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„GESTALTUNGSANSÄTZE“

fl exible ArbeitszeitenARBEITSZEIT

„GESTALTUNGSANSÄTZE“

Aus der Diskussion ergaben sich folgende Hinweise und Überlegungen:

Die Gestaltung auf organisationaler und die Gestaltung auf individueller Ebene dürfen nicht als Gegensatz verstanden, sondern sollten vielmehr integriert betrachtet werden:

So können auf organisationaler Ebene angemessene Handlungsspielräume und Ressourcen bereitgestellt werden, die individuelle Arbeitsgestaltung zu ermöglichen.

Zur adäquaten Nutzung ihrer Gestaltungsspielräume benötigen die Beschäftigten jedoch Kompetenzen, die ihnen einen professionellen Umgang mit Belastungen ermöglichen. Daher sollte Arbeitsgestaltung auch Qualifizierung beinhalten, Verhältnis- und Verhaltensprävention sich ergänzen.

Betriebliche Gestaltungprozesse sind idealerweise partizipativ auszurichten, wobei Beteiligung und Fachexpertise sich ergänzen sollten. Hierfür könnten Standards guter Gestaltungspraxis formuliert werden.

Führung sollte Arbeitnehmer darin unterstützen, ihre eigene Arbeit gut zu gestalten.

Dazu sind den Führungskräften entsprechende Kompetenzen zu vermitteln und Spielräume für die Wahrnehmung dieser Aufgabe zuzugestehen.

Für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit im Hinblick auf psychische Gesund-heit sollten abstrakt formulierte Zielvorgaben entwickelt werden, die spezifisch interpretiert und umgesetzt werden und durch Gestaltungsprinzipien ergänzt werden können. Best-Practice-Beispiele können diese weiter konkretisieren.

Gesundheitsbezogenes, empirisch abgesichertes Gestaltungswissen ist in der For-schung derzeit unterpräsentiert. GestaltungsforFor-schung sollte sich verstärkt mit der

Befunde des Projekts

2.7 Themenfeld „Psychische Gesundheit“

Im Rahmen der Prävention – als Gestaltungsprinzip – ist allgemein zwischen drei Vorgehens-weisen/Stufen zu unterscheiden. Die Primärprävention zielt auf die Schadensverhütung, also die Verhinderung der Entstehung von Krankheiten, die Sekundärprävention fokussiert auf die Schadensbegrenzung, d. h. die Früherkennung von Krankheiten sowie Vermeidung von Chronifizierungen, und die Tertiärprävention strebt die Schadenrevision, also die Begrenzung von Rückfällen bzw. von Folgeschäden, an.

Primärpräventive Maßnahmen können einmal verhältnisorientiert – also bedingungsbezo-gen – erfolbedingungsbezo-gen, d. h. aus einer Veränderung der technischen, organisatorischen und sozialen Arbeitsbedingungen bestehen, um eine Reduktion vorhandener Stressoren oder eine Stärkung von Ressourcen zu erreichen. Daneben sind aber auch auf den Beschäftigten bezogene ver-haltensorientierte Maßnahmen denkbar wie etwa Schulungen, Unterweisungen, Trainings etc..

Sekundärprävention bedeutet einmal, Betriebe für das Thema psychische Gesundheit im engeren Sinn, v. a. die psychischen Störungen, zu sensibilisieren, um Vorurteile und Berüh-rungsängste abzubauen, sowie Verständnis für interindividuelle Unterschiede in der Gesund-heit herzustellen, sodass insgesamt HandlungssicherGesund-heit entsteht. Daneben gehört zu den Instrumenten der Sekundärprävention u. a. die arbeitsmedizinische Vorsorge, bei der allge-mein zwischen der Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge zu differenzieren ist. Die arbeits-medizi nische Vorsorge bietet die Gelegenheit, den Wechselwirkungen zwischen psychischer Belas tung und Gesundheit im ärztlichen Gespräch nachzugehen und damit weitergehende Ansatz punkte für eine Gefährdungsbeurteilung zu gewinnen. Die im Rahmen der Vorsorge stattfindende Anamnese einschließlich der Arbeitsanamnese kann das Gespräch über auffäl-lige psychische Symptome und psychische Belastung des Beschäftigten beinhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gefährdung durch psychische Belastung oft erst durch Be - schwerden, die jeweils erlebten Beanspruchungsfolgen oder von den arbeitswissenschaftlichen Einschätzungen abweichende medizinische Befunde auffällt. In der sich anschließenden Beratung kann der Betriebsarzt auf Gestaltungansätze, d. h. auf Maßnahmen zur Vermeidung psychischer Belastung, aber auch auf dem Wege der Stressbewältigung, hinweisen. In anony-misierter Form erhält die Unternehmensführung – wenn notwendig – durch den Betriebsarzt Rückmeldungen sowohl zu vermuteten, aber auch überschätzten Gefährdungen im Betrieb (DGUV, 2014; AMR 6.4).

Darüber hinaus eignen sich für ein betriebliches Monitoring auch in den Betrieben verfügbare Kennzahlen wie z. B. zur Arbeitsfähigkeit oder Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen. Dabei ist der Entstehungszusammenhang der Daten jeweils zu berücksichtigen, um Fehlinterpreta-tionen zu vermeiden.

In der Empfehlung des Ausschusses für Arbeitsmedizin „Psychische Gesundheit im Be-trieb – Arbeitsmedizinische Empfehlung“ werden Beschwerdebilder angesprochen (BMAS, 2016). Hier könnte dem AfAMed die Anregung gegeben werden, sich weitergehend mit den Beschwerdebildern und diagnostischen Kriterien zu befassen. Hierbei müssen auch ethische Fragen bzgl. eines Screenings auf psychische Gesundheit bei Beschäftigten bedacht werden.

Eine gute Möglichkeit, Sekundärprävention und Primärprävention zu verknüpfen, besteht darin, auf der Grundlage von Frühindikatoren gesundheitlicher Beeinträchtigungen

Arbeits-Primärprävention

Sekundärprävention

Frühindikatoren gesundheit-licher Beeinträchtigungen

gestaltungsmaßnahmen frühzeitig zu initiieren. Der Betriebsarzt kann hier zur sachkundigen Abklärung von psychischen Beanspruchungen und den Arbeitsbedingungen im Unternehmen beitragen (vgl. ASiG). Auch wenn die Befunde der Scoping Reviews demonstrieren, dass die Outcome-Variablen multiple Zusammenhänge und Interaktionen zu den Arbeitsbedingungs-faktoren aufweisen und damit die für die gezielte Ableitung von Gestaltungsmaßnahmen notwendige Spezifizität fehlt, kann ein geschulter Betriebsarzt im Einzelfall konkrete Ursachen erfragen. Hier spielt auch die Interaktion zwischen der individuellen Disposition und der beruflichen Belastung eine Rolle. Wenn auch umgekehrt die breite Wirkung der Arbeitsbedin-gungsfaktoren auf die Gesundheitsindikatoren die Gestaltungsmöglichkeiten vergrößert, so bleibt zu bedenken, dass aufgrund der vielfältigen Wechselwirkungen der Faktoren die Effekti-vität der Maßnahmen auch im Einzelfall ggf. nur schwer abzuschätzen ist.

Zur Tertiärprävention zählen Maßnahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilita-tion bzw. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die das Ziel haben, bei vorhandener gesundheitlicher Schädigung, Erkrankung und/oder Behinderung die Arbeits- und Beschäf-tigungsfähigkeit weit möglichst zu erhalten bzw. einer Verschlimmerung vorzubeugen und weitere Folgeerkrankungen zu vermeiden. Damit soll die Ausgliederung aus der Arbeitswelt verhindert werden. Die gesetzliche Verankerung für das betriebliche Eingliederungsmana-gement (BEM) ist durch § 84 Absatz 2 des SGB IX gegeben. Demnach ist das BEM ein rechtlich regulierter kooperativer Suchprozess mit dem Ziel des Erhalts bzw. der Schaffung eines Arbeitsplatzes. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die berufliche Wieder-eingliederung (im Englischen: Return-to-Work; RTW) ein Prozess ist, der die Vernetzung einer Vielzahl von Akteuren erfordert: Neben dem Beschäftigten sind dies einerseits Akteure der betrieblichen Ebene wie Arbeitgeber, Interessenvertreter, Betriebsarzt, Vorgesetzte und Kollegen und andererseits Akteure der medizinisch-therapeutischen Ebene wie Hausarzt, Fachärzte und Rehabilitationseinrichtungen. Eine intensive Zusammenarbeit und Vernetzung dieser Akteure begünstigt eine erfolgreiche Wiedereingliederung. Dabei ist eine ausreichende Professionalisierung der koordinierenden und begleitenden RTW-Experten eine notwendige Voraussetzung. Die (frühzeitige Rückkehr zur) Arbeit wirkt sich positiv auf die Krankheits-bewältigung aus, wenn die Arbeit menschengerecht gestaltet ist. Dieser Punkt verdeutlicht die Notwendigkeit einer Arbeitsgestaltung, bei der eine Passung der individuellen, sozialen und betrieblichen Arbeitsanforderungen das Ziel ist. Insbesondere die soziale Unterstützung durch Vorgesetzte sowie Kolleginnen und Kollegen stellt für Betroffene einen entscheiden-den Faktor für das Gelingen der Wiedereingliederung dar. Ist das BEM in ein ganzheitliches Gesundheitsmanagement eingebettet, können aus der Tertiärprävention Impulse für die Primär- und Sekundärprävention gewonnen werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Beschäftigte generell weder über- noch unterfordert werden sollten. Weiterhin ist eine unnötige Pathologisierung von Beschäftigten ebenfalls zu vermeiden, da die Definition von Krankheit und spezifischen Erkrankungen von Wertsetzungen der Gesellschaft abhängt und damit nicht stabil ist.

Tertiärprävention

Befunde des Projekts

studien unzureichend und Längsschnittstudien erforderlich. Daneben ist zusätzlich die Personengruppe festzulegen, für die im Weiteren ein erheblich höheres Erkrankungsrisiko belegt werden muss, wobei die Ableitung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung optimal wäre. Die im Berufskrankheitenrecht üblichen Anforderungen an die Eindeutigkeit der Befundlage (z. B.

Erkenntnis über Wirkungsmechanismen, Unabhängigkeit der Messungen, Verlaufsstudien) werden aktuell jedoch kaum zu erfüllen sein. Die vorhandene Befundlage erlaubt somit weder Rückschlüsse auf besondere Einwirkungen, die z. B. zu einer depressiven Störung führen noch Aussagen zu Personengruppen, die gegenüber bestimmten Arbeitsbedingungsfaktoren in deutlich höherem Umfang als die übrige Bevölkerung exponiert sind. Wenngleich die Reviews Befunde zu Zusammenhängen zwischen Arbeitsbedingungsfaktoren und psychischen Störungen zeigen, lässt sich aus Sicht der BAuA aufgrund der Studienlage aktuell keine Emp-fehlung ableiten, dass sich der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ mit der Thematik psychischer Belastung und z. B. depressiver Störungen befassen sollte.

Grundsätzlich zeigt die Studienlage, dass sich die 12-Monats-Prävalenz von psychischen Störungen in den letzten Jahren kaum verändert hat (Robert Koch-Institut, 2015). So liegt die 12-Monats-Prävalenz von depressiven Störungen ca. bei 6 % für Männer und bei etwa 13 % für Frauen (Jacobi et al., 2014). Unterschiede in den jeweils berichteten Prävalenzen sind dabei zum einen auf Veränderungen der Krankheitsklassifikationssysteme zurückzuführen.

So ist die Anzahl der Krankheitskategorien des Diagnostic and Statistical Manuals of Mental Disorders (DSM) von seiner ersten Veröffentlichung im Jahre 1952 bis zum DSM IV, das im Jahre 1994 erschien, von 106 auf über 190 gestiegen. Zum anderen ging damit auch eine Ver-änderung der Diagnosekriterien z. B. für die „Depressive Disorders“ einher. So verlangten die sogenannten Feighner Kriterien von 1972 (Feighner et al., 1972), dass von einer depressiven Störung dann auszugehen ist, wenn das Krankheitsbild des Patienten fünf von acht Leitmerk-malen (Appetitlosigkeit/Gewichtsverlust, Schlafstörungen, Energieverlust, psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung, Verlust des Interesses an gewöhnlichen Aktivitäten, Schuldge-fühle, verminderte Denk- oder Konzentrationsfähigkeit, suizidale Gedanken) entsprach, wobei die Symptome mindestens über einen Monat auftreten mussten. Nach der neuesten Auflage – dem DSM V (American Psychiatric Association, 2013) – brauchen die Symptome dagegen nur noch über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen manifest zu sein, wobei längere Trauerperioden aus dem Störungsbild nicht mehr explizit ausgeschlossen werden. Weiterhin variieren auch die (12-Monats-)Prävalenzschätzungen für psychische Störungen in ihrer Höhe (DSM IV: American Psychiatric Association, 2000; Bundesgesundheitssurvey 1998: Bellach, 1999; Wittchen et al., 1999) in Abhängigkeit von der Zusammenfassung der jeweiligen Störungskategorien (Major Depression, Dysthyme Störung) zu Obergruppen (z. B. Affektive Störung). Darüber hinaus hat auch das eingesetzte Diagnoseverfahren (z. B. PHQ als Selbst-einschätzungsfragebogen, Composite International Diagnostic Interview – CIDI als Interview) Einfluss auf die ermittelte Häufigkeit depressiver Störungen (Busch et al., 2013).

Insgesamt gibt es aktuell keine empirischen Hinweise auf Veränderungen in der Prävalenz psychischer Störungen. Diese Befunde stehen allerdings in Widerspruch zum Anstieg der auf-grund einer psychischen Störung zuerkannten Zahl von Erwerbsminderungsrenten, aber auch zur Zunahme des Anteils der auf eine depressive Episode zurückgehenden Arbeitsunfähig-keitstage am Krankenstand in den zurückliegenden Jahren (Schütte & Köper, 2013). Als eine Ursache für die verstärkte Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheits- und Sozial-systems wird die veränderte Einstellung zu psychischen Störungen (z. B. Entstigmatisierung) diskutiert (Angermeyer et al., 2013). Darüber hinaus repräsentieren in diesem Rahmen auch

Einflüsse auf die Prävalenz psychischer Störungen

zuerkannte Zahl von Erwerbsminderungsrenten und Arbeitsunfähigkeitstage

die Erwartungen des Patienten sowie des Behandelnden an die Konsequenzen einer Diagnose (z. B. Erwerbsminderung durch eine depressive Störung) einen weiteren möglichen Einfluss-faktor. Auch kommt in Betracht, dass die psychische Bedingtheit körperlicher Beschwerden besser erkannt wird. Eine Hypothese besteht darin, dass die durch den Wandel der Arbeit entstehenden Arbeitsanforderungen eine Leistungsfähigkeit verlangen, die nicht bei allen Beschäftigten gegeben ist.

Aber auch dem Gesundheitssystem inhärente Bedingungen können den Anstieg erklären, wie z. B. eine Veränderung der Diagnosemöglichkeiten in der ambulanten Versorgung, durch die psychische Störungen eher als in der Vergangenheit erkannt werden (Jacobi et al., 2002).

Ebenfalls möglich sind gesundheitsökonomische Effekte (z. B. unterschiedliche Anreizsyste-me durch Fallgruppenpauschalen oder die regionale Angebotsdichte von Therapien).

Nicht auszuschließen ist weiterhin, dass sich durch eine Verschiebung der diagnostischen Kriterien – wie sie im DSM V deutlich wird – der Anteil psychisch Erkrankter unangemessen vergrößert, sodass eine Pathologisierung der Gesellschaft und damit auch der Belegschaften die Folge ist.

Befunde des Projekts

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