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Weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit bzw. Durchsetzbarkeit von Schiedsvereinbarungen ist deren hinreichende Bestimmtheit. Dies gilt sowohl nach englischem136, als auch nach deutschem Recht. Das Bestimmtheitserfordernis erstreckt sich zum einen auf das dem Schiedsgericht zu unterbreitende Rechtsverhältnis, zum anderen auf die Frage, ob sämtliche oder nur einzelne aus diesem Rechtsverhältnis hervorgehende Streitigkeiten dem Schiedsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden, und schließlich auf die

134 Russell, Rz. 3-002, Mustill/Boyd, S. 151.

135 Für das englische Recht vgl. Russell, Rz. 3-002 ff; zum deutschen Recht vgl. statt vieler Lachmann, Rz. 114, mwN.

136 Mustill/Boyd, S. 106.

Frage, ob es sich dabei um bereits entstandene oder um künftig entstehende Streitigkeiten handeln soll.137 Die englische Rechtsprechung tendiert bei widersprüchlichen, abgekürzten und verweisenden („in the usual way“) Schiedsklauseln zu einer schiedsfreundlichen Auslegung.138

2. Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung a) Allgemeines

Im Zusammenhang mit der Problematik der hinreichenden Bestimmtheit steht auch die Frage des Anwendungsbereichs der Schiedsvereinbarung. Ob eine bestimmte Streitigkeit in den Anwendungsbereich einer Schiedsvereinbarung fällt, hängt vom Wortlaut derselben ab.139 Die Frage nach dem Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung kann sich in verschiedenen Phasen des Schiedsverfahrens stellen. So, wenn es darum geht, ob eine bestimmte Streitigkeit überhaupt einem Schiedsgericht vorzulegen ist, oder ob das Aufgabenprotokoll („terms of reference“) dem Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung gemäß formuliert ist, und schließlich, ob der Schiedsspruch mit dem Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung übereinstimmt. Die weitreichende Bedeutung der Frage nach dem Anwendungsbereich resultiert daraus, dass die Parteien mit der Schiedsvereinbarung die Kompetenz des Schiedsgerichts begründen und das darauf basierende Verfahren den von den Parteien vorgegebenen Kompetenzrahmen nicht überschreiten darf.

b) Insbesondere: Die Wirksamkeit des Hauptvertrages

Über lange Zeit war im englischen Recht fraglich, ob das Schiedsgericht über die Wirksamkeit des Hauptvertrages entscheiden konnte, ob also diese Frage in den Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung fiel. Die Frage stellte sich, weil zweifelhaft war, ob das rechtliche Schicksal der Schiedsvereinbarung unabhängig vom Hauptvertrag zu beurteilen sei. Unterstellt, die Schiedsvereinbarung teilt das rechtliche Schicksal des Hauptvertrages, so ist im Fall der Unwirksamkeit des Hauptvertrages auch die Schiedsvereinbarung unwirksam und das Schiedsgericht nicht kompetent, die Frage der Wirksamkeit des Hauptvertrages zu beurteilen.

137 Lachmann, Rn. 156.

138 Mustill/Boyd, S. 106 f, mit Nachweisen zur Rechtsprechung.

139 Mustill/Boyd, S. 108.

Nunmehr stellt auch das englische Recht klar, dass die Schiedsvereinbarung rechtlich selbstständig bzw. unabhängig vom Hauptvertrag ist (Sec. 7).140 Die Unwirksamkeit des Hauptvertrages führt danach nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung.141 Damit wurden die dogmatischen Hindernisse für eine Entscheidung des Schiedgerichts über die Wirksamkeit des Hauptvertrages aus dem Weg geräumt.142 Ob das Schiedsgericht aber im konkreten Fall kompetent ist, die Frage der Wirksamkeit des Hauptvertrages zu entscheiden, hängt davon ab, dass die Parteien diese Kompetenz nicht durch Parteivereinbarung nach Sec. 30(1) ausgeschlossen haben. Die Frage nach dem Anwend ungsbereich der Schiedsvereinbarung stellt nämlich nach Sec. 30(1)(a) eine Kompetenzfrage dar.143

