).

Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Schiedsrichter die nach der Schiedsvereinbarung vorausgesetzten Qualifikationen erfüllen, ist für das englische Recht auf das Verfahren nach Sec. 30 hinzuweisen. Danach ist das Schiedsgericht befugt, vorläufig, d.h. für die staatlichen Gerichte nicht bindend, über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden (sog.

317 DAC February 1996 Report, para. 104.

318 AT&T Corporation and another v. Saudi Cable Co. („AT&T“)([2000] 2 Lloyd´s Rep. 127).

319 Vgl. Art. 7 Abs. 2 ICC-Schiedsordnung.

320 Kendall, Arb Int 1992, 287 (293).

321 § 1036 Abs. 1 S. 2 ZPO.

322 Mangelnde Qualifikation war nach bisherigem Recht nicht ausdrücklich als

Absetzungsgrund genannt. Das Gericht konnte jedoch einen Schiedsrichter in einem solchen Fall „as a matter of pure contract“ absetzen (Vgl. Pan Atlantic Group Inc v. Hassneh Insurance Co. of Israel Ltd [1992] 2 Lloyd´s Rep. 120).

Kompetenz). Die Entscheidungsbefugnis schließt die Frage nach der ordnungsgemäßen, d.h. der Schiedsvereinbarung entsprechenden, Zusammensetzung (Konstituierung) des Schiedsgerichts mit ein.323 In diesem Rahmen kann das Schiedsgericht vorläufig über die Frage entscheiden, ob die Schiedsrichter die erforderlichen Qualifikationen besitzen.324

Ähnlich ist dies im Fall der Ablehnungsgründe des § 1036 ZPO im deutschen Recht. Nach § 1037 Abs. 2 S. 2 ZPO ist hier zunächst eine Entscheidung des Schiedsgerichts einzuholen.

ccc) Körperliche und geistige Defekte

Ausdrücklich nennt Sec. 24(1)(c) körperliche und geistige Defekte als Absetzungsgrund, wenn der betreffende Schiedsrichter dadurch nicht fähig ist, das Verfahren durchzuführen oder berechtigte Zweifel an dieser Fähigkeit bestehen. Im deutschen Recht wird dieser Fall von § 1038 Abs 1. S. 1 ZPO als tatsächliche Unmöglichkeit der Aufgabenerfüllung (1. Alt.) oder – bei nicht dauerhafter Verhinderung - auch als Verzögerung der Aufgabenerfüllung (2. Alt.) erfasst.325

ddd) Verletzung schiedsverfahrensbezogener Pflichten aaaa) Die Regelung und ihre Schranken

Nach Sec. 24(1)(d) kann ein Schiedsrichter abgesetzt werden, der sich geweigert oder es verabsäumt hat, ordnungsgemäß oder mit gebotener Geschwindigkeit das Verfahren durchzuführen oder den Schiedsspruch zu erlassen, wenn dadurch beim Antragsteller eine wesentliche Rechtsverletzung eingetreten ist.326

323 Sec. 30(1)(b).

324 Die Entscheidung des Schiedsgerichts kann wiederum nach Sec. 32 auf Antrag einer Partei vor dem staatlichen Gericht angefochten werden. Hierbei sind jedoch die engen zeitlichen Grenzen für die Anfechtung zu beachten (vgl. Sec. 32(1) in Verbindung mit Sec. 73).

325 MünchKommZPO-Münch, § 1038 Rn. 9, 10.

326 Die neue Vorschrift steht in engem Zusammenhang mit den in Sec. 33 festgeschriebenen grundlegenden Pflichten des Schiedsgerichts. Danach hat das Schiedsgericht, um die in Sec. 1 genannten Ziele eines Schiedsverfahrens zu erreichen, ein den Umständen angemessenes (maßgeschneidertes) Verfahren anzuwenden und das Schiedsverfahren mit der gebotenen Geschwindigkeit durchzuführen. Auf das Spannungsfeld, das einerseits durch die nach Sec. 33 dem Schiedsgericht auferlegten Pflichten, andererseits durch die nach Sec. 34 grundsätzlich den Parteien zugewiesene Verfahrensausgestaltungsfreiheit, begründet ist, soll an dieser Stelle nur kurz hingewiesen werden (Näher dazu siehe § 7.III.2.) So könnte fraglich sein, ob ein Absetzungsgrund gegeben ist, wenn der Schiedsrichter ein von den Parteien vereinbartes Verfahren einhält, dadurch aber gegen eine der in Sec. 33 statuierten Pf lichten verstößt.

