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Die Mitte der jesuanischen Botschaft: Jesu Wort-Tat-Verkündigung von der Gottes-herrschaft

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 137-189)

III. Theologie einer Lebensgeschichte I: Das Leben des vorösterlichen Jesus – Jesus von Nazareth – DER Gottes-Mystagoge

1. Das Evangelium (Frohe Botschaft) vom Reich Gottes als Wort-Tat- Wort-Tat-Verkündigung

1.2 Die Mitte der jesuanischen Botschaft: Jesu Wort-Tat-Verkündigung von der Gottes-herrschaft

1.2.1 Hermeneutische Vorbemerkung

Mit Theissen/ Merz können wir schlicht festhalten:

„Im Zentrum der eschatologischen Verkündigung Jesu steht die Heilsbotschaft von der Königsherrschaft Gottes (basile…a toà qeoà) [(…).“189

Die Rede von Gottes Herrschaft ist nach Pesch der „zentrale Begriff von Pre-digt und Lehre Jesu“190 und auch Helmut Merklein stellt fest, „dass die ‚basi-leia’ Gottes den zentralen Inhalt der Verkündigung Jesu bezeichnet“191. Sie ist

„der entscheidende Inhalt der Verkündigung des historischen Jesus“192 oder auch „das eigentliche Thema des Redens Jesu“193. Bereits mit systematischem Blick stellt Arens fest:

„Zentraler Inhalt des Evangeliums Jesu, dessen Niederschlag wir in den Evangelien, in die Sprachform des Evangeliums eingebettet, vorfinden, ist die Gottesherrschaft. Diese erscheint bei Markus, Matthäus und Lukas als elementarer Gehalt seiner kommunikativen Praxis, den er sowohl in seinem verbalen Handeln als auch in sei-nem nicht-sprachlichen Verhalten als das seine Person und Praxis Bestimmende zum Ausdruck bringt.“194

Aus diesem Grund müssen wir uns daher in einer gewissen Intensität mit dem Begriff und der von ihm intendierten Wirklichkeit mit einer gewissen Ausführ-lichkeit auseinandersetzen.

Dabei müssen wir von vornherein einem möglichen Missverständnis bzw. Ver-ständigungsproblem begegnen. Dies könnte daraus resultieren, dass der Begriff der „Herrschaft“ bzw. des „Königtums“ bei uns heute ein eher negatives

189 THEISSEN/MERZ, Jesus 220.

190 PESCH, Markuskommentar 107.

191 MERKLEIN, Helmut, Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft. Eine Skizze . Stuttgart 31989, 25.

[= MERKLEIN,Botschaft.] Vgl. MERKLEIN, Helmut, Jesus. Künder des Reiches Gottes. In:

HFTh2 3, 115-139. [= MERKLEIN, Jesus.] Vgl. MERKLEIN, Helmut, Die Gottesherrschaft als Handlungsprinzip. Untersuchung zur Ethik Jesu. Würzburg 31984.

192 MERKLEIN,Botschaft 25.

193 NEUFELD, Karl-He in z, Funda mentaltheologie 1. Jesus: Grund des christlichen Glaubens. Stutt-gart u.a. 1992, 17. [= NEUFELD, Fundamentaltheologie 1.]

194 ARENS, Christopraxis 54.

ständnis weckt, d.h. negativ konnotiert ist. „Herrschaft“ wird sehr leicht assozi-iert mit Tyrannei, Despotie, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Gewalt; sie scheint das Gegenteil von Freiheit und Mündigkeit zum Ausdruck zu bringen und wird daher als Bedrohung und nicht als Befreiung verstanden. „Herr-schaft“ ist ein Gegenbegriff zu Emanzipation und schürt von daher eher Angst als dass er für Vertrauen wirbt. Ein Blick in den Word-Thesaurus macht dies sehr deutlich. Dort werden als Synonyme u.a. angegeben: Hegemonie, Macht, Oberherrschaft, Imperialismus, Autorität, Führerschaft, Gewalt, Obrigkeit, Al-leinherrschaft. All diese Konnotationen, die wir mehr oder minder unwillkür-lich mit dem Begriff „Herrschaft“ verbinden ,drücken aber nun gerade das ge-naue Gegenteil von dem aus, was „Gottes Herrschaft“ in der Verkündigung Je-su meint: Denn Gottes Herrschaft bzw. Gottes Königsein ist ein Heilsbegriff par excellence und bedeutet als solcher: Leben, Gerechtigkeit, Frieden, Wahr-heit, Nächstenliebe, Heil, Glück, GesundWahr-heit, Überwindung von Leid etc. Er ist aus der Sicht Jesu und von dessen Zeitgenossen ein Hoffnungsbegriff, der ein gelungenes Leben in einem umfassenden Sinne bedeutet. Ja, man wartet gera-dezu sehnsüchtig auf den Freudenboten, der endlich verkündet, dass Gott seine Königsherrschaft angetreten hat:

„Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenbo-ten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Ret-tung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König.“ (Jes 52,7)

Wo das Evangelium von der Königsherrschaft verkündet wird, da geschieht das Unerhörte, Rettung in einem umfassenden, alle Dimensionen des Men-schen betreffenden Sinne:

„Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein;

Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Lk 7,22)

Das „Missverständnis“, das die christliche Rede von der Herrschaft Gottes provoziert, kann aber auch zu einem produktiven Missverständnis werden, wenn es gelingt a) das Wesen Gottes und die daraus resultierenden Auswir-kungen der Gottesherrschaft für das menschliche Leben in einem umfassenden Sinne zu erschließen und b) das Leben im Reich Gottes in seiner ganzen Posi-tivität vom Leben im Herrschaftsraum der Sünde abzugrenzen.

Wo „Gottes Herr-schaft“

Wo die „Herrschaft der Sünde“ Macht hat, da

herrscht …

Macht hat, da herrscht … im Blick auf das

Le-ben

das ewige Leben der Tod

im Blick auf das zwi-schenmenschliche Zusammensein

Liebe Gerechtigkeit

Friede Wahrheit Sanftmut

Hass Ungerechtigkeit

Krieg Lüge Gewalt im Blick auf die

menschliche Kom-munikation

Anerkennung/ Beja-hung

Nächsten- und Fein-desliebe

Großzügigkeit Barmherzigkeit

Demut

Unterdrückung Missgunst/ Habgier/

Unversöhnlichkeit/ Ego-ismus

Geiz Starrsinnigkeit

Hochmut

im Blick auf das menschliche Befin-den

Freude Fülle

Heil

Trauer Hunger/ Durst

Leiden Gotteskindschaft

Himmel

Sünder Hölle

Diese Gegenüberstellung mag beim ersten Hinsehen plakativ wirken, gleich-wohl macht sie die Entscheidungssituation deutlich, mit der Jesus die Men-schen durch seine Basileia-Botschaft konfrontiert. In ihr geht es ums Ganze:

„(14) Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes (15) und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.

Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,14f.) Helmut Merklein stellt zu Recht fest:

Man wird „gerade dem modernen Menschen nicht die Konfrontati-on mit der Dialektik der Bibel und der Botschaft Jesu ersparen dür-fen, wonach der Mensch in seinem Menschsein erst dann zur Erfül-lung gelangt, wenn er das absolute Herrsein Gottes anerkennt.“195

195 MERKLEIN, Botschaft 39.

1.2.2 Manifeste der Gottesreichpredigt – Mk 1,14f. und Mt 4,23f.

„Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes (15) und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,14f.)

„Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkünde-te das Evangelium vom Reich und heilverkünde-te im Volk alle Krankheiverkünde-ten und Leiden. (24) Und sein Ruf verbreitete sich in ganz Syrien. Man brachte Kranke mit den verschiedensten Gebrechen und Leiden zu ihm, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte, und er heilte sie alle.

(25) Scharen von Menschen aus Galiläa, der Dekapolis, aus Jerusa-lem und Judäa und aus dem Gebiet jenseits des Jordan folgten ihm.“ (Mt 4,23-25.)

Bevor im Weiteren Jesu GottesreichPredigt und Jesus GottesreichWirkung als zentrales und umfassendes kommunikatives Handeln seiner gottbezogenen Le-bensTheorie und seiner gottbezogenen LebensPraxis analysiert werden wird, soll – gewissermaßen als Vorwegnahme des Ganzen im Fragment – die Mani-festationen der jesuanischen Gottesreichpredigt in Mk 1,14f. und Mt 4,23f. be-trachtet werden. In diesen beiden Stellen konzentrieren die Evangelisten Mar-kus und Matthäus jeweils in der Form eines Summariums das Proprium, das Eigentliche der jesuanischen Tat-Verkündigung.

„Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes (15) und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,14f.)

1. Jesus verkündet das „Evangelium Gottes“

Die Botschaft Jesu vom nahegekommenen Reich Gottes, als dem Inhalt des von Jesus verkündigten Evangeliums, richtet sich auf Gott und dessen initiati-ves Handeln. Sie ist eine theozentrierte Botschaft, zunächst keine christozent-rierte, erst Recht keine anthropozentrierte. Gott ist der alleinige Akteur des

„Evangeliums“, gleichwohl ist Jesus derjenige, der dieses Evangelium verkün-det.

Begriff „Evangelium Gottes“

Das Evangelium Gottes, das von Jesus öffentlich proklamiert wird, ist „die Verkündigung des einen endgültigen eschatologischen Heils, das Gott der Welt und den Menschen bereiten will“196. Endgültig heißt: Diese Initiative Gottes ist die letzte, in der Gott den Menschen sein Heil anbieten wird. Dar-über hinaus wird es kein neues Heilsangebot mehr geben, weil es unwider-ruflich ist und von keiner „Macht der Welt“ aufhaltbar. Eschatologisch heißt: Das Evangelium als Heilsaussage und als Heilszusage im Modus des Angebotes gibt Auskunft über das mögliche und realistische positive End-schicksal des einzelnen Menschen und über „die von Gott gewirkte endzeit-liche Neugestaltung der Menschheit und des gesamten Kosmos“197. Heil heißt: Das menschliche Verlangen nach endgültiger Vollendung seiner Exis-tenz als einer gelungenen ist erreichbar und ist von Gott her eine jedem Menschen angebotene Möglichkeit. Heil bedeutet demnach die auf immer gelungene, durch nichts gefährdete geglückte Beziehung zwischen Gott und dem Menschen und den Menschen untereina nder.

Motivgeschichtlich knüpft Jesus im Blick auf „Evangelium“ und „Gottes Königsein“ an im Alten Testament:

„Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freu-denboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König.“

(Jes 52,7)

Im Blick auf das umfassende Verständnis der Aussage vom Freudenboten des Evangeliums Gottes, dass in seinem „König-Sein“ besteht, muss näher-hin geklärt werden, in welcher besonderen Weise Jesus dieser Freudenbote ist, diese Freudenbotschaft verkündet und in welcher besonderen Weise die Botschaft (Evangelium) mit dem Freudenboten selbst in Zusammenhang steht.

2. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“

Diese Aussage bezeichnet den konkreten Inhalt des Evangeliums: Es besteht darin, dass Gott die Handlungsinitiative in der Welt (Zeit!) übernommen hat und die Weltzeit nunmehr qualifiziert ist durch die Tatsache, dass Gottes

196 MERKLEIN, Jesusgeschichte 55.

197 FINKENZELLER, Josef, Art. Eschatologie. In: LKDg, 137-143, 137. [= FINKENZELLER, Art. Es-chatologie.]

Reich, bzw. seine Herrschaft, als unmittelbar anstehende in die Welt hinein-ragt. Das bedeutet aber das Ende von Geschichte und Weltzeit:

„Die bisherige Zeit hat ihr Maß erreicht. Es kommt etwas Neues, was nicht aus der Kontinuität der Geschichte und nicht aus den Schaffensmöglichkeiten des Menschen zu erklären ist. Gott selbst setzt sein Heil durch. Gottes Herrschermacht, die in der bisherigen Geschichte offensichtlich verdunkelt war, tritt in Erscheinung. Gott ergreift die Herrschaft über die Welt.“198

Deutlich wird zudem, dass Jesus als Verkündiger des Evangeliums der Offen-barer der Tatsache ist, dass Gott diese Herrschaft ergriffen hat. Ohne Jesus würde diese Tatsache in der Welt nicht in Erscheinung treten und wäre ent-sprechend nicht geschichtsnotorisch, entent-sprechend auch nicht wirksam. Nicht die Wirklichkeit der Gottesherrschaft, wohl aber ihre Wirksamkeit ist unmittel-bar gekoppelt an das Auftreten Jesu und seine Offenunmittel-barung. Sie ist gleichzeitig auch die letzte Offenbarung, weil zu ihrem Inhalt die Tatsache gehört, dass die

„Zeit erfüllt ist“. Damit ist aber auch die Zeit einer möglichen Gottesoffenba-rung abgeschlossen.

Dass die „Gottesherrschaft nahe gekommen ist“ sagt nicht, dass sie eine Wirk-lichkeit ist, die zeitlich nur nahe bevor stünde. Das „Nahe-Sein“ bedeutet viel-mehr und grundsätzlicher, „dass die Gottesherrschaft bereits jetzt die Gegen-wart berührt und die GegenGegen-wart neu gestaltet, zum Heil hin verändert“199. Begriff „Reich Gottes“/ „Gottesherrschaft“

Übersetzung und Bedeutung: Die Rede von der „Basileia Gottes“ ist schwie-rig ins Deutsche zu übertragen. Alle Übersetzungsvarianten (Königsein Got-tes, Königtum GotGot-tes, Königsmacht GotGot-tes, Königsherrschaft GotGot-tes, Kö-nigreich Gottes) sind negativ konnotiert (s.o.) oder entsprechen nicht der semitischen Semantik. Zu favorisieren ist eine „dynamische“ Übersetzung, d.h. die Rede von „Gottes König-sein“ bzw. von „Gottes-Herrschaft“, ge-genüber einer „statischen“ Übersetzung (Gottes Königreich/ Reich Gottes), die eher an eine territoriale Größe denken ließe. Es geht darum, dass Gott König ist, nicht so sehr darum, dass es ein Reich Gottes territorial gibt. Die Rede von der Basileia Gottes bezeichnet die königliche Herrschaft Gottes in actu, d.h. nicht in erster Linie ein statischer Zustand, sondern eine dynami-sche Wirksamkeit. Gleichwohl ist auch die „räumliche“ Konnotation des

198 MERKLEIN, Jesusgeschichte 55.

199 MERKLEIN, Jesusgeschichte 56.

Begriffs nicht völlig zu vernachlässigen: „Reich Gottes“ meint gewiss auch einen Herrschaftsbereich, der sich auf die ganze Welt bezieht.200

Herkunft: Ähnlich wie beim Begriff des „Evangeliums“ ist hier auf Jes 52,7 zu verweisen, wo der Jubelzuruf lautet „Dein Gott ist König!“ und eine pro-phetische Zukunftshoffnung artikuliert. Diese Zukunftshoffnung richtete sich bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. auf eine innergeschichtliche Zeitenwende hin zum Heil, dass durch die Königsherrschaft JHWHs verbürgt ist bzw.

durch diese etabliert wird:

„An jenem Tag – Spruch des Herrn – will ich versammeln, was hinkt, und zusammenführen, was versprengt ist, und alle, denen ich Böses zugefügt habe. Ich mache die Hinkenden zum (heiligen) Rest und die Schwachen zu einem mächtigen Volk. Und der Herr wird ihr König sein auf dem Berg Zion von da an auf ewig. Und du, (schützender) Turm für die Herde, Felsenhöhe der Tochter Zion, du erhältst wieder die Herrschaft wie früher, das Königtum kommt wieder zur Tochter Jerusalem.“ (Mi 4,6-8201)

200 Gegenteiliger Auffassung ist SCHENKE, Ludger, Die Botschaft vom ko mmenden „Reich Got-tes“. In: SCHENKE, Ludger u.a., Jesus von Nazaret. Spuren und Konturen. Stuttgart 2004, 106-147, 106-110. [SCHENKE,Botschaft.] Er pläd iert dafür, das „Reich Gottes“ primär räu mlich aufzufassen, „denn er ist in der Gegenwart noch nicht erreicht und u mfasst noch nicht alles“

(109). Zudem drückt „Reich Gottes“ besser aus, dass Jesus einen Vollendungszustand meint.

201 Mi 2,12f.

Ich werde ganz Jakob versamme ln, den Rest von Israel will ich vereinen. Ich führe sie zusam-men wie d ie Schafe im Pfe rch, wie die Herde mitten auf der Weide - e ine wogende Men-schenmenge. Ein Vorkä mpfe r bricht ihnen die Bahn, sie brechen durch das Tor in die Stadt ein;

dann ziehen sie weiter. Ihr König geht vor ihnen her, der Herr schreitet an ihrer Spitze.

Mi 4,6-8

„An jenem Tag - Spruch des Herrn - will ich versammeln, was hin kt, und zusammenführen, was versprengt ist, und alle, denen ich Böses zugefügt habe. Ich mache die Hin ke nden zu m (heiligen) Rest und die Schwachen zu eine m mächtigen Volk. Und der Herr wird ihr König sein auf dem Berg Zion von da an auf ewig. Und du, (schützender) Turm fü r die He rde, Fe l-senhöhe der Tochter Zion, du erhältst wieder die He rrschaft wie früher, das Königtum ko mmt wieder zur Tochter Jerusalem.“

Zef 3,14f

„Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu d ich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! Der He rr hat das Urteil gegen dich aufgehoben und deine Feinde zur Umkehr ge zwungen. Der König Israels, der Herr, ist in deiner Mitte; du hast kein Unheil mehr zu fürch -ten.“

Sach 14,6-11.16f.

„An jenem Tag wird es kein Licht geben, sondern Kälte und Frost. Dann wird es einen Tag lang - e r ist dem He rrn be kannt - weder Tag noch Nacht werden, sondern am Abend wird Licht sein. An jene m Tag wird aus Jerusale m lebendiges Wasser fließen, eine Hä lfte zu m Meer im Osten und eine Hä lfte zu m Meer im Westen; im So mmer und im Winter wird e s fließen. Dann wird der He rr König sein über die ganze Erde. An jene m Tag wird der Herr der e inzige sein und sein Name der e inzige. Das ganze Land von Geba bis Rimmon im Süden Jerusalems wird sich in eine Ebene verwandeln, Jerusale m aber wird hoch emporra gen und an seinem Plat z

Diese eschatologisch bestimmte, aber innergeschichtlich perspektivierte Heilswende der Geschichte verschiebt sich hin zu einer apokalyptischen Hoffnung. Mit der Errichtung der „Basileia Gottes“ bzw. der „Herrschaft Gottes“ geht der Abbruch der ablaufenden Unheilsgeschichte und der An-bruch einer völlig neuen Epoche einher:

„Zur Zeit jener Könige wird aber der Gott des Himmels ein Reich errichten, das in Ewigkeit nicht untergeht; dieses Reich wird er keinem anderen Volk überlassen. Es wird alle jene Reiche zermal-men und endgültig vernichten; es selbst aber wird in alle Ewigkeit bestehen.“ (Dan 2,44f.202)

Inhaltlich konzentriert sich die mit der Königsherrschaft Gottes verbundene Heilshoffnung darauf, dass der Name JHWHs in seiner Einzigkeit anerkannt wird und deswegen der Name JHWHs geheiligt wird. Deutlich wird dies bei Sacharja und der Gedanke findet auch in der jesuanischen Verkündigung seinen Niederschlag:

bleiben vom Benja mintor bis zu m Ort des alten Tores, bis zu m Ec ktor, und vo m Turm Hananel bis zu den Kelte rn des Königs. Man wird darin wohnen. Es wird ke ine Ve rnichtung mehr ge -ben, und Jerusalem wird sicher sein.“

Jes 24,23

„Dann muss der Mond sich schämen, muss die Sonne erbleichen. Denn der Herr der Heere ist König auf dem Be rg Zion und in Jerusale m, er offenbart seinen Ältesten seine strahlende Pracht.“

202 Dan 2,31-34

„Du, König, hattest eine Vision: Du sahst ein gewaltiges Standbild. Es war groß und von au-ßergewöhnliche m Glan z; es stand vor dir und wa r furchtbar anzusehen. An diesem Standbild war das Haupt aus reinem Go ld; Brust und Arme wa ren aus Silber, der Kö rper und die Hüften aus Bronze. Die Be ine waren aus Eisen, die Füße aber zu m Te il aus Eisen, zu m Te il aus Ton.

Du sahst, wie ohne Zutun von Menschenhand sich ein Stein von eine m Berg löste, gegen die eisernen und tönernen Füße des Standbildes schlug und sie zermalmte.“

Dan 2,44f.

„Zur Zeit jener Könige wird aber der Gott des Himmels ein Reich errichten, das in Ewigkeit nicht untergeht; dieses Reich wird er ke ine m anderen Vo lk überlassen. Es wird a lle jene Re iche zermalmen und endgültig vernichten; es selbst aber wird in alle Ewig keit b estehen. Du hast ja gesehen, dass ohne Zutun von Menschenhand ein Stein vom Berg losbrach und Eisen, Bron ze und Ton, Silber und Gold zerma lmte. Der große Gott hat den König wissen lassen, was der-einst geschehen wird. Der Traum ist sicher und die Deutung zuverlässig.“

Dan 7,13f.

„Immer noch hatte ich die nächtlichen Visionen: Da kam mit den Wolken des Himmels einer wie e in Menschensohn. Er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn g eführt. Ih m wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Vö lker, Nationen und Sprachen müs-sen ihm dienen. Se ine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche He rrschaft. Sein Reich geht niemals unter.“

„Dann wird der Herr König sein über die ganze Erde. An jenem Tag wird der Herr der einzige sein und sein Name der einzige.“

(Sach 14,9)

„Vater, es werde geheiligt dein Name, es komme deine Königs-herrschaft (Basileia).“ (Lk 11,2)

Im Angesicht dieses motivgeschichtlichen Hintergrundes ist das „am meisten hervorzuhebende Merkmal der Botschaft Jesu (…), dass er Gottesherrschaft nicht nur verheißt, sondern es wagt zu sagen, dass sie schon wirksam in die Gegenwart einbricht“203. Dieser ungeheuerliche und innovative Gedanke wird paradigmatisch deutlich in Lk 11,20: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekom-men.“ Hierauf wird eigens und genauer einzugehen sein.

3. „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“

Aus der Sicht Jesu ist vollkommen klar, dass das angebotene Heil einzig und allein Tat Gottes ist, das nicht aus der Initiative des Menschen abzuleiten ist.

Gleichwohl verlangt es eine aktive Reaktion des Menschen, die einen doppel-ten Aspekt hat: Sie besteht in Umkehr und im Glauben. Diese Reaktionen set-zen einmal den gewissermaßen retrospektiven Blick auf die eigene Schuld- bzw. Sündenverstrickung und den prospektiven Blick auf die Heilsannahme voraus. Angemessene Antwort auf die Heilsverkündigung, die Heilsansage und Heilszusage ist negativ die Abkehr von den Sünden in der Form der Umkehr und positiv die Hinwendung zur Frohen Botschaft (Evangelium) im Glauben.

Beide Reaktionen des Menschen setzen aber das zuvorkommende Handeln Gottes voraus. Er hat den entscheidenden Schritt getan, indem er den Men-schen aus der Gerichtssituation entlassen hat. Lukas spricht daher in Lk 4,19 vom neuen Gnadenjahr des Herrn:

„Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt.

Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Lk 4,18f.)

„Realisation“ der Basileia Gottes geschieht demnach da, wo die Heilsinitiative erkannt wird, in der Umkehr die erste angemessene Reaktion darauf geschieht, deren letztes Ziel im Glauben besteht.

203 MERKLEIN, Jesusgeschichte 56.

Das „sich- Ereignen“ der Gottes-Herrschaft ist somit ein dynamisches Gesche-hen, dass das Handeln von unterschiedlichen Akteuren voraussetzt und schließ-lich in der Interaktion mehrerer Subjekte besteht. Das primär handelnde Sub-jekt ist Gott selbst. Er ist nicht nur der Initiator des Geschehens, sondern auch derjenige, der dieses Geschehen in all seinen Phasen ermöglicht und trägt:

„Gott hat die Initiative ergriffen. Er allein schenkt die Basileia. Sa-che des Gottesvolkes ist es, darauf Antwort zu geben. Das Handeln Gottes ermöglicht das Handeln des Menschen.“204

Entscheidende Bedeutung für das „Sich-Ereignen“ der Gottesherrschaft hat so-dann Jesus Christus als zweites Subjekt, der in seiner Botschaft die Gottesherr-schaft nicht nur ankündigt, sondern auch als eine bereits innergeschichtlich wirksame Größe promulgiert und als Repräsentant der Basileia antizipativ verwirklicht. Schließlich ist der Mensch als handelndes Subjekt anzusprechen.

Er hat auf das angebotene Heilsgeschehen zu reagieren im Modus von „Um-kehr und Glaube“. Dabei ist aber zu betonen, dass diese Handlungsmöglichkei-ten in ihrer konkreHandlungsmöglichkei-ten Realisation dauernd getragen sind von der Dynamis der Gottesherrschaft selbst, so dass die menschlichen Reaktionen in „actu exerc iti-o“ gleichzeitig als Handeln Gottes anzusprechen sind. Damit aber ist das „Sich-Ereignen“ der Gottesherrschaft als ein personales Geschehen zu verstehen, das in der – letztlich kommunikativen – Interaktion dreier Subjekte besteht. Got-tesherrschaft realisiert sich da und dann, wo sich die in, durch und mit Jesus Christus ermöglichte, gelungene Beziehung zwischen Gott und den Menschen zum Heil des Menschen ereignet. In der theologischen Reflexion muss dieses Geschehen schließlich als gnadenhaftes Geschehen angesprochen werden.

Auch darauf wird zurückzukommen sein.

4. Jesus verkündete das Evangelium vom Reich lehrend und heilend

„Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkünde-te das Evangelium vom Reich und heilverkünde-te im Volk alle Krankheiverkünde-ten und Leiden. (24) Und sein Ruf verbreitete sich in ganz Syrien. Man brachte Kranke mit den verschiedensten Gebrechen und Leiden zu ihm, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte, und er heilte sie alle.

(25) Scharen von Menschen aus Galiläa, der Dekapolis, aus Jerus a-lem und Judäa und aus dem Gebiet jenseits des Jordan folgten ihm.“ (Mt 4,23-25.)

204 LOHFINK, Gerhard, Braucht Gott die Kirche? Freiburg u. a. 1998, 169. [= LOHFINK, Gott.]

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 137-189)