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Jesus Christus – Norm des christlichen Glaubens

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 38-42)

I. Das christliche Bekenntnis zu Jesus Christus

1. Jesus Christus als Ursprung, Grund, Prinzip und Norm des christlichen Glaubens

1.4 Jesus Christus – Norm des christlichen Glaubens

des christlichen Glaubens „erscheint“, wirksam und so in geschichtsnotorischer Weise wirklich wird.

Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem Fall kann ich euch nicht loben.“ (1 Kor 11, 20-22)

Weil die Gemeinde in Korinth sich in ihrer konkreten Praxis vom Jesus-Christus-Prinzip abgewandt hat, konfrontiert Paulus sie mit der Praxis Jesu Christi als der kriteriologischen Norm für eine rechte Weise des Herrenmahls, die der Intention Jesu entspricht.

”Wenn wir uns einlassen auf die Frage, was Jesus heute will, dann müssen wir zuerst fragen, was denn der historisc he Jesus von Naza-reth tatsächlich gewollt hat, damals in seiner Zeit und für die Men-schen seiner Zeit.”25

Insofern sind die Jesus-Praxis und deren verbindlicher N iederschlag in den Schriften des Neuen Testaments und in den Dogmen der Kirche eine „gefährli-che Erinnerung“26, weil sie ständig die jesuanische Norm an das christliche Le-bens anlegen.

Einen der theologisch tiefsten Texte des Neuen Testaments, der Philipperhym-nus, wird man gewiss auch lesen können (müssen?) als die Magna Charta der Jesus-Christus-Norm:

„Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Mensc hen; er er-niedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Name n Jesu und jeder Mund bekennt: ‚Jesus Christus ist der Herr’ - zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Phil 2,5-11)

Hier wird im leider häufig nicht zitierten Vers 2,5 „Seid untereinander so ge-sinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“ sehr deutlich, welche unmittelbare Relevanz die theologische Reflexion auf den GottMenschen Jesus Christus für das Bild der christlichen Praxis und des christlichen Lebens hat.

Hier wird nicht nur das Christus-Prinzip mit seiner „Tendenz nach unten“ in

25 BLANK, Josef, Jesus von Nazareth. Geschichte und Re levanz. Freiburg i. Br. u.a. 1972, 93 (mit Lit. Anm. 2). [= BLANK, Jesus].

26 METZ, Johann Baptist, Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Studien zu e iner pra kt ischen Fundamentaltheologie. Mainz 51992, 192-196. [= MET Z,Glaube.]

theologisch hoch reflektierter Weise zum Ausdruck gebracht, sondern diese

„Tendenz nach unten“ gleichzeitig als kriteriologische Norm, zum Maßstab für ein Leben in und mit Jesus Christus eingeführt und etabliert. Christliches und kirchliches Leben ist nur da authentisch, wo sie jesusgemäß ist. Jesusgemäß ist sie aber nur da und dann, wo sie dessen Lebensbewegung nach Unten, zu dem Marginalisierten und Ausgegrenzten, zu den Opfern, aber auch zu den sündi-gen Tätern nachvollzieht.

Es will scheinen, dass kaum ein anderer Text des Neuen Testaments eine schärfere Kriteriologie für das Leben der Kirche bereitstellt als dieser. Denn die Tendenz nach unten ist die entscheidende Norm des christlichen Glaubens, aller kirchlichen Vollzüge und jeder persönlichen Spiritualität. „Als König ist er Knecht, und als Knecht Gottes ist er König.“27

[Wie attraktiv dieser Gedanke ist, der sich des Ursprungs, des Grundes und des Prinzips des Christlichen vergewissert, zeigt der postmoderne Philosoph Gian-ni Vattimo, der fast enthusiastisch feststellt:

Wir sind „Erben einer Tradition (…), die sich von christlichen Werten genährt hat, als da sind Brüderlichkeit, caritas, Ablehnung der Gewalt, und das alles auf eine Lehre gegründet, in deren Mit-telpunkt die bereits alttestamentliche Lehre der Erlösung und die Idee der Fleischwerdung, oder, wie der hl. Paulus sie nennt, der ke-nosis Gottes“28 steht.]

Fazit

Dieser erste Zugang zu Jesus Christus als dem Thema einer fundamentaltheo-logischen Christologie sollte deutlich gemacht haben, inwiefern Jesus Christus der absolute Fluchtpunkt des christlichen Glaubens und so selbstverständlich auch der christlichen Theologie ist. Als theonomer, d.h. in Gott selbst gründen-der, Ursprung des Glaubens ist er zugleich dessen Grund, so das Prinzip des Christlichen und deswegen dessen erste und letzte Norm. In ihm konzentriert sich nicht nur die heilshafte Beziehung zwischen Gott und dem Menschen, vielmehr offenbaren sich in seiner Person zugleich das Wesen Gottes und das Wesen des Menschen. Jede theologisch angemessene Aussage über Gott und über den Menschen findet ihren Ursprung und ihren Grund in Jesus Christus,

27 RAT ZINGER, Joseph, Einführung in das Christentum. Vo rlesungen über das Apostolische Glau -bensbekenntnis. München Neuauflage 2000, 207. [= RAT ZINGER, Einführung.]

28 VATT IMO, Gianni, Jenseits des Christentums. Gibt es e ine Welt ohne Gott? München 2004, 37.

[=VAT T IMO, Christentum.]

der damit zugleich die Grundlage eines „Bauplan des Christlichen“ bereitstellt.

Als ursprungsgebender, gründender Fluchtpunkt ist Jesus Christus aber zu-gleich der Fluchtpunkt des Zukünftigen, der Fluchtpunkt des Zieles, die Escha-tologie als Heils-Verheißung für alle Menschen selbst. Insofern trägt und be-gründet er den christlichen Glauben nicht nur gewissermaßen von „hinten“, sondern er begründet ihn auch als Finalursache von „vorne“, von der verhei-ßenen Zukunft her. Jesus Christus ist somit gleichermaßen das Fundament des christlichen Glaubens und dessen verheißener Horizont. Der „Gott mit uns“ als der Immanuel ist also zugleich der „Gott vor uns“, der den Glaubensvollzug im Heute jeweils zugleich aus dem Vergangenen und dem Zukünftigen bewegt.

Insofern könnte man sagen, dass er sowohl die Wirkursache (causa efficiens) als auch die Zielursache (causa finalis) des christlichen Glaubens ist. Als Wir-kursache ist er derjenige, der den Glauben überhaupt in Bewegung bringt – und als Zielursache ist er dasjenige, auf den sich der Glaube hin bewegt als eine of-fene, aber heilsverheißene Zukunft hin.

Jesus Christus ist so die Attraktion des Christlichen, derjenige von dem alles wirkursächlich bewegt wird und derjenige, der zielursächlich alles an sich zieht.

2. Der Glaube an Jesus Christus – die objektive und die subjektive

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 38-42)