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2. Das Untersuchungsgebiet

2.5. Geschichte

Die große Bedeutung der Biotoptradition für die Struktur rezenter Biozönosen, auch und besonders der an Totholz gebundenen Arten, gibt Veranlassung, dem Werdegang des ’Neuen-burger Urwaldes’ etwas größere Aufmerksamkeit zu schenken.

Sowohl die Zusammensetzung der Vegetation als auch die Struktur dieses, irreführender Weise als Urwald bezeichneten, Waldes läßt die Spuren seiner Nutzungsgeschichte deutlich erkennen. Um das heutige Vegetationsbild zu verstehen, „... ist es nötig, sich frühere Wirt-schaftsweisen und ihre Auswirkungen stets vor Augen zu halten” (ELLENBERG 1986). Erst seit dem 17. Jahrhundert geben die Quellen näheren Aufschluß über die Nutzung und den Zustand des Neuenburgerholzes. Für den davorliegenden Zeitraum muss auf die allgemeinen Erkenntnisse der Forstgeschichte zurückgegriffen werden.

Bis in die jüngste Vergangenheit war der Wald im Wirtschaftssystem der ländlichen Bevölkerung von existentieller Bedeutung. Der Wald mußte den Bedarf an Brennholz decken.

In den Geest-, Marsch- und Moorgebieten der Region mangelte es zudem an Steinen als Baumaterial, daher waren Holz und Lehm die wichtigsten Baustoffe. Darüber hinaus bestand ein großer Bedarf an Holz für den Bau von Schiffen, Brücken, Wegen und Deichen (NITZSCHKE 1932). Besonders die Eiche war wegen ihrer Dauerhaftigkeit als Bauholz sehr geschätzt.

2.5. Geschichte

Kleinholz wurde durch Kopfholzbetrieb als eine Form der Niederwaldwirtschaft gewonnen. Hierzu wurde insbesondere die Hainbuche in 2-3 m Höhe auf den Stock gesetzt und die Stockausschläge in kurzen Umtriebszeiten geerntet. Diese Hiebsform bot „... gerade-zu ideale Voraussetgerade-zungen für eine gleichzeitige Kombination mit der Waldhude” (BUR-RICHTER 1984), da eine Verbißgefährdung durch das Vieh nicht bestand und gleichzeitig die Mastbäume geschont wurden.

Neben der Holzproduktion war der Wald eine unverzichtbare Grundlage für die Ernährung der Menschen. Die Viehwirtschaft war angewiesen auf die Waldweide und mit der Haltung von Schweinen gewann die Mastnutzung zunächst an Bedeutung. „In Breitenwirkung und Andauer ist keine Maßnahme des Menschen mit der extensiven und den Wald einbeziehenden Weidewirtschaft zu vergleichen” (ELLENBERG 1986). 1779 wurden 234 Pferde, 961 Stück Hornvieh, 660 Schweine und 1282 Gänse in das Neuenburgerholz getrieben (NITZSCHKE 1932). Hundert Jahre später hatte sich die Zahl bereits deutlich verringert. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging die Zeit der Weidenutzung im Neuenburgerholz zu Ende.

Die Waldweide hatte eine Auflichtung der Bestände zur Folge, da aufkommender Jungwuchs von dem Vieh verbissen wurde. Höherer Licht- und Wärmegenuß bewirkten eine Ausbreitung von Gräsern und Kräutern, wodurch sich das Futterangebot deutlich verbesserte.

Bisweilen wurde dieser gern gesehene Auflichtungsprozeß durch das Ringeln von Bäumen befördert, wie es auch aus dem Neuenburgerholz berichtet wird (NITZSCHKE 1932). Zu-gleich förderte der selektive Verbiß durch das Vieh jene Arten, die vom Vieh wegen ihrer Inhaltsstoffe oder aber aufgrund ihrer Ausstattung mit Dornen oder Stacheln gemieden wurden (z. B. Schlehe, Weißdorn, Stechpalme, Rubus-Arten). Im ’Neuenburger Urwald’ war besonders der an mild-humides Klima gebundene Ilex begünstigt. In einer Forstbeschreibung aus dem Jahre 1705 ist denn auch von „vielem Hülsenunterbusch“ die Rede (nach NITZSCHKE 1932).

Auch die Mästung der Schweine fand, zumindest bis zur Einführung der Kartoffel, fast ausschließlich im Wald statt (HESMER & SCHRÖDER 1963). Mit der Schweinezucht stieg die Bedeutung der mastproduzierenden Baumarten Eiche und Buche. Im nordwestdeutschen Tiefland wurde der Eiche der Vorzug gegeben (BURRICHTER 1984), die in den aufge-lichteten Wäldern die Vorherrschaft errang und sich „... in den geschützten alten ’Hude-wäldern’ in Form von mächtigen Stämmen erhalten” hat (WALTER 1979). Der Schweine-eintrieb zur Mastnutzung wirkte sich in der Regel nicht negativ auf den Bestand aus. Viel-mehr lockerte die Wühltätigkeit der Tiere den Boden und erleichterte die Naturverjüngung.

Vor allem war die Notwendigkeit der Mastnutzung ein wichtiger Grund für den Erhalt und den Schutz der ’fruchtbaren Bäume’ und trug somit zum Erhalt des Waldes bei.

In den Hudewäldern Nordwestdeutschlands war die Kopfschneitelung insbesondere der Hainbuche zur Gewinnung von Laubheu weit verbreitet (BURRICHTER 1984). Das im Som-mer geerntete und getrocknete Laub wurde als Viehfutter für die Wintermonate verwendet.

