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Der „ureigene“ Jesus: ipsissima vox, ipsissima facta, ipsissima inten- inten-tio

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 99-105)

II. Der „historische“ Jesus oder: Theo-Praxie in Geschichte Literatur:

3. Der „historische“ Jesus – Einzelaspekte

3.1 Der „ureigene“ Jesus: ipsissima vox, ipsissima facta, ipsissima inten- inten-tio

1. Am Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu steht die Taufe im Jordan.

2. Jesus lässt sich keiner der damaligen Bewegungen des Judentums zuordnen.

3. Zentrale Aussage seiner Verkündigung ist die Botschaft vom Reich Gottes.

4. Diese Botschaft leuchtet zugleich in seiner Lebenspraxis auf.

5. Der Kern der jesuanischen Botschaft ist theo-logisch.

6. Die Botschaft vom Reich Gottes bringt er in Verbindung mit seinem exor-zistischen Wirken.

7. „Seine Botschaft findet (…) ihre Bewährung in seiner Lebenspraxis als

‚Tatverkündigung’.“114

8. Seine Botschaft gilt insbesondere den Verlorenen und Sündern.

9. Jesus ruft in seine Nachfolge und erhebt so einen eschatologisch heilsmittle-rischen Anspruch.

10. Historisch sicher ist sein äußerer Misserfolg, d.h. sein Tod am Kreuz.

11. „Der letzte Grund für die Botschaft Jesu und seine Lebenspraxis, für nen heilsmittlerischen Anspruch und sein proexistentes Sterben ist in sei-nem Verhältnis zu Gott zu sehen, den er Vater nannte (Lk 11,2a.c par).“115 12. „Im Gottesverhältnis Jesu und in seinen konkreten Realisierungen liegt

der historische Ansatzpunkt für die nachösterliche Christologie und Soteri-ologie.“116

Interessant ist es auch, die historische Person Jesus von seinen Lebensvollzü-gen her zu bestimmen und hier die unterschiedlichen Funktionen zu benennen, die Jesu Leben ausmachen und gleichzeitig unverwechselbar machen. Gerd Theißen und Annette Merz tun dies, wenn sie das in den Evangelien Berichtete

114 ULLRICH, Art. Jesus 267.

115 ULLRICH, Art. Jesus 268.

116 ULLRICH, Art. Jesus 268.

formalisieren und dann zu folgenden funktionalen Bestimmungen der Person Jesus von Nazareth gelangen:

• Jesus als Charismatiker – soziale Beziehungen

• Jesus als Prophet – Eschatologie

• Jesus als Heiler – Wunder

• Jesus als Dichter – Gleichnisse

• Jesus als Lehrer – Ethik

• Jesus als Kultstifter – Eucharistie

• Jesus als Märtyrer – Passion

• [Jesus als Auferstandener – Ostern]

Auch wenn man aus den Evangelien selbst die Ereignisse im Leben Jesu, ge-nauer seine Lebens-Relationen [zu Gott und den Menschen], nicht mit absolu-ter historischer Sicherheit herausdestillieren kann, so kann doch aus dem Über-lieferten geschlossen werden: Der historische Jesus war ein Prophet, war ein Heiler, war ein Lehrer etc.

Ein sehr vieldimensionales und vielrelationales Lebensprofil des historischen Jesus erhält man, wenn man die formalen Zuschreibungen von Theißen/ Merz mit dem Handlungsschema von Arens koppelt.

Jesus als Charismatiker – soziale Be-ziehungen

Jesus als Pro-phet

– Eschatologie

Jesus als Heiler – Wunder

Jesus als Dichter Gleich-nisse Subjekt(e) Jesus

- Familie - Lehrer

Jesus [Gott]

Zuhörer

Jesus [Gott]

Kranker

- Jünger - Anhänger - Frauen - Gegner

Zuschauer

Inhalte Basileia tou

Theou

Ereignisse der Basi-leia tou Theou

Texte Predigt Geschehensereignisse

Kontexte Jüdische

Vor-stellungen

Vorstellungen von Wundern

Intentionen Umkehr zur

Gott/ Nachfolge

Umkehr zu Gott/

Glaube

Jesus als Leh-rer – Ethik

Jesus als Kultstif-ter – Eucharistie

Jesus als Mär-tyrer – Passion

[Jesus als Auf-erstandener – Ostern]

Subjekt(e) Jesus [Gott]

Zuhörer

Jesus 12 Jünger [Gott]

Jesus Jünger [Gott]

Gegner Inhalte Feindesliebe Kultstiftung Passion

Texte Predigt Rede und

Zei-chenhandlung

Rede und Le-benstat

Kontexte Thora-Auslegung

Pesach Verurteilung eines Gottlosen

Intentionen Radikalisierung Gedächtnisauftrag Lebensannahme

Liest man diese Matrix jeweils sowohl in der Horizontalen als auch in der Ver-tikalen und stellt zwischen den jeweiligen Knotenpunkten neue Verknüpfungen her, ergibt sich ein durchaus lebendiges Bild des historischen Jesus. Dies ist selbst dann der Fall, wenn man jeden Glaubensvollzug methodisch bewusst ausblendet.

