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2.6. Vegetation und Bestandesstruktur

und die bestellten Holzknechte und -vögte eigene Interessen verfolgten, fand eine Kontrolle der Nutzungen kaum mehr statt. Trotz des Raubbaus wird in einer Forstbeschreibung aus dem Jahre 1705 der Forstort Schaar - zu dem das heutige Schutzgebiet gehört - als „... eine(r) der besten und größesten Örter des Neuenburger Buschs ...“ bezeichnet, „... worinnen zwar eine große Menge der besten Bäume verhauen, wegen Versohrung verkaufet und vom Sturm umbgeworfen ...“ sind, in dem aber noch viele alte Eichen in lückigem Bestand wachsen (nach NITZSCHKE 1932). Nicht nur Holzdiebstahl und Mißachtung der Anordnungen zur Verjün-gung des Waldes scheinen also an der Tagesordnung gewesen zu sein, es gelang den Bauern auch, sich Waldbesitz anzueignen. Im 18. Jahrhundert waren ca. 80 % der Fläche des Neuen-burgerholzes waldfrei, nicht jedoch die Fläche des heutigen Schutzgebietes (KOOP 1981).

In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde die Fläche des ’Neuenburger Urwaldes’ durch eine Verordnung des Oldenburger Großherzogs Nikolaus-Friedrich-Peter (1853-1900) aus der forstlichen Nutzung herausgenommen. Der ’Neuenburger Urwald’ wurde als Ausschlußforst weitgehend sich selbst überlassen, totes Holz durfte allerdings zunächst weiter genutzt werden. 1938 wurde der 48,5 ha umfassende Forstort Große Schaar schließlich unter Naturschutz gestellt. Unberührt von der Schutzverordnung bleiben die Jagdausübung und „die forstliche Nutzung kranker und abständiger Stämme sowie langschäftiger Eichen mit hohem Nutzholzwert” (Oldenburgisches Staatsministerium 1938), wovon die Forstverwaltung allerdings keinen Gebrauch macht. Lediglich die das Gebiet durchziehenden Wanderwege werden von umgestürzten Bäumen geräumt, ohne das Holz zu entnehmen. Nach dem zweiten Weltkrieg fiel mehr als die Hälfte des Gebietes der Säge zum Opfer, um das Holz für Brennholzzwecke nutzen zu können, so dass heute nur noch etwa 23 ha des alten Hutewaldes erhalten sind. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch bereits abgestorbene Bäume der erhalten gebliebenen Fläche entfernt.

2.6. Vegetation und Bestandesstruktur

Das heutige Waldbild des ’Neuenburger Urwaldes’ ist das Ergebnis natürlicher Standort-bedingungen, anthropogener Überformungsprozesse und über einhundertjähriger spontaner Eigenentwicklung in Richtung auf die potenzielle natürliche Vegetation. Zwar zählen POTT

& HÜPPE (1991) den ’Neuenburger Urwald’ zu den durch die Extensivwirtschaft „... nur schwach überformten ehemaligen Bannwäldern ...“, die Auswirkungen der historischen Waldnutzungsformen auf dessen floristische Zusammensetzung und Bestandesstruktur sind aber auch in der Gegenwart deutlich ablesbar.

Das Bestandesbild wird beherrscht von seinem sehr alten Baumbestand aus Stieleiche (Quercus robur) und Rotbuche (Fagus sylvatica), die in der Oberschicht dominieren. Das Alter der für das Gebiet so charakteristischen knorrigen Huteeichen, die allesamt aus Pflan-zung hervorgegangen sind (KOOP 1982), wird auf 300 bis 500 Jahre geschätzt, einzelne Exemplare sollen sogar 800 Jahre alt sein. Für die Rotbuche wird ein Alter von bis zu 400 Jahren angegeben (KRIEBITZSCH 1989). Im Unterstand finden sich zahlreiche 200 bis 300 Jahre alte Hainbuchen (Carpinus betulus). Als weitere Baumarten sind überwiegend einzelstammweise Feld-, Spitz- und Bergahorn (Acer campestre, A. platanoides, A. pseudo-platanus), Gold- und Warzen-Birke (Betula lutea, B. pendula) und Esche (Fraxinus exelsior) beigemischt. Ein von einem Windwurf betroffener Waldteil wurde um die Jahrhundertwende mit Roteiche (Quecus rubra) ausgepflanzt.

