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Die objektive Dimension: Das Apostolicum .1 Der Text – Gestalt und Gehalt

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 45-71)

I. Das christliche Bekenntnis zu Jesus Christus

2. Der Glaube an Jesus Christus – die objektive und die subjektive Di- Di-mension des kirchlichen Christusbekenntnisses

2.1 Die objektive Dimension: Das Apostolicum .1 Der Text – Gestalt und Gehalt

Ich glaube an Jesus Christus,

seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn.

Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus,

gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den To-ten,

aufgefahren in den Himmel;

er sitzet zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters:

von dort wird er kommen,

zu richten die Lebenden und die Toten.

Credo in Iesum Christum, filium eius unicum, dominum nostrum:

qui conceptus est de Spiritu Sancto, natus ex Maria Virgine, passus sub Pontio Pilato, crucifixus, mortuus et sepultus:

descendit ad inferos:

tertia die resurrexit a mortuis;

ascendit ad caelos;

sedet ad dexteram Dei, Patris omnipotentis:

inde venturus est iudicare vivos et mortuos.

Die Aussagen über Jesus Christus bilden den zweiten Teil des dreigliedrigen Symbolons, das in dieser seiner Struktur einen trinitarischen Aufbau aufweist:

Ich glaube an Gott, den Vater – ich glaube an Jesus Christus, den Sohn – ich glaube an den Heiligen Geist. Charakteristisch für das Apostolicum ist, dass es heilgeschichtlich orientiert ist. Das Große Glaubensbekenntnis beinhaltet diese heilsgeschichtlichen Elemente sämtlich, ergänzt diese aber durch Präzisierun-gen der Lehre und durch die Benennung der jeweiliPräzisierun-gen heilsgeschichtlichen Funktion – etwa: für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel abgestiegen. Demgegenüber bietet das Apostolische Glaubensbekenntnis keine

abstrakte Lehre über Jesus als den Christus und es bietet auch keine Lehre n von Jesus Christus. D.h.: Das Apostolicum gibt keineswegs die Lehren Jesu bzw. seine Botschaft (etwa vom Reich Gottes) wieder, sondern beschreibt den umfassenden „Weg“ des Gottessohnes. Dieser Weg beginnt gewissermaßen in Gott, führt mit einer ungeheuerlichen „Tendenz nach Unten“ qua seiner Men-schwerdung über die Erde, erreicht deren tiefsten Punkt im Reich des Tode s und endet schließlich wieder in Gott, eben zur Rechten Gottes. Dieser „Ort“

aber ist nunmehr für den Mensch der Himmel, insofern dieser durch die Men-schwerdung auf immer in die göttliche Gemeinschaft gehört.

Diesem Weg werden wir im Folgenden nachgehen. Wir setzen dabei das chris-tologische Dogma in seiner Vollgestalt voraus und verzichten an dieser Stelle darauf, die einzelnen Glaubensaussagen fundamentaltheologisch zu begründen.

Hier geht es jetzt nur um die Grundstruktur des kirchlichen Christusbekennt-nisses.

2.1.2 Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn So unscheinbar dieser erste Satz des christologischen Glaubensbekenntnisses klingen mag, so gehaltvoll ist er. Zum einen weil hier vom „glauben an“ Jesus Christus gesprochen wird, zum anderen, weil in ihm eine Theologie des Na-mens, eine Namenstheologie gegeben ist.