Einen Teil der damit angesprochenen Fälle, nämlich die der verzögerten Aufgabenerfüllung, erfasst das deutsche Recht in § 1038 Abs. 1. S. 1 2. Alt.

ZPO, wonach die Voraussetzungen für die Beendigung des Schiedsrichteramtes gegeben sind, wenn der Schiedsrichter seinen Aufgaben in angemessener Frist nicht nachkommt.

Nach der weiten Formulierung der englischen Vorschrift scheint es sich um eine Auffangvorschrift zu handeln, die Absetzungsgründe in abundanter Fülle entstehen lässt. Das DAC zeigt in seinem Bericht vom Februar 1996 jedoch auch die Grenzen der Anwendbarkeit der Vorschrift auf. Zweck der Vorschrift ist demnach nicht, dem Gericht die Möglichkeit zu geben, eigene Vorstellungen über ein (das) angemessene(s) Verfahren durchzusetzen; hat also ein Schiedsrichter ein bestimmtes Verfahren gewählt, so kann er, wenn ihm kein Pflichtenverstoß vorzuwerfen ist, nicht deshalb abgesetzt werden, weil das staatliche Gericht ein anderes Verfahren angewendet hätte, wenn es diese Frage hätte entscheiden müssen. Die Befugnis zur Absetzung von Schiedsrichtern soll den Ablauf des Schiedsverfahrens unterstützen, nicht aber untergraben. Durch das zusätzliche Erfordernis des wesentlichen Unrechts soll sichergestellt werden, dass die Befugnis nur in solchen Ausnahmesituationen zur Verfügung steht, in denen der Schiedsrichter in schwerwiegender Weise gegen die ihm obliegenden grundlegenden Pflichten verstößt.327

In der gleichen Richtung wird zur deutschen Regelung angemerkt, dass zu Gunsten der Schiedsrichter von einem breiten Freiraum nicht justiziabler Verhaltensweisen auszugehen ist; das staatliche Gericht solle nicht durch die Hintertüre in den schiedsrichterlichen Verfahrensplan hinein regieren; es gehe mithin bloß um offensichtlichen Missbrauch und Ausreißer.328

bbbb) Abschaffung des „misconduct“-Konzepts

Für das englische Recht ist festzuhalten, dass in der Neuregelung die im Arbitration Act 1950 in verschiedenen Vorschriften geregelten Aspekte Verzögerung des Verfahrens329 und Fehlverhalten („misconduct“) in Bezug auf das Verfahren330 aufgehen, bzw. diese Konzepte durch die Neuregelung

327 DAC February 1996 Report, para. 105, 106.

328 MünchKommZPO-Münch, § 1038, Rn. 11.

329 Sec. 13(3) Arbitration Act 1950.

330 Sec. 23(1) Arbitration Act 1950.

abgeschafft werden.331 Der Begriff „misconduct“ hatte unter der bisherigen Gesetzgebung keine Definition erfahren, umfasste aber ein breites Spektrum von Fehlern seitens des Schiedsrichters. Elementarer Missbrauch des Schiedsrichteramtes, z.B. die Vorteilsannahme im Gegenzug für einen Gefälligkeitsschiedsspruch, aber auch rein technische, d.h. unverschuldete Fehler bei der Durchführung des Verfahrens, die die Integrität des Schiedsrichters nicht berührten, fielen unter den Begriff „misconduct“.332 In der Rechtsprechung wurde „misconduct“ dahin beschrieben, ein persönliches Fehlverhalten des Schiedsrichters sei nicht notwendigerweise erforderlich, vielmehr seien bloße Fehler hinsichtlich des Verfahrenshandlings bereits ausreichend.333

bb) Absetzungs- bzw Ablehnungsverfahren aaa) Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts

Ein Unterschied zwischen englischem und deutschem Recht ergibt sich hinsichtlich des Verfahrens bei den Ablehnungsgründen nach § 1036 Abs. 2 S. 1 ZPO (Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters, Qualifikationsmängel). Im Gegensatz zum englischen Recht ist das Ablehnungsverfahren nach § 1037 ZPO – mangels abweichender Parteivereinbarung334 – zweistufig ausgestaltet. Nach § 1037 Abs. 2 S. 2 ZPO entscheidet, wenn der abgelehnte Schiedsrichter von seinem Amt nicht zurücktritt, zunächst das Schiedsgericht. An dieser Entscheidung wirkt der abgelehnte Schiedsrichter mit. Bleibt die Ablehnung erfolglos, - und erst dann - kann die ablehnende Partei nach § 1037 Abs. 3 S. 2 ZPO eine gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung herbeiführen. Im Fall der Beendigungsgründe nach § 1038 ZPO ist dagegen keine Entscheidung des Schiedsgerichts einzuholen. Tritt der Schiedsrichter nicht von seinem Amt zurück oder können die Parteien sich nicht über die Beendigung einigen, so kann jede Partei unmittelbar bei Gericht eine Entscheidung über die Amtsbeendigung beantragen (vgl. § 1038 Abs. 1 S. 2 ZPO).

331 Harris/Planterose/Tecks, Rz. 24B; das Konzept des „misconduct“ wird durch den Arbitration Act 1996 durch das Konzept der schwerwiegenden Unregelmäßigkeit („serious irregularity“) ersetzt, Merkin, Guide, S. 45.

332 Russell, Rz. 7-076.

333 Williams v. Wallis & Cox [1914] 2 KB 478.

334 Vgl. § 1027 Abs. 1 ZPO.

Demgegenüber ist nach Sec. 24(1) unmittelbar der Antrag zum Gericht möglich.335 Die Frage, ob der Schiedsrichter die von den Parteien vereinbarte Qualifikation aufweist, kann, wie bereits dargestellt, als Konstituierungsfrage und damit im Rahmen der vorläufigen Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts zu behandeln sein; in diesem Fall kann es also zu einer vorläufigen Entscheidung des Schiedsgerichts über einen Absetzungsgrund kommen.

bbb) Rügepflicht und Präklusion

Im englischen Recht gilt die allgemeine Rügepflicht (Sec. 73, „put up or shut up“-Regelung336) auch mit Blick auf die Geltendmachung der Absetzungsgründe vor dem staatlichen Gericht. Eine Partei, die sich über das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes bewusst ist und den Antrag zum Gericht nicht stellt, kann den Antrag später nicht mehr stellen bzw. sich später nicht auf die Ablehnungsgründe berufen.337

Im deutschen Recht gilt die Präklusion nach § 1027 ZPO nicht für den Nichtgebrauch staatlicher Rechtsbehelfe.338 Die Geltendmachung von Ablehnungsgründen ist aber materiell beschränkt: Nach § 1036 Abs. 2 S. 2 ZPO kann eine Partei nur solche Ablehnungsgründe geltend machen, die ihr erst nach der Bestellung des Schiedsrichters bekannt geworden sind, wenn sie an der Bestellung des Schiedsrichters beteiligt war.

ccc) Entscheidung über Honoraranspruch

Aus deutscher Sicht ungewöhnlich, weil hiernach die Beendigung des Schiedsrichtervertrages, und damit auch die Honorarfrage, von der Amtsbeend igung unabhängig ist, trifft das englische Recht im Rahmen des Absetzungsverfahrens auch Regelungen bezüglich des Honoraranspruchs des Schiedsrichters. Nach Sec. 24(4) kann das Gericht, wenn es dem Absetzungsantrag stattgibt, auch über die Ansprüche des Schiedsrichters auf Honorar und Auslagenersatz bzw. entsprechende Rückzahlungsansprüche entscheiden. Dem Gericht ist damit die Möglichkeit an die Hand gegeben,

335 Die Ausübung der gerichtlichen Befugnis zur Absetzung eines Schiedsrichters steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die antragstellende Partei zuvor einen möglichen Rekurs zu einer zur Absetzung eines Schiedsrichters ermächtigen Schiedsinstitution oder dritten Person in Anspruch genommen hat (Sec. 24(2)).

336 DAC February 1996 Report, para. 105.

337 Merkin, S. 44.

338 MünchKommZPO-Münch, § 1027, Rn. 3; § 1037, Rn. 13.

Fehler des Schiedsrichters über die Honorarfrage zu sanktionieren, wo dies erforderlich ist.339

2. Amtsniederlegung durch den Schiedsrichter