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Vorläufige Zuständigkeitsentscheidung durch das Schiedsgericht 92

IV. Objektive Schieds fähigkeit

1. Vorläufige Zuständigkeitsentscheidung durch das Schiedsgericht 92

Befugnis, über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden398. Die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis erstreckt sich auf drei Fragen, namentlich, ob (a) die Schiedsvereinbarung wirksam ist, (b) das Schiedsgericht ordnungsgemäß besetzt ist, und (c) die dem Schiedsgericht zur Entscheidung unterbreiteten Angelegenheiten von der Schiedsvereinbarung erfasst sind. Die Entscheidung des Schiedsgerichts kann jedoch durch das staatliche Gericht überprüft werden Sec. 30(2). Damit handelt es sich um eine vorläufige Zuständigkeitsentscheidung. Lediglich wenn und soweit keine Anfechtung der Entscheidung vor dem staatlichen Gericht erfolgt, wird diese bindend.399

Im Einklang mit internationalen Standards400 ist die vorläufige Befugnis des Schiedsgerichts, über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden, nunmehr auc h im deutschen Recht vorgesehen, § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO. Im Gegensatz zum englischen Recht können die Parteien insoweit jedoch keine abweichende Vereinbarung treffen, die Vorschrift ist zwingend.

395 Vgl. nur DAC February 1996 Report, para. 137.

396 Näher dazu Haas, ZZPInt 2 (1997) 409 (425); zum Gebrauch des Begriffs in verschiedenen Jurisdiktionen siehe auch Park, ADRLJ 2000, 19 (25 ff).

397 Vgl. Jalili, JIntArb 1996, Nr. 4, 169.

398 Harris/Planterose/Tecks, Rz. 30C weisen darauf hin, dass die englische Formulierung hier lediglich „ ... may rule ...“ lautet, mithin dem Schiedsgericht keine „power of final decision“

eingeräumt ist. (Unterstreichungen durch den Verf.).

399 Harris/Planterose/Tecks, Rz. 30C.

400 Vgl. BegrRegE zu § 1040 ZPO, (BR-DrS. 211/96), S. 137.

2. Änderung der Rechtslage

a) Die Rechtsentwicklung in England aa) Die Entscheidung Christopher Brown

Mit Sec. 30 findet eine Rechtsentwicklung ihren Schlusspunkt im Gesetzesrecht, die sich im common law schon seit längerem abgezeichnet hat.

Im Schrifttum wird insoweit auf die Entscheidung Christopher Brown v.

Genossenschaft österreichischer Waldbesitzer („Christopher Brown“)401 aus dem Jahre 1954 verwiesen. In dieser Entscheidung heißt es:

„It is not the law that arbitrators, if their jurisdiction is challenged or questioned are bound immediately to refuse to act unt il their jurisdiction has been determined by some court which has power to determine it finally. […]

[The arbitrators] are entitled to enquire into the merits of the issue whether they have jurisdiction or not, not for the purpose of reaching any conclusio n which will be binding upon the parties – because they cannot do so – but for the purpose of satisfying themselves as a preliminary matter about whether they ought to go on with the arbitration or not.”

Nach der zitierten Entscheidung Christopher Brown sind die Schiedsrichter berechtigt, vorläufig über ihre eigene Zuständigkeit zu entscheiden. Dies entspricht unmittelbar dem Konzept der Kompetenz-Kompetenz nach heute international herrschendem Rechtsverständnis.

bb) Die Entscheidung Harbour Assurance

Unter der Überschrift Kompetenz-Kompetenz wird im englischen Schrifttum402 auch auf die Entscheidung des Court of Appeal im Fall Harbour Assurance Co.

