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Traumatische Belastungen

Im Dokument Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt (Seite 173-178)

(Autoren: I. Schöllgen & A. Schulz)

Fragestellung und Vorgehen

Im vorliegenden Review wird untersucht, inwiefern betriebliche Faktoren bzw. Maßnahmen dazu beitragen, dass gesundheitliche Folgen eines traumatischen Ereignisses im Arbeits-kontext gemildert bzw. verhindert (oder auch verschlimmert) werden. Der Fokus liegt hierbei auf Maßnahmen der Primärprävention und der Akuthilfe sowie der Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte als potenziell zentralem Wirkmechanismus. Aufseiten der Out-comes liegt in diesem Review der Fokus auf psychischer Gesundheit und Befinden. Mittels datenbankgestützter Literaturrecherche und einer Handsuche wurden mehr als 9.000 Lite-raturquellen identifiziert. Nach Sichtung der Literatur anhand vorher festgelegter Kriterien wurden 50 Studien in die Ergebnisauswertung einbezogen.

Definition und Operationalisierung

Ein traumatisches Ereignis beinhaltet die Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung oder Gefahr für die eigene oder fremde körperliche Unver-sehrtheit. Beispiele aus dem Arbeitskontext sind Raubüberfälle in einer Bank oder im Einzel-handel, schwere Unfallereignisse bei Berufskraftfahrern und der Einsatz von Rettungskräften im Rahmen von Katastrophenereignissen.

Messmethodik und Messgenauigkeit

Zur Erfassung traumatischer Ereignisse werden teilweise Listen mit mehreren Ereignissen eingesetzt bzw. offene Angaben zu erlebten Ereignissen im Arbeitskontext, wobei sich die Frage stellt, ob alle der hier berichteten Ereignisse die Kriterien eines traumatischen Ereignis-ses erfüllen. Im Hinblick auf die Outcomes werden häufig Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS; im Englischen: PTSD) erhoben, wofür es eine Reihe validierter Fragebögen gibt.

Studienbeschreibung

Die meisten der einbezogenen Studien untersuchen Maßnahmen der Akuthilfe oder soziale Unterstützung im Arbeitskontext, wohingegen nur zwei Studien zu primärpräventiven Maß - nahmen identifiziert werden konnten. Maßnahmen der Akuthilfe wurden vor allem im Rahmen nicht randomisierter Gruppenvergleiche ohne Vorhermessung untersucht. Bei den Studien zu sozialer Unterstützung überwiegen Querschnittstudien. Beide Studien im Bereich Primär-prävention sind experimentelle Studien. Die Stichproben entstammen häufig folgenden Berufsgruppen: Feuerwehrleute, Polizisten sowie Rettungskräfte/ Ersthelfer (unterschiedliche Professionen).

Ergebnisse

Bei den Studien im Bereich Primärprävention wurde ein Resilienztraining durchgeführt, wobei

A1 Abstracts der Scoping Reviews – Themenfeld „Arbeitsaufgabe“

Im Bereich der Akuthilfe existieren vorwiegend Studien zu Debriefings, d. h. strukturierten (Gruppen-) Sitzungen zum Austausch über das Geschehene, welche meist wenige Tage nach dem Ereignis durchgeführt werden. Die konkrete Ausgestaltung der Debriefings geht jedoch mitunter aus den Studien nicht klar hervor. Die Befunde hinsichtlich der Effekte von Debrie-fings sind sehr heterogen, vor allem in Bezug auf PTSD(-Symptome). Hier gibt es vereinzelt sogar Hinweise auf negative (d. h. schädliche) Effekte. Auch bei einer Betrachtung erweiterter (Befindens-)Outcomes zeigen sich keine eindeutig förderlichen Effekte von Debriefings.

Es ist zu beachten, dass die Aussagekraft dieser Studien häufig durch das Design stark ein-geschränkt ist (v. a. nicht randomisierter Gruppenvergleich ohne Vorhermessung). Selbst eine randomisierte kontrollierte Studie legt jedoch nahe, dass ein Gruppen-Debriefing keine konsistenten Effekte hat im Vergleich zu Psychoedukation und einer Gruppe ohne Interven-tion. Zu weiteren Ansätzen der Akutintervention (z. B. Psychologische Erste Hilfe) liegen kaum Studien vor.

Es gibt einige Hinweise auf förderliche Effekte arbeitsbezogener sozialer Unterstützung (v. a.

durch Vorgesetzte). Jedoch ist nicht eindeutig ableitbar, ob es sich um traumaspezifische Effekte handelt bzw. wann welche Unterstützung im Zusammenhang mit traumatischen Ereignissen hilfreich ist.

Einfluss des Wandels der Arbeit

Traumatische Belastungen im Arbeitskontext erregen als Thema des Arbeitsschutzes zu-nehmend Aufmerksamkeit. Es ist fraglich, inwieweit dies durch ein häufigeres Auftreten (potenziell) traumatischer Ereignisse bedingt ist. Vielmehr ist dies im Kontext einer stärkeren Fokussierung auf die psychische Gesundheit in der Arbeitswelt zu sehen.

Gestaltungswissen

In Bezug auf Gestaltungsempfehlungen ist nach Meinung der meisten Autoren ein Angebot von Hilfen zeitnah nach dem traumatischen Ereignis wichtig. Hierzu gehören das Bereitstellen von Informationen (über Traumareaktionen, Bewältigungsmöglichkeiten sowie weitere Hilfs - angebote), instrumentelle Unterstützung und die Aktivierung von (betrieblichen und privaten) Unterstützungsnetzwerken sowie Screenings, um Hochrisikogruppen zu identifizieren und darauf angepasste Interventionen anzubieten. Von Debriefings wird, zumindest in ihrer ur-sprünglichen Form, mehrheitlich abgeraten. Mehrere Studien geben zudem die Empfehlung, die Unterstützung durch Vorgesetzte zu stärken und diese ggf. durch Trainings/Interventio-nen zu erhöhen, wobei nicht näher beschrieben wird, wie dies gestaltet werden soll.

Offene Forschungsfragen

Es sind zusätzliche Studien zu Primärprävention erforderlich, welche Baseline-Erhebungen sowie längere Follow-ups beinhalten, an größeren Stichproben durchgeführt werden und die Exposition gegenüber traumatischen Ereignissen im Arbeitskontext sowie PTSD-Symptome explizit erfassen. Im Hinblick auf Akutinterventionen stellt sich die Frage, ob in Anbetracht der bisherigen Befunde, die keinen klaren positiven Effekt der Intervention aufzeigen, mehr qualitativ hochwertige Studien zu Debriefings (im Arbeitskontext) sinnvoll wären oder ob es zielführender ist, alternative Ansätze der Akuthilfe zu betrachten, sofern diese einer klaren Operationalisierung zugänglich sind. Bezüglich der sozialen Unterstützung sollte stärker traumaspezifische Unterstützung erfasst werden, möglichst im Rahmen prospektiver Studien.

Das vollständige Review findet sich unter

www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/F2353-1g.html

2 Themenfeld „Führung und Organisation“

Führung

(Autoren: D. Montano, A. Reeske & F. Franke)

Fragestellung

Der vorliegende Endbericht befasst sich mit zwei Fragen: (1) Inwieweit hängt Führung mit der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter zusammen? (2) Welche Rolle spielen ausgewählte Führungsinstrumente im Kontext von Führungshandeln und der psychischen Gesundheit von Beschäftigten?

Methoden

Um die Fragestellung zu beantworten, wurde eine systematische Literaturrecherche in den einschlägigen Datenbanken PubMed (PMC), PsycINFO, PsycARTICLES, PSYNDEX (EBSCO-Host) und WISO durchgeführt. Die Suchstrings bestehen aus drei Schlagwortkategorien, die die Themenbereiche „Führung“, „Arbeitsplatzkontext“ und „psychische Gesundheit“ abde-cken. Da die Suchstrings keine Ergebnisse zum Thema personale Führungsinstrumente und psychische Gesundheit geliefert haben, wurde diesbezüglich die Recherche durch eine manu-elle Suche in den Datenbanken PSYNDEX, Scopus und PubMed ergänzt. Die wichtigsten Ein- und Ausschlusskriterien der gefundenen Literatur waren (1) die explizite Untersuchung von Führung im Sinne der direkten Personalführung im Arbeitskontext, (2) die Fokussierung auf psychische Gesundheit und (3) das Format der gefundenen Literatur (Formate wie Buch-reviews, Lehrbuchkapitel, Nachrufe oder Ähnliches wurden nicht eingeschlossen).

Im vorliegenden Endbericht werden folgende Merkmale von Führung behandelt: (1) transfor-mationale Führung, (2) mitarbeiterorientierte Führung, (3) aufgabenorientierte Führung, (4) destruktive Führung, (5) interaktionale Aspekte von Führung sowie (6) ethische/authentische Führung. Auf der anderen Seite werden folgende Outcomes psychischer Gesundheit berück-sichtigt: (1) affektive Symptome, (2) Burnout, (3) Stress, (4) Wohlbefinden, (5) psychologi-sche Funktionsfähigkeit und (6) gesundheitliche Beschwerden.

Die berichteten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Merkmalen von Führung und den unterschiedlichen Outcomes psychischer Gesundheit wurden extrahiert und aggregiert.

Anschließend wurden der Evidenzgrad der Ergebnisse nach den Empfehlungen der GRADE- Arbeitsgruppe (Grading of Recommendations Assessment, Development, and Evaluation;

siehe Atkins et al., 2004; Canfield & Dahm, 2011) bewertet und Schlussfolgerungen für eine gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung des Arbeitsbedingungsfaktors Führung gezogen.

schen Prozessen wie Motivation, Wahrnehmung und Bewertung des Verhaltens von Füh-rungskräften sowie Beziehungsqualität der Führungskraft-Mitarbeiter-Dyaden. Auch wenn die methodologische Qualität der eingeschlossenen Studien niedrig bis mittelmäßig ist und eine gewisse Überschätzung berichteter Zusammenhänge nicht auszuschließen ist, wurden statis-tisch signifikante kleine bis mittlere Effektstärken für den Zusammenhang zwischen Führung und psychischer Gesundheit der Mitarbeiter gefunden.

Hinsichtlich der Teilfragestellung zur Rolle personaler Führungsinstrumente im Kontext von Führungshandeln und der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter lässt sich zusammenfas-send feststellen, dass zu wenige Studien durchgeführt worden sind, die diese Fragestellung direkt untersucht haben. Trotzdem sprechen einige Befunde dafür, dass das Mitarbeiterge-spräch und die leistungsabhängige Vergütung als personale Führungsinstrumente nicht nur zur möglichen Erfüllung organisationaler Ziele, sondern auch zu negativen Auswirkungen auf die Mitarbeitergesundheit führen können. Insbesondere scheint das Spannungsverhältnis zwischen den von der Organisationsleitung und den Führungskräften geforderten Zielen und den erbrachten Arbeitsergebnissen der Mitarbeiter mit einer erhöhten psychosozialen Arbeits-belastung assoziiert zu sein, die je nach spezifischem Organisationskontext mit Demotivation, Unzufriedenheit, internen Konflikten sowie verminderter Arbeitsleistung einhergehen kann.

Im Sinne des Arbeitsschutzes lassen sich die oben beschriebenen Ergebnisse der gesichteten Literatur auf der Basis des Anforderungs-Ressourcen-Modells zusammenfassen (Bakker &

Demerouti, 2007). Im Allgemeinen weisen die Befunde darauf hin, dass Führung als Ressour-ce die positiven Ausprägungen transformationaler und mitarbeiterorientierter Führung, eine hohe Qualität der Führungskraft-Mitarbeiter-Interaktionen sowie – in etwas abgeschwächter Form – aufgabenorientierter Führung einschließt. Aus einer statistischen Perspektive haben die positiven Auswirkungen von Führung auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter die Stärke von kleinen bis mittleren Effekten. Im Gegensatz dazu gilt Führung als Gefährdung nicht nur im Fall der sogenannten destruktiven Führung, sondern vermutlich auch bei unzu-reichenden bzw. mangelnden Führungskompetenzen. Die negativen Auswirkungen dest-ruktiver Führung auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter weisen ebenfalls kleine bis mittlere Effekt stärken auf. Die gefundenen Zusammenhangsstärken sind allerdings praktisch von hoher Bedeutsamkeit, da nahezu alle Beschäftigten eine Führungskraft haben und somit von positiven oder auch negativen Ausprägungen von Führung betroffen sind. Somit kann Führung selbst bei statistisch kleinen oder mittleren Zusammenhängen mit gesundheitlichen Parametern eine wichtige positive oder negative Wirkung für viele Beschäftigte haben.

Schlussfolgerungen

Existierende Primärstudien haben beispielsweise die Wirkmechanismen von Führung genau-so wenig untersucht wie Führung in klar abgegrenzten Branchen oder für klar abgegrenzte Berufs gruppen. Auch wenn sich angesichts dieser Mängel Gestaltungsempfehlungen zum Arbeits bedingungsfaktor Führung entsprechend nicht direkt aus den Ergebnissen empirischer Studien ableiten lassen, ist es trotzdem möglich, aus den ermittelten Korrelationen zwischen Führung und psychischer Gesundheit folgende Merkmale gesunder Führung zu identifizieren, die einer gesundheitsgerechten Arbeitsgestaltung entsprechen können:

− eine mitarbeiter- bzw. gesundheitsorientierte Führung – eine rein aufgabenorientierte Führung hat hingegen keine maximal positive Wirkung auf die Mitarbeitergesundheit,

A1 Abstracts der Scoping Reviews – Themenfeld „Führung und Organisation“

− eine transparente und respektvolle Kommunikation zwischen Führungskräften und Geführten,

− eine klare Vermittlung der für die einzelnen Mitarbeiter relevanten Informationen bzw.

Regelungen,

− ein ermunternder, Kreativität fördernder Führungsstil,

− der Vorrang eines partizipativen, auf Dialog und Handlungsspielraum basierenden Füh-rungsstils vor einem autoritären, auf Befehl und Gehorsam ausgerichteten Führungsstil,

− die Berücksichtigung der Gerechtigkeitserwartungen der Geführten,

− die Berücksichtigung sozial-emotionaler Bedürfnisse der Organisationsmitglieder, wie Anerkennung, Selbstwirksamkeit und Lebenszufriedenheit, und

− die strikte Vermeidung bzw. Sanktionierung sämtlicher Formen destruktiver Führung.

Das vollständige Review findet sich unter

www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/F2353-2a.html

Im Dokument Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt (Seite 173-178)