Theißen/ Merz ist zuzustimmen, wenn sie festhalten:

„Dennoch kennen wir seine Person. Denn was ein Mensch ist, zeigt sich nicht nur in der Folge verschiedener Lebensstadien, sondern ebensosehr in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen. Eine Person ist das, was sie ist, in ihren Beziehungen.“117

Über diese Beziehungen aber wissen wir sehr viel, auch dann, wenn wir für den Vollzug der einzelnen Beziehungen keinen genauen Ort und keinen genau-en Zeitpunkt angebgenau-en könngenau-en.

Schließlich ist auf die Zusammenstellung der historisch veritablen „ipsissima vox/ facta/ intentio“ bei Karl Rahner einzugehen, weil diese aus einem ganz bestimmten Interesse heraus zusammengestellt ist. Denn Rahner schaut von den dogmatischen Glaubensaussagen her zurück auf den historischen Jesus.

Von daher bestimmt er Minimalvoraussetzungen für das, was historisch zu zei-gen sein muss, wenn der Glaube an Jesus Christus tatsächlich durch das histo-rische bzw. geschichtliche Leben Jesu gerechtfertigt sein soll. Eine solche rückblickende, rekonstruierende Sichtweise ist absolut legitim; sie muss sich aber der Gefahr bewusst sein, von der Dogmatik, vom dogmatischen Jesus Christus her unberechtigte historisierende Rückbestimmungen in das Leben Je-su vorzunehmen. Gleichwohl ist der „point of view“ berechtigt, insofern er den – wenn man so will historischen – Weg vom heutigen Glauben zum histori-schen Jesus zurück nachvollzieht. Ein anderer Gang, etwa vom historihistori-schen Je-sus zum heutigen geglaubten Christus, ist im Grunde genommen gar nicht möglich.

117 THEIßEN/MERZ, Jesus 216.

Die Thesen Rahners lauten:

1. „Jesus lebte an sich und von sich her unbefangen in der religiösen Umwelt seines Volkes (seiner ihm vorgegebenen geschichtlichen Situat ion), die (re-ligiöses Leben, Synagoge, Fest, Brauchtum, Gesetz, Priester, Lehrer, heilige Schriften, Tempel) er im ganzen a ls legitim und von Gott gewollt annahm und miterlebte.“118

2. „Insofern wollte er ein religiöser Reformator, nicht ein radikaler religiöser Revolutionär sein.“119

3. „Er weiß sich in radikaler Nähe zu Gott (…) und ist gerade von daher derje-nige, der sich radikal mit den sozial und religiös Deklassierten solidarisch weiß, weil sein ‚Vater’ gerade diese liebt.“120

4. „Seinem Tod geht er (…) entschlossen entgegen, er nimmt ihn an zumindest als unvermeidliche Konsequenz der Treue zu seiner Sendung und als ihm von Gott her auferlegt.“121

5. „Seine radikal reformatorische Erweckungspredigt will zur Umkehr rufen wegen und in die Nähe des Reiches Gottes und will Jünger sammeln, die ihm ‚nachfolgen’.“122

6. „Historisch gesehen, wird vieles für die Frage nach dem vorösterliche n Je-sus offen bleiben müssen (…).“123

Im Horizont dieser Fakten, deren Quelle allemal die Evangelien sind, sollen nun einige spezielle Aspekte der Frage nach dem historischen Jesus nachge-gangen werden. Zu Fragen ist nach den außerbiblischen Q uellen, einer C hrono-logie und Geographie des Wirkens Jesu, sowie nach dem geistig-religiösen Umfeld.

118 RAHNER, Grundkurs 245.

119 RAHNER, Grundkurs 245.

120 RAHNER, Grundkurs 245.

121 RAHNER, Grundkurs 245.

122 RAHNER, Grundkurs 245.

123 RAHNER, Grundkurs 245.

3.2 Die außerbiblische Jesusbezeugung

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 99-105)