Ltd. v. Kansa General International Insurance Co. Ltd. („Harbour Assurance“)403 aus dem Jahre 1993 verwiesen. Kernpunkt dieser Entscheidung ist die Frage, ob die Schiedsrichter befugt sind, über die anfängliche Unwirksamkeit des Hauptvertrages zu entscheiden. Diese Frage ist – nach deutschem Rechtsverständnis – eher im Zusammenhang mit der Frage nach der rechtlichen Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag zu

401 Christopher Brown v. Genossenschaft Österreichischer Waldbesitzer [1954] 1 QB 8.

402 Merkin, Guide, 1996, S. 52.

403 Harbour Assurance Co. (UK) Ltd. v. Kansa General International Insurance Co. Ltd. and others [1993] QB 701 = [1993] 1 Lloyd´s Rep. 455.

sehen, als mit der Problematik der Entscheidung der Zuständigkeitsfrage.404 Die Kompetenzfrage wird im Fall Harbour Assurance insoweit aufgeworfen, als die Kompetenzgrundlage für das Schiedsgericht fehlt, wenn die Schiedsvereinbarung automatisch das Schicksal des Hauptvertrages, namentlich dessen anfängliche Unwirksamkeit, teilt. Der Streit über die Wirksamkeit des Hauptvertrages müsste in diesem Fall vor dem staatlichen Gericht entschieden werden.405

Der Court of Appeal entschied im Fall Harbour Assurance jedoch, dass die von der Vorinstanz zitierten Präzedenzfälle der Annahme einer Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts in der Frage der anfängliche Unwirksamkeit des Hauptvertrages nicht entgegenstehen. Notwendige Voraussetzung insoweit ist nach dieser Entscheidung aber, dass die Schiedsvereinbarung entsprechend weit gefasst ist. Die Frage nach der Wirksamkeit des Hauptvertrages muss eine Streitigkeit resultierend aus dem Hauptvertrag („a dispute arising out of the agreement“) sein und wird unter dieser Voraussetzung von der Schiedsvereinbarung erfasst. Dass das Schiedsgericht befugt sein soll, über die Wirksamkeit des Hauptvertrages zu entscheiden, musste sich also der Schiedsvereinbarung selbst entne hmen lassen. Die Entscheidung Harbour Assurance spiegelt sich in Sec. 30(1)(c) wieder, wonach die Entscheidungsbefugnis in der Zuständigkeitsfrage auch die Frage umfasst, ob die dem Schiedsgericht vorgelegten Streitgegenstände von der Schiedsvereinbarung gedeckt sind.

b) Abkehr vom Erfordernis der Kompetenz-Kompetenz Klausel Im deutschen Recht brachte die Reform eine grundlegende Änderung. Der BGH ging bislang in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Parteien in einer Schiedsvereinbarung dem Schiedsgericht auch die für die ordentlichen Gerichte verbindliche Entscheidung über die Wirksamkeit und Auslegung der Schiedsabrede übertragen, dem Schiedsgericht also die Kompetenz-Kompetenz zuweisen konnten.406 Konstruktiv wurde die sogenannte Kompetenz-Kompetenz Klausel als zweite, nachgeschaltete Schiedsvereinbarung gesehen, deren Gegenstand die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung für die Hauptsache

404 Die Frage nach der rechtlichen Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung darf mit der Frage nach der Kompetenz-Kompetenz nicht verwechselt werden,vgl. Schlosser, Rz. 546.

405 Vgl. Jalili, JInArb 1996, Nr. 4, 169.

406 Vgl. nur BGH Urt. v. 06.06.1991, NJW 1991, 2215; weitere Nachweise bei Reithmann/Hausmann, Rn. 2518.

war. Das ordentliche Gericht war in diesem Fall ohne Bindung an die Entscheidung des Schiedsgerichts auf die Prüfung der Gültigkeit der Kompetenz-Kompetenz Klausel beschränkt. Diese Beschränkung der Prüfungskompetenz des ordentlichen Gerichts galt nicht nur dann, wenn bereits ein die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bejahender Schiedsspruch ergangen war, sondern auch dann, wenn der Kläger die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung verneinte und deshalb sofort Klage vor dem ordentlichen Gericht erhob. Letztlich musste die Konstituierung des Schiedsgerichts in diesen Fällen mit dem alleinigen Ziel betrieben werden, dass dieses sich für unzuständig erklären möge. Insbesondere auf diesen Aspekt stützte sich die Kritik des Schrifttums an der Rechtsprechung des BGH.407