Die Kopfschneitelwirtschaft ähnelte sehr der Kopfholzwirtschaft zur Kleinholzgewinnung, lediglich die Umtriebszeiten waren auf ca. 3-4 Jahre verkürzt (POTT & HÜPPE 1991).

Weit verbreitete Formen der Waldnutzung waren zudem die Streunutzung und das Plag-genstechen. Beide Nutzungsformen wurden vermutlich auch im Neuenburgerholz praktiziert (NITZSCHKE 1932). Sowohl die Laubstreu als auch die Plaggen wurden i. d. R. als Stallstreu in den Wintermonaten genutzt und anschließend als Dünger auf die Felder verbracht. Die Folgen für den Wald waren noch gravierender als die der Waldweide. Nährstoffexport,

Aus-2. Das Untersuchungsgebiet

hagerung und Erosion des Bodens bedeuteten eine nachhaltige Schädigung der Leistungs-fähigkeit des Standorts.

Die Summe der waldschädigenden Nutzungsformen, insbesondere ungeregelte Holz-nutzung, starker Weidebetrieb, das Plaggenstechen und die Nutzung der Streu, hatte eine Sukzession von Degradationsstadien zur Folge, die vielerorts mit der vollständigen Vernich-tung des Waldes endete (HESMER & SCHRÖDER 1963). Die Auswirkungen und die Geschwindigkeit dieses Prozesses waren einerseits abhängig von Art und Intensität der Eingriffe, andererseits von den Standortbedingungen und der Regenerationsfähigkeit und Verbißresistenz der Baumarten (HESMER & SCHRÖDER 1963; POTT & HÜPPE 1991;

ELLENBERG 1986). Dass der ’Neuenburger Urwald’ von der Vernichtug verschont geblie-ben ist, lag nach NITZSCHKE (1932) nicht zuletzt an der „... großen Regenerationskraft des Eichen-Hainbuchenwaldes auf gutem Boden”. Laut Forstbeschreibung aus dem Jahre 1676 war das Neuenburgerholz zu diesem Zeitpunkt das größte und auch beste Waldgebiet der ehemaligen Grafschaft Oldenburg (nach WEHAGE 1930).

Lange Zeit gehörte das Neuenburgerholz zur gemeinen Mark, Boden und Aufwuchs waren gemeinschaftlicher Besitz der umliegenden Dorfschaften. Um eine Übernutzung der Bestände zu vermeiden, wurde das Recht der Markgenossenschaft auf Bauholzgewinnung schon früh reglementiert. „Uraltes Herkommen war die Anmeldung und Einholung der Erlaubnis, Bau-holz zu hauen” (KREMSER 1990). Verstöße scheinen aber eher die Regel als die Ausnahme gewesen zu sein (WEHAGE 1930). Vermutlich schon seit dem frühen 15. Jahrhundert stand die Holzgerechtigkeit dem Landesherrn zu (NITZSCHKE 1932; KOOP 1981). Die Berechti-gung zur Viehweide und zur Nutzung abgestorbener Bäume verblieb auch weiterhin bei den drei Ortschaften Bockhorn, Astede und Grabstede (TAUX 1986).

Um der ungeregelten Waldnutzung mit ihren negativen Auswirkungen auf den Zustand des Waldes entgegenzuwirken und wohl auch aufgrund jagdlicher Interessen erklärte der Olden-burger Graf Anton-Günther im Jahre 1654 größere Teile des NeuenOlden-burgerholzes „... als der Herrschaft gehörig” (nach KRIEBITZSCH 1989), „... damit man bey begebenden Nothfällen zu des gantzen Landes Ungelegenheit dessen keinen Mangel leiden und empfinden möge” (zit.

nach NITSCHKE 1932). Gleichzeitig wurden die Nutzungsrechte der ländlichen Bevölkerung eingeschränkt. Eine Holzordnung aus dem Jahre 1656 gestattete nur die Nutzung von Weich-hölzern und die gelegentliche Fällung von „... sohren, unfruchtbaren Eichen- oder Büchen-baum zur Erhaltung ihrer Gebäude ...“ (zit. nach NITZSCHKE 1932). Um sich keiner Ver-stöße schuldig zu machen, wußte die Landbevölkerung sich zu helfen, indem sie kurzerhand einzelne Bäume ihrer Rinde entledigte um sie so in den „sohren” Zustand zu versetzen, was natürlich in späteren Holzordnungen entsprechende Strafandrohungen nach sich zog (NITZSCHKE 1932). Aus dem gleichen Jahr datiert auch die erste allgemeine Verfügung des Oldenburger Grafen über den Laubholzanbau, in der angeordnet wird, für jeden gefällten Eichen- bzw. Buchenbaum drei oder vier Heister zu pflanzen und zu schützen (HESMER &

SCHRÖDER 1963). Nicht eingeschränkt wurden dagegen die Berechtigungen zur Waldweide - mit der Ausnahme, dass Ziegen wegen ihrer besonders nachteiligen Wirkung auf den Wald nicht mehr eingetrieben werden durften - die Streunutzung und das Plaggenstechen.

Dass die unter Androhung von Leibesstrafen erlassenen und in kurzen Zeitabständen wiederholten Verordnungen offensichtlich nur wenig Erfolg hatten, davon legen die Holz-ordnungen und Forstbeschreibungen aus der Folgezeit reges Zeugnis ab (NITZSCHKE 1932).

Insbesondere in den Jahren der ’Dänenzeit’ (1667-1773) erfuhr das Neuenburgerholz eine starke Reduktion der bewaldeten Flächen. Da die Obrigkeit weit entfernt in Kopenhagen saß