140 Schon vor Inkrafttreten des Arbitration Act 1996 haben englische Gerichte zu Gunsten des von den Parteien durch die Schiedsvereinbarung geäußerten Willens (i.e. Streitentscheidung ausschließlich durch das Schiedsgericht) entschieden und dem Sch iedsgericht die Befugnis zugebilligt, auch die Frage der Wirksamkeit des Hauptvertrages zu entscheiden, vgl. Harbour Assurance Co. Ltd. v. Kansa General Insurance Co. Ltd [1993] 1 Lloyd´s Rep 455.

141 Vgl. schon Harbour Assurance Co. Ltd. v. Kansa General Insurance Co. Ltd [1993] 1 Lloyd´s Rep 455 und die Besprechung insoweit bei Mulcahey, Arbitration 1998, 210 (211).

142 Diese Entscheidungsbefugnis umfasst nunmehr auch solche Fälle, in denen die Wirksamkeit des Hauptvertrages wegen Gesetzwidrigkeit in Frage steht. Auch Fälle, in denen der

Hauptvertrag mangels Gegenleistung („want of consideration“), wegen mangelnder

Bestimmtheit oder unzulässigem Zwang („duress“) unwirksam ist, sind nun eindeutig dahin zu lösen, dass das Schiedsgericht über diese Frage zu entscheiden befugt ist. Gleiches gilt für vernichtbare, d.h. anfechtbare Verträge (vgl. Russell, Rz. 2-062 f.). Die Frage nach der Beendigung des Hauptvertrages wegen Nichterfüllung der vertraglichen Leistungspflichten (vgl. schon Heyman v. Darwins Ltd. [1942] AC 356) oder wegen Wegfalls der

Geschäftsgrundlage („frustration“; obiter dictum in Heyman v. Darwins Ltd. [1942] AC 356) kann vom Schiedsgericht entschieden werden. Sind dagegen nach dem Vertrag

Vorbedingungen im Tatsächlichen, z.B. die Fertigstellung eines Bauabschnitts, zu erfüllen, bevor das Schiedsgericht angerufen werden darf, dann ist das Schiedsgericht nicht kompetent, die Erfüllung dieser Vorbedingungen zu prüfen (Russell, Rz. 2-065).

143 Deshalb wird im englischen Recht der Begriff Kompetenz-Kompetenz auch im

Zusammenhang mit der Frage nach der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Wirksamkeit des Hauptvertrages gebraucht. Da Sec. 7 dispositiv ist, hängt die Antwort auf die Frage, ob das Schiedsgericht die Frage der Wirksamkeit des Hauptvertrags entscheiden darf, von einer entsprechend weiten Formulierung der Schiedsklausel ab (vgl. Mulcahey, Arbitration 1998, 210 (211)). Eine zu enge Formulierung der Schiedsklausel führt dazu, dass die Schiedsklausel im Verhältnis zum Hauptvertrag nicht als unabhängig anzusehen ist und Sec. 7 im Ergebnis nicht greift. Aus der Entscheidung Harbour Assurance Co. Ltd. v. Kansa General Insurance Co. Ltd [1993] 1 Lloyd´s Rep 455 kann abgeleitet werden, dass eine Formulierung wie „all disputes arising out of or in connection with this contract“ ausreicht, dagegen eine

Formulierung wie „any dispute arising under this contract“ an sich eine Beschränkung auf Auslegungsfragen darstellt, aber die Frage der Wirksamkeit des Hauptvertrages nicht erfasst (vgl. Merkin, Guide, S. 22). Keine Zweifel dürften bei folgender Formulierung bestehen: „Any dispute [...] arising out of or in connection with this Agreement or the breach hereof, including any questions regarding its existence, validity or termination, shall be referred to […]

arbitration” (so die Klausel im Fall Bankers Trust Co. and another v. PT Jakarta International Hotels and Development [1999] 1 AllER (Comm) 785 (787)).