Der Jesus Christus, an den wir glauben, ist der Christus, ist der Sohn und ist der Herr. Was aber steht hinter diesen Namen Jesu, hinter den so genannten Hoheitstiteln?34

Zunächst ist wichtig, die Haltung zu bedenken, die Jesus, dem Christus, dem Sohn, dem Herrn hier entgegengebracht wird: Diese ist nämlich die des Glau-bens an ihn. Mit diesem Glauben kommt aber eine existentielle Beziehung zum Ausdruck mit der derjenige, der das Glaubensbekenntnis betet, sich Jesus Christus zuwendet. Es ist der Ausdruck eines totalen Vertrauens und einer tota-len Übereignung an ihn, an seine Person und seine Botschaft, an sein Leben und seine Lehre. Dabei ist der personale Charakter dieser Glaubensbeziehung eigens zu unterstreichen, die der Person Jesus Christus gilt. Weil die Höchst-form einer personalen Beziehung die Liebe ist, stellt die Glaubensbeziehung zu Jesus Christus im Letzten eine Liebesbeziehung dar:

34 Vg l. immer noch: HAHN, Ferdinand, Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum. Göttingen 51995. [= HAHN, Hoheitstitel.] Vg l. KA SPER, Walter,Jesus, der Chris-tus. Mainz 111992, 122-131. [= KASPER, Jesus.]

Christlicher „Glaube ist nicht das Annehmen eines Systems, son-dern das Annehmen dieser Person, die ihr Wort ist; des Wortes als Person und der Person als Wort.“35

Im Glauben artikuliert und realisiert sich die Anerkenntnis und das Bekenntnis Jesu Christi als den absoluten Heilsbringer36. Als dieser Heilbringer ist er selbst das Heil des Menschen, weil Jesus von Nazareth der Christus, der Sohn und weil Jesus von Nazareth der Herr ist, wie Paulus im Praeskript des Römer-briefes bekennt:

„Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, auserwählt, das Evangelium Gottes zu verkündigen, (...); das Evangelium von sei-nem Sohn, (...), das Evangelium von Jesus Christus, unserem Herrn.“ (Röm 1,1-4)

Christus/ Messias

Mit der gläubigen Liebeserklärung an Jesus, den Christus, bzw. Jesus, den Messias in der Form „Ich glaube an Jesus Christus“ artikuliert sich das viel-leicht kürzeste Glaubensbekenntnis.37 Denn in ihm wird Jesus als der mit hei-ligem Geist gesalbte endzeitliche Prophet bekannt, der am Ende der Zeit das Heil bringt.38 Wenn im christlichen Sprachgebrauch der Name Jesus und der Titel „Christus“ untrennbar zusammenwachsen, dann artikuliert sich darin der Glaube: Jesus von Nazareth ist der absolute Heilsbringer, insofern er der Mes-sias ist. Dabei ist entscheidend, dass die Anwendung des MesMes-sias-Titel auf Je-sus die alttestamentlichen und frühjüdischen Messiasvorstellungen irreversibel sprengt. Jesus als Christus-Heilbringer bringt das Heil nicht als der politische Führer, sondern als der gekreuzigt auferstandene König.

„Mit Gewißheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.“ (Apg 2,36)

Entscheidend ist zudem die Verknüpfung des Namens des konkreten, ge-schichtlichen Menschen Jesus von Nazareth mit dem Messiastitel. Der

35 RAT ZINGER,Einführung 192.

36 Vg l. RAHNER, Grundkurs 194. Vg l. Fößel, Tho mas, Gott – Begriff und Geheimn is. Hansjürgen Verweyens Fundamentaltheologie und die ihr inhärente Kritik an der Philos ophie und Theolo-gie Karl Rahners. Innsbruck 2004, 671-682.

37 Vgl. SCHNEIDER, Glauben 196.

38 Vgl. KASPER, Jesus 123.

as, der Heilbringer ist ein wahrer Mensch mit einer bestimmten, konkreten Ge-schichte.

