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Kapitel 3: Die Gesellschaft der Zukunft

3.3. Bevölkerungsbezogene („Mega“-) Trends

3.3.1 Demografische Entwicklung

In ähnlicher Weise wie bei dem Umweltthema sind die Bevölkerung und ihre Entwicklung als ein besonderes Phänomen der strukturellen Koppelung der Gesellschaft mit ihrer externen Umwelt (Interpenetration) zu bezeichnen. Sie lassen sich nicht einfach „wegkommunizieren“: die Menschen, um die es u.a.

in der GdZ geht, sind überwiegend „schon da“. Im Gegensatz zur Natur kön-nen sie allerdings für sich sprechen. Insofern geht es im Folgenden sowohl um die Menschen als auch um die gesellschaftliche Kommunikation über ihre Zukunftsperspektiven.

3.3.1.1 Trends

Die in Deutschland lebende Bevölkerung, 2016: 82,2 Millionen, wird in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich schrumpfen: 2016 wird ein Minussaldo von Geburten- und Sterbefällen von 188.000 erwartet155. Durch anhaltend ge-ringe Geburtenraten (ca. 1.4 Kinder pro gebärfähiger Frau) und durch steigen-de Lebenserwartungen wird sich die Relation zwischen steigen-den Altersgruppen stark verschieben. Die Gruppe der (potenziell) Erwerbstätigen wird geringer sein als die Gruppe der Nicht-Erwerbstätigen. Die darauf reagierenden Kom-munikationen beziehen sich sowohl auf diverse Rechenmodelle, auf die Fol-genanpassung sowie auf Kompensationsmöglichkeiten – z.B. durch Migration.

„große (und kleine) Erzählungen“ – Narrative einschließlich der Rekons- truktion historischer Entwicklungen

Große Erzählungen sind, wie zu erwarten, an bestimmte Hochrechnungen (s.u.) geknüpft, die zwar als relativ sicher gelten, aber nicht wirklich sicher sind – wie auch die Szenarien zeigen (s.u.). Allerdings sind die großen Er-zählungen nicht von der Präzision der Daten abhängig: oft erscheinen grobe Trendaussagen zunächst als ausreichend.

– Die wichtigste Erzählung bezieht sich auf die Weltbevölkerung der Zukunft.

Nach aktuellen UN-Prognosen werden 2050 9,2 Milliarden Menschen auf

155 Diese Zahlen berücksichtigen nicht die Einwanderung.

der Erde leben – 2,5 Milliarden mehr als heute. Die jüngste Anhebung der Prognose wird mit der steigenden Lebenserwartung begründet. Die „Dra-matik“ dieser Kommunikation ergibt sich zunächst vor allem aus dem Be-zug zur globalen Ressourcen-Lage – insbesondere Land, seltene Rohstoffe, Wasser, Nahrungsmittel. Um den Kollaps zu vermeiden, muss der Lebens-stil weltweit geändert werden. Dabei kommt die Umwelt/Klima-Thema-tik erneut ins Spiel. Neben den Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung sind auch die Proportionen von Belang: der weltweit zunehmende Anteil älte-rer Menschen – u.a. auch in China in der 2. Hälfte des Jhd. Zugleich wird es Regionen geben, wie Subsahara-Afrika, in denen weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter 15 Jahre alt ist.

– Auch bei demografiebezogenen Kommunikationen ist die Technik (Wis-senschaft) von Bedeutung: die Erzählung vom ewigen Leben mit ewiger Jugend. Zu fragen bleibt dabei, ob das nicht nur die Träume der Geldeliten sind – während die Normalbevölkerung schon froh wäre, wenn sie 2050 noch mit einer basalen Gesundheitsversorgung rechnen kann.

– Mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland kann man nicht auf große Erzählungen hinweisen, allenfalls auf „alarmierende“ Ein-zelbotschaften, die an konkrete Hochrechnungen anknüpfen: „die Deut-schen sterben aus“; die Altersarmut in der GdZ wird erheblich sein, d.h.

wir verbrauchen heute die Ressourcen der zukünftigen Generationen; die Alten bestimmen die GdZ: ein Konflikt zwischen den Generationen ist un-ausweichlich; unsere Wirtschaft bricht zusammen: fehlende Arbeitskräfte u.a.m.

