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Jesu Handeln in fünfstelliger Dime nsionierung: Subjekt – Inhalt – Text – Kontext – Intention

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 93-99)

II. Der „historische“ Jesus oder: Theo-Praxie in Geschichte Literatur:

2.2 Jesu Handeln in fünfstelliger Dime nsionierung: Subjekt – Inhalt – Text – Kontext – Intention

Nach Edmund Arens arbeitet Fundamentaltheologie

„indem sie sich ein methodisches Instrumentarium zu eigen macht, das menschliches Handeln als ein fünfdimensionales Geschehen auffasst, das die jeweils in ihrer spezifischen Relation zueinander zu berücksichtigenden Elemente der daran beteiligten Subjekte, der darin zum Zuge kommenden Inhalte, der dazu verwendeten Texte, der dafür den Rahmen abgebenden Kontexte sowie der darin zum Ausdruck gebrachten Intentionen bedenkt (...).“100

Wenden wir dieses Instrumentarium auf Jesus Christus an, dann erhalten wir zunächst einmal folgende Konstellation, die das Leben, das Auftreten und die Botschaft Jesu in einen bestimmten historisch lokalisierbaren Rahmen stellt.

Subjekt(e) • Jesus Christus

• Gott als Vater (Gebet)

• Die Menschen

• Annehmen der Botschaft

• Ablehnung der Botschaft

100 ARENS, Ed mund, Feuerprobe auf das Tun des Glaubens. Zum Ansatz einer theolog ischen Handlungstheorie. In: MÜLLER, Klaus, Hg., Funda mentaltheologie. Fluchtlin ien und gegenwär-tige He rausforderungen. Regensburg 1998, 59-76, 71. [= ARENS, Feuerprobe.] Vgl. ARENS, Ed mund, Christopraxis. Grundzüge theologischer Handlungstheorie. Fre iburg i. Br. u.a. 1992.

[= ARENS, Christopraxis.]

Inhalte • Botschaft von der Basileia tou Theou Texte • Predigten

• Zeichenhandlungen

• Wunder

• Mähler

• Gleichnisse

Kontexte • das religiöse Umfeld

• das politische Umfeld

• das gesellschaftliche Umfeld

• das kulturelle Umfeld

• das geographische Umfeld

• das soziale Umfeld

• die je, jeweilige konkrete Situation Intentionen • Umkehr

• Annahme der Basileia tou Theou

• Realisation der Basileia tou Theou

• Gottes Offenbarung

Diese Konstellationstafel ergibt sich aus der Fülle von Relationen, die ihrer-seits aus einer Fülle von Interaktionen Jesu resultieren bzw. sich in diesen rea-lisieren. All diese Konstellationen sind bestimmte historische und geschichtli-che Situationen, die als solgeschichtli-che einmalig und unvertretbar sind. Aber: Nur in diesen ereignet sich der Sinn der jeweiligen Sprach-Handlung Jesu und nur in diesen lässt sich die ursprüngliche Bedeutung der unterschiedlichen Sprach-Handlungen Jesu bestimmen. Um die jeweilige Intention Jesu möglichst

au-thentisch zu ergründen, ist es daher notwendig den einzelnen Relationen nach-zugehen. Erst wo man diesen Schritt redlich – sine ira und studio – vollzogen hat, ist es erlaubt die Jesus-Botschaft in einen neuen, modernen und gegen-wartsbezogenen Kontext zu übertragen. Dabei darf man sich keinen Illusionen hingeben: Das Vorverständnis und das Interesse, mit dem man sich der Person Jesu Christi und seiner „Sache“ jeweils nähert, haben wesentlichen Einfluss auf das Jesus-Bild der jeweiligen Epoche. Eine tabellarische Übersicht darüber, wie verschieden durch den Zeitgeist geprägte Interpretationen der Absichten Jesu ausfallen können, bietet Franz Joseph Schierse in seiner Christologie101:

Zeitgeist/ Weltanschau-ung

angebliche Intention Jesu

Rationalismus Lehrer der Tugend und einer natürlichen Re-ligion

Idealismus

(David Friedrich Strauß)

Jesus nur der Kristallisationspunkt hoher Mythenbildung, ewiger Wahrheiten

Liberalismus

(Adolf von Harnack)

Verkündigung reinen Gottvaterglaubens und erhabener Sittlichkeit

Historismus/ Eschatolo-gismus

(Albert Schweitzer)

Ankündigung des nahen Weltuntergangs und des neuen Äon (Interimsethik)

Modernes Judentum liberale Gesetzesauslegung, wahre jüdische Frömmigkeit

Sozialismus (R. Eisler)

sozialrevolutionäre Befreiung vom Römer-joch

101 SCHIERSE, Franz Josef, Christologie. Düsseldorf 61991, 27ff. [= SCHIERSE, Christologie].

Existentialismus (Rudolf Bultmann)

Entscheidungsaufruf zur „Eigentlichkeit”

Auch wenn gewiss zuzugestehen ist, dass es einen vorurteilsfreien, gew isser-maßen völlig objektiven Blick und Zugriff auf Jesus Christus nicht gibt, er-scheint es doch als sehr sinnvoll zunächst den historischen Rahmenbedingun-gen der „JesusGeschichte“ (seiner Biographie) nachzugehen, um auf diesem Hintergrund die spezifisch Jesuanische Botschaft freizulegen und kontextuell einzubinden.

Auf mehrere spezifische Probleme bezüglich der Quellenlage und dem Um-gang mit dieser ist eigens hinzuweisen.

1. Fast unser gesamtes historisches Wissen von Jesus Christus speist sich aus den Evangelien, die selber Zeugnisse des Glaubens an und der Verkündigung von Jesus als Christus sind. Von daher kann man sie nicht wie moderne Bio-graphien lesen, die möglichst wertneutral auch die äußeren Fakten eines Men-schenlebens erheben wollen. Eben deswegen sind sie auch keine journalisti-schen Reportagen und im Hinblick auf viele historische Details erschreckend unergiebig. Eng mit dieser Tatsache zusammen, dass unsere Quellen nahezu sämtlich Bekenntnisquellen sind, hängt eine weitere wichtige Beobachtung:

Nicht nur der Glaube an Jesus als den Christus, sondern insbesondere der Glaube an die Auferstehung ist „als Gestaltungsprinzip für die Evangelien”102 in Rechnung zu stellen.

„Diese österliche Perspektive, die sich in den Jesustraditionen durchsetzte, musste dahin führen, dass der irdische Jesus mit dem auferstandenen in eins gesehen wurde. Der irdische Jesus wurde darum nicht selten in den Farben des vom Tod erstandenen leben-den Christus in der Herrlichkeit geschildert. Als charakteristisch für diese Sehweise darf vielleicht in besonderer Weise das Johannes-evangelium gelten.”103

Der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi aber verbietet geradezu einen rein immanent historischen Rückgriff auf ihn. Weil im christlichen Kontext seine

102 GNILKA, Joachim, Das historische und theologische Problem der Rüc kfrage nach Jesus. Stand der Forschung. In: DERS., Hg., Wer ist doch dieser? Die Frage nach Jesus heute. Mü nchen 1976, 7-17, 10. [= GNILKA, Problem.]

Person an ein „Ereignis“ gekoppelt ist, dass gerade das Gegenteil von Historie bedeutet, werden historische Rückfragen an die Quellen problematisch. Es ergibt sich zudem ein erstaunliches Gefälle zwischen der Bedeutung, die die Person Jesus Christus für die Evangelisten hatte zu der Bedeutung, die ihr die damalige Weltgeschichte zuschrieb:

„Die Glaubensaussage, dass Jesus Christus der wahre Herr über Raum und Zeit ist, muss immer mit dem historischen Faktum zu-sammengedacht werden, dass er so sehr im Schatten der Weltge-schichte geboren wurde, auftrat und starb, dass sich kein einziges Lebensdatum exakt berechnen lässt.“104

2. Der christliche Glaube an die Auferstehung Jesu Christi zwingt zu einer in-haltlichen und terminologischen Unterscheidung, die der Historiker nicht nachvollziehen kann. Für diesen endet das historische Wissen ex supposito mit dem Tod Jesu. Alles Weitere rechnet der Historiker zu dessen Wirkungsge-schichte, deren eigentlicher Urheber aber die von Christi Botschaft affizierten JüngerInnen sind. Demgegenüber ist die christliche Theologie aufgrund der spezifischen Eigenart des christlichen Bekenntnisses gezwungen, von einem vor- und nachösterlichen Jesus zu sprechen.

„Historischer Jesus ist eine theologische Kurzformel für die mit historischer Gewissheit bzw. Höchstwahrscheinlichkeit gesicherten Gegebenheiten über den vorösterlichen Jesus von Nazaret, die vor allem aus den synoptischen Evangelien mit Hilfe der historisch-kritischen Methode rekonstruiert wurden. Die neuzeitliche Frage nach dem historischen Jesus ist deshalb zu unterscheiden von der die Gläubigen schon immer interessierenden Frage nach dem ‚irdi-schen Jesus’ im Gegenüber zum ‚erhöhten Herrn’.“105

Normalerweise wird diese Problematik mit den Worten historischer Jesus – kerygmatischer Christus benannt. Über die Sprachregelung haben sich z. B.

Wolfgang Beilner106 und Ferdinand Hahn107 geäußert. Danach ist geschicht-lich nicht gleich historisch, vielmehr gilt als historisch, was mit den Mitteln des

103 GNILKA, Problem 11.

104 THEIßEN/MERZ, Jesus 147.

105 ULLRICH, Lothar, Art. Historischer Jesus. In: LKDg 266-268, 266. [=ULLRICH, Art. Jesus.]

106 Vg l. BEILNER, Wolfgang, De r Weg zu Jesus. Der Verkündiger und der Ve rkündigte. In : PAUS, Ansgar, Hg., Die Frage nach Jesus. Graz u.a. 1973, 69-149, 123f Anm. 1. [= BEILNER, Weg.]

107 HAHN, Ferdinand, Methodologische Überlegungen zur Rüc kfrage nach Jesus. In: KERTELGE, Karl, Hg., Rüc kfragen nach Jesus (QD 63). Fre iburg i. Br. u.a. 1974, 11-77, 60-63. [= HAHN, Überlegungen.]

Historikers von der Vergangenheit ermittelt werden kann, als geschichtlich aber, was von einem historischen Ereignis in der Geschichte nachwirkt.108 Demzufolge ist der Jesus der Geschichte nicht derjenige, den wir den histori-schen nennen, sondern der bis zu uns hin wirkende. Die Rede vom „geschicht-lichen Jesus“ setzt den historischen Jesus voraus, geht aber vom Bedeutungs-umfang her sehr viel weiter. Noch differenzierter sieht es Ferdinand Hahn. Er will auf den Begriff „historischer Jesus” ganz verzichten, „um einerseits vom

‘vorösterlichen’ bzw. ‘irdischen Jesus’ zu sprechen und um andererseits unser modernes exegetisches Bemühen als ‘historische Jesusfrage’ zu bezeich-nen”109.

Karl Rahner geht die Unterscheidung von „historischem“ und „geschichtli-chem“ Jesus Christus mit und sieht in der Dimension des Geschichtlichen auch den Glaubensakt Jesu Christi verortet. Insofern eine historische Betrachtung von diesem abstrahiert, hat sie einen anderen Zugang zu Jesus Christus, der aus der Sicht des Glaubens allerdings defizitär ist. Gleichwohl verortet Rahner das

„Geschichtliche“ in der objektiven Wirklichkeit. Damit aber behauptet er, dass die Wirklichkeit größer und weiter ist als das, was mit einer historischen Be-trachtung erkannt werden kann. Die historische Erkenntnis ist insofern ein de-fizitärer Modus der geschichtlichen Erkenntnis.

„’Geschichtlich’ im Unterschied zu ‚historisch’ wäre (…) dasjenige in der ‚objektiven’ Wirklichkeit und Umwelt und Geschichte des Menschen, das erfasst wird und nur erfasst wird innerhalb einer existenziell sich engagierenden Glaubenszustimmung. ‚Historisch’

wäre dasjenige, was auch außerhalb einer solchen Glaubenser-kenntnis durch eine rein profane Historie erfasst werden könnte.“110 Wir gehen im Folgenden so vor, dass wir im Horizont des von Arens entwi-ckelten Schemas einer fundamentaltheologischen Rekonstruktion der ge-schichtsnotorischen „Christo-Praxis“ (Subjekt – Inhalt – Text – Kontext – In-tention) zunächst die historisch belegbaren Koordinaten rekonstruieren.

108 Vgl. BEILNER, Weg l.c.

109 HAHN, Überlegungen 63 (Herv. v. Verf.).

110 RAHNER, Grundkurs 238.

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 93-99)