Gott des Vaters eingeborener Sohn

Jesus Christus – der Sohn Gottes, so heißt es – zu Beginn des Markusevangeli-ums: „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ (Mk 1,1).39 Damit verbindet sich in unserem Denken zunächst die Vorstellung von der Menschwerdung, von der Inkarnation, wie es im Johannesevangelium 1,14 heißt: „und das Wort ist Fleisch geworden“. Diese Assoziation ist gewiss nicht falsch, wir sollten dabei aber nicht vergessen, dass sie nicht die ursprüngliche Bedeutung darstellt, in der von Jesus als Gottes Sohn gesprochen wurde. Die ursprüngliche Aussage, dass Jesus der Sohn Gottes ist, steht im österlichen Kontext und bezieht sich auf seine Erhöhung, die als Einsetzung zum Gottes-sohn interpretiert wird (vgl. Röm 1,3). Von der Auferstehung ausgehend lässt sich nun zeigen, wie die Bezeichnung „Sohn Gottes“ auf das gesamte irdische Leben Jesu von Nazareth übertragen wird. Zu erinnern ist an die Versuchungs-geschichten und an die Taufe Jesu. Die K indheitsevangelien machen zudem deutlich, dass Jesus nicht erst qua seiner Taufe zum Sohn Gottes eingesetzt wird, sondern sein ganzes Leben von der Empfängnis her durch sein „Sohn-Gottes-Sein“ seinshaft bestimmt und deswegen in absolut singulärer und ex-klusiver Art und Weise qualifiziert ist. So heißt es in Lk 1,32: „Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden, und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben.“ Von hier aus ist der Schritt nicht mehr weit zur Aussage der Präexistenz des göttlichen Logos. So heißt es schon in Röm 8,3: „Weil das Gesetz, ohnmächtig durch das Fleisch, nichts vermochte, sandte Gott seinen Sohn in der Gestalt des Fle isches, das unter der Macht der Sünde steht, zur Sühne für die Sünde, um an seinem Fleisc h die Sünde zu ver-urteilen.“ Und abermals ist an den Philipperhymnus zu erinnern: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.“ (Phil 2,6)

Entscheidend an der Präexistenzaussage ist, dass Gott selbst, genauer der gött-liche Logos, in Jesus Christus, dem von Nazareth, Fleisch angenommen hat und Mensch geworden ist. Das aber unterscheidet Jesus von Nazareth von allen Menschen, dass er allein dasjenige Menschsein ist, welches Gott zu seiner ei-genen Wirklichkeit angenommen hat. Dabei darf folgendes Missverständnis nicht auftauchen: Keinesfalls ist es so, dass der Mensch Jesus präexistent, d.h.

39 Vg l. MERKLEIN,Helmut, Die Jesusgeschichte – synoptisch gelesen. Stuttgart 1995. [= M ERK-LEIN, Jesusgeschichte.]

vor der Empfängnis, existiert hätte – präexistent ist allein der göttliche Logos, das Wort, der Sohn wie es bei Johannes zum Ausdruck gebracht wird:

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. (…) Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns ge-wohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. “ (Joh 1,1-3. 4.)

Die Bekenntnisrede vom „eingeborenen Sohn“ ist wegen des christlichen Be-kenntnisses zur Menschwerdung Gottes von so entscheidender Bedeutung, weil sich in ihr der Glaube artikuliert, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Hier ist auf die Konzilien von N izäa (325 n. Chr. vgl. DH 125-126), Konstantinopel (381 n. Chr. vgl. DH 150) und Chalkedon (451 n. Chr.

vgl. DH 300-303) hinzuweisen.

Nizäa bekennt:

„Wir glauben (...) an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, als Einziggeborener gezeugt vom Vater, das heißt aus de m Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich (homoousi-os) dem Vater, durch den alles gewo rden ist, was im Himmel und was auf Erden ist, der wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen und Fleisch und Mensch geworden ist (...).“

(DH 125)40 Chalkedon bekennt:

„In der Nachfolge der heiligen Väter also lehren wir alle überein-stimmend unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen: derselbe ist vollkommen in der Go ttheit und derselbe ist vollkommen in der Menschheit; derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus vernunftbegabter Seele und Leib; derselbe ist der Gottheit nach dem Vater wesensgleich und der Menschheit nach uns wesensgleich in allem uns gleich außer der Sünde (Hebr 4,15); derselbe wurde einerseits der Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater gezeugt, andererseits der Menschheit nach in den

40 Vgl. SCHIERSE, Franz Joseph, Christologie. Düsseldorf 61991, 119. [= SCHIERSE,Christologie.]

letzten Tagen unseretwegen und um unseres Heiles willen aus Ma-ria, der Jungfrau und Gottesgebärerin geboren. Ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Natu-ren aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in einer Person und einer Hypos-tase vereinigt; der einziggeborene Sohn, Gott, das Wort, der Herr Jesus Christus, ist nicht in zwei Personen geteilt oder getrennt, son-dern ist ein und derselbe, wie es früher die Propheten über ihn und Jesus Christus selbst es uns gelehrt und das Bekenntnis der Väter es uns überliefert hat.“ (DH 301)

In der Nachfolge der heiligen Väter also lehren wir alle übereinstimmend unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen:

derselbe ist vollkommen in der Gottheit

derselbe ist wahrhaft Gott

derselbe ist der Gottheit nach dem Va-ter wesensgleich

derselbe wurde einerseits der Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater ge-zeugt

und derselbe ist vollkommen in der Menschheit

und wahrhaft Mensch

aus vernunftbegabter Seele und Leib

und der Menschheit nach uns wesens-gleich

in allem uns gleich außer der Sünde (Hebr 4,15) andererseits der Menschheit nach in den letzten Tagen unseretwegen und um un-seres Heiles willen aus Maria, der Jung-frau und Gottesgebärerin geboren;

ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr,

der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich,

ungetrennt und unteilbar

erkannt wird,

wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt

und sich in einer Person und einer Hypostase vereinigt;

der einziggeborene Sohn, Gott, das Wort, der Herr Jesus Christus, ist nicht in zwei Personen geteilt oder getrennt,

sondern ist ein und derselbe,

wie es früher die Propheten über ihn und Jesus Christus selbst es uns gelehrt und das Bekenntnis der Väter es uns überliefert hat. (DH 301)

Die nähere Interpretation dieser Glaubensformeln ist Aufgabe der dogmati-schen Christologie. Für die fundamentaltheologische Auseinandersetzung mit Jesus Christus ist sie dahingehend entscheidend, dass wir in ihr auf ein basales inhaltliches (d.h. kognitives) Fundament des christlichen Glaubens stoßen.

Dieses hat die Fundamentaltheologie intellektuell zu durchdringen, rational zu verantworten und universal zu kommunizieren. Die Rede vom „eingeborenen Sohn“ macht deutlich, dass Jesus von Nazareth nicht ein beliebiger Mensch neben anderen, ein beliebiger Prophet Gottes neben anderen, ein beliebiger O f-fenbarer Gottes neben anderen ist, sondern der GottMensch in Singularität, Einzigartigkeit und radikaler (weil innergöttlich wurzelnder) Einzigkeit.41 Als solcher ist er der Prophet, der das Prophetentum abschafft und der Offenbarer, der mit der O ffenbarung zusammenfällt: endgültiger O ffenbarer und letzte O f-fenbarung Gottes in der Untrennbarkeit von Amt und Person.42 Die Lehre, das Dogma von der bzw. das Bekenntnis zur wahren Gottheit und zur wahren Menschheit Jesu Christi ist fundamental für das christliche Selbstverständnis.

An ihm hängt schließlich die gesamte christliche Anthropologie, Theologie und jede Form von Offenbarungsverständnis. Die Rede von einer endgültigen

41 Vg l. MENKE, Karl-He inz, Die Ein zig keit Jesu Christi im Horizont der Sinnfrage. Einsiedeln u.a. 1995. [= MENKE,Einzigkeit.]

42 Vg l. RAT ZINGER, Einführung 190. Vgl. VERWEYEN, Hansjürgen, Gottes letztes Wort. Grund-riss der Fundamentaltheologie. Regensburg 32000, 65. [= VERWEYEN, GlW3.]

Selbstmitteilung Gottes in und als Nähe, die Rede von einer endgültigen Heils-verheißung an alle Menschen und schließlich die Realisation des ewigen [=

endgültigen] Heiles wäre unmöglich, wenn das chalkedonensische Bekenntnis fiele. Karl Rahner drückt es so aus:

„Ein bloß Endliches als solches für sich allein ist von seinem We-sen her unfähig, eine unüberholbare Mitteilung Gottes zu bedeuten und uns zu vermitteln; sie bleibt immer vorläufig vor der Unend-lichkeit der MögUnend-lichkeiten Gottes und vor der Souveränität seiner Freiheit. Wenn aber Gott seine Selbstzusage uns als eine unwider-rufliche und endgültige mitteilt, dann kann die kreatürliche Wirk-lichkeit, durch die das geschieht, nicht einfach im selben Abstand zu Gott stehen wie die anderen kreatürlichen Wirklichkeiten; sie muss in einer solch einmaligen Weise die Wirklichkeit Gottes sel-ber sein, dass er sich selsel-ber desavouieren würde, wenn er sie wegen ihrer kreatürlichen Endlichkeit überholen würde.“43

Die Rede von Jesus Christus als „eingeborenen Sohn des Vaters“ und dessen Menschwerdung begründen ein Gottesverhältnis, das spezifisch christlich ist:

Dieses Gottesverhältnis ist geprägt von einer Nähe zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen, der Zeit und der Ewigkeit wie sie größer wohl nicht ge-dacht werden kann. Fiele die Gottheit Jesu Christi dahin, so wäre es um diese Nähe geschehen, weil Jesus Christus nicht das unüberbietbare Heil des Men-schen wäre, weil das rein Endliche nie das ewige Heil des MenMen-schen bedeuten kann. Fiele aber die Menschheit Jesu Christi dahin, so wäre es um diese Nähe ebenfalls geschehen, weil es keine Brücke und keine Vermittlung gäbe zwi-schen Gott und den Menzwi-schen.

Kyrios/ Herr

Auf das Engste mit dem Hoheits- bzw. Bekenntnistitel „eingeborener Sohn“

hängt der Zeugnisbegriff „K yrios“/ Herr zusammen. Dieser Titel ist besonders spannend, weil in ihm die unendliche Spannung zwischen Gott und Mensch beispielhaft (paradigmatisch) zum Ausdruck kommt. Zudem ist der Begriff aufgrund dieser inneren Dynamik ein Hoffnungsbegriff par excellence, der die Erde gewissermaßen mit dem Himmel verbindet. Hier sei nur ein Aspekt be-dacht: Die Übertragung des Kyrios-Titel von JHWH auf Jesus von Nazareth.

In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, wird der Gottesname „JHWH“ fast durchgängig mit Kyrios wiedergegeben, so dass

43 RAHNER, Jesus lieben 92f.

die Bezeichnung „Herr“ zu einer typischen Gottesprädikation wird.44 Theodor Schneider stellt fest:

„Für den Kundigen [gewinnt] die biblische Rede von Gott, unserem Herrn, eine unverwechselbare, eigene Farbe in ihrer Spannung von himmlischer Erhabenheit und Erdennähe, in ihrer Verbindung von königlichem Glanz und persönlicher Zuneigung.“45

Hierin liegt gewiss die Spannung und das spannende der Kyrios-Rede: Einer-seits drückt sie die Erhabenheit Gottes, sein Königtum, aus und „beschreibt“ so die Größe Gottes. Gleichzeitig ist der Begriff aber auch ein Vokativ: „Herr!“

Mit dem Begriff des K yrios lässt sich Gott nicht nur d arstellen, sondern auch ansprechen, so dass der Erhabene, Weltüberlegene Gott „Kommunikations-partner“ des Menschen ist.

Das wirklich spannende an dem Kyrios-Begriff ist aber, dass der im AT Gott JHWH vorbehaltene Hoheitstitel sehr früh nach Ostern auf den Menschen Je-sus von Nazareth übertragen wird:

„Der erhöhte, vollendete Mensch, der zur Rechten Gottes Erhobe-ne, das heißt der in die Macht Gottes einbezogene und eingesetzte Jesus, ist ‚der Herr’.“46

Kurz und prägnant heißt es im Philipperhymnus:

„Jesus Christus ist der Herr.“ (Phil 2,11)

Das bedeutet aber, dass die Urgemeinde Jesus mit göttlichen Attributen aus-stattet, ja ihn als Gott anruft. Darin drückt sic h aus, dass die Beziehung zu Je-sus von Nazareth nicht die gleiche Qualität hat wie zu einem anderen Men-schen. Vielmehr artikuliert sich in der Jesus-Beziehung zugleich auch eine un-mittelbare Gottes-Beziehung. Deswegen ist die Anrufung Jesu zugleich eine Anrufung Gottes, deswegen hat der Kyrios-Ruf zugleich eine Heilsbedeutung:

Wer Kyrios sagt, der tritt in eine heilsvolle Relation zu Jesus Christus und wird in und durch diese Relation mit dem Kyrios gerettet:

„Denn wenn du mit deinem Mund bekennst: ‚Jesus ist der Herr’

und in deinem Herzen glaubst: ‚Gott hat ihn von den Toten

44 Gle ichwohl nennt auch das hebräische AT JHWH den „He rrn“ (adonai) vgl. Jos 3,11.13 und Mal 3,1. Vgl. Ps 114,7; Jes 1,24; 3,1; 6,1-3).

45 SCHNEIDER, Glauben 200.

46 SCHNEIDER, Glauben 201.

weckt’, so wirst du gerettet werden. Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil erlangen.

Denn die Schrift sagt: Wer an ihn glaubt, wird nicht zugrunde ge-hen. Darin gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Grie-chen. Alle haben denselben Herrn; aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen. Denn jeder, der den Namen des Herrn an-ruft, wird gerettet werden.“ (Röm 10,9-13)

Im alten aramäischen Ruf „Maranatha“ – „Unser Herr, komm“ (vgl. 1 Kor 16,22/ Offb 22,20) wird deutlich, wie sehr die Hoffnung der Christen sich auf den gekreuzigt Auferstandenen richten: ihren Herrn, der als Rettergestalt jetzt schon die Eröffnung von heiler Zukunft ist und als endgültige eschatologische Zukunft im Heil erwartet wird.

Das Entscheidende im Kyrios- Titel besteht darin, dass die Anrufung Gottes zu-sammenfällt mit der Anrufung des Menschen Jesus. Er steht damit in der Spannung von Transzendenz und Immanenz, d ie in der Person Jesus Christus als wahrem Gott und wahrem Mensch ausgetragen und ausgehalten wird.

Die Transformation der JHWH-Prädikation auf den auferstandenen Christus und schließlich auf den irdischen Jesus selber ist von außerordentlicher theolo-gischer Relevanz, insofern sie eine Bewegung von der Theologie zur Christo-logie zum Ausdruck bringt: Jesus Christus wird so nicht nur zum GottesBild, sondern auch zum Ort der GottesBegegnung, ja zur GottesBegegnung selbst.

Jesus Christus ist damit nicht nur der Interpret Gottes, sondern die GottesInter-pretation schlechthin. Als solcher ist er erhaben und ansprechbar zugleich - beides zusammen und gleichzeitig ausgedrückt im K yrios-Titel bzw. im K y-rios-Ruf. Zu erinnern ist an Petrus angesichts des Seewandels Jesu:

„Als er sah, wie heftig der Wind war, bekam er Angst und begann unterzugehen. Er schrie: Herr, rette mich!“ (Mt 14,30)

Nicht zu übersehen ist schließlich, dass das Kyrios-Bekenntnis des christlichen Glaubensbekenntnisses eine Depotenzierung aller weltlichen Herrschaftsver-hältnisse bedeutet und gleichzeitig ein ideologiekritisches Element gegenüber jedweder Herrschaftsform darstellt.

Depotenziert, weil auf Christus hin relativiert, wird jede menschliche Macht-ausübung, die stets unter dem Kyrios und seiner Form der Herrschaftsausübung steht. Schaut man zudem auf den Inhalt der Botschaft und die Gestalt des jesu-anischen „Kyrios“-seins, dann wird jede Art von Herrschaft unter das Gesetz des Kyrios Christus gestellt: Herrschaft bedeutet dann aber Dienst, Abstieg,

Deszendenz, Hingabe und nicht Leitung, Aufstieg, Karriere, Selbstbezogenheit.

So aber wird der K yrios-Titel zur Ideologiekritik und der K yrios-Ruf zur Pra-xis einer Anti-Ideologie.

Fazit

Allen drei Christus-Titeln gemeinsam ist, dass sie richtig nur verstanden wer-den können, wenn man sie im Licht der umfassenwer-den „Tenwer-denz nach Unten“

sieht: die Tendenz nach Unten des göttlichen Logos in der Menschwerdung und die geschichtliche Fortführung dieser Tendenz nach Unten des Menschen Jesus bis zum Kreuz. Gleichzeitig muss diese „Tendenz nach Unten“ verstan-den werverstan-den im Horizont von Ostern, was in paradoxer Weise das Ziel dieses Abstiegs bedeutet: auf immer gültige, gerettete und ungefährdete Gottes-beziehung. Wo aber Jesus als der Christus, als der Sohn und als der K yrios an-gerufen wird, da realisiert sich die Beziehung zu dem gekreuzigt Auferstande-nen und in dieser Beziehung wiederum die Teilnahme am Lebensschicksal Jesu selbst. Da dieses Lebensschicksal das Heil des Menschen ist, sind die Hoheits-titel Chrsti, wo sie „gebetet werden“ allesamt Heilszusage und Heilsverheißun-gen. Jesus Christus ist der Messias propter nos homines et propter nostram sa-lutem, er ist der menschgewordene Sohn wegen uns Menschen und wegen un-seres Heils und er ist als der gekreuzigt Auferstandene der Kyrios propter nos homines und wegen unseres Heils.

Die drei Titel nehmen in je unterschiedlicher Weise das vorweg, was in den folgenden Sätzen des Credos ausgesagt wird (Menschwerdung – Geburt – Pas-sion – Auferstehung - Himmelfahrt). Nur im Horizont dieser Aussagen lassen sich die Hoheitstitel angemessen verstehen, markieren sie doch den geschicht-lichen Ort, von dem aus das Christus-Bekenntnis (Christus/ Sohn/ Herr) aller-erst möglich wurde: dem Leben, Sterben und Aufaller-erstehen des Jesus von Naza-reth. So gesehen sind die Titel im Credo Abbreviaturen des Leben Jesus, in de-nen die Essenz des Lebens des GottMenschen geronde-nen ist. Existentiell wirk-sam und also solches heilswirkwirk-sam werden sie allerdings erst dann, wenn man sie von der Heilsgeschichte Jesu her versteht, die aus der Geschichte der Welt eine Geschichte des Heils da macht, wo der Kyrios Jesus Christus, der menschgewordene Gottessohn angerufen und angebetet wird.

2.1.3 Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn – Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria Das entscheidende Thema dieses Glaubensartikels ist die Inkarnation, die Me n-schwerdung Gottes in Jesus Christus. Das bedeutet nichts anderes, dass „Gott

Im Dokument Jesus, der Christus (Seite 45-71)