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7.3 Unterschiedliche Organisationsformen und Angebotsstrukturen

7.3.1 Die Träger der Seniorenkreise

Wie aus den beiden Tabellen der befragten Seniorenkreise bereits hervorgeht, gehört mit 52,3 % (BS 41,3 %; PE 62,8 %) der überwiegende Teil der Kreise keinem übergeordneten Träger oder Dachverband an. Bei ihnen handelt es sich in Braunschweig vorwiegend um selbstständige Seniorenkreise, die sich als Verein haben eintragen lassen, oder um Seniorengruppen, die von einer (ebenfalls als Verein organisierten) Bürgergemeinschaft des Stadtteils unterstützt werden.

Diese Vereine sind aus dem Bemühen heraus, ein flächendeckendes Angebot offener Altenhilfe zu schaffen, zumeist von städtischer Seite initiiert worden.579 Im Landkreis Peine sind die ent-sprechenden Gruppen hingegen keine eingetragenen Vereine, sondern stellen informelle Zusam-menschlüsse der älteren Bewohner eines meist abgeschlossenen Ortsteils dar.

Die meisten anderen Seniorenkreise sind einem Träger der freien Wohlfahrtspflege zugeord-net. Diese Institutionen sind zumeist als Verein, Stiftung oder gemeinnützige GmbH organisiert und haben sich zu den sechs Spitzenverbänden Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutscher Paritä-tischer Wohlfahrtsverband (DPWV), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Deutscher Caritasverband (DCV), Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland und Zentralwohlfahrts-stelle der Juden in Deutschland (ZWSt) zusammengeschlossen, die wiederum in der Bundes-arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeiten. Nach deren Satzung gehört u.a. zu den Aufgaben eines solchen Spitzenverbandes, dass er seine Tätigkeit über das gesamte Bundesgebiet erstreckt und als Zusammenschluss von Organisationen und Einrichtungen, die von derselben Idee getragen werden, die Gewähr für eine stetige, umfassende und fachlich qualifi-zierte Arbeit in allen Feldern der Sozialarbeit bietet.580

Unter diesen die größte Gruppe bilden die Seniorenkreise in kirchlicher Trägerschaft, die also dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Deutschlands, dem Deutschen Caritas-verband oder zu anderen Kirchen gehörenden Wohlfahrtsträgern (z. B. dem Advent-Wohlfahrts-werk) zuzuordnen sind. Entsprechend der bei der letzten Volkszählung 1987 mit 65,2 % in Niedersachsen vorherrschenden Konfession (BS 56,2 %; PE 72,9 %) sind hierunter vor allem Angebote evangelischer Kirchengemeinden (BS 20,8 %; PE 18,5 %) vertreten.581 Da zudem der Anteil katholischer Bewohner im Landkreis Peine mit 14,1 % nur etwa ein Fünftel des evangeli-schen Anteils ausmacht und auch etwas geringer ist als in Braunschweig (15,5 %; Nds. 19,6 %), sind in Peine mit 3,7 % deutlich weniger Seniorenkreise dem Deutschen Caritasverband ange-schlossen als in Braunschweig, wo dies auf 15,1 % der untersuchten Seniorenkreise zutrifft. In Braunschweig geht der geringere Anteil der evangelischen Bevölkerung eindeutig zugunsten der konfessionslosen. Doch auch andere religiöse Vereinigungen sind dort ansässig wie etwa eine Adventgemeinde, die ebenfalls einen Seniorenkreis unterhält.

Die Angebote der kirchlichen Verbände spielen gerade in diesem Bereich der offenen Alten-hilfe eine große Rolle, zumal ältere Menschen in Deutschland eher einer Kirche zugetan sind als jüngere.582 Gerade in ländlichen Regionen sind für ältere Menschen die Kirchenzugehörigkeit und häufige Kontakte zur Gemeinde selbstverständlich. Darüber hinaus ist die Rolle der Kirche als Teil der dörflichen Infrastruktur nicht zu unterschätzen, da sie neben ihrem religiösen Auftrag auch wesentliche kulturelle und soziale Aufgaben im parafiskalischen Bereich wahrnimmt. So

579 vgl. Stadt BS 1986b, S. 24

580 vgl. DV 1993b, S. 358f.

581 vgl. Nds. Landesverwaltungsamt Statistik 1989, S. 15, S. 47 u. S. 63; NLS 1994b, S. 57

Im gesamten früheren Bundesgebiet waren zu diesem Zeitpunkt 41,6 % evangelisch, 42,9 % katholisch, 5,4 % einer anderen und 8,0 % gar keiner Religionsgemeinschaft zugehörig (vgl. Stat. Bundesamt 1998a, S. 62).

582 Dies gilt insbesondere für die evangelische Kirche, denn während die Mitglieder der katholische Kirche an jeder Altersgruppe der über 59-Jährigen einen in etwa gleichbleibenden Anteil von ca. 42 % haben, steigt der Anteil evangelischer Mitglieder von 45,5% bei den 60- bis 64-Jährigen kontinuierlich auf 54,0 % bei den über 84-Jährigen an (vgl. Stat. Bundesamt 1992, S. 209).

engagieren sich die ländlichen Kirchengemeinden außer in der Altenarbeit häufig auch für die Jugend und andere Gruppen wie Frauenvereine oder Chöre. Dabei handelt es sich nicht aus-schließlich um religiöse Veranstaltungen, sonder auch um allgemeine Freizeitangebote. Nicht zuletzt bietet die lokale Präsenz der Kirchen und das über viele Jahre gewachsene dichte Netz von Pfarreien und Gemeindehäusern den Vorteil der guten Erreichbarkeit der Angebote.583

Ebenfalls zu den kirchennahen Angeboten sind die Seniorenkreise der Katholischen Arbeit-nehmerbewegung (KAB) und der Kolpingfamilie zu rechnen. Die Kolpingbewegung geht zurück auf den Mitte des vorigen Jahrhunderts gegründeten „Katholischen Gesellenverein“, der von dem Priester ADOLF KOLPING zum Kolpingwerk, einer internationalen Bildungs- und Aktionsgemein-schaft katholischer Laien zur Betreuung der Angehörigen aller Ausbildungsberufe, weiterent-wickelt wurde. Bei der seit 1968 bestehenden KAB handelt es sich um einen Zusammenschluss katholischer Arbeitervereine, der heute die größte nichtgewerkschaftliche Arbeitnehmerorgani-sation in Deutschland darstellt.584

Doch auch nichtkirchliche Arbeitnehmervereinigungen wie die Industriegewerkschaften Metall und Medien oder die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) unterstützen Seniorenkreise ihrer im Ruhestand befindlichen Mitglieder. Diese Gruppen machen 3,7 % (BS 5,6 %; PE 1,9 %) der untersuchten Seniorenkreise aus. Das Anliegen der gewerk-schaftlichen Angebote ist dabei vor allem, die Kollegen im Rentenalter nach wie vor in die Or-ganisation zu integrieren und die Mitgliedschaft auch dann noch attraktiv zu gestalten.

Mit 4,6 % (BS 1,9 %; PE 7,5 %) einen ähnlichen Anteil an den untersuchten Seniorenkreisen haben die vom Deutschen Roten Kreuz getragenen Gruppen. Dem DRK sind als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege verschiedene Verbände und Vereine angeschlossen. Außer in der Altenhilfe ist das DRK vor allem in der Kinder- und Jugendhilfe, der Kur- und Erholungshilfe sowie in der Behindertenarbeit tätig, von ihm werden Krankenhäuser, Altenheime, Sozialstati-onen und ambulante Hilfsdienste unterhalten. Als weitere Aufgaben des DRK als nationale Rotkreuz-Gesellschaft kommen u. a. Rettungsdienste, Krankentransporte, Blutspendedienste und Katastrophenschutz hinzu. Dabei übernimmt das DRK auch die Ausbildung haupt- und ehren-amtlicher Mitarbeiter in der Ersten Hilfe und im pflegerischen Bereich.585 Das Angebot von Se-niorenkreisen stellt also nur einen kleinen Bereich der vom DRK geleisteten sozialen Arbeit dar.

Einige Seniorenkreise unterhält als weiterer Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege auch die Arbeiterwohlfahrt, die zu Beginn dieses Jahrhunderts von den Sozialdemokraten und der Arbeiterbewegung ins Leben gerufen worden ist und deren Unterverbände heute in allen Städten und Kreisen der Bundesrepublik bestehen. Die AWO ist genauso wie das DRK auf allen Gebie-ten der sozialen Arbeit tätig und hat es sich vor allem zum Ziel gesetzt, sich aktiv für die Lösung sozialer Probleme einzusetzen, die individuellen Ansprüche auf soziale Hilfen, Erziehung und Bildung zu erfüllen sowie bei der Entwicklung eines ausreichenden Systems sozialer Leistungen und Einrichtungen mitzuwirken.586 Zu den von der AWO unterhaltenen Eichrichtungen zählen somit u. a. Altenheime und Seniorentagesstätten. An dieser Untersuchung hat sich in jedem der Untersuchungsgebiete ein von der AWO getragener Seniorenkreis beteiligt.

Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband stellt den Zusammenschluss derjenigen gemeinnützigen Wohlfahrtsorganisationen dar, die keinem der anderen Spitzenverbände zuge-ordnet werden können. In den 20er Jahren als nichtkonfessioneller und parteipolitisch neutraler

„Fünfter Wohlfahrtsverband e. V.“ gegründet und nach dem Krieg als Bundesorganisation wieder ins Leben gerufen, gehört es zu den Aufgaben des kurz als „Der PARITÄTISCHE“ bezeichneten

583 vgl. HENKEL 1995, S. 246; DEENEN 1997, S. 10; KLUCZKA u. a. 1981, S. 133; BURBERG u. a. 1989, S. 71f.

584 vgl. MEYERs großes Taschenlexikon

585 vgl. DV 1993b, S. 228f.; MEYERs großes Taschenlexikon

586 vgl. DV 1993b, S. 59f.; AWO 1988

Verbandes, seine Mitgliedsorganisationen zu fördern und zu repräsentieren, die ehrenamtliche Mitarbeit zu pflegen und wohlfahrtspflegerische Aktivitäten in der Bevölkerung zu initiieren. So wird seine Arbeit heute durch die Mitgliedschaften vieler Selbsthilfegruppen geprägt.587 Diesem übergeordneten Verband angeschlossen ist die Lebensabend-Bewegung (LAB), die in jedem der Untersuchungsgebiete einen Seniorenkreis trägt. Wie in 6.1.1 beschrieben ist die LAB ein Verein, der sich eigens der Belange älterer Menschen annimmt und ein selbstständiges Leben im Alter fördern will. So ist es auch gang und gäbe, die Abkürzung LAB als das Motto „Lange Aktiv Bleiben“ zu interpretieren.

In der Stadt Braunschweig werden ferner zwei Seniorenkreise vom Reichsbund der Kriegs-und Wehrdienstopfer, Behinderten, Sozialrentner Kriegs-und Hinterbliebenen e. V. getragen. Der Reichs-bund wurde im Jahre 1917 gegründet, musste sich aber (wie die anderen beschriebenen Wohl-fahrtsverbände auch) nach der Auflösung während der NS-Zeit nach dem Krieg neu konstitu-ieren. Der Reichsbund vertritt die sozialpolitischen Interessen der genannten Bevölkerungsgruppen gegenüber der Öffentlichkeit sowie Gremien der Politik und Verwaltung und gewährt seinen Mitgliedern Rechtsschutz bei der Durchsetzung von Ansprüchen, die aus den verschiedensten sozialen Gesetzen erwachsen.588 Bei den untersuchten Seniorenkreisen handelt es sich um für alle interessierten Senioren offene Gruppen, die mit verschiedenen Programm-angeboten gemeinsam ihre Freizeit gestalten.

Bei den Seniorenkreisen, die vom Braunschweiger Turn- und Sportverein Eintracht und dem Touristenverein „Die Naturfreunde“ unterhalten werden, handelt es sich demgegenüber um Gruppen älterer Mitglieder dieser Vereinigungen, deren gemeinsame Aktivitäten im Wesentli-chen durch die Ausrichtung des Vereins geprägt sind. DementspreWesentli-chend stehen bei der Eintracht sportliche Betätigungen im Vordergrund, während die Naturfreunde verstärkten Wert auf Wande-rungen und Geselligkeit legen.

Die festgestellte anteilsmäßige Verteilung der Trägerschaft bei den untersuchten Seniorenkrei-sen entspricht in etwa dem Bild, das auch anderenorts gewonnen wurde. Dabei hat sich speziell in Braunschweig die Situation gegenüber der im Braunschweiger Altenplan für das Jahr 1985 dargestellten nur wenig verändert.589 Trotz der Bindung an unterschiedliche Träger bestehen je-doch vor allem im Landkreis Peine nicht selten Kontakte unter (benachbarten) Seniorenkreisen, genauso wie zur ortsansässigen Kirchengemeinde oder Alten- und Pflegeheimen. Diese Kontakte reichen von gemeinsamen Feiern und anderen Veranstaltungen wie etwa Ausflügen oder Theater-besuchen bis hin zur Beratung bei Fragen zur Daseinsvorsorge.590

Betrachtet man die Gründungsjahre der Seniorenkreise nach den unterschiedlichen Arten von Trägern, so fällt auf, dass die Kirchen bereits Mitte der 60er Jahre und somit früher als die ande-ren Träger Senioande-renkreise initiiert haben. Mit dem Wandel in der Altenhilfe setze dann zu Beginn der 70er die Gründung ungebundener Kreise ein, und auch die Wohlfahrtsverbände nahmen sich dieser Aufgabe an. Erst später (Ende der 70er Jahre) haben die meisten Gewerkschaften und anderweitige Vereine ebenfalls solche Seniorengruppen eingerichtet. Das frühe Engagement der Kirchen liegt darin begründet, dass derartige Angebote für ältere Menschen in der Regel zur Ge-meindearbeit gehören und durch die Gemeindehäuser die entsprechenden räumlichen Möglich-keiten für die Durchführung der Treffen ohnehin zur Verfügung stehen.

587 vgl. DV 1993b, S. 224f.

588 vgl. DV 1993b, S. 773

589 vgl. BAUER-SÖLLNER 1994, S. 109; SCHULERI-HARTJE 1992, S. 55; Stadt BS 1986b, S. 23

590 vgl. LK PE 1996, S. 46f.