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Kapitel 3: Die Gesellschaft der Zukunft

3.1 Einführung in die Beobachtungsstrategie

3.1.2 Formate der Kommunikation

Die hinsichtlich der Zukunftskommunikation beobachteten Verbreitungs-medien und –formate sind – dem Gegenstand angepasst – häufig eher um-fangreichere Kommunikationsbeiträge: Bücher, längere Zeitungsbeiträge, Hintergrunds-Sendungen im Fernsehen, Internetkommentare und Dokumen-te etc.65 Die Gliederung der Darstellung orientiert sich zunächst an den Kom-munikationsinhalten, das heißt an den sechs thematischen Schwerpunkten.

Die interne Sortierung erfolgt dann jeweils nach den Formaten des Inhalts:

von abstrakt/umfassend bis konkret/kleinteilig. Die Auswahl der Beispiele soll vor allem die Vielfalt der Inhalte und Formate abdecken.

Die wichtigsten Formate sind:

„große (und kleine) Erzählungen66“ – Narrative einschließlich der Rekonst-ruktion historischer Entwicklungen

Die gegenwärtigen Kommunikationen verknüpfen die Vergangenheit mit der Zukunft, indem sie ständig neue Vergangenheit herstellen. Je weiter der Rück-bezug reicht, desto langfristiger wird oft auch in die Zukunft „geschaut“. Ein ty-pisches Element sind die „großen“, das heißt lange Zeiträume umspannenden Erzählungen (Narrationen). Sie stellen oft Vereinfachungen dar und umgehen detaillierte Begründungen. Rückwärts gewandt legitimieren oder delegitimie-ren sie die Entwicklung, zeigen falsche Entscheidungen und nicht eingetroffe-ne Voraussagen auf, um die offensichtliche Fortsetzung des Bewährten oder die zu erwartende Krise („Zeitenwende“) zu thematisieren.

65 Kleinteilige Kommunikationen – wie Mails, Tweets, Posts u.ä. bleiben i.d.R. unberücksich-tigt – da sie sich vor allem auf Aktualitäten und nicht auf Zukunft beziehen, sehr kurz und oft unverständlich sind und teilweise nicht zu erkennen geben, wer dabei welche Infor-mationen verwendet und verbreitet. Insofern sind die Bedingungen von anschlussfähiger Kommunikation vielfach ungeklärt.

66 Der Begriff (große) Erzählung oder „Narration“ (auch Narrative) wird inzwischen für ver-schiedenste Kommunikationszusammenhänge verwendet. Selbst bei der Übermittlung von Einzelinformationen, aber besonders bei allen Interpretations- und Erklärungsver-suchen ist Sachgerechtigkeit und Authentizität kaum zu begründen. Der Fakten-Check, das Schimpfwort Lügenpresse, die mediale Staatspropaganda usw. verstärken die Ten-denz, alle medial vermittelten Kommunikationen als „Geschichten“ im Sinne von „Legen-den“ zu kennzeichnen. Mit einem solchen Vorgehen besteht allerdings die Gefahr, dass die vorhandenen Unterschiede „eingeebnet“ würden. Das wäre für die folgende Analyse aber schädlich, denn es erschwert eine differenzierte Analyse und kritische der Zukunftskom-munikation. Deshalb werden hier verschiedene Darstellungsformen bewusst getrennt bearbeitet.

Szenarien der Entwicklungstreiber (Hochrechnungen und Spekulationen) Kommunikationen über Szenarien sind meist enger geführt, haben häufig einen spezifischen Fokus, indem sie einzelne Entwicklungstreiber in den Mittelpunkt rücken. Gleichwohl sind auch komplexe Szenarien nicht ausge-schlossen – und sogar besonders instruktiv; sie signalisieren eine Kenntnis über wichtige Wirkungszusammenhänge. Im Unterschied zu eng geführten Hochrechnungen wird dabei häufig mit verschiedenen Annahmen gearbeitet, was zu einem Spektrum von Zukunftsmodellen führen kann. Dabei werden Datenbestände präsentiert und kommentiert, die häufig auch auf bisherige Entwicklungsindikatoren Bezug nehmen. Nicht selten werden damit explizit oder implizit auch große Erzählungen einbezogen, weil die Auswahl der Da-ten(reihen) einer Begründung bedarf. Trotz der Komplexität des Zukunftszu-gangs bleiben sie der Kontingenz des „möglich aber nicht sicher“ ausgesetzt.

Zielsetzungen (zeitbezogen) und Dispositionen für die Zukunft (GdZ) Hiermit sind Zielprojektionen für die Gesellschaft der Zukunft gemeint: da-bei geht es allerdings nicht immer um die hier hervorgehobene Zielprojektion (2040/50)67; möglich ist also ebenso das Thema „Die Welt 2025“ u.ä. Mit den Zielsetzungen sind oft auch Dispositionen für die Zukunft verbunden, die auch konkrete Entscheidungen zum Gegenstand haben (können). Derartige Projek-te beziehen sich i.d.R. auf eng definierProjek-te Handlungs- oder Entscheidungsfelder und sind teilweise direkt mit Jahreszahlen versehen68. Die darin enthaltene Kontingenz, oft auch als „Belastbarkeit der Aussage“ bezeichnet, wird i.d.R.

am schnellsten durch die Gegenwart sichtbar.

Diese Aufteilungen sind nicht immer trennscharf, dienen zunächst vor allem der Themensammlung bzw. -sortierung. Dies gilt auch für den Verweis auf markante Rollen der beteiligten Akteure – als Kommunikatoren, meist jen-seits der „durchschnittlichen“ Alltagsmenschen aus Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft. Weit überwiegend sind sie in organisierten Sozialsyste-men verankert, durch die ihre Rolle als Kommunikationsbeteiligte wesentlich (mit)bestimmt ist. Dabei können konkrete Personen durchaus mehrere der u.a. Rollen ausüben. Auch hierfür gilt, dass die Themensichtung ein möglichst breites Spektrum von Kommunikatoren-Rollen berücksichtigen und ggf. in ih-ren Besonderheiten beschreiben soll.

● JournalistInnen mit der zentralen Beobachterrolle (2. Ordnung) und Ver-mittlungsrolle, die gleichzeitig auch andere Kommunikatoren-Rollen inne-haben können.

67 Z.B. Reduktion von CO2 Emissionen um xx Prozent im Vergleich zum Referenzjahr yy.

68 Z.B. Rückzahlungsplan für Kredite, die an Griechenland vergeben werden; PPPs mit einer dreißigjährigen Laufzeit; der Klimaschutzplan für Deutschland adressiert 2050.

Verantwortliche (Entscheidungsträger)

Personen – meist Mitglieder in organisierten Sozialsystemen –, deren Kom-munikationen insofern Beachtung finden, weil unterstellt wird, dass sie zu-kunftsbezogene Entscheidungen beeinflussen können.

ExpertInnen

Personen – meist Mitglieder in Forschungs- und Beratungsorganisationen –, deren Erklärung von Sachzusammenhängen besondere Bedeutung beigemes-sen wird.

LobbyistInnen

Personen, die im Interesse bzw. im Auftrag bestimmter Interessen(ten) in

„fremden“ Funktionssystemen und Organisationen die Kommunikationen zu beeinflussen versuchen.

Watchdogs

Personen, die Beobachtungsfunktionen mit Bezug zu Systemen der sozialen Umwelt wahrnehmen. Dies kann förmlich organisiert sein, aber auch infor-mell (spontan) entwickelt werden.

(Potenziell) Betroffene

Personen, die aus erwarteten Zukunftsentwicklungen markante Folgen für sich und/oder ihre primär-sozialen Netze, oder auch für ihre Organisation ab-leiten: potenzielle Gewinner, potenzielle Verlierer.

Whistleblowers

Personen, die über als „geheim“ angesehene organisationsinterne Kommu-nikationen berichten: Dies kann anonym erfolgen, spontan oder auch gezielt arrangiert sein.

KabarettistInnen

Personen, die sehr pointierte, oft kritische Positionen in spezifischen,

„kurzweiligen“ Formaten präsentieren.

ZweifelstreuerInnen

Personen, die gezielt bestimmte, meist dominierende Kommunikationsele-mente (Daten, Thesen etc.) in Zweifel ziehen. Die Themen sind zwar meist vergangenheits- oder gegenwartsbezogen, können aber zukunftsbezogene Entwicklungen beeinflussen69.

PropagandistInnen

Personen, die spezifische, oft falsche Botschaften „aus Überzeugung“ verbrei-ten. Sie appellieren vor allem an normative, moralische Einstellungen und

69 Typische Beispiele: „Rauchen ist nicht schädlich“; „Es gibt keinen Klimawandel“.

Bewertungen. Auch hier können – ggf. sogar anonyme – Einzelpersonen oder spezialisierte Organisationen70 agieren.

VerschwörungstheoretikerInnen

Personen, die komplexe (meist falsche) Geschichten bewusst konstruieren.

Sie sind vor allem an den kognitiven Dispositionen der Kommunikationsad-ressaten ausgerichtet.

● und ggf. weitere

Diese Rollen werden nicht systematisch beschrieben, sondern sind als Bei-spiele unterschiedlich (häufig) präsent. Sie prägen z.T. Art und Inhalt ihrer Kommunikationsbeteiligung. Vor allem die drei zuletzt beschriebenen Rollen werden durch die Tatsache befördert, dass man über die Zukunft nichts Prä-zises sagen kann. Sie füllen somit sogar Rollen aus, die schon eine sehr lange Tradition haben (vgl. z.B. Nostradamus).

3.1.3 Systemtheoretisch angeleitete Kommentierung