Historische Entwicklungen dienen dabei zum Vergleich – z.B. hinsichtlich der Alterspyramide und ihrer Veränderung. Die Einflussfaktoren und die Folgen können ggf. auch aus internationalen Vergleichen abgeleitet werden:

Säuglingssterblichkeit vs. Bildungsgrad der Frauen; Einkindpolitik in China;

Überalterung in Japan. Sie prägen aber nicht die Zukunftskommunikation in Deutschland.

Szenarien (Entwicklungstreiber und Hochrechnungen)

Die Szenarien für Deutschland behandeln die zu erwartenden gesellschaftli-chen Auswirkungen des demografisgesellschaftli-chen Wandels – wobei meist ausgewählte Entwicklungstreiber im Vordergrund stehen. Dabei kommen allerdings auch Zeitperspektiven ins Spiel, die nicht bis in die GdZ (2050) reichen.

– Eine typische Statistik zeigt folgende Hochrechnung: von 2010 bis 2050 schrumpft die Bevölkerung in Deutschland von 81,8 auf 73,6 Millio-nen. Der Anteil der unter 20jährigen sinkt von 18,4 auf 15,6%, der der 20–59-Jährigen von 55,3 auf 45,5 – während der der 60+ Gruppe von 26,3 auf 38,9% steigt.

– Die Betrachtung der absoluten Bevölkerungszahlen, d.h. der Bevölke-rungsschwund, wird häufig mit der räumlichen Verteilung in Verbindung gebracht. Dabei steht der ggf. erforderliche Rückbau von Stadtquartieren und die Entleerung des ländlichen Raums im Mittelpunkt. Ein wichtiges Element ist dabei die Versorgungsinfrastruktur, die reduziert und den ver-änderten demografischen Mustern angepasst werden muss.

– Im Hinblick auf die Wirtschaft geht es einerseits um die Reduktion der Zahl erwerbsfähiger Personen – welche Branchen und Regionen sind be-troffen? Andererseits geht es um die Veränderung der Bedarfssituation der Bevölkerung, die u.a. durch veränderte Konsumentscheidungen zum Ausdruck kommt, die wiederum von der allgemeinen Einkommenslage abhängen wird.

– Die Einkommenslage der älteren Generation ist unter dem Stichwort der zu erwartenden Altersarmut in der GdZ ein eigenes Thema, weil es schon heute politisch-administrative Herausforderungen beinhaltet. Ein weiterer Fokus liegt bei den geringen Kinderzahlen, die in naher Zukunft einen Rückbau der Infrastruktur – von den Entbindungsstationen bis zu den Schulkapazitäten – zur Folge haben könnten. Gewichtiger sind dabei aber auch die weitergehenden mikrosozialen Folgen: Singlehaushalte nehmen zu, Patchwork-Familien nehmen zu, Altsein ohne Unterstützung von Kindern oder ein Enkel und vier Großeltern (Personen) wird häufi-ger. Schätzungen über die Haushaltsgrößen in Deutschland (Statistisches.

Bundesamt 2011) gehen davon aus, dass der Anteil der Single-Haushalte (derzeit 37,2%) bis 2030 auf 41% gestiegen sein wird; rechnet man die 37% Zweipersonen-Haushalte hinzu, so werden nur 22% der Haushalte aus drei und mehr Personen bestehen. In den Stadtstaaten sind es sogar 52%+32% gegenüber 16% Mehrpersonen-Haushalten.

– Die Zunahme der Hochaltrigen sowie die Erhöhung des Mutterschafts-Al-ters156 u.a. führen immer wieder zu Verschiebungen der konkreten (fall-bezogenen) Altersgruppen-Verteilung157. Wie müssen die mikro-sozialen Netze in der GdZ aussehen, um ihre Funktionen der sozialen Inklusion weiterhin zu erfüllen?

– Besonderes Gewicht haben auch die erforderlichen Dienstleistungen für ältere Menschen: die Zahl der Pflegedürftigen wird von heute 2.5 bis 2030 auf 3,4 Millionen und bis 2060 auf 4.5 Millionen ansteigen (Statistisches Bundesamt 2015); durch die längere Lebenserwartung wird ggf. auch die Dauer der Pflegebedürftigkeit deutlich verlängert.

156 Zuletzt angetrieben durch den Vorschlag zum „social freezing“.

157 Früher wurde mit Blick auf diese Aspekte des Lebenszyklus über die „Sandwich-Genera-tion“ gesprochen; in der GdZ geht es dann wohl eher um einen „Trippel-Burger“.