Die zusätzliche Vereinbarung einer Kompetenz-Kompetenz Klausel ist nach der Reform nicht mehr nötig, weil dem Schiedsgericht die vorläufige Kompetenz-Kompetenz nunmehr gesetzlich zugewiesen ist (§ 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO); eine Kompetenz-Kompetenz Klausel ist aber auch unwirksam, weil das ordentliche Gericht letztverbindlich über die Kompetenz des Schiedsgericht entsche idet, wenn ein entsprechender Antrag einer Partei gemäß § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO oder § 1059 Abs. 2 S. 1 lit. a ZPO (Aufhebungsverfahren) gestellt wurde.

Die Neuregelung stellt somit eine bewusste Abkehr von der vom BGH entwickelten und in der Literatur überwiegend abgelehnten408 Lehre von der Kompetenz-Kompetenz, im Sinne einer die staatlichen Gerichte bindenden Zuständigkeitsentscheidung, dar.

II. Verfahren zur Herbeiführung einer Entscheidung der Zuständigkeitsfrage409

1. Überblick

Der Arbitration Act 1996 eröffnet zwei Verfahren für die Herbeiführung einer Entscheidung der Zuständigkeitsfrage. Zum einen können die Parteien eine Entscheidung des Schiedsgerichts herbeiführen (Sec. 31), zum anderen steht ihnen der Weg zum staatlichen Gericht offen, um eine Vorabentscheidung über

407 Reithmann/Hausmann, Rn. 2518; Bosch, JZ 1989, 202.

408 Schwab/Walter, Kap. 6, Rn. 9; die Kritik des Schrifttums ausdrücklich erwähnend, BGH Urt. v. 06.06.1991, NJW 1991, 2215.

409 In diesem Abschnitt sollen nur solche Verfahren zur Herbeiführung einer Entscheidung der Zuständigkeitsfrage beleuchtet werden, die jedenfalls die Konstituierung des Schiedsgerichts voraussetzen. Das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist deshalb hier nicht zu erörtern.

die Zuständigkeitsfrage zu erlangen (Sec. 32). Für beide Verfahren gelten Präklusionsregeln, d.h. die Rüge kann nach im Gesetz näher bestimmten Zeitpunkten nicht mehr wirksam erhoben und eine Entscheidung somit nicht mehr herbeigeführt werden.410 Die Vorschriften sind zwingend.411

Die beiden Verfahren stehen zueinander im Verhältnis der Alternativität, vorausgesetzt, die Parteien haben die Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts nicht durch Vereinbarung nach Sec. 30(1) abbedungen.412 Besitzt das Schiedsgericht aufgrund einer entsprechenden Parteivereinbarung keine Befugnis zur Bestimmung der eigenen Zuständigkeit, so ist ausschließlich der Weg über das gerichtliche Vorabentscheidungsverfahren gangbar.

Während das englische Recht grundsätzlich alternativ zur Zuständigkeitsentscheidung durch das Schiedsgericht den Weg zum staatlichen Gericht eröffnet, kann nach deutschem Recht der Weg zum staatlichen Gericht nur im Anschluss an eine schiedsrichterliche Entscheidung der Zuständigkeitsfrage beschritten werden. Nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO kann jede Partei gegen die positive Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts binnen eines Monats nach schriftlicher Mitteilung des Entscheids eine gerichtliche Entscheidung413 beantragen. Unmittelbar, d.h. ohne den Umweg über die schiedsrichterliche Entscheidung, kann das staatliche Gericht dagegen nicht angerufen werden. Die Zuständigkeitsprüfung durch das Schiedsgericht ist „Vorschaltinstanz“.414 Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass auch nach englischem Recht der unmittelbare Weg zum staatlichen Gericht durch vielfältige Hindernisse erschwert ist und jedenfalls die Rüge der Unzuständigkeit zum Schiedsgericht voraussetzt.

2. Entscheidung der Zuständigkeitsfrage durch das Schiedsgericht