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Die Wuchsformen der Baumindividuen sind „... Zeugen extensiver Betriebsformen des historischen Waldes mit seinen vielfältigen Funktionen” (BURRICHTER 1984). Dies gilt in besonderem Maße für die alten Huteeichen, die mit ihren mächtigen Stämmen und tief ansetzenden, ausladenden Kronen dem Habitus von Solitärbäumen entsprechen und damit Zeugnis ablegen von der ehemaligen offenen Struktur eines Hutewaldes. Vereinzelt finden sich noch sogenannte Armleuchterbuchen. Dabei handelt es sich um Mehrstammbäume, die aus Büschelpflanzungen hervorgegangen sind und deren Einzelstämme im unteren Bereich zu einem einzigen Stamm verwachsen sind. Von der ehemaligen Kopfholznutzung zeugen die kandalaberförmigen Kronenformen der Hainbuchen. In Abtriebshöhe, wo die zahlreichen Äste ansetzen, haben sich mächtige Überwallungswülste ausgebildet. Wegen der instabilen Baumarchitektur sind sie anfällig gegen Sturm und brechen, ebenso wie die Armleuchter-buchen, leicht auseinander, so dass nur noch wenige markante Einzelexemplare erhalten sind.

Im Unterstand ist eine artenreiche Kraut- und Strauchschicht ausgebildet. Beherrscht wird das Unterholz von der durch die Weideselektion begünstigten Stechpalme (Ilex aquifolium), die vielerorts ein kaum zu durchdringendes Dickicht bildet. An einigen Stellen haben sich hallenförmige Bestände von bis zu 15 m Höhe ausgebildet. Einzelne Exemplare erreichen einen Durchmesser von über 20 cm (KRIEBITZSCH 1989). Auf den zahlreichen Lichtungen, wo der schützende Überhalt für den früh- und spätfrostgefährdeten Ilex fehlt, wird die Strauchschicht von dichten Beständen aus Rubus-Arten dominiert (R. fruticosus, R. idaeus).

Des weiteren finden sich Hasel (Coryllus avellana), Weißdorn (Crataegus laevigata, C.

monogyna), Faulbaum (Frangula alnus), Geißblatt (Lonicera periclymenum), Schlehe (Prunus spinosa) und Eberesche (Sorbus aucuparia). Entsprechend der kleinräumig sehr heterogenen Belichtungsverhältnisse ist auch die Ausprägung der artenreichen Kraut- und Strauchschicht sehr variabel und reicht von vegetationsfreien Partien bis hin zu stark vergrasten bzw. mit Rubus-Arten bewachsenen Lichtungen.

POTT & HÜPPE (1991), an deren Ausführungen sich die folgende Darstellung orientiert, haben in ihrer vegetationskundlichen Untersuchung des ’Neuenburger Urwaldes’ drei Wald-typen ausgeschieden, die fließend ineinander übergehen (Abb. 2-4). Die verschiedenen Stadien und Phasen der Waldentwicklung zeigen zudem deutliche Unterschiede in ihrer floristischen Zusammensetzung.

Auf meso- bis eutrophen, stau- und grundwasserbeeinflussten, vergleyten Lehmböden stockt der Waldziest-Eichen-Hainbuchenwald (Stellario-Carpinetum stachyetosum). Die Baumschicht dieser azonalen, nährstoffbedingten Subassoziation des Eichen-Hainbuchen-Waldes wird von der Eiche beherrscht, in deren Unterstand sich eine zweite Baumschicht aus Hainbuchen etabliert hat. Die Buche fehlt weitestgehend - auch in der Verjüngung - wegen ihrer Empfindlichkeit gegenüber Staunässe. Die Krautschicht ist artenreich. Vor allem anspruchsvolle Arten wie z. B. das Buschwindröschen (Anemone nemorosa), die Sternmiere (Stellaria holostea), der Waldziest (Stachys sylvatica), das Scharbockskraut (Ranunculus ficaria) und das Große Hexenkraut (Circaea lutetiana) prägen das Bild.

Auf den frischen, gut nährstoffversorgten Böden mit tieferliegendem Grundwasser findet die Buche sehr gute Wuchsbedingungen und verjüngt sich leicht. Sie ist hier der Eiche in der Wuchskraft deutlich überlegen und es hat sich ein Milio-Fagetum (Flattergras-Buchenwald) ausgebildet. Der immer noch geringe Buchenanteil im Oberstand ist das Ergebnis der früheren, eichenbegünstigenden Nutzungsformen, während in der Verjüngung bereits die Buche dominiert. In der Krautschicht finden sich u. a. das Flattergras (Milium effusum), das

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Buschwindröschen (Anemone nemorosa), die Wald-Segge (Carex sylvatica), der Waldmeister (Galium odoratum) und die Goldnessel (Lamiastrum galeobdolon).

Als dritter Waldtyp läßt sich auf mäßig trockenen bis frischen, anlehmigen und ärmeren (oligotrophen) Standorten das Fago-Quercetum (Buchen-Eichenwald) ausscheiden. Hier herrscht die Buche vor, während Eiche und Hainbuche in nur geringer Anzahl vertreten sind.

In einigen kleineren Bereichen beteiligt sich die Sandbirke (Betula pendula) an der Ober-schicht. In der artenarmen Krautschicht, deren Deckungsgrad gering ist, finden sich u. a.

Hain-Veilchen (Viola riviniana), Rasen-Schmiele (Deschampsia caespitosa), Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), Wiesen-Wachtelweizen (Melampyrum pratense) und Zweiblättrige Schattenblume (Maianthemum bifolium).

Abb. 2-4: Vegetationskarte (aus POTT & HÜPPE 1991)

In feuchten, versumpften Bodensenken, die einstmals als Tränken für das Vieh genutzt wurden, hat sich eine feuchtigkeitsliebende Vegetation eingestellt, die sich u. a. aus Weißem Straußgras (Agrostis stolonifera), Winkel- und Schlank-Segge (Carex remota, C. gracilis), Flatterbinse (Juncus effusus), Flutender Schwaden (Glyceria fluitans), Sumpf-Labkraut (Galium palustre), Sumpf-Hornklee (Lotus uliginosus), Gemeines und Kleines Helmkraut (Scutellaria galericulata, Sc. minor), Faulbaum (Frangula alnus), Ohr- und Grau-Weide (Salix aurita, S. cinerea) sowie verschiedenen Sphagnum-Arten zusammensetzt.

2. Das Untersuchungsgebiet

Mit abnehmender Bedeutung des Waldes für die Viehwirtschaft und aufgrund seiner Behandlung als Ausschlußforst, in dem forstwirtschaftliche Eingriffe weitgehend ausblieben, konnte sich der ’Neuenburger Urwald’ (fast) ausschließlich seiner Eigendynamik entspre-chend entwickeln, in dessen Folge sich sein Erscheinungsbild nachhaltig verändert hat. Der Bestand hat den ehemals offenen Charakter eines typischen Hutewaldes weitgehend ein-gebüßt und zeichnet sich heute durch seine hohe strukturelle Vielgestaltigkeit aus. „In seiner mosaikartigen Plenterstruktur zeigt der Wald ... verschiedenartige Zerfalls- und Verjüngungs-phasen mit den spezifischen kleinstandörtlichen Differenzierungen” (POTT & HÜPPE 1991).

Die nachfolgenden Ausführungen zur Bestandesstruktur beruhen im Wesentlichen auf den Analysen von KOOP (1981, 1982).

Wie aus der Abbildung 2-5 ersichtlich wird, bilden die verschiedenen Entwicklungsphasen ein sehr kleinräumiges Sukzessionsmosaik. Die durchschnittiche Größe der verschiedenen Stadien und Phasen der Waldentwicklung und ihr Flächenanteil lassen eine Abhängigkeit vom Vegetationstyp erkennen. Im Stellario-Carpinetum ist die in Verjüngung befindliche Fläche und der mittlere Durchmesser der Verjüngungseinheiten am geringsten, während die entspre-chenden Werte für das Fago-Quercetum deutlich höher ausfallen. Das Milio-Fagetum nimmt eine mittlere Position ein. Sie sind das Ergebnis des Zusammenbruchs einzelner Stämme (besonders im Stellario-Carpinetum) bzw. größerer Bestandesteile (häufiger im Fago-Quer-cetum). Dort, wo sich bereits Verjüngung im Unterstand etabliert hatte, wächst unmittelbar die nächste Baumgeneration heran, ansonsten entstehen vielfach Lichtungen, die oft über einen längeren Zeitraum von lichtliebenden Kräutern, Rubus-Arten oder Adlerfarn dominiert werden. Der Anteil dieser Kräuterstadien beträgt den Angaben von KOOP (1982) zufolge 10 bis 15 %. Fast ausschließlich im Fago-Quercetum lassen sich Pionierwaldstadien aus Birke und Eberesche beobachten. In späteren Stadien stellt sich eine stärkere Baumartenmischung und größere Ungleichaltrigkeit ein.

Auch in der Vertikalstruktur unterscheiden sich die Waldgesellschaften des ’Neuenburger Urwaldes’, und zwar ist eine zunehmende Differenzierung vom Fago-Quercetum über das Milio-Fagetum zum Stellario-Carpinetum festzustellen. Die Bestände auf nährstoffärmeren Standorten tendieren zu größerer Einförmigkeit und Einschichtigkeit (KOOP 1982).

2.6. Vegetation und Bestandesstruktur

Abb. 2-5: Stadien und Phasen des Sukzessionsmosaiks (aus KOOP 1982)

Mit dem Ende der eichenbegünstigenden Nutzung des Waldes hat sich der Bestand geschlossen, wird aber immer wieder dort durchbrochen, wo ein umgestürzter Baum eine Lücke hinterlassen hat. Gleichzeitig hat sich die Baumartenzusammensetzung zu Gunsten der Buche verschoben. Sowohl WEHAGE (1930) als auch NITZSCHKE (1932) beobachteten bereits auf vielen Standorten des ’Neuenburger Urwaldes’ die Konkurrenzüberlegenheit der Buche. Insbesondere in den jüngeren Altersklassen ist die Eiche kaum vertreten, weshalb NITZSCHKE (1932) eine Entwicklung zu einem reinen Buchenstadium prognostizierte. Nur auf den stark grundwasserbeeinflussten Standorten ist die Buche unterlegen (POTT & HÜPPE 1991). Aufgrund des Umstandes, dass in alten Forstbereitungsprotokollen die Erle als häufig anzutreffende Baumart des Neuenburgerholzes genannt wurde, ist von verschiedenen Autoren (NITZSCHKE 1932; WEHAGE 1930; HESMER & SCHRÖDER 1963) die Annahme geäußert worden, dass auch ohne die eichenfördernde Wirkungen der historischen Wald-nutzungsformen von einer standortbedingten Vorherrschaft der Eiche in der ursprünglichen Waldgesellschaft ausgegangen werden kann (HESMER & SCHRÖDER 1963). Als Erklärung für die sich abzeichnende Entwicklung zu einem von der Buche dominierten Wald auf dem überwiegenden Teil der Standorte läßt sich anführen, dass zum einen die im lichten Bestand aufgewachsenen Eichen nicht ihr volles Potenzial zum Höhenwachstum ausgeschöpft haben und deshalb leicht von nachwachsenden Buchen ausgedunkelt werden, zum anderen, dass vor allem durch irreversible Standortveränderungen in Folge der Anlage von Entwässerungs-gräben und von Grundwasserabsenkung das Konkurrenzverhältnis zugunsten der Buche ver-schoben worden ist. „Im ganzen entsteht also der Eindruck, dass die Buche im ... Neuen-burgerholz in früherer Zeit nie eine solche Dominanz erreicht hat, wie sie sich heute anbahn“

(HESMER & SCHRÖDER 1963). Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, wurden in jüngster Vergangenheit einige der alten Eichen freigestellt und einige größere Lücken mit Eichen ausgepflanzt.

2. Das Untersuchungsgebiet

Abb. 2-6: Horizontal- und Vertikalstruktur (Grund- u. Aufriß) (aus KOOP 1982)

Ein wesentliches Strukturmerkmal des ’Neuenburger Urwaldes’ ist das reichhaltige Ange-bot absterbender und abgestorbener Bäume. Nicht wenige der alten Baumveteranen sind in Folge von Überalterung und von Verletzungen partiell abgestorben und weisen in ihrem Innern deutliche Kernfäulen auf bzw. sind bereits mehr oder weniger stark ausgehöhlt und von Tieren, Moosen und Pilzen besiedelt. Überall im Bestand stehen und liegen starkdimen-sionierte Baumruinen verschiedener Zersetzungsgrade. Hinzu kommen größere Totholzvor-räte im Kronenraum insbesondere der Eiche. Das Totholzangebot variiert nach Waldtyp und Entwicklungsphase. KOOP (1981) ermittelte im Milio-Fagetum eine Länge von 1000 m/ha, im Stellario-Carpinetum war es nur etwa die Hälfte. Auf einer 1,1 ha großen Kernfläche wurden von der Niedersächsischen Forstlichen Versuchsanstalt im Jahr 2000 die Vorräte des lebenden und abgestorbenen Bestandes ermittelt. Das Volumen des liegenden Totholzes belief sich hier auf 165, das des stehenden auf 47 m3/ha. Die Holzbiomasse der lebenden Bäume betrug 488 m3/ha (NFV 2005). Damit entfielen 30 % der gesamten Holzbiomasse auf das Totholz. Da die letzte Totholzentnahme größeren Ausmaßes im ’Neuenburger Urwald’ bereits mindestens 50 Jahre zurückliegt, ist der heutige Vorrat im Wesentlichen das Ergebnis natür-licher Absterbe- und Zersetzungsprozesse. In Verbindung mit der mosaikartigen Bestandes-struktur und deren Auswirkungen auf die Milieubedingungen stellt das große Totholzangebot im ’Neuenburger Urwald’ ein vielfältiges Massenhabitat dar.

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