Für die Kommunikationen über die demografische Entwicklung sind die Zahlenreihen praktikabler und weniger zufallsbehaftet als in anderen The-menfeldern. Aber selbst bei den Basiszahlen – Bestand; Nettoreprodukti-onsrate – kann nicht alles als sicher gelten. So könnte z.B. der medizinische Fortschritt die Lebenserwartung sprunghaft drastisch erhöhen; zunehmende Armut könnte dagegenwirken: „wer arm ist, stirbt früher“. Deutlich schwieri-ger sind alle Hochrechnungen und Szenarien dort, wo es um die Folgewirkun-gen in einzelnen gesellschaftlichen Handlungsfeldern geht, denn hier gibt es ggf. zusätzliche oder sogar bisher unbekannte Einflussfaktoren158. Mit ande-ren Worten: kaum ein behaupteter Tande-rend bleibt unwidersprochen.

– „Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sagt einen bun-desweiten Engpass bei technischen Berufen schon im Jahr 2030 voraus, sollten sich die gegenwärtigen Trends fortsetzen. Ein Überangebot dage-gen werde es unter dieser Voraussetzung bei kaufmännischen Dienstleis-tungs- und bei lehrenden Berufen, bei Kaufleuten im Warenhandel sowie bei rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Berufen geben, erklärte das IAB in Nürnberg. Die demografische Entwicklung und die Wirtschafts-struktur in den Regionen gäben dabei die Richtung für die künftige Ent-wicklung des Arbeitskräfteangebots und -bedarfs vor.“ (IAB 2015) Die technologische Entwicklung mit ihren Arbeitsplatz-Effekten ist dabei al-lerdings wohl nicht hinreichend berücksichtigt.

– Neben den Zahlen, die die Erwerbstätigkeit betreffen, stoßen auch Hoch-rechnungen hinsichtlich des Konsumbedarfs – vom Wohnraum über die Gesundheitsdienstleistungen bis zu den Nahrungsmitteln – auf Interesse.

Hier ergeben sich vor allem Verschiebungen. Allerdings steht dies unter dem Vorbehalt von Produktinnovation, Preisentwicklungen, verfügbarem Einkommen und Einkaufsverhalten (online?)– die alles grundlegend ver-ändern könnten.

– Der Hinweis auf die oft unterstellte „Fortsetzung der Trends“ steht also unter Vorbehalt. Dies gilt für die Demografie vor allem mit Blick auf die Migration in Deutschland (Europa) (s.u.).

Zielsetzungen und Dispositionen für die Zukunft

Ansatzpunkte liefern hierfür wiederum die Bestandszahlen und ihre Projek-tionen als auch die damit verbundenen Szenarien. Die meisten Kommunika-tionen richten sich – eher kurz- bis mittelfristig – auf Maßnahmen, die diese Zahlen beeinflussen (könnten): Verlängerung der Erwerbstätigkeit, Einkom-mensentwicklung, Zuwanderung, veränderte Maßstäbe für berufliche Quali-fikation, Regionale Verteilungsstrategien usw. Das Bild der GdZ bleibt dabei 158 Beispielhaft ist die Diskussion über die Zunahme übergewichtiger Menschen: Wird dies

ihre Lebenserwartung verändern?

eine Sammlung von einzelnen Risiken (wie psychische Gesundheit, soziale Isolation, Armut, unbezahlbarer Wohnraum), die die Generation der jetzt 30jährigen (+/-) in die Gesellschaft der Zukunft „mitnehmen“ müsste.

Zielsetzungen für die GdZ in Dispositionen umzusetzen ist schwierig. An-dererseits wären ad-hoc Reaktionen in der GdZ häufig wegen ihrer zeitver-setzten Wirkungen ebenfalls wenig erfolgversprechend. Selbst die Migration (hier: Zuwanderung) scheint für die inzwischen üblich zu werdende „Steue-rung auf Sicht“ wenig wirksam (s.u.). Mit anderen Worten: wenn man schon im Wasser steht, kommt man meist nicht mehr „vor die Welle“. Insofern ist die Kommunikation über Dispositionen am ehesten mit Risikoabschätzungen verknüpft. Dies erfordert eine kontinuierliche Beobachtung – wie hinsichtlich der Einkommensentwicklung und der sozialen Sicherung: wie lassen sich Weichen stellen, um zukünftige Risiken zu mildern? Ein typisches Beispiel ist die Rister-Rente. Angesichts schrumpfender Anteile von sozialversicherungs-pflichtigen Jobs und geringerer Erwerbsquoten in der Zukunft ist sie wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Intensivierung der Schulausbil-dung und Qualifizierung der Jugendlichen eine flankierende Maßnahme. Ein Teil der Kommunikation richtet sich auch auf die Bereitschaft, eine Familie zu gründen, indem die finanzielle Unterstützung (Kindergeld) und die Betreu-ungsinfrastruktur ausgebaut werden (Anspruch auf Kita-Platz). Ideell und fi-nanziell gefördert werden auch neue Wohnformen, die die Unterstützung in den kleinen sozialen Netzen den demografischen Entwicklungen anpassen:

„mehrere Generationen unter einem Dach“.

Zusammenfassend kann festhalten werden, dass die demografiebezogenen Kommunikationen – solange sie eng anhand der Bestandszahlen und ihrer Fortschreibung für Deutschland geführt werden – auf die Situation der GdZ Bezug nehmen können. Im Hinblick auf die Auswirkungen der prognostizier-ten Zahlen auf die Gesellschaft bleiben gleichwohl große Unsicherheiprognostizier-ten und ggf. auch Widersprüche. Dies betrifft individuelle Dispositionen (die ausge-brannte Generation?) ebenso wie die mikrosozialen Netze (die Singlege-sellschaft?) und die Rahmenstrukturen der Wirtschafts- und Sozialsysteme (prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Altersarmut?). Insofern bleiben auch die Versuche, mit Zielsetzungen und Dispositionen hier und heute auf die GdZ gestaltend Einfluss zu nehmen, unsicher und kontrovers.

Dramatische Szenarios spielen vor allem dann eine größere Rolle, wenn die globale Bevölkerungsentwicklung betrachtet wird. Sie bezieht sich u.a. auf Versorgungsfragen vor dem Hintergrund schon jetzt nicht erreichter Millen-niumsziele (2000), auf Klimawirkungen und ggf. auf eine Zunahme der welt-weiten Migration.

Exkurs: Massenmedien beobachten die demografische Entwicklung Das Thema Demografie gehört nicht zu den wichtigsten Zukunftskommunika-tionen in den Massenmedien. Sie überschreiten am ehesten dann die Aufmerk-samkeitsschwelle eines breiteren Publikums, wenn einzelne Szenarios – wie die befürchtete Altersarmut – vermeintlich oder faktisch schon jetzt zu Entschei-dungen veranlassen. Aufmerksamkeit erzeugen auch Konflikte – z.B. zwischen den Babyboomern, die die Ressourcen der nachfolgenden Kohorten (Genera-tion Y u.a.) verbrauchen. Auch die unterschiedlichen Interessenpositionen von jungen Familien und Alten gehören dazu – was u.a. in der Diskussion über ein Familienwahlrecht zum Ausdruck kommt. Dies kann auch einen Bias der Be-richterstattung zur Folge haben, weil die jungen Altersgruppen kaum noch die „klassischen“ Medien (Zeitung, Fernsehen) nutzen. In den Medien treten neben Demografie –„Experten“ auch Interessenvertreter in Erscheinung, die schon jetzt Auswirkungen der demografischen Entwicklung beschreiben. Dies gilt beispielsweise für die Kommunikation über die Auswirkungen auf regio-nale Arbeitsmärkte, in denen z.T. schon jetzt die Jungerwachsenen als Träger der Wirtschaftsentwicklung hin zur GdZ fehlen. Hier zeigt sich z.T. erneut der Medien – Wirtschafts-Konnex. An dieser Stelle besteht der „Blinde Fleck“ der medialen Beobachtung in der Betonung von Wirtschaftsinteressen an Fachkräf-ten – obwohl es auch um die Lebensbedingungen der Menschen (Inklusion) und ihre primär-sozialen Netze geht.

Eine möglicherweise bedeutsamere Filterfunktion besteht bei der Beob-achtung der Bevölkerungsentwicklung als Bestandteil der Nutzung von Ver-breitungstechnologien und den damit transportierten Inhalten: eine sich selbst bespiegelnde Singularitäten-Generation wäre für viele der derzeit üblichen me-dialen Kommunikationen nicht (mehr) erreichbar. Insofern ist die Beobachtung der medialen Kommunikationsbeteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen ein wichtiger Filter für entsprechende zukunftsbezogene Themen. Am Ende könnte auch eine grundlegende Trennung des Mediensystems – eines für die Jungen und eines für die Alten – die GdZ prägen159.

159 Dazu passt die Einlassung des EU-Kommissars Oettinger in einer Veranstaltung in Essen (Politisches Form Ruhr am 4. 4. 2016), der einerseits für eine Digitalisierungsoffensive in der EU wirbt, den Eltern aber zugleich empfiehlt, ihren Kindern ein Zeitungsabo zum Geburtstag zu schenken.

3.3.1.2 Beobachtungskommentar (Schwerpunkt Inklusion)

(a) Diagnostische Elemente: die impliziten und expliziten Bezüge zu der sys-temtheoretischen Argumentation

* Ähnlich wie bei den bisher untersuchten Trends sind bei dem Thema De-mografie vor allem implizite Bezüge zur systemtheoretischen Argumentati-on zu finden. Deutlicher sichtbar sind allerdings die verschiedenen Ebenen sozialer Systembildung. Der Blick auf die Bevölkerung rückt zumindest zu-nächst die Bestände an Personen in den Fokus, die strukturell mit den Funkti-onssystemen gekoppelt sind (Interpenetration). Dabei wird zunächst auch die räumliche Differenzierung deutlich markiert: als Grenzziehung für Personen, die dazugehören und die nicht dazugehören (z.B. Familien, Stadtbewohner-Innen, StaatsbürgerInnen). Die Weltbevölkerung als Gesamtheit der natür-lichen (menschnatür-lichen) Umwelt der Funktionssysteme zu betrachten, bleibt dabei – aus vielen Gründen – eine Randerscheinung. Das globale Wachstum (auf 9–10 Milliarden) spielt gleichwohl eine Rolle, wie auch die regionalen Unterschiede von Wachstum und Schrumpfung und die Auswirkungen auf Wanderungsbewegungen usw. Viele Kommunikationen fokussieren die mit den quantitativen Unterschieden und den zu erwartenden Veränderungen verbundenen Kontroversen und Konflikte, in die auch Deutschland eingebun-den ist: Menschenrechte, „westliche Werte“, Ressourcenverteilung, Migration u.a. Diese Vielfalt legt es nahe, das Thema Demografie auf die auf Deutschland bezogenen Kommunikationen zu konzentrieren.

* Dabei wird sichtbar, dass die Bevölkerungsentwicklung eine Vielzahl von Referenzen auf die ausdifferenzierten Funktionssysteme der Gesellschaft aufweist. Mit anderen Worten: Die Inklusion wird zumindest indirekt zum wesentlichen Element der Zukunftskommunikation. Einerseits werden die zahlenmäßigen Veränderungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und ihre Verflechtung beobachtet: Wie entwickelt sich die Altersschichtung? Kann die zunehmende Pflegebedürftigkeit bewältigt werden, wenn die Kinderzahl weiter abnimmt? Werden die Alten durch ihre Luxusreisen u.ä. die Ressour-cen der nachfolgenden Generationen verzehrt haben? Andererseits wird bei den Funktionssystemen angesetzt: Wie kommt das Erziehungssystem mit der abnehmenden Kinderzahl zurecht? Wird die Wirtschaft in der GdZ durch Fachkräftemangel abstürzen? Sind die traditionellen Massenmedien am Ende, wenn die „Digital Natives“ das Sagen haben? Was passiert mit dem Politiksys-tem, wenn sich die jüngeren Generationen nicht für die Gestaltung des Gesell-schaftssystems interessieren?

* Die zukunftsbezogenen Kommunikationen behandeln auch die Frage, wie die Funktionssysteme die Menschen inkludieren: was machen sie mit ihnen? Man denke an die Diskussion über Inklusion behinderter Kinder im

Erziehungs-system oder der Kampagne „Wir lassen kein Kind zurück“ (NRW); es geht um

„worklife-balance“ und gegen ständige Erreichbarkeit, um Wirtschaftsethik oder social compact, um Burnout, Klassenmedizin, die Kluft zwischen Armen und Reichen usw. Diese Ambivalenzen werden oft als Kontrast von bevölke-rungsbezogener Gemeinwohlorientierung und der Durchsetzung von funktio-nalen Spezialinteressen beschrieben.

* Die mediale Darstellung der gesellschaftlichen Herausforderung erfolgt vor allem über das Stichwort „Integration“; oder auch: was geschieht mit den Men-schen, die aus allen Systemen exkludiert werden? Andererseits gilt es zu be-obachten, wie die Funktionssysteme die primär-sozialen Netze beeinflussen.

Da in den Funktionssystemen die Kommunikation überwiegend im Rahmen organisierter Sozialsysteme stattfindet, geht es also auch um das Verhältnis von sekundären (organisierten) zu primären (einfachen) Sozialsystemen:

oder praktisch ausgedrückt: wie gehen Organisationen mit den Menschen, mit den Familien um?

(b) „Therapeutische“ Elemente: die Gestaltungsüberlegungen für die Gesell-schaft der Zukunft und ihre potenzielle Wirksamkeit

* Die zuvor beschriebenen „diagnostischen“ Aspekte der demografischen Entwicklung haben gezeigt, dass sie ein wichtiger Bezugspunkt der Zukunfts-kommunikation sind, und dass sie ein extrem komplexes Bild ergeben – weit differenzierter, als die üblichen Datenreihen des quantitativen Bevölke-rungsbestandes in der GdZ sichtbar werden lassen. Zugespitzt ausgedrückt handelt es sich um die Vielfalt der Individuen in Relation zu überschaubaren gesellschaftlichen Architekturen – eben den Funktionssystemen. Oder anders formuliert: Die vermeintlich zuverlässigen Angaben über die Zahl und die al-tersmäßige Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung sind allenfalls die Folie, auf der Lebenssituationen und Gesellschaftsarchitekturen in der GdZ projiziert werden (können).

* Die Diskurse über „Therapien“ setzen i.d.R. nicht direkt bei den Quantitä-ten an. Dafür müsste erörtert werden, ob eine bestimmte Bevölkerungszahl (mit der verbunden Bevölkerungsdichte) für die GdZ erstrebenswert ist und warum eine Alters-Pyramide in Zukunft besser ist, als andere Verteilungs-muster von Altersgruppen. Dies müsste dann zu entsprechenden Anreizen für höhere Geburtenraten, ggf. für bessere Vereinbarung von Familie und Beruf oder für Zuwanderung junger Menschen führen. Tatsächlich werden die An-forderungen an die Demografie der GdZ aber von den Funktionssystemen her gedacht: besonders sichtbar mit den Projektionen des zukünftigen Arbeits-kräftebedarfs für das Wirtschaftssystem. Zugespitzt kann man sagen, dass die Eigenlogik dieses Systems (incl. Wachstum, Globalisierung etc.) auch die Ziel-setzungen für die GdZ dominiert. Insofern sind Erhöhung des Rentenalters,

Arbeitskräftemobilität in der EU ebenso wie Konzepte zur Einwanderungspo-litik typische Perspektiven. Im Hinblick auf die PoEinwanderungspo-litik wird erörtert, wie eine einseitige Berücksichtigung der Interessen älterer Menschen begrenzt wer-den kann160. Dabei wird aber auch die Interdependenz der Funktionssysteme angesprochen, denn die Lebens-Mittel der Älteren (Renten etc.) hängen u.a.

von einer leistungsfähigen Wirtschaft ab. Ob die schon jetzt prognostizierten Einbußen im Alterseinkommen in der GdZ kompensiert sein werden, ist bes-tenfalls unklar.

* Trotz der Vielzahl von Kommunikationen zur zukünftigen Demografie in Deutschland, wird der Komplexität und Kontingenz im Verhältnis von Ent-wicklungen der Funktionssysteme und der Inklusion der Bevölkerung nur in geringem Maße Rechnung getragen. Dies gilt vor allem dann, wenn andere, aber grundlegende Entwicklungen unberücksichtigt bleiben: wie z.B. die Ent-wicklung der (Digital-)Technik und die zu erwartende Migration.

* Mit der Bezugnahme auf die Weltgesellschaft bzw. die Weltbevölkerung kommen weitere Herausforderungen auf die GdZ zu. Globale Entwicklungen wie das Bevölkerungswachstum und die damit einhergehende Ressourcen-verknappung und der Notwendigkeit, die Lebens-Mittel zu teilen161 sowie die Flüchtlingsbewegungen etc. signalisieren die Notwendigkeit „vor die Welle“162 der Entwicklung zu kommen – es sei denn man bleibt bei der Auffassung, dass auch hier der „Crash“ die Lösung für die GdZ ist.