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Trennung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit

4. Legitimation von Bewertungen

4.8. Trennung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit

Mit der Separation von Kopf- und Handarbeit befassen sich verschiedene ökonomie-theoretische Konzepte. Zuerst wird auf die marxistische Perspektive eingegangen, dann auf die marktwirtschaftliche, sodass die Auswirkungen von verschiedenen Seiten betrachtet werden können, um eine etwaige Einseitigkeit zu vermeiden.

Der Erkenntniskritiker Alfred Sohn-Rethel70 (1899-1990) sieht die Trennung der Kopf- und Handarbeit als nichts Geringeres als eine Ursache für die Klassenspaltung an:

„Die Scheidung von Kopf und Hand stimmt aufs engste mit der Klassenscheidung der Gesellschaft zusammen.“ (Sohn-Rethel 1970, 20)

Denn eine wirklich klassenlose Gesellschaft würde eine Einheit von Kopf- und Handarbeit voraussetzen, wie auch Marx argumentierte. Bei der Arbeit würden dann Hand und Kopf voneinander geschieden, wenn sie unter fremder Zwecksetzung geschehe. Sohn-Rethel (ebd., 22ff.) bemerkt weiters, dass die kapitalistische Produktionsweise neben dem ökonomischen auch ein intellektueller Prozess sei.

Kopfarbeit basiere auf Handarbeit – letztere schaffe Dinge, und erstere betrachte jedoch nur die Erscheinung davon. Letztlich sei es der Verdienst der „reinen Mathematik“ und der „reinen Naturwissenschaft“ (ebd., 43), dass körperliche Arbeit nicht gebührend gewürdigt werde, da diese nun scheinbar unabhängig davon, mittels bloßer theoretischer Vernunft, vorgenommen werden könne. Nicht zuletzt Kant (ebd.) weise darauf hin, dass es in der Natur des menschlichen Geistes liege, seine Arbeit unabhängig und getrennt von der körperlichen Arbeit verrichten zu wollen und so werde der Geist autonom. Der steigende Gebrauch der Vernunft führe zu zusätzlichen gesellschaftlichen Notwendigkeiten (Moral, Recht, geistiger Fortschritt). Sohn-Rethel ist der Ansicht, dass es Kant letztlich verborgen geblieben sei, dass der sich von allem Körperlichen unabhängig gemachte autonome Geist zur Klassenscheidung gegenüber den arbeitenden Ständen beigetragen habe. (ebd., 44).

70 Die theoretischen Konzepte Alfred Sohn-Rethels sind in der akademischen Lehre wenig beachtet, da sein Ansatz im Wissenschaftsbetrieb in doppelter Hinsicht nicht beliebt ist: Einerseits eine sich frei und unabhängig dünkende Wissenschaft mit ihren Abhängigkeiten von gesellschaftlichen Faktoren zu konfrontieren, andererseits sich mit dem Marxismus, welcher allgemein tabuisiert wird, zu befassen.

Sohn-Rethel hat seine Überlegungen zu körperlicher und geistiger Arbeit in eine Theorie der Warenabstraktion (basierend auf Marx) eingebettet, welche an dieser Stelle nicht näher beleuchtet wird.

Darüber hinaus hänge, so Sohn-Rethel (ebd., 82ff.), die geistige Arbeit mit der theoretischen Erkenntnis, welche Gültigkeit, also einen Wahrheitsgehalt für sich beansprucht, zusammen, und beide sind einer gesellschaftlichen Klassenbindung zuzuordnen. Die sogenannte theoretische Erkenntnis sei das Kernstück der von Körperlichkeit geschiedenen geistigen Arbeit. Mit dieser werde der Mensch erst mündig bzw. gewinne er erstmalig selbständige intellektuelle Urteilsfähigkeit.

Mündigkeit sei somit das Produkt eines Denkens.

