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Jesus Christus als Ursprung, Grund, Prinzip und Norm des christlichen Glaubens

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 197-200)

IV. Perspektiven einer Lebensgeschichte : Die Dramatik des Lebens und des Sterbens Jesu Christi im Horizont von Ostern

1. Jesus Christus als Ursprung, Grund, Prinzip und Norm des christlichen Glaubens

Der christliche Glaube und die nachträgliche, theologische Reflexion auf die-sen menschlichen Grundvollzug in Glauben, Hoffen und Lieben hat seinen bzw. ihren absoluten und radikalen Bezugspunkt in der Person des GottMen-schen Jesus Christus. Zu diesem Bezugspunkt gelangt der einzelne Christ in der Gemeinschaft all der Menschen, die an Christus glauben, indem er in eine unmittelbare personale Beziehung zu Jesus Christus eintritt. Der Christ – so könnte man sagen – ist ein Mensch, in dessen Leben die Beziehung zu Jesus Christus eine konstitutive Lebensbedeutung hat: All seine menschlichen Voll-züge (im Umgang mit seiner Umwelt, mit seinen Mitmenschen, mit sich sel-ber) werden mitbestimmt durch ihren ausdrücklichen oder unausdrücklichen Bezug zu Jesus Christus. Darin und dadurch aber wird Jesus Christus zu einer alles mitbestimmenden Wirklichkeit des menschlichen Lebens selbst und so zu einer Größe, die in der Biographie des Einzelnen und so in der „Biographie der Welt“ wirksam und insofern erkennbar, identifizierbar und geschichtsnotorisch wird. Wer immer eine reale und realwirksame Beziehung zu Jesus Christus un-terhält, der unterhält in dieser Beziehung gleichzeitig eine Beziehung zum Gott Jesu Christi. Denn wer in Beziehung zu Jesus Christus steht, der partizipiert gleichzeitig an der Gottesbeziehung Jesu Christi. Die ausdrückliche, bekennt-nishafte und nachfolgende Christus-Beziehung, die das Leben des Christen vom Leben eines anderen Menschen unterscheidet, evoziert somit gleicherma-ßen eine Beziehung zu sich, zum Mitmenschen und zur Umwelt (Schöpfung) in der der eine Gott aller Menschen eine entscheidende Rolle spielt und so eine unmittelbare Bedeutung für das Leben des Gläubigen erhält. Christus und durch ihn und mit ihm und in ihm Gott wird so nicht nur relevant für das eige-ne Leben des Gläubigen, sondern auch relevant für das Leben der ganzen Welt.

Mit dem Begriff der „Relevanz“ [Wichtigkeit/ Erheblichkeit] ist das entschei-dende Stichwort gefallen, um die Bedeutung Jesu Christi für den c hristlichen Glauben im Allgemeinen und für den Glauben des einzelnen Christen im

Be-sonderen zu beleuchten. Die Behauptung, die im Folgenden näher zu explizie-ren ist, lautet:

Jesus Christus als der Ursprung und der Grund des christlichen Glaubens ist als Ursprung und Grund gleichzeitig das bleibende und unhintergehbare Prinzip und die alles bestimmende Norm des christlichen Glaubens. Somit aber ist Je-sus Christus das absolut und radikal Relevante des Christentums.302

