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Kapitel 3: Die Gesellschaft der Zukunft

3.2 Systemische „Mega“-Trends

3.2.2 Umweltbelastung (Klimawandel)

Das Besondere der auf die natürliche Umwelt bezogenen Kommunikatio-nen besteht darin, dass sie keiKommunikatio-nen direkten Bezug zu einem sozialen System aufweisen. Diese „externe“ Umwelt kommuniziert nicht, sondern ist mit den Kommunikationssystemen der Gesellschaft strukturell gekoppelt – was aber oft erst wahrgenommen wird, wenn Veränderungen stattgefunden haben.

Oder „dramatischer“ ausgedrückt: Die Katastrophen in der Natur werden oft erst dann wahrgenommen und zum Thema gemacht, wenn sie die Gesell-94 Occupy, Attac, Greenpeace usw. lassen sich als Beispiele lesen.

95 Die Botschaften lauten: „Es ist uns noch nie so gut gegangen“ oder auch „*** ist alter- nativlos“ (TINA).

96 In der Computerpraxis ist das üblich: Runterfahren des Systems und Neustart.

schaften und ihre Mitglieder unmittelbar betreffen. Angesichts der Dramatik der diesbezüglichen Zukunftskommunikation – z.B.: „richten wir unseren Pla-neten zugrunde?“ – ist dieses Themensegment unverzichtbar, wenn es um die GdZ geht.

3.2.2.1 Trends

Nicht zuletzt die Entwicklung der Weltbevölkerung und der globalen Ökono-mie mit der damit verbundenen Beschleunigung des Ressourcenverbrauchs verschiedener Art hat die Natur- und Umweltbelastung schon seit vielen Jahr-zehnten sichtbar gemacht. Die Beobachtungen haben sukzessiv die verschie-denen natürlichen Medien (Luft, Wasser, Boden) sowie alle Arten von Flora und Fauna einbezogen. Der Umweltpolitik werden in Deutschland derzeit 82 Gesetze und 165 Verordnungen zugeordnet: sie kann als typische Quer-schnittspolitik gelten, weil alle Bereiche der Gesellschaft Natur- und Umwelt-bezüge aufweisen. Angesichts der Feststellung, dass wir (vorerst) nur den einen Globus haben, wird seit Jahrzehnten über Konzepte der Nachhaltigkeit kommuniziert. Erst die Diskussion über den Klimawandel hat jedoch endgül-tig sichtbar gemacht, dass wir „in einem Boot sitzen“ und dass wir nach der Zerstörung unserer Lebensgrundlage hier und jetzt nicht einfach ein bisschen weiter ziehen können. Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits gezeigt, dass bei den Wirtschafts-Szenarien für die GdZ die Umwelt/Klima – Themen eine selbstverständliche Komponente darstellen. Dies hat mit der Berechen-barkeit bestimmter Entwicklungen zu tun – zumindest soweit sie auf Prozesse in der Natur eingehen. Gleichwohl wurde die Externalisierung der umwelt-bezogenen Kosten durch Produktion und Konsumption nicht wirksam unter-bunden97.

Dies schließt nicht aus, dass solche Entwicklungen als „Konstruktion von Ökofreaks“ bezeichnet werden, oder dass die Chancen einer (potenziellen) Klimaänderung positiv bewertet werden. Beachtenswert ist in diesem Zusam-menhang die Rolle der internationalen WissenschaftlerInnen-Community, vor allem des IPCC, und die Kritik an ihren Berichten bzw. Prognosen. Dennoch hat sich in der Debatte die Tendenz durchgesetzt, dass nicht mehr allein über Klima-Schutz – vor allem mit Blick auf die CO2 Emissionen – sondern bereits über die Anpassung an den Klimawandel kommuniziert wird. Deutlicher als

97 Halbentschlossene Versuche wie der Handel mit Verschmutzungsrechten (z.B. in der EU) sind gescheitert. In Deutschland wird noch immer für die Beibehaltung von Kohlekraft-werken gestritten. Obwohl die Umweltbelastung durch den Flugverkehr häufig kommen-tiert wird, werden ständig neue Anträge auf den Ausbau bundesdeutscher Flughäfen gestellt. Für die nächsten Jahrzehnte wird eine drastische Zunahme der Flugbewegungen erwartet. Das Kerosin wird im Unterschied zu anderen Treibstoffen nicht mit einer Steu-er belegt.

z.B. bei der globalen Wirtschaft wird dabei auch explizit von „roten Linien“ ge-sprochen, die es nicht zu überschreiten gilt. Offenbar ist dies – z.B. die Erwär-mung der globalen Durchschnittstemperatur um 2 Grad Celsius (gegenüber dem Referenzjahr 1980) – ein wichtiges Element zur Forcierung von zu-kunftsbezogenen Entscheidungen98. Dabei soll aber nicht übersehen werden, dass die Kommunikation über Umweltprobleme (und ihre Zukunft) auch viele kleinteilige und weniger umstrittene Elemente enthält. Allerdings macht dies zugleich viele Widersprüchlichkeiten im Verhalten der Bevölkerung sichtbar:

einerseits wird die nächtliche Krötenwanderung geschützt; andererseits fliegt man zu einer Klimakonferenz um den halben Globus.

Man kann dies zusammenfassend und abstrakt als ein typisches Mehre-benen-Phänomen beschreiben, das sowohl Problementwicklungen betrifft als auch die Reaktionen darauf. Bei der folgenden Darstellung von Zukunftskom-munikationen zu diesem Thema werden erneut zunächst eher die globalen Aspekte mit längerfristigem Zukunftsbezug und dann die konkreten Maßnah-men mit kürzerer Perspektive berücksichtigt.

„große (und kleine) Erzählungen“ – Narrative einschließlich der Rekons- truktion historischer Entwicklungen

Trotz der naturwissenschaftlichen Grundlagen und der in vielen Fällen zähl-baren natürlichen Gegebenheiten (Waldflächen, Fischbestände, Artenviel-falt, Feinstaubkonzentration in der Luft usw.) ist es eher überraschend, dass auch hier große Erzählungen und Legenden zu beobachten sind. Sie betreffen erwartungsgemäß diejenigen Sachverhalte, die massive Einflüsse auf beste-hende ökonomische Interessen – hinsichtlich Produktion sowie hinsichtlich Konsumption – erwarten lassen. Schon 1972 hat der Bericht für den Club of Rome auf die Grenzen des Wachstums hingewiesen – und 40 Jahre später eine eher kritische Bilanz gezogen. Die gegenwärtigen Kontroversen – so lässt sich folgern – werden durch die zeitlich neueren und zunehmend sichtbaren glo-balen Wirkungen von Umwelt/Klima-Veränderungen befeuert.99

Auch wenn die „Zweifelstreuer“ zum Thema Klimawandel weniger laut-stark in Erscheinung zu treten scheinen100 bleiben die großen Erzählungen

 98 Vgl. u.a. die jüngsten Äußerungen von Obama in Alaska zum Arktis-Eis und Xi Jinping bei seinem Versprechen, einen blauen Himmel über Peking für die Winterolympiade 2022 zu garantieren.

 99 Es macht eben einen Unterschied, ob eine seltene Vogelart gerettet werden soll, ein Fluss durch Gifteinleitungen zeitweilig verschmutzt wird, eine Region durch eine AKW Havarie verstrahlt wird, oder die Polkappen schmelzen.

100 Teilweise wird der Unterschied zwischen Wetter und Klima benutzt, um Irritationen hervorzurufen. Noch zum 11./12. Dezember 2015 hat die Zweifelstreuer-Organisation EIKE zu einer großen Konferenz nach Essen eingeladen, um auch weiterhin die

„Panikindustrie“ zu bekämpfen.

präsent. Dies betrifft zunehmend auch einzelne Spezialthemen (s.u.). Die Grundsatzkontroversen beziehen sich sowohl auf die Frage, ob es überhaupt einen Klimawandel gibt, als auch – vor allem – auf die Frage, ob er durch die menschlichen Eingriffe verursacht wird. Gibt es den „menschlichen Fußab-druck“? Kann deshalb vom Anthropozän gesprochen werden? Angesichts der Tatsache, dass sich immer mehr Regionen in Deutschland mit den Folgen des Klimawandels beschäftigen – wie u.a. das vom BMBF geförderte Verbund-projekt KLIMZUG (2009–14) zeigt – erscheint diese Diskussion irritierend.

Allerdings belegen der Applaus der FDP in Thüringen für Überlegungen zur Aufhebung von städtischen Umweltzonen (im Sept. 2015) ebenso wie Bücher mit dem Titel „Die Entscheidung Klima oder Kapitalismus“ (Klein 2015), dass die hintergründigen Legenden über Freiheit vs. politische Bevormundung, grenzenloses Wachstum vs. nachhaltiges Wirtschaften etc. dieses Feld der Zu-kunftskommunikation weiter beeinflussen.

Vor allem das Thema Klimawandel ist eng mit – z.T. extrem langfristigen – erdgeschichtlichen Analysen und Beschreibungen verknüpft. Allerdings lassen sich auch viele Auswirkungen früher menschlicher Intervention betrach-ten101. Die o.a. Erzählungen knüpfen deshalb überwiegend an grundlegende rückblickende Analysen an. Dies gilt aber auch für spezifische Episoden – wie z.B. den sauren Regen oder die Ozonproblematik (durch FCKW), Tschernobyl oder „Deepwater Horizont“ (Explosion der Ölplattform im Golf von Mexiko am 22.4.2010). Sie werden in unterschiedliche Kommunikationen eingebunden.

Einerseits wird z.B. gefordert, sorgsamer mit Chemikalien in der Natur um-zugehen (z.B. Pestizide in der Landwirtschaft); andererseits wird die Repara-turfähigkeit der Natur durch die Menschheit betont. Dabei werden teilweise Diskussionen über mögliche Entwicklungen „of no return“ angeknüpft: sind die Grundwasserschäden durch das Fracking in den USA reparabel? Kann die zunehmende Wüstenbildung (Desertifikation) durch die Natur selbst noch ge-bremst werden? Besondere Beachtung finden dann solche Sachverhalte, die weltweite Auswirkungen direkt (in der Luft, in den Ozeanen) oder indirekt (Hungersnöte in einzelnen Weltregionen, Klimaflüchtlinge) haben (können).

Viele der kommentierten Themen machen es schwierig, die GdZ in Deutsch-land als davon nicht betroffene Region darzustellen.

Eine besondere Variante stellt der internationale Vergleich mit spezifi-schen, aber zeitversetzten Entwicklungsphasen dar. So wurde u.a. in China102 auf die Industrialisierung in Europa hingewiesen, die in ihrer zeitlichen Ent-wicklung und umweltbezogenen „Sensibilität“ durch die Kuznets-Kurve ab-gebildet wird. Die Quintessenz: wir machen – wie die Europäer in der Phase 101 Man beachte die Folgen der Abholzung im Altertum in Griechenland. Kanada hat u.a. aus dieser Geschichte gelernt: für jeden gefällten Baum muss ein neuer gepflanzt werden.

102 Eigene Interviews in China zwischen 2009 und 2014.

der Industrialisierung – noch 20 Jahre weiter wie bisher, dann stellt sich – mit wachsendem Pro-Kopf-Einkommen – die Umweltsensibilität von selber ein103. Wie diese Themen erörtert werden, hat nicht nur Konsequenzen für China, sondern für das Weltklima heute und in der GdZ. Sie zeigen zugleich ein zent-rales Dilemma der globalisierten Klimaproblematik und ihrer gezielten Beein-flussung: Die Haupt-Verursacher sind häufig nicht die Haupt-Leidtragenden der Entwicklung. Es gilt nicht nur das Prinzip „nach mir die Sintflut“ sondern

„die Sintflut findet bei mir nicht statt“. Der globale Blick auf die GdZ ist deshalb eher mit der Perspektive „wir können es schaffen“ und nicht „wir werden es schaffen“ verbunden. Ist nur noch die Klimakatastrophe „die Lösung“ – oder zumindest die Voraussetzung für ein Umsteuern?

Szenarien (Entwicklungstreiber und Hochrechnungen)

Szenarien spielen vor allem bei der Klima-Thematik eine zentrale Rolle. Dabei wird wegen einer Reihe von Unsicherheiten mit verschiedenen Modellen und Annahmen gearbeitet, so dass schließlich mehrere mögliche Entwicklungs-pfade zwischen „worst case“ (z.B. 6 Grad Erderwärmung im Durchschnitt oder mehr) und „best case“ (1,5 Grad oder weniger) beschrieben werden können.

Die betrachteten Zeiträume entsprechen in etwa der GdZ und ihrer Zukunft (insgesamt bis Ende des Jahrhunderts). Als Entwicklungstreiber stehen da-bei Emissionen im Mittelpunkt, die den sogenannten Treibhauseffekt, d.h. den Eintrag von entsprechenden Partikeln in die Luft, befördern – z.B. CO2 oder auch Methan. Damit lässt sich zugleich näher bestimmen, wo die Konflikte mit einer auf die Nutzung fossiler Brennstoffe ausgerichteten Weltwirtschaft ent-stehen (können): bei der Autoindustrie und dem exzessiven Luftverkehr, bei Kohlekraftwerken und Flözbränden, aber auch bei der Rinderhaltung (Met-han). Konflikte entstehen auch dort, wo kompensatorische Faktoren (z.B. Tro-penwälder) verringert bzw. vernichtet werden. Besonders kontrovers, weil kaum vorhersehbar sind potenziell bedrohliche Einzelentwicklungen – soge-nannte „tipping points“ – mit Blick auf den Treibhauseffekt: das Auftauen des Permafrostbodens in Sibirien; die Erwärmung der Ozeane; oder mit Blick auf unmittelbare Folgen: z.B. der Anstieg des Meeresspiegels durch das Schmel-zen der Polkappen oder durch Erölbohrungen in der Arktis.

Mit den Szenarien werden auch viele enger fokussierte Datensammlungen, Prognosen und Diskussionslinien angeregt: welchen Anteil unserer globalen Ressourcen haben wir schon verbraucht104 ? Hier lässt sich berechnen, wann

103 Inzwischen zeigen Smogwerte von Peking, Shanghai oder auch Neu Delhi, dass dieses Argument nicht trägt.

104 Darauf weist der Welt-Erschöpfungstag hin: Ab sofort leben wir von der Substanz, d.h.

zu Lasten der GdZ.

Deutschland voll versiegelt ist, wenn die tägliche Flächenvernutzung (derzeit um die 70ha) so weiter geht. Ähnliches gilt für die Abholzung des Regenwaldes oder den Wasserverbrauch für die Erzeugung von einem Kilo Rindfleisch105. Wie viele Menschen mit den westlichen Konsumstandards kann der Globus verkraften106 ? Wann gibt es keine Fische mehr in den Weltmeeren, oder nur noch solche, deren Hauptnahrung Plastikmüll ist?. Wie viele Golfplätze wer-den wir uns in Zukunft noch leisten können? All diese zählbaren Sachverhalte können Anlass für weiterreichende zukunftsbezogenen Folgenabschätzungen sein: Welche Länder werden in welchem Maße von den Folgen des Klimawan-dels besonders negativ betroffen sein?107. Werden in Zukunft Kriege um die knapper werdenden Ressourcen geführt: vor allem um Wasser, Flächen für Landwirtschaft, Sand (für die Hochhäuser der Megacities), Nahrungsmittel?

Bei dem Versuch, diese Fragen zu beantworten, spielen Hochrechnungen eine wichtige Rolle. Sie sind hier vor allem für solche Aspekte von Interesse, die die Lebensmöglichkeiten der GdZ und ihrer Zukunft betreffen. Zu Grunde liegen zunächst die schon erwähnten Projektionen über Emissionswerte, Eisschmel-ze, Anstieg von Durchschnittstemperaturen, Anstieg des Meeresspiegels, Wüstenbildung etc. Näher am Alltag der GdZ in Deutschland sind Kommu-nikationen über Wetterereignisse – wie Starkregen, lange Trockenperioden, Stürme etc. – die schon heute beobachtet, aber für die GdZ in größerem Aus-maß prognostiziert werden. Dabei sind auch Wirkungsketten zu beachten.

Temporäre Trockenheit (Wassermangel) wird mit immer tieferen Bohrungen beantwortet, was aber den Grundwasser-Spiegel weiter absenkt und zur ir-reparablen Austrocknung der Böden führt. Damit werden Beobachtungen stärker auf die lokalen und regionalen Ursachen von Umwelt- und Klimapro-blemen gerichtet: in welchem Maße wird die GdZ an den gesundheitsschäd-lichen Emissionen in ihren Großstädten leiden: sind Verhältnisse wie schon heute in Peking, Neu Delhi oder Mexico Stadt zu erwarten: wie löst Stuttgart das schon jetzt zu beobachtende Feinstaub- und Stickoxyd-Problem?

105 Kabarettisten drücken das angesichts der startenden Grillsaison ganz plastisch aus: mit diesen Fleischstücken auf dem Grill vernichtest du einen bezifferbaren Teil deiner Zu-kunft. Die Reaktion ist auch erwartbar: so wurden die Grünen – quasi als Ökodiktato-ren – dafür kritisiert, dass sie für einen fleischlosen Tag pro Woche in den Kantinen geworben haben.

106 Meist wird darauf hingewiesen, dass wir 2,5 (oder mehr) Erden brauchten, um allen Menschen den westlichen Konsum-Standard zu ermöglichen; trotzdem wird mit diesem Standard in der ganzen Welt geworben – was sogar Flüchtlingsströme auslöst.

107 Alle Szenarien zeigen, dass es v. a. die südliche Hemisphäre sein wird. Der Strom der Klima-Flüchtlinge wird danach von Süd nach Nord verlaufen. Selbst Kanzlerin Merkel hat im Juni 2016 auf diese bald zu erwartenden Flüchtlingsbewegungen hingewiesen.

Zielsetzungen und Dispositionen für die Zukunft

Zielsetzungen und konkrete Entscheidungen mit Zukunftsbezug sind häufiger zu erwarten, wenn die Prognosen relativ sicher erscheinen und – vor allem – wenn bestimmte Effekte schon hier und heute zu beobachten sind und in ihren Konsequenzen für die Gesellschaft dargestellt werden (können): als typisches Format kann die Aussage gelten, dass laut Bundesumweltamt in Deutschland 47.000 vorzeitige Todesfälle durch überhöhte Feinstaubkonzentration in den Städten verursacht werden; oder: die WHO geht von weltweit 3 Millionen To-ten aus, die jährlich an der Luftverschmutzung sterben.

Es geht deshalb um den Versuch, für viele dieser heute beobachtba-ren Umweltbelastungen „rote Linien“ zu definiebeobachtba-ren, die nicht überschritten werden sollten – wie die Begrenzung auf 2 Grad globale Erdwärmung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts und lokal durchschnittlich maximal 20 Mik-rogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Deutlich höhere Werte, die vorhan-den oder zu erwarten sind, wervorhan-den teils als Kontrollproblem, teils als Versagen zuständiger Akteure oder sogar als Klima-Katastrophe interpretiert108. Flan-kiert werden die auf Grenzwerte bezogenen Ziele durch Maßnahmen, die die

„von Menschen gemachten“ Ursachen kompensieren (Renaturierung) oder begrenzbar erscheinen lassen: Emissionen von fossilen Brennstoffen, Chemie in der industrialisierten Landwirtschaft, Energieverbrauch, Fleischkonsum u.a.m. Allgemein ausgedrückt geht es um veränderte, ökologisch verantwort-bare Produktions- und Konsumstile, die sich in der GdZ durchgesetzt haben sollten, und/oder um die Hoffnung auf technische und biochemische Innova-tionen: z.B. energieeffiziente Maschinen, erneuerbare Energien (Solarpanels u.a.), CO2 fressendes -Plankton(?). Selbst langfristige Zielsetzungen wie z.B.

im projektierten Klimaschutzgesetz 2050 des Bundes bleiben keineswegs un-widersprochen, weil rasch sichtbar wird, dass die Umsetzung schon heute be-ginnen sollte. Manchmal werden sie als Spinnerei von Ökofreaks abgetan oder es wird auf Rebound – Effekte hingewiesen: würde man den Zielen folgen, so würde das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erreicht109. Besonders häu-fig dürfte die Meinung vorherrschen, dass man individuell keinen wirksamen Beitrag leisten kann, weil es andere Personen, Organisationen, Gesellschaften auch nicht tun.

Viele Zielsetzungen werden pauschal als Schutzmaßnahmen beschrieben und erörtert, wobei hier dem Klimaschutz – mit Blick auf die GdZ besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Naturschutz nicht ebenfalls entsprechende Beachtung verdient: als neueres 108 So ließen die sich 2015 häufenden Appelle lesen, die Klimakonferenz in Paris nicht

scheitern zu lassen.

109 Ein oft genutztes Beispiel sind die Energie-Sparbirnen, die faktisch oder vermeintlich dazu führen, dass man die Dauer der Lichtnutzung gar nicht mehr kontrolliert.

Beispiel lässt sich das Bienensterben erwähnen, das erhebliche Auswirkun-gen auf die Nahrungsmittelproduktion haben kann110. In zunehmendem Maße werden aber auch Anpassungsmaßnahmen auf die Liste der Zielvorgaben ge-setzt: „Adaptation“ ergänzt „Mitigation“. Dies betrifft z.B. die Städteplanung mit Blick auf Belüftungskorridore – zur Vermeidung von Hitzeinseln. Es geht aber auch um den zukünftig erhöhten Bedarf an Katastrophenschutz-Kapazi-täten z.B. bei Überflutungen, die auch durch neue Rückhaltebecken etc. nicht vermieden werden können.

Die vorangegangen Beobachtungen und insbesondere die Zielsetzungen ha-ben bereits deutlich gemacht, dass es sich bei den Themen Natur, Wetter, Kli-ma um typische Mehrebenenprobleme handelt. Dispositionen stehen also auf allen Entscheidungsebenen der Weltgesellschaft – angefangen von der UN bis zu den privaten Haushalten in X-Stadt/Deutschland auf der Tagesordnung.

Noch dominieren Anstrengungen zum Umwelt- und Klima-Schutz:

● Kann der Handel mit Verschmutzungsrechten international wirksam ge-staltet werden111?

● Wird die Energiewende mit ihrem Fokus auf erneuerbare Energien in Deutschland erfolgreich verlaufen und ein Vorbild für andere Länder sein?

● Ist der partizipativ erstellte Klimaschutz-Plan NRW (2015), als „Auftrag“

des Klimaschutzgesetzes NRW ein wirksames Mittel für die Diffusion von verändertem Verhalten in den gesellschaftlichen Alltag?

Die in 2015 verabschiedeten Ziele der UNO Agenda 2030 zeigen die starke Betonung der Nachhaltigkeitsziele sowie die enge Verflechtung mit der Vor-stellung von weltwirtschaftlicher Entwicklung.Die Überzeugungskraft dieser überwiegend nicht neuen Themen und praktischen Initiativen ist offenbar nicht sehr groß. Überlegungen zur Gestaltung und Festlegung von Anpas-sungsmaßnahmen laufen deshalb parallel:

* Im Dezember 2008 beschloss die deutsche Regierung die Deutsche Anpas-sungsstrategie (DAS). Dabei wird vor allem das Konzept der „Vulnerabilität“

benutzt, um die (regional) unterschiedlichen Gefährdungen abzuschätzen112. 110 Wenn aus China darüber berichtet wird, dass die Blütenbestäubung von Menschen mit Q-tips (oder ähnlichen Hilfsmitteln) durchgeführt werden muss, ist dies keine Bagatelle für die GdZ.

111 Ist möglicherweise die in dem Buch „Macht“ (Duve 2016) beschriebene Variante erwä-genswert? Es beschreibt, wie im Jahr 2031 Verschmutzungsguthaben auf Einzelperso-nen verteilt werden: man hat u.a. die Wahl zwischen einer Fernreise und einer Grillparty – oder man muss anderen Personen ihre Verschmutzungsgutscheine abkau-112 Nach Studien des Potsdam Instituts für Klimaforschung (2005) ist Deutschland insbe-fen.

sondere im Hinblick auf Wasser, Skitourismus und Gesundheit „vulnerabel“.

Die EU-Kommission zog 2009 mit einem Weißbuch zur Anpassung an den Kli-mawandel nach113.

* Die Gutachten des IPCC weisen auf die Faktoren hin, die Anpassungsproble-me definieren: wie stark ist eine Region dem Klimawandel ausgesetzt, welche Folgen hat dies, wie groß ist die Bewältigungskapazität (Resilienz)?

* Konkrete Maßnahmen werden auf den Prüfstand gestellt: das Konzept der

„wassersensiblen“ Stadt (z.B. Duisburg) beinhaltet die Suche nach Parkplät-zen als potenziellen Überschwemmungsgebieten für die Bewältigung von Starkregen-Überflutungen – wie sie im Frühsommer 2016 bundesweit zu be-obachten waren.

* Machen grüne Schneisen im Stadtgebiet Sinn, wenn sie den zunehmenden Stürmen zum Opfer zu fallen drohen?

Die Kommunikationen zeigen das Spektrum von gegenwärtigen Dispositionen, die über die Vulnerabilität und die Anpassungsfähigkeit der GdZ (mit-)ent-scheiden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die mit naturwissenschaft-lichen Methoden messbare, insgesamt etwas konkreter „berechenbare“ Zu-kunft in einer stärkeren Reflexion der Situation in der GdZ und ihrer ZuZu-kunft niederschlägt. Die thematische Vielfalt, der instruktive Rückblick auf die Ver-gangenheit und die umfassende Betroffenheit der Gesellschaftsmitglieder, die schon erste Wirkungen der Klimaveränderungen wahrnehmen114, fördert eine breite Beteiligung an der Kommunikation wie an praktischen Handlungen.115.

Exkurs: Massenmedien beobachten den Klimawandel

Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits beschrieben, spielen Umweltthemen auch bei der Beobachtung der (welt)wirtschaftlichen Entwicklung eine wichtige

113 Am 16. April 2013 wurde von der EU Kommission eine EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel vorgestellt. Sie verfolgt drei Ziele: die Förderung von Anpassungsmaß-nahmen in den Mitgliedsländern, die Verbreiterung der Wissensbasis über den

113 Am 16. April 2013 wurde von der EU Kommission eine EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel vorgestellt. Sie verfolgt drei Ziele: die Förderung von Anpassungsmaß-nahmen in den Mitgliedsländern, die Verbreiterung der Wissensbasis über den