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Mehrere Gründe tragen dazu bei und kommen gleichzeitig zusammen, dass in Österreich Facharbeitermangel herrscht, und dem vorausgehend bleiben auch viele Lehrberufsausbildungsplätze unbesetzt bzw. können nicht zeitgerecht besetzt werden.

Von welchen Seiten und inwiefern die Lehrberufsausbildung bzw. der direkt ausbildende Sektor generell mit einer Abwertung – zB in Relation zu schulischen Ausbildungszweigen – konfrontiert ist, wird in diesem Kapitel kurz zusammengefasst.

Seit der Technologisierung bzw. spätestens seit der Digitalisierung verändern sich verschiedene Berufe und Berufsbilder in immer rasanter werdendem Tempo bzw.

werden auch einige davon obsolet oder ins Ausland ausgelagert. Da die Digitalisierung noch relativ jung in der Ausgestaltung ist und von dieser viele Bereiche betroffen sind, gilt diese allgemein als vielversprechend. Zugleich kann man sich nicht sicher sein, welche Berufe die Digitalisierung bzw. Technologisierung in Zukunft ersetzen wird.

Jedoch gibt es auch viele Berufe, welche nicht technologisiert oder digitalisiert werden können, und dies betrifft besonders Berufe im Bereich des Handwerkes und Gewerbes wie auch einige Dienstleistungsbranchen. Wie würden wir eine Gasthauskultur erfahren, welche nur noch aus Selbstbedienung und Fertiggerichten besteht? Wie ein Lebensmittelgeschäft, in welchen nur mehr an Selbstbedienungskassen bezahlt werden kann? Gäbe es eine individuell ein Gesicht abgestimmte Frisur ohne eine filigrane Handarbeit? Niemand weiß wohl zum jetzigen Zeitpunkt, wozu die Errungenschaft der „künstlichen Intelligenz“ noch in der Lage sein wird, aber es ist (und bleibt zumindest in den nächsten Jahrzehnten) zu bezweifeln, dass sich Arbeit, welche individuell gestaltet werden muss und kann, gänzlich ersetzen lässt. Welche Einschränkungen in qualitativer und zwischenmenschlicher Hinsicht wären hier mit welchen gesellschaftspolitischen Folgen zu verzeichnen?

Mit steigendem Wohlstand in Österreich wurden verschiedene Möglichkeiten geschaffen, um einen Beruf zu erlernen. Das führte u. a. dazu, dass immer weniger eine Lehrberufsausbildung machen und immer mehr eine weiterführende allgemein- oder berufsbildende mittlere und höhere Schule abschließen.

Wenn man die Hierarchiestrukturen innerhalb des Bildungssystems in den Blick nimmt, lassen sich mehrere Gründe finden, die sich zugunsten einer weiterführenden Schule

und zulasten einer Lehrberufsausbildung auswirken. An dieser Stelle muss aber auch erwähnt werden, dass sowohl hinsichtlich der Durchlässigkeit als auch in den Wahlmöglichkeiten in den letzten Jahren einige Maßnahmen implementiert wurden.

Teilweise sind die Selektionskriterien aber immer noch so groß, dass man nicht ohne weiteres den persönlichen Ausbildungswunsch in die Tat umsetzen kann. Zertifikate stehen hier als Äquivalent für die Eignung, kein Zertifikat suggeriert „keine Eignung“.

Der Beginn des Wettbewerbes wird ab der 5. Schulstufe deutlich sichtbar und es ist Tatsache, dass jemandem mit einem Zeugnis einer AHS-Unterstufe mehr Möglich-keiten ab der 9. Schulstufe offenstehen als mit einem Mittelschulzeugnis. Natürlich resultiert daraus die allgemeine Präferenz – welche in Wien bzw. städtischen Gebieten sicherlich stärker ausgeprägt als in Tirol bzw. ländlichen Regionen96 ist – für das Gymnasium in der Unterstufe (5.-8. Schulstufe), da dieses als Eintrittskarte für eine weiterführende Schule gilt. Dass ein/e Gymnasiast/in eine Lehrberufsausbildung mit der 9. Schulstufe beginnt, würde sich eher als Ausnahme herausstellen. Die Darstellung des Bildungsstandes der österreichischen Bevölkerung in internationalen Vergleichen (zB ISCED, EQR) lässt uns relativ bildungsarm dastehen. Da kein Land dieselben (aus-)bildungsinternen Standards wie ein anderes Land hat, ist bei internationalen Vergleichen hohe Vorsicht in der Interpretation geboten. Dass die Aussagekraft bei diesen äußerst beschränkt ist, bzw. sogar Gefahr läuft, ein völlig verzerrtes bzw.

falsches Bild zu vermitteln – auf diesen Umstand muss an dieser Stelle hingewiesen werden. Wie kann es sonst sein, dass Österreich im internationalen Vergleich basierend auf „einheitlichen“ Bildungsniveaus zwar relativ unqualifizierte Arbeitskräfte ausweist, aber tatsächliche Qualifikationen und Qualität der Leistungen ein anderes Bild zeigen? Es ist trotz aller Anpassungsmaßnahmen fraglich, dass ein Vergleich hinsichtlich der (Aus-)Bildung aller 28 bzw. 27 EU-Länder aussagekräftig sein

96 Die geringere Heterogenität (Unterschiedlichkeit) innerhalb der SchülerInnenschaft in ländlichen Gebieten ist mitunter ein Grund, dass die NMS eine als gut erachtete Qualität aufweisen kann. In städtischen Gebieten mit hoher Heterogenität innerhalb der Schulpopulation findet man eine andere Ausgangssituation vor, dadurch ist der Wunsch nach einer Schulform mit geringerer Heterogenität, welche das Gymnasium eher gewährleistet, ausgeprägt. Der Relevanz der Heterogenität (Bedeutung der Verschiedenheit) könnte in der Forschung innerhalb der Bildungswissenschaften mehr Platz eingeräumt werden. Unabhängig davon wäre ebenfalls einer vertiefenden Forschung wert, inwiefern die Aussage zutrifft bzw. wie man der Problematik begegnen sollte, dass die Schule nicht alles kompensieren kann, was Erziehungsberechtigte versäumt haben.

kann, der hauptsächlich an formalen Strukturen und ungeachtet der tatsächlichen Qualität der Ausbildung gemessen wird.

Die Hierarchie des Bildungssystems in Österreich ab der 9. Schulstufe ist in einer bestimmten Weise aufgebaut und könnte u. U. suggerieren, dass die Lehrberufsausbildung insofern als Auffangbecken dient, dass wenn man eine weiterführende Schule zB während oder nach der 9. Schulstufe abbricht, ohne Laufbahnverluste in eine Lehre wechseln kann. Umgekehrt ist es jedoch eher schwer möglich, dass man von einer Lehrberufsausbildung in eine weiterführende Schule wechselt. Erwähnenswert ist an dieser Stelle die Abendmatura, welche man relativ leicht im Erwachsenenalter absolvieren kann. Die Lehre mit Matura während der Lehrzeit ist eine Kombination aus beiden (Aus-)Bildungswegen.

Weiters ist der Karriereweg beginnend mit der Lehrberufsausbildung etwa im Vergleich zu einer berufsbildenden höheren Schule im Bildungssystem benachteiligt, einerseits wiederum strukturell, da nur mittels nachträglich abzulegenden („Berufsreife-“)Prüfungen der Weg zu einer zusätzlichen (Aus)Bildung ermöglicht wird.

So kann bspw. kein Elektrikergeselle im Anschluss Elektrotechnik bzw. Tischlergeselle dann Holzbau studieren, ohne Ablegung von vorhergehenden Zusatzprüfungen.

Umgekehrt stellen berufsbildende mittlere und höhere Schulen bereits integrierte Lehrabschlüsse bereit. So gilt nach § 34 BAG, dass man zB mit Absolvierung einer berufsbildenden höheren Schule gleichzeitig in mehreren entsprechenden Lehrberufen bereits ausgebildet ist: So ist man etwa bei Absolvierung der Handelsakademie bereits ausgebildete/r Bürokaufmann/-frau, mit der Bautechnik-HTL Maurer/in, mit der HLW Koch/Köchin uvm.

Daneben besteht Ungleichheit auch bei finanziellen Beihilfen von (Aus)Bildungswegen, da sich etwa ein/e angehende/r Meister/in im Vergleich zu Studierenden vieles selbst bezahlen muss.

In den letzten Jahren hat es einige Anpassungen gegeben, die die Differenzen in der Hierarchie des Bildungssystems verkleinern bzw. ausgleichen (sollen). So wurde der Meister-Titel mit dem Bachelor-Titel im Nationalen Qualifikationsrahmen gleichgesetzt. Im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 sind weitere Angleichungen vorgesehen, etwa dass keine Gebühren bei der Meisterprüfung mehr selbst zu bezahlen sind und dass man auch einen Titel in offiziellen Dokumenten führen kann.

Ebenfalls gibt es Bestrebungen, die Lehrberufsausbildung aufzuwerten, was auch medial stark beworben wird. Das aktuelle Regierungsprogramm reagiert auf Versäumnisse in den Jahren zuvor, bei denen der Ausbildungszweig ab der Lehrberufsausbildung im Vergleich zu anderen Ausbildungswegen nachteilhaft behandelt – oder einfach großteils ignoriert – wurde. Aber auch die Seite der Wirtschaft hat in Puncto Weiterentwicklung der Lehrberufsausbildung einiges verabsäumt, und erschwerend kommt hinzu, dass die (bildungs)politische Seite diesen Bereich nicht nur finanziell vernachlässigt und stattdessen andere Bildungszweige gepusht hat. Möglicherweise ist die Zuständigkeit von zwei Ministerien zwischen der Ausbildung in den Lehrbetrieben einerseits und der Berufsschule andererseits nicht förderlich. Allgemeine Schwachstellen werden politisch nun aufgegriffen, so sollen etwa in Zukunft Maßnahmen wie die Modernisierung und Evaluierung aller Lehrberufe spätestens nach fünf Jahren gesetzt und die Möglichkeit geschaffen werden, dass man auch im Erwachsenenalter ohne größere Hindernisse eine Lehre beginnen und absolvieren kann.

Die über zweihundert Lehrberufsbilder (wobei der Großteil der Lehrlinge in einem Bruchteil der Lehrberufe zu finden ist) sind sehr heterogen und haben eine enorme Bandbreite, deshalb sind pauschale Aussagen schwer zu treffen. Es hängt jedoch allgemein primär von den Lehrbetrieben ab, wieviel ein Lehrling lernen kann bzw. darf.

Lehrlinge haben schwierigere Bedingungen als Schüler*innen zu bewältigen, da sie im tatsächlichen Betrieb mitarbeiten und mit den direkten Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert sind und oft keine ausreichende Vor- und Nachbereitungszeit zur Reflexion besteht. Der Einfluss des sozialen Umfeldes, welcher auf einen Lehrling einwirkt, ist in einem Lehrbetrieb um vieles größer. Ein „schlechter“ Lehrausbildner hat weitaus größere negative Auswirkungen auf einen Lehrling als ein „schlechter“ Lehrer unter vielen anderen in einem Lehrerverband. Vermutlich dem Druck der Wirtschaft und einem stark ausgeprägten Weltbild der Nützlichkeit geschuldet – und das Zertifikat eines positiv absolvierten Lehrausbildnerkurses ist oftmals zu wenig, um den Lehrling in jeder Hinsicht positiv zu fördern –, gibt es ungünstige Einflüsse, denen ein Lehrling aufgrund seiner untergeordneten Stellung zwangsweise ausgesetzt sein kann:

„Weil wir ja nur mehr Betonbau machen, muss der Maurerlehrling wissen, wie man schalt, alles andere ist in der nächsten Zeit für ihn unerheblich, sagt der zuständige Polier. Ein Zimmermeister hat gemeint, dass sein junger Mitarbeiter in der Berufsschule durch den Computerunterricht nicht zu sehr ´verwöhnt´ werden darf, weil er am Dach sonst nicht mehr zu brauchen ist. Schließlich muss er das Arbeiten mit der Hand lernen. Ein Kaufmann brachte gar zum Ausdruck, dass er den Lehrling nur zum Einräumen der Lebensmittel in das Verkaufsregal benötige und dafür sei die Ausbildung in der Berufsschule überflüssig. Schließlich brauchen wir auch Menschen zum Arbeiten, für einfache Arbeiten, die nicht alles in Frage stellen, sondern ohne lange zu fragen anpacken, meinte ein anderer Unternehmer.“

(Ganner 2019, 16 – siehe bereits Kapitel 2, S. 47)

Hier spiegelt sich das Dilemma der Lehrbetriebe wider, die einerseits gewinnorientiertes Arbeiten als Existenzgrundlage brauchen und innerhalb dieses Rahmens in den Lehrling investieren und diesen gut ausbilden sollen. Es stellt sich als eine permanente Gratwanderung dar, um beidem großteils gerecht zu werden.

Forderungen hinsichtlich einer Trennung bezüglich dieses Interessenkonflikts zwischen Ausbildung und realem Arbeiten bestehen daher, um eine Ausbildungsqualität auch mit einem entsprechenden Umfang bzw. Volumen gewährleisten zu können. Für die Interessensvertretung der Lehrlinge ist derzeit auch keine starke Lobby etabliert, bei BMHS-SchülerInnen und Studierenden ist diese vergleichsweise bedeutender.

Ausbildungsverbände würden beitragen, um das Risiko des unzureichenden Erlernens eines Berufes zumindest zu vermindern. Ein weiterer Vorteil dieser Verbände wäre die Erhöhung der Bandbreite der Tätigkeiten, denn viele kleine Betriebe, welche eventuell auch noch spezialisiert sind, können dem Lehrling die Inhalte des jeweiligen Lehrberufsbildes nicht vollständig zeigen. Mit einer Rotation in mehrere Lehrbetriebe innerhalb der Lehrzeit könnte der Lehrling eventuell insgesamt mehr bezüglich einer Diversifikation lernen und ein ungünstiges Lern-Umfeld könnte durch andere günstige zumindest etwas aufgefangen werden. Im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 findet sich dazu auch eine entsprechende geplante Maßnahme „Überarbeitung der Möglichkeit von Lehrlingsverbünden“.

In der Berufsschule können darüber hinaus relativ wenig soziale Grundkompetenzen und Allgemeinbildung vermittelt werden (im Vergleich zu weiterführenden Schulen), allein schon wegen der gering bemessenen Zeit, die Berufsschüler in der Berufsschule verbringen. Inwiefern man diesen Umstand verbessern könnte, ohne dass damit gleichzeitig Einschränkungen im fachlichen Handlungsvermögen eintreten, bleibt eine offene Frage. Eine mögliche Lösung würde in der Verlängerung der Lehrzeit zu finden

sein. Weiters sind für die Berufsschullehrer/innen die teilweise großen Niveauunterschiede zwischen den Berufsschüler/innen eine große Herausforderung, die in anderen Schultypen nicht so stark ausgeprägt sind.

Der Fachkräftemangel, der in Folge auch aus der derzeit zu geringen Nachfrage nach Lehrstellenplätzen resultiert, ist nicht nur in den ungünstigen strukturellen Bedingungen zu suchen. Vielmehr sollte man hinter die Strukturen schauen und die Gründe dafür suchen, warum eine Lehrlingsausbildung, so der offensichtliche Eindruck, unattraktiver als eine Ausbildung in einem anderen Bildungszweig ist. Dies wird so gut wie nicht angesprochen oder eruiert, und tatsächlich sind diese Gründe schwer auszusprechen bzw. aufzuschreiben, weil diese zwangsläufig auf die menschengeschaffene Hierarchie aufmerksam machen (müssen), und das schmerzt.

Nicht die Verschiedenheit der verschiedenen Formen der Ausbildung, der Arbeit usw.

wäre das Problem – das Übel liegt in der Bewertung der Verschiedenheit. Viele Denker und Denkerinnen haben sich dieser Thematik angenommen, wie in der vorliegenden Arbeit ausgeführt wurde.

So dürften vermutlich die Werbekampagnen alleine nicht in signifikantem Ausmaß etwas an der zu geringen Nachfrage bei der Lehrberufsausbildung ändern, selbst wenn dort eine durchgehend sehr gute Qualität gewährleistet sein würde. Seit Platon und Aristoteles existieren mündliche Überlieferungen, dass bloß edle Gemüter für verantwortungsvolle Positionen geschaffen seien, die Verantwortung für das Volk übernehmen, und das Volk jene Arbeiten verrichten solle, die übrig bleiben. Hier wird bereits eine bestimmte Arbeitsteilung in die Wege geleitet, die zwischen Kopf- und Handarbeit trennt. Diese bedingt natürlich einen daraus resultierenden entsprechenden Habitus und so können die geistig Tätigen, die die Fäden in der Hand halten und über Handarbeiter urteilen, ihre Machtposition stärken. Diejenigen aber, die bspw. für die Beschaffung des Lebensnotwendigen primär Sorge zu tragen haben, müssen mitunter Herausforderungen bewältigen, die womöglich ein schnelles Handeln mit Körperkraft voraussetzen, wobei man auch hier Geistiges zu leisten hat (was häufig in einer speziellen Weise ignoriert wird). Der Habitus ist daher zwangsläufig ein anderer, dieser hängt von den Lebensbedingungen ab und die beruflichen Tätigkeiten sind entscheidend dafür, in welche Richtung dieser verläuft – ob hier ein eher edler oder eher roher Habitus die Folge ist. Beide Habitus bergen Weltbilder in

sich, die auch hierarchisch organisiert sind. Die negative Konsequenz der Handarbeit mit schwerer körperlicher Tätigkeit ist der Patriarchalismus, bei dem Männer mehr Vorrechte genießen und das Männliche als statushöher gilt. Die harte körperliche Arbeit wird Ausdruck einer Maskulinität, welche sich über Weiblichkeit erhebt, was abzulehnen ist. Dadurch kann es dazu kommen, dass Formen von Sexismus ausgeprägt sind. Zugleich aber gibt es im anderen Weltbild, in dem das Geistige kontinuierlich gestärkt wird, auch Formen des Patriarchalismus97. Der Sexismus ist zumindest insofern weniger ersichtlich, als dieser in einer dezenteren Weise verübt wird. Die berufliche Ausübung einer überwiegend geistigen Tätigkeit ohne körperlichen Einsatz bedingt mitunter, dass das Weltbild des Rein-Geistigen hochstilisiert wird und Tätigkeiten, für die ein kürzerer Bildungsweg infrage kommt, explizit oder implizit abgewertet werden. Das im vorhergehenden Kapitel angeführte Beispiel eines Edeka-Postings auf Facebook mit über 10.000 Kommentaren ist nur ein Bild des Bildungsklassismus, welcher derzeit des Öfteren, wenn auch eher hinter vorgehaltener Hand, vorkommt. Auch diese Ausgestaltung ist deutlich abzulehnen.

Da die Arbeitsteilung seit der Taylorisierung mit Ende des 19. Jahrhunderts strikt in Hand- und Kopfarbeit separiert wurde und diese bis heute – möglicherweise mit anderen Human Resources-Maßnahmen kombiniert – fortwirkt, ist es nicht verwunderlich, dass wir zwei parallele Welten vorfinden. Jeder Welt liegen eigene Werte zugrunde. Das Bildungsverständnis vom engsten sozialen Umfeld trägt ab dem kleinsten Kindesalter, wie auch die Bildungswegentscheidungen insbesondere ab der 9. Schulstufe, wesentlich dazu bei, welche Welt man besser kennenlernen bzw.

vertiefen wird. Im einen Weltbild ist das Nützliche und Praktische wertvoll, die Theorie muss in der Nähe zur materiellen Welt bleiben, ansonsten stellt sich Theorie, wenn man sie für nichts Praktisches einsetzen kann, als hohl und unnützlich heraus. Das

97 Patriarchalismus wird es solange geben, solange Männer Vorrechte gegenüber Menschen mit anderem Geschlecht haben. In unserem System ist dies eindeutig dahingehend der Fall, als dass Frauen meist die unbezahlte häusliche und Sorge-Arbeit leisten und Männer die bezahlte Erwerbsarbeit. Dies wirkt sich neben der internen Verhandlungsmacht auch ungleich auf die Pensionen aus. Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts gibt es Tendenzen, dass Sorgearbeit auch im Pensionssystem berücksichtigt werden kann. Auch andere soziale Maßnahmen wurden getroffen (zB Versicherungszeiten pro Kind).

Zusätzlich wird auch zumindest die Teilzeit-Tätigkeit von Müttern gestärkt, was sich positiv auf die finanzielle Unabhängigkeit und auf die Pension auswirkt. Solange die Haus- und Sorgearbeit gegenüber der Erwerbsarbeit gesellschaftlich aber nicht gleich bewertet wird, werden vermutlich auch zukünftig patriarchale Strukturen vorhanden sein.

andere Weltbild stellt die menschliche Entfaltung und die eigene Subjektzentrierung in den Mittelpunkt. Allgemeinbildung hat hier einen hohen Stellenwert und wird als Bereicherung empfunden, auch wenn man große Teile nur theoretisch anwenden und niemals in die Praxis umsetzen kann. Ein wesentlicher Zugang zum letzteren Weltbild bleibt mitunter jenen Menschen vorbehalten, denen es aufgrund ihrer privilegierten (finanziellen und/oder kulturellen) Situation möglich ist, sich mit sich und der Welt auf abstrakter Ebene auseinandersetzen zu können. Durch dieses vermehrte Allgemeinwissen erhält man mehr Weitblick. Durch praktisches Arbeiten erhält man im anderen Weltbild mehr Tiefblick. Die unterschiedlichen Ergebnisse in diesen Blickrichtungen bedingen nicht eine Legitimation eines Hierarchieverhältnisses. Schon seit der Antike, doch spätestens seit der Taylorisierung ist es betriebsführungstechnisch und wissenschaftlich begründet, dass Kopfarbeit einen höheren Stellenwert als Handarbeit genießt, weil das Management immer über die Menschen, welche die Kernarbeit in einem Betrieb verrichten, letztlich entscheiden.

Eine Folge daraus ist, dass sich immer mehr junge Menschen für einen beruflichen Lebensweg entscheiden, der in der „oberen Hälfte“ dieser zweigeteilten Hierarchie zu finden ist. Mitunter ist das eine Erklärung (aber vermutlich nicht die einzige), warum die direkte Vermittlung von Arbeit, wie sie in der Lehrberufsausbildung stattfindet, sich in einer Anerkennungskrise befindet. Womöglich ist das auch ein Grund für die immer stärker gewordene Zweiteilung der Arbeit in Hand- und Kopfarbeit. Umso mehr Kopfarbeiter es gibt, umso weniger Handarbeiter gibt es. Dann kann man Handarbeitern keine weiterführende Ausbildung mehr zukommen lassen, denn dann wären die wenigen Handarbeiter auch nicht mehr vorhanden, die diese Tätigkeiten, die weiterhin durchaus notwendig und unverzichtbar sind, verrichten. Und so schließt sich der Kreis, dass Schulkinder für viele möglichst eine weiterführende Schule besuchen sollten.

Seit Jahren wird der Mangel an Fachkräften, welche die gefragten Fertigkeiten durch eine Lehrberufsausbildung erwerben, öffentlich aufgezeigt. Zugleich wurden Maßnahmen in Richtung weiterführender Schulen und Universitäten stark forciert.

Jährlich werden Statistiken darüber erstellt, wie viele bzw. wie wenig Arbeiterkinder einen Hochschulabschluss haben. Es gibt keine Statistiken darüber, wie viele bzw. wie wenig Akademikerkinder einen Lehrberufs- oder Meisterabschluss haben. Ungeachtet

der Kompetenzen, die man mit diesen verschiedenen Ausbildungen erwirbt, vermittelt diese einseitige Perspektive dezent, was unter einem „sozialen Aufstieg“ zu verstehen ist. Ein offizielles Kriterium des „sozialen Aufstiegs“ ist die höhere Bildung, welche man über den Bildungsweg erwerben kann, was weiters mit einer spezifischen Art von Habitus verknüpft ist. Die Sozialdemokratische Partei schloss sich der Sichtweise in der durchaus ehrbaren Absicht an, für alle gute Positionen zu ermöglichen. Damit einhergehend wurde die bürgerliche Leistungsideologie jedoch unhinterfragt übernommen und das bringt weitreichende Konsequenzen mit sich. Folglich sind zentrale Werte von (nicht selbstständigen98) Arbeitern zwangsläufig mit Füßen getreten worden, und somit ist es nicht verwunderlich, dass sich Arbeiter nicht mehr grundsätzlich von dieser Partei vertreten fühlen können. Der Anspruch der sozialen Gerechtigkeit ist demnach zu wenig. Mit Wertschätzung und Respekt behandelt zu werden gehört auch dazu. Zudem sind seit den letzten Jahrzehnten die ungeschriebenen Hygiene-Standards höher geworden. Mit Schmutz verbundene Arbeit bzw. (gefährliche) Arbeit im Freien wird gegenüber einer Bürotätigkeit gesellschaftlich abgewertet, obwohl die erstere Arbeit von jemand selbst mehr abverlangt. Vermutlich ist es auch der gegenwärtigen hohen Bewertung des allgemeinen Trends der Digitalisierung und der Dekonstruktion der obligatorischen Kombination Männlichkeit mit körperlicher Stärke geschuldet, dass körperliche Tätigkeiten nicht „in“ sind. Welche weitreichenden positiven und negativen Folgen die Digitalisierung hat, wird sich frühestens in einigen Jahrzehnten umfassend aufzeigen

der Kompetenzen, die man mit diesen verschiedenen Ausbildungen erwirbt, vermittelt diese einseitige Perspektive dezent, was unter einem „sozialen Aufstieg“ zu verstehen ist. Ein offizielles Kriterium des „sozialen Aufstiegs“ ist die höhere Bildung, welche man über den Bildungsweg erwerben kann, was weiters mit einer spezifischen Art von Habitus verknüpft ist. Die Sozialdemokratische Partei schloss sich der Sichtweise in der durchaus ehrbaren Absicht an, für alle gute Positionen zu ermöglichen. Damit einhergehend wurde die bürgerliche Leistungsideologie jedoch unhinterfragt übernommen und das bringt weitreichende Konsequenzen mit sich. Folglich sind zentrale Werte von (nicht selbstständigen98) Arbeitern zwangsläufig mit Füßen getreten worden, und somit ist es nicht verwunderlich, dass sich Arbeiter nicht mehr grundsätzlich von dieser Partei vertreten fühlen können. Der Anspruch der sozialen Gerechtigkeit ist demnach zu wenig. Mit Wertschätzung und Respekt behandelt zu werden gehört auch dazu. Zudem sind seit den letzten Jahrzehnten die ungeschriebenen Hygiene-Standards höher geworden. Mit Schmutz verbundene Arbeit bzw. (gefährliche) Arbeit im Freien wird gegenüber einer Bürotätigkeit gesellschaftlich abgewertet, obwohl die erstere Arbeit von jemand selbst mehr abverlangt. Vermutlich ist es auch der gegenwärtigen hohen Bewertung des allgemeinen Trends der Digitalisierung und der Dekonstruktion der obligatorischen Kombination Männlichkeit mit körperlicher Stärke geschuldet, dass körperliche Tätigkeiten nicht „in“ sind. Welche weitreichenden positiven und negativen Folgen die Digitalisierung hat, wird sich frühestens in einigen Jahrzehnten umfassend aufzeigen