Bedeutsame unterschiedliche Auswirkungen sieht Sohn-Rethel (ebd., 85ff.) einerseits in der Handarbeit, welche als individuell gelte, im Vergleich zur Geistesarbeit andererseits, welche als gesellschaftlich betrachtet werde. Ein Wissenschaftler erforsche beispielsweise etwas, was gesellschaftlich gesehen für alle wahr und gültig sei. Ein Handarbeiter dagegen könne genau jenen individuellen Bruchteil, den er leistet, in der gesellschaftlichen Gesamtarbeit beitragen. Jedoch leiste der Geistesarbeiter seine gesellschaftliche Arbeit bloß in seiner individuellen Denktätigkeit, deshalb trüge der Schein und die Geistesarbeit werde unangemessen bewertet. Abstrakte Prinzipien würden so als universelle Allgemeinheit angesehen und als Ergebnis würde die Person in totale Selbstverfremdung und –verzauberung münden. Deshalb müssten geistige und körperliche Arbeit zu einer Einheit gelangen, damit durch das Zusammenfallen von Theorie und Praxis diese Erkenntnis weichen und Wahrheit eintreten könne. Die Menschheit gelange dann zur Vernunft, wenn die Scheidung der geistigen von der manuellen Arbeit verschwinde. Um dies zu bewerkstelligen, sei – schwierig genug – eine Veränderung der geschichtlichen Ebene des gesellschaftlichen Seins notwendig.

Die Arbeitsteilung, welche insbes. Marxisten als Wurzel der Ungleichheit sehen, wird von den ökonomischen Vertretern der Marktwirtschaft als effizient und vorteilhaft betrachtet. Frederick W. Taylor (1913, 8ff.) setzt im Bereich der Gestaltung von Arbeitsorganisationen bei Fabriken neue Maßstäbe, indem er handwerkliche Arbeitsvollzüge rationalisiert. Der amerikanische Ingenieur und Gründer der Ford Motor Company Henry Ford (1863 – 1947), der die Fließbandarbeit im Autobau perfektionierte, entwickelte Taylors Ansatz weiter und setzte konsequent auf

Rationalisierung durch Maschinisierung.71 Taylor optimierte mit Händen verrichtete Arbeitsabläufe wissenschaftlich, während Ford diese durch Maschinentätigkeit ersetzte, da eine Maschine diese „genau so gut, ja gewöhnlich besser (…) verrichten“

könne (vgl. Ford 1965, 269). Inzwischen sind diese Ansätze bei vielen Unternehmenskonzepten die Grundlage, wobei nun auch teilweise menschliche Eigenschaften berücksichtigt werden. Es ist zu erwähnen, dass der Industriesektor bzw.

jeder andere Sektor, in welchem es Fließbandarbeit gibt, grundsätzlich auf den Errungenschaften Fords fußt.

Hier wird die These vertreten, dass die Tatsache der Arbeitsteilung sich auf die Wertigkeit der Arbeit auswirkt. Daher setzt sich dieses Kapitel nun mit der Entstehung, den Merkmalen und den Folgen der Arbeitsteilung seit der Industrialisierung im 19.

Jahrhundert auseinander.

Frederick Winslow Taylors „wissenschaftliche Betriebsführung“ (1913, 8ff.) zielt auf Versachlichung, Über- und Durchschaubarkeit von Organisationen ab. Er trennt die Organisation aus dem historischen und gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang heraus und erforscht Gesetzmäßigkeiten. Nicht mehr die Persönlichkeit hat erste Priorität, sondern an diese Stelle treten die Organisation und das System. Somit erhalten die Arbeitenden ihre Legitimation, indem sie als Teileinheiten dem übergeordneten System zuarbeiten, daher treten Eigeninteressen oder Eigen-bedürfnisse in den Hintergrund. So kann ein reibungsloses Funktionieren des Ganzen besser sichergestellt werden. Jegliche Abweichung seiner arbeitsökonomischen Grundsätze kommentiert Taylor abfällig und stellt diese als unerwünscht bzw. als (Menschen-, Material- und Verhaltens-) Schrott dar. Er setzt sich für die

„ökonomischste Ausnutzung aller Werte der Nation“ (ebd., 1) ein und jeglicher unsinniger Umgang mit Werten soll vermieden werden, wie er es in der Realität festgestellt hat. Als Werte definiert er die menschliche Arbeitskraft, deren Instrumente sowie natürliche Ressourcen. Er warnt vor dem Dahinschwinden der Wälder und dem Vergeuden der Wasserkräfte, nicht etwa wegen ökologischer Gründe, sondern

71 Was aus dieser Perspektive als wünschenswert erscheint, würde sich bei Marx ins Gegenteil verkehren. Taylors Organisationsrationalisierung verhilft einerseits zu einer Steigerung der absoluten Mehrwertproduktion, was andererseits als intensivere Ausbeutung der Arbeitskraft verstanden wird.

vielmehr im Sinne dessen, dass man mehr herausholen und diese besser nutzen könnte. Schwerer zugänglich im Erfassen von Vergeudung sei die menschliche Arbeitskraft, denn man sehe nicht direkt, ob bzw. dass diese vergeudet werde. Dieser Leerlauf beispielsweise berge höhere Verluste als die Verschwendung materieller Ressourcen. (vgl. ebd., 2ff.)

Taylors Anliegen ist es, das Verhältnis zwischen aufgewendeter Arbeit und erzieltem Ergebnis zu optimieren. Er verfolgt das Ziel, die nationale Leistungsfähigkeit zu erhöhen, indem Kosten durch Steigerung der Arbeitsleistung gesenkt werden – über alle Hierarchieebenen sowie durch alle Schichten und Klassen hindurch. (vgl. ebd.) An Ursachen, woran das System krankt, zählt Taylor die menschliche Bequemlichkeit als die größte Unartigkeit auf, er begreift die Trägheit als Naturgesetz, das vor allem auf den Charakter des Arbeiters zuträfe. (vgl. ebd.)

Außerdem ergebe sich die Leistungszurückhaltung aber auch „durch eigenes Nachdenken“ (ebd., 12), das zu einem zweckmäßigen, im eigenen Interesse liegenden langsamen Arbeiten führe. Taylor definiert die zuletzt genannte Ursache als

„systematisches Sich-Drücken“ (ebd.) und kann eine Gegenmaßnahme dafür vorschlagen: Da hier keine natürliche Unzulänglichkeit wie bei der menschlichen Bequemlichkeit zugrunde liegt, sondern da das „systematische Sich-Drücken“ als ein Fehler im System zu begreifen ist, gilt es, diesen zu korrigieren.

Zu Störungen, die die methodische Betriebsführung auf wissenschaftlicher Grundlage lt. Taylor hemmen, zählt schließlich auch der soziale Unfrieden, wobei er neben Arbeitnehmern auch „selbstsüchtige und egoistische“ Unternehmer zählt, „denen es nur um die Vermehrung ihres Kapitals geht, denen eine rationale Erzeugung von Gütern im Grunde gleichgültig ist“ (vgl. Volpert 1977, XIV).

Taylor hält den rationalen, sauberen Organisationsablauf für möglich und lenkt die Perspektive von Interessensgegensätzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hin zu einer grundsätzlichen Interessensharmonie, denn alle Beteiligten sitzen letztlich doch, metaphorisch gesprochen, im selben Boot. Er versucht, den größten Wunsch des Arbeitnehmers nach höherem Lohn und den des Arbeitgebers nach reduzierten Herstellungskosten seiner Waren gleichzeitig zu erfüllen. Tatsächlich bezahlt der Arbeitnehmer den höheren Lohn mit einer Intensivierung seiner Arbeitsleistung,

jedoch Taylor antwortet auf diesen Umstand dahingehend, dass sein System die Arbeitstätigkeit vereinfache und erleichtere. (vgl. Bardmann 1994, 272)

Daneben nennt Taylor (1913, 150ff.) noch einen weiteren Aspekt für den Leistungsrückstand, welcher auf sachlichen Mängeln gründet: die mangelhafte Logistik der Arbeitsorganisation müsse sich hin zu einer ökonomischen Form der Arbeitsverausgabung wandeln, mithilfe von Zeit-, Bewegungs- und Arbeitsplatz-studien. Die Arbeitsverausgabung solle kraftsparend erfolgen, hierfür sollen nur mehr notwendige Bewegungen einerseits und geeignete Geräte und Werkzeuge anderer-seits im Arbeitsprozess vorhanden sein.

Taylor sieht die Arbeitsoptimierung im Zuständigkeitsgebiet der Wissenschaft angesiedelt, mit ihr solle die „wirre Masse von Faustregeln und ererbten Kenntnissen“

(ebd., 33) durch eine mustergültige Methode ersetzt werden, mit der das System klar und durchschaubar werde. Die Verwaltung dieses optimierten Systems soll lt. Taylor den Leitern obliegen und außerdem sollen sie herausfinden, „was man jahraus, jahrein täglich von einem Arbeiter erwarten kann, ohne daß er dabei körperlichen oder seelischen Schaden erleidet“ (ebd., 58).

So kam es, dass Arbeitsstellen in Arbeitsbüros eingerichtet wurden, deren explizite Aufgabe es war, dass das Arbeitsbüro für den Arbeiter sein tägliches Arbeitspensum festlegte und nach getaner Arbeit abglich, ob der Arbeiter sein Soll für diesen Tag erfüllt hatte. (vgl. Bardmann 1994, 274)

„Mit der Einrichtung von Arbeitsbüros ist Arbeit in Hand- und Kopfarbeit geteilt.“

(Bardmann 1994, 274)

Arbeitsteilung erfordert Koordination. Die Übertragung des Wissens über den Arbeitszusammenhang wurde vom Arbeiter entzogen, indem es auf die Leitung bzw.

deren Vertretern übertragen wurde. Diese Wissensumverteilung würdigt Taylor als notwendig und er hält sie für gerechtfertigt. Darauf gründet sein Prinzip der Trennung von Hand- und Kopfarbeit. Taylor sieht jemand für eine Arbeit gleichzeitig als ungeeignet an, ein hinter dem Arbeitsvorgang stehendes komplexes System für die Arbeitsplanung – eventuell anknüpfend an den Gedanken Platons – zu verstehen:

„Ein Mann, der sich in dem Beruf eines Roheisenverladers auf die Dauer wohl fühlt, muß natürlich geistig sehr tief stehen und recht gleichgültig sein. Ein aufgeweckter, intelligenter Mann ist deshalb ganz ungeeignet zu einer Arbeit von solch zerreibender Eintönigkeit. Der Arbeiter, der sich am besten hierfür eignet, ist deshalb nicht imstande, die theoretische Seite dieser Arbeit zu verstehen“ (Taylor 1913, 62)

Taylor spricht somit jedem, der körperlich anstrengende Arbeiten gut verrichten kann und nicht alles gleichzeitig theoretisch hinterfragt, geistige Fähigkeiten ab. Deshalb solle es auch Verwalter der Theorie geben, die bestimmen, wie Arbeiter ihre Tätigkeit am besten ausführen sollen.

„Den Leitern fällt es z. B. zu, all die überlieferten Kenntnisse zusammenzutragen, die früher Alleinbesitz der einzelnen Arbeiter waren, sie zu klassifizieren und in Tabellen zu bringen, aus diesen Kenntnissen Regeln, Gesetze und Formeln zu bilden, zur Hilfe und zum Besten des Arbeiters bei seiner täglichen Arbeit.“ (Taylor 1913., 38)

Da die Arbeiter/innen fortan kein Wissen über den Gesamtzusammenhang ihrer Arbeit mehr besitzen, weil es sukzessive auf das Arbeitsbüro übertragen wurde und die Arbeit selbst mitunter gestückelt wurde, argumentiert Taylor weiter, dass Arbeiter nicht dazu fähig wären, einen Über- und Durchblick über die Arbeit zu bewahren. (ebd.)

Die Rationalisierung hatte in vielen einzelnen Arbeitsschritten zu erfolgen, welche Taylor veranlasste. Auf die sorgfältige Auslese von geeigneten Leuten, welche über eine passende physische Konstitution verfügten, wurde dabei genauso geachtet wie auf die Anpassungswilligkeit. Diese Auslese erhob er zu einem permanenten Unterfangen, und bei unzufriedenstellender Leistungsfähigkeit, welche durch andauernde Überwachung und Kontrolle analysiert wird, sei die Person zu versetzen oder entlassen. Es erfolgte außerdem eine genaue Vorschreibung, wie die Arbeiter/innen ihre Handgriffe, Bewegungen und Arbeitsgeräte ausführen sollten und es gab die Vorschriften, zu einer gewissen Zeit Pausen zu machen und, auch genau vorgegeben, die Arbeit wieder aufzunehmen. So solle es schließlich gelingen, nutzlose Bewegungen zu vermeiden und einfache, zeitsparende Handgriffe zu tätigen. Dazu veranlasst Taylor, jeden Arbeitsvorgang in kleine Teile zu fragmentieren und Beobachter sollen jeden Handgriff studieren. Auf diese Weise würden die besten Methoden entwickelt und diese für so lange gültig erklärt, bis eine noch bessere entwickelt sei. (vgl. Bardmann 1994, 276f.)

Es ist zwar nicht Taylors Absicht, dass seine Idee der Betriebsführung in der praktischen Umsetzung in ein System des Drills und der profitablen Ausbeutung mündet. Doch die

Konzentration des Methodenapparates aufs Detail und die Vernachlässigung des menschlichen Aspekts innerhalb der Arbeit bewirkte dies. Er erwähnt zwar die Wichtigkeit, Motive zu studieren, welche Arbeiter in ihrem Tun beeinflussen, führt diese jedoch nicht näher aus. Über das spezielle Lohnsystem und die zusätzlichen Prämien bei Erreichung des Arbeitspensums hinaus diskutiert er keine weiteren Maßnahmen. (vgl. ebd.)

Den Fokus legt Taylor in der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ auf vier von ihm ausgearbeitete Verwaltungsprinzipien:

 „die Ableitung und Aufstellung einer wirklichen Wissenschaft

 die systematische Auslese der Arbeiter

 ihre wissenschaftliche Erziehung und Weiterbildung

 innige Zusammenarbeit zwischen Leitung und Arbeitern“

(vgl. Taylor 1913, 140)

Das Konzept der wissenschaftlichen Betriebsführung wurde nicht kritiklos angenommen. So äußert der Soziologe Max Weber (1864-1920) seine Bedenken dahingehend, dass der Anspruch auf Berechtigung der Bürokratisierung Grenzen hat.

Er begreift intensive bürokratische Verwaltungsmaßnahmen als die effizienteste Herrschaftsform, die mit einer seelenlosen Maschine gleichgesetzt werden kann.

Daneben betont er die technische Überlegenheit der Bürokratie gegenüber der Handarbeit, und argumentiert vergleichend dahingehend, dass auch jede Maschine der Handarbeit überlegen sei. Das führt dazu, dass der weiße Kragen gegenüber dem blauen Kittel eindeutig im Vorteil ist. Weber gibt außerdem zu bedenken, dass jeder Arbeiter nur zu einem Rädchen in der Maschinerie gemacht werde, und dem System geschuldet fragt man sich dann auch nicht mehr, entgegen der menschlichen Natur, wie man denn ein größeres Rädchen werden könnte. Es muss dieser Maschinerie etwas entgegengesetzt werden, so Weber weiter, damit ein Rest des Menschentums noch frei sei und nicht vom bürokratischen Lebensideal eingenommen würde. (vgl.

Weber 1924, 413f.)

Hinzu kommt ein weiteres bedenkenswertes Merkmal der bürokratischen Organisation. Weber betont, dass hier rationale Disziplin sowie Selbstdisziplinierung erzwungen würden, da diese bürokratische Organisation auf dem Befehls- und

Gehorsamsprinzip aufgebaut ist. Erstere Disziplinart bedeute nichts anderes als eine rein auf Sachlichkeit abgestellte und rationalisierte, d. h. planvoll eingeschulte und unhinterfragte, Befehlsausführung. Weber weist indirekt auf das Risiko der Instrumentalisierung für Machtausübung sowie der Zwiespältigkeit von Organisa-tionen hin, denn diese vielfältigen Möglichkeiten schlössen neben allen sich eröffnenden Chancen auch eine entpersönlichte, verwaltete Welt mitein. Weber betont in seiner Kritik, dass ein wirkungsvolles (effektives) und wirtschaftliches (effizientes) System auf Kosten von menschlichen72 Eigenschaften, die mit dem Maschinenmodell nicht vereinbar sind, geht. (vgl. Weber 1924, 682f.)

Taylor wies bereits bei der Ausformulierung seines Systems 1913 darauf hin, dass man den Eindruck gewinnen könnte, aus dem Arbeiter eine Maschine machen zu wollen. Er wertet diese mögliche Wahrnehmung um und betont das Positive, welches es anzuerkennen gilt: So wäre der sorgfältige Anweisungsaufwand des Vorgesetzten an den Arbeiter eine gute Gelegenheit für letzteren, sich weiterzubilden. Die Weiterbildung wäre zumindest ebensogut oder besser als jene, die er vorher gehabt hätte. Vorher hätte der Arbeiter schließlich sämtliche Arbeitsorganisation ohne Hilfe zu erledigen gehabt. (vgl. Taylor 1913, 135).

Einen unüberbrückbaren Widerspruch sieht Taylor jedoch in seiner Absicht, Arbeiter bei der Erstellung von seinen Arbeitsstudien auszuschließen. Er argumentiert dies damit, dass der Arbeiter, selbst wenn er intelligent sei, aufgrund seiner ganztägigen Arbeit mit den Händen nicht mehr dazu in der Lage sei, nachher noch Gesetze aus der Handarbeit ableiten zu können. Die Eingrenzung von menschlicher Vielfältigkeit auf ökonomische Kalkulation sei mit einem Arbeiter nicht möglich, es brauche dafür eigens eingesetzte Personen. Die Handlungen des Arbeiters basierten auf Einfachheit, Berechenbarkeit und Überschaubarkeit und diese wären mit abstrakten Tätigkeiten wie etwa der Ableitung von Gesetzen und Listenerstellung unter keinen Umständen vereinbar. (vgl. Taylor, 135f.)

72 Zu „menschlichen“ Eigenschaften zählen etwa Spontaneität, Emotionalität, Intuition. Menschen können irren und phantasieren, werden müde und alt. Vahrenkamp (1976, 23) erwähnt in diesem Zusammenhang eine die harten Lebensumstände abbildende Anekdote, welche sich 1913 im Zuge der Taylorisierung der Renaultwerke in Amerika ereignet haben soll. Ein englischer Ingenieur fragte den Amerikaner Fraser beim Rundgang in der Produktion, wo denn die älteren Arbeiter seien, da er nur junge sah. Nach einigem Zögern bot Fraser ihm eine Zigarre an und schlug beiläufig vor, während des Rauchens könnten sie sich den Friedhof ansehen.

Mit der – wenn auch nur teilweise implementierten – Übernahme des entwickelten Organisationssystems von Taylor, der mit diesem kein geringeres Ziel verfolgte, als den Wohlstand der Nation zu steigern, wurden Unternehmen durch Arbeitsteilung rationaler geführt. Eine Konsequenz daraus ist, dass infolge dieser vor allem in den unteren Hierarchierängen ein Mangel an Übersicht geschaffen wurde, welcher die Legitimation am Management förderte, das entscheidet, wer wann was zu verrichten habe. Damit wurde die Tendenz zu Ordnung, Methodik und Klassifikation immer wichtiger, und diese findet man in Unternehmen heutzutage im Allgemeinen in einer deutlichen Ausprägung vor.

In den 1960er Jahren wurde die Maschinenmetapher durch die Organisations-metapher ersetzt, womit andere Gesichtspunkte der Organisationstheorie bedeutend wurden. Dieses neue Bild von der Organisation löste Begrenzungen der mechanistischen Denkweise auf und sensibilisierte für Schwächen des Taylorismus.

Dadurch kann die Organisation letztlich angepasster auf Umweltbedingungen (re)agieren. Bereits kurz nach Einführung des Taylorsystems übten Vertreter der aufkommenden Human-Relations-Bewegung Kritik am Taylorismus dahingehend, dass der menschliche Faktor nicht einfach ignoriert werden dürfe, denn dieser kann die Formalstruktur durch die entstandene informelle Struktur beeinflussen. In welcher Weise und Intensität das Menschliche und die Arbeitsbedingungen die mechanistischen Arbeitsabläufe beeinflussten, wurde in den berühmten Hawthorne-Untersuchungen (1924-1932) der Mayo-Gruppe in Amerika erfasst, welche dann im Konzept der Human Relations wirksam wurden. Die Ergebnisse bestätigten, dass das Betriebsklima zum einen sowie die Achtung der Bedürfnisse der Arbeiter zum anderen sehr wichtig und förderlich für den Betrieb sei. Das mittlere Management sollte fortan seine Rolle als Aufseher hin zu einem Vermittler zwischen Oben und Unten erweitern.

Außerdem wurde empfohlen, Arbeiter an Entscheidungen teilhaben zu lassen, die sie direkt und unmittelbar betreffen. Die zentrale Aussage der Human-Relations-Bewegung lautet, dass zufriedene Mitarbeiter produktiver seien. Man versuchte deshalb, informal gewachsene Strukturen in die formalen Strukturen bedacht einzuflechten. Die Sorgen und Freuden der Arbeiter wurden übertragen in Führungs-empfehlungen, da es Aufgabe der Führung blieb, ein möglichst wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen. (vgl. Bardmann 1994, 298ff.)

Das Menschenbild73 des von Taylor maßgeblich geprägten Homo oeconomicus weicht somit dem Social man. Die von der Human-Relations-Bewegung vertretene Annahme, individuelle Bedürfnisse und Betriebsziele lassen sich harmonisieren, muss sich der Kritik stellen, das betriebliche Ausbeutungsverhältnis unter einem manipulativen Deckmantel stattfinden zu lassen. Bardmann (1994, 300) weist weiters auf den menschlichen Faktors in den Human Relations hin und vergleicht diesen mit einer

„happy cow sociology“, welche versucht, die Kuh in angenehmer Atmosphäre mehr Milch liefern zu lassen. (vgl. ebd., 300)

Die moderne Personalwirtschaftslehre basiert auf den Entwicklungen der Human Relations. Mittlerweile hat die Wissenschaft weitere Menschenbilder nach bzw. neben den bereits erwähnten ausformuliert. So wird beim Self-Actualizing man die Wichtigkeit der intrinsischen Motivation betont und die strikte Arbeitsteilung als nicht dienlich erachtet. Um die Komplexität von betrieblichen Abläufen und der menschlichen Interindividualität besser abbilden zu können, wurde weiters das Menschenbild des Complex man entwickelt. Die modernste Form des Menschenbildes in der heutigen Arbeits- und Organisationsgestaltung beschließt vorerst der Flexible

Die moderne Personalwirtschaftslehre basiert auf den Entwicklungen der Human Relations. Mittlerweile hat die Wissenschaft weitere Menschenbilder nach bzw. neben den bereits erwähnten ausformuliert. So wird beim Self-Actualizing man die Wichtigkeit der intrinsischen Motivation betont und die strikte Arbeitsteilung als nicht dienlich erachtet. Um die Komplexität von betrieblichen Abläufen und der menschlichen Interindividualität besser abbilden zu können, wurde weiters das Menschenbild des Complex man entwickelt. Die modernste Form des Menschenbildes in der heutigen Arbeits- und Organisationsgestaltung beschließt vorerst der Flexible