1.1 Jesus Christus – Ursprung des christlichen Glaubens

Wenn der christliche Glaube in den beiden untrennbar aufeinander verwiese-nen Dimensioverwiese-nen des christlichen Glaubens als Ganzem und als Glaube des einzelnen Christen als ein Beziehungsgeschehen verstanden werden kann, des-sen personaler Bezugspunkt der GottMensch Jesus Christus ist, dann versteht sich von selbst: Jesus Christus ist der Ursprung des christlichen Glaubens. Er ist als Person Ursprung des Glaubens, weil seine Menschwerdung, sein Leben, Sterben und Auferstehen die Bedingung der expliziten und impliziten christli-chen Gottesbeziehung ist. Er ist der eigentliche Ursprung des Christe ntums, in-sofern mit ihm eine Beziehungsmöglichkeit und eine Beziehungswirklichkeit zwischen Gott und den Menschen eröffnet wird, die „vor“ ihm und „ohne“ ihn schlechterdings unmöglich ist. Gäbe es Jesus Christus nicht, dann gäbe es kei-nen christlichen Glauben und wo dieser ursprüngliche Bezugspunkt aufgege-ben, verdunkelt oder gar vergessen wird, verliert das Christentum seine Basis und Identität. Deswegen kommt alles darauf an, den Bezug zu diesem bleiben-den Ursprung nicht zu verlieren. Das Christentum als gesellschaftliche und so immer auch geschichtliche Größe steht daher in einer für sein Wesen konstitu-tiven Kontinuität zu diesem Ursprung. In dieser kirchlich vermittelten Kontinu-ität, der christlich-kirchlichen Tradition im Heiligen Geist, wird dieser Ur-sprung jeweils neu und jeweils immer zur aktuellen Gegenwart. Diese aktuelle Gegenwart des Ursprungs aber prägt das Christentum zu allen Zeiten: Es lebt aus dem Ursprung und vergegenwärtigt diesen gleichermaßen, weil und indem es aus ihm lebt.

Jesus Christus ist aber auch deshalb der Ursprung des christlichen Glaubens, weil vor ihm und ohne ihn die in ihm angezeigte und verwirklichte Gottesbe-ziehung nicht realisierbar war und deswegen auch nicht realisiert wurde. Unter dieser Hinsicht aber ist er Ursprung einer absolut neuen und vorher nicht gege-benen Gottes-Relation, die die Welt in ihrer Verwiesenheit auf Gott völlig neu

302 Vgl. SECKLER,Max u.a., Art. Christentum. In: LThK3 Bd. 3, 1105-1126.

qualifiziert. Jesus Christus ist in diesem Sinne ein wirklich radikaler, weil wur-zelhafter Ursprung der als solcher in Gott selbst liegt.

Als Ursprung des christlichen Glaubens ist Jesus Christus zugleich dessen Ziel, insofern alles Christliche letztliche die Einholung, die Ratifizierung und Reali-sierung seiner in Christus selbst gegebenen Ursprungsrelation zwischen Gott und dem und den Menschen ist. Im Ursprung liegt also auch das Ende des Christentums, dessen Ende die Vollendung der gott-menschlichen Beziehung ist: jener vollendeten gott- menschlichen Beziehung die in Jesu Auferstehung und Himmelfahrt als vollendete Ursprünglichkeit bereits weltqualifizierende Realität geworden ist.

Von daher wird deutlich, warum Jesus Christus als Ursprung und gleicherma-ßen vollendeter Ursprünglichkeit das absolut Relevante des Christentums selbst ist. Denn im gegenwärtig vergangenen Ursprung, der im Christentum selbst heute wirkliche und wirksame relevante Realität wird, leuchtet ihm seine eige-ne Zukunft auf, die das Heil des Menschen bedeutet. In der Ursprünglic hkeit Jesu Christi fallen so immer wieder neu (d.h. ursprünglich) Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammen.

Ohne diesen Ursprung verlöre das Christentum seinen eigenen Relevanzpol und damit zugleich auch seine Relevanz für die Welt. Ohne seine Kontinuität zum Ursprung aber würde das Christentum selbst aufhören Christentum zu sein.

1.2 Jesus Christus – Grund des christlichen Glaubens

Eng mit der Rede von Jesus Christus als dem Ursprung des christlichen Gla u-bens hängt die Aussage zusammen, dass Jesus Christus als Ursprung gleichzei-tig auch der Grund des christlichen Glaubens ist. Dabei kann der Begriff des

„Grundes“ mindestens in einer doppelten Bedeutung verstanden werden.

„Grund“ bedeutet zum einen, dass Jesus Christus das Fundament des Christen-tums303 ist und zum anderen, dass Jesus Christus gewissermaßen das Motiv, der Referenzpol des christlichen Glaubens ist.

Fundament und Grund des Glaubens ist Jesus Christus, weil alles Christliche erstlich und letztlich auf ihm aufbaut. Seine Lehre und sein Leben ( in Men-schwerdung, Leben, Sterben und Auferstehen) können verglichen werden mit

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