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5.6 Der Öffentliche Personennahverkehr

5.6.4 Die Nutzungshäufigkeit

Obwohl die Verkehrsbetriebe seit Ende der 80er Jahre wieder Fahrgastzuwächse verzeichnen, hat sich der Marktanteil des ÖPNV am gesamten Verkehrsaufkommen nicht verbessert. Denn im Zuge des steigenden Realeinkommens gewinnt die Motorisierung und damit der Individualver-kehr, allen voran der Pkw, an Bedeutung, wodurch die Ansprüche an den ÖPNV gestiegen sind.

Dies hat zu einer schlechteren Beurteilung des ÖPNV-Angebotes beigetragen, obgleich sich die-ses objektiv nicht verschlechtert hat. Mit einer Fahrt mit dem ÖPNV ist indes ein im Vergleich zum Individualverkehrsmittel hoher Zeitaufwand verbunden: Zu der eigentlichen Fahrzeit, die aufgrund der nur indirekten Linienführung und der Zwischenhalte ohnehin schon erhöht ist, kommen die Zeiten für die zu Fuß oder mit einem zweiten Verkehrsmittel zurückzulegenden Wege von und bis zu den Haltestellen und unter Umständen auch Zeiten, die mit Warten oder Umsteigen verbracht werden müssen, hinzu. Insbesondere die Geh- und Wartezeiten werden subjektiv als länger empfunden als sie objektiv sind, weswegen die meisten Menschen eine län-gere Fahrzeit dem Umsteigen vorziehen. Insgesamt wirkt die Benutzung öffentlicher Verkehrs-mittel somit auf die meisten Menschen sehr unattraktiv.409

407 vgl. LK PE 1996, S. 82

408 vgl. BMFSFJ 1996a, S. 239; Deutscher Bundestag 1994, S. 410 u. S. 477; ZELLNER 1994, S. 148; DVR 1993, S. 44; STRÜDER 1993, S. 78

409 vgl. DEITERS 1995, S. 556f.; FRIEDRICHS 1990a, S. 169; VOIGT 1989, S. 3 u. S. 25; Zweckverband Großraum Braunschweig 1996, S. 245

Wenn jedoch die Kosten etwa für den privaten Pkw weiterhin steigen, könnte dies vielleicht einen allgemeinen Trend „weg vom Individualverkehr, hin zum ÖPNV“ bewirken (vgl. Deutscher Bundestag 1994, S. 477).

Ältere Menschen zählen dennoch zu einem recht hohen Anteil zu den Nutzern öffentlicher Verkehrsangebote.410 Von den 1.818 Probanden dieser Untersuchung, die Auskunft über die Häu-figkeit ihrer ÖPNV-Nutzung gaben, fuhren 6,3 % täglich, 24,9 % mehrmals und weitere 14,3 % einmal in der Woche mit öffentlichen Verkehrsmitteln, 9,0 % taten dies etwa einmal im Monat, 31,4 % seltener als monatlich; nur 14,2 % gaben an, nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fah-ren. Sehr große Unterschiede bestanden hier jedoch zwischen den Senioren aus den beiden Teilen des Untersuchungsgebietes, was sicherlich auf die ungleichen ÖPNV-Angebote zurückzuführen ist. Denn während 62,4 % der Befragten aus dem Braunschweiger Stadtgebiet einmal wöchent-lich oder öfter mit Bus oder Straßenbahn unterwegs waren (darunter 10,2 % tägwöchent-liche ÖPNV-Benutzer), traf das nur auf 19,3 % der Peiner Seniorenkreisbesucher zu (davon nur 0,3 % täglich).

Dort gaben hingegen 43,7 % der Probanden an, seltener als einmal im Monat öffentliche Ver-kehrsmittel zu benutzen, weitere 23,7 % taten dies sogar nie (gegenüber 23,3 % bzw. 8,0 % in Braunschweig).

Diese großen Unterschiede werden auch in Abb. 5.3 deutlich, wo die ÖPNV-Nutzungshäufig-keit der Probanden der vier Altersgruppen gesondert nach den Untersuchungsgebieten dargestellt ist. Trotz der differierenden Größen-ordnung ist den Probanden aus bei-den Untersuchungsgebieten gemein, dass die jungen Alten am seltensten das öffentliche Verkehrsangebot in Anspruch nahmen (insgesamt nutz-ten 33,1 % der unter 65-jährigen Be-fragten den ÖPNV einmal wöchent-lich oder öfter). Bei den mittleren Alten nimmt der Anteil der Senio-ren, die mindestens einmal in der Woche mit Bus oder Bahn fuhren, etwas zu (42,9 %) und ist bei den Betagten am größten (50,7 %); in Peine ist dies die einzige Altersgruppe, in der tägliche ÖPNV-Nutzer vertreten sind. Bei den hochbetagten Seniorenkreisbesuchern geht die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wiederum etwas zurück (47,7 %).

Wie auch schon unter anderen Gesichtspunkten festgestellt, steht die Verhaltensänderung in den höheren Altersgruppen in engem Zusammenhang mit dem zunehmendem Grad der (subjektiv empfundenen) Gehbeschwerden. So gehörten die Probanden mit starken Gehbe-schwerden mit 21,2 % (BS 16,5 %; PE 28,9 %) überdurchschnittlich oft zu den Nicht-Nutzern öffentlicher Verkehrsangebote.411 Am seltensten trifft dies hingegen auf die ein wenig in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkten Seniorenkreisbesucher zu, die nur zu 11,6 % (BS 5,6 %; PE 20,8 %) nie mit dem ÖPNV fuhren, bei den nicht beeinträchtigten Senioren sind dies 14,3 % (BS 7,3 %;

PE 24,4 %). Entsprechend fallen auch die Anteile der Probanden aus, die einmal in der Woche oder öfter mit Bus und Bahn unterwegs waren: Am niedrigsten ist dieser Anteil mit 40,0 % (BS 54,4 %; PE 16,5 %) bei den Senioren, denen das Gehen sehr schwer fällt, gefolgt von den gar nicht Beeinträchtigten mit 42,7 % (BS 59,7 %; PE 17,9 %). Am häufigsten fuhren die Befragten mit leichten Gehbeschwerden mit dem ÖPNV, denn 50,7 % (BS 69,3 %; PE 22,2 %) von ihnen

410 vgl. MOLLENKOPF u. a. 1996, S. 29; MATHEY 1991, S. 607; FRANZ u. a. 1982, S. 198; MATHEY 1983 (nach MEUSEL 1996, S. 131)

Demgegenüber haben sowohl KLUCZKA u. a. (1981, S. 56) als auch ASAM u. a. (1990, S. 96) die Beobachtung gemacht, dass der ÖPNV von älteren Menschen eher selten genutzt wird.

411 Auch nach DEITERS (1991, S. 53) ist der Fahrgastanteil von Personen mit Schwerbehindertenausweis in der Regel sehr gering.

täglich mehrmals wöchentlich einmal wöchentlich monatlich seltener nie

PE BS

Abb. 5.3: ÖPNV-Nutzungshäufigkeit nach Altersgruppen und Untersuchungsgebieten

gehörten zu den mindestens wöchentlichen Nutzern. Die Gründe für diese unterschiedlichen Nutzungshäufigkeiten liegen vermutlich zum einen darin, dass von den jüngeren bzw. nicht durch Gehbeschwerden beeinträchtigten Probanden anfallende Wege noch gänzlich zu Fuß oder aber mit einem Individualverkehrsmittel wie einem Fahrrad oder einem Auto zurückgelegt wer-den können, und zum anderen die älteren bzw. von starken Gehbeschwerwer-den betroffenen Senio-ren vielfach körperlich nicht mehr in der Lage sind, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen.

Demgegenüber bietet der ÖPNV den älteren Menschen, die leichte Gehbeschwerden haben, die Möglichkeit, ihre Mobilitätseinschränkung noch durch die Nutzung von Bussen und Bahnen zu kompensieren.

Unterschiedliche Bedeutung als Verkehrsmittel hat der ÖPNV auch für die beiden Geschlech-ter: Während Frauen zu 48,8 % mindestens einmal in der Woche mit Bus oder Bahn fuhren, trifft dies nur auf 31,5 % der Männer zu. Männliche Probanden gehören mit 21,8 % auch deutlich öfter zu den Nicht-Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel als weibliche (12,4 %). In Bezug auf den Fami-lienstand der Probanden ergab sich, dass öffentliche Verkehrsmittel vorwiegend für nicht verhei-ratete Probanden von Bedeutung waren, allen voran die geschiedenen Seniorenkreisbesucher, die zu 63,8 % einmal in der Woche oder öfter darauf zurückgriffen, gefolgt von den verwitweten (51,4 %) und den ledigen (45,8 %) Probanden. Bei den Verheirateten spielten öffentliche Ver-kehrsangebote im wöchentlichen Alltag nur bei 39,3 % eine Rolle, was in Anbetracht des hohen Anteils der Autobesitzer auch nicht verwunderlich ist. Denn durch das Vorhandensein eines Pkw im Haushalt gehen meist alle Haushaltsmitglieder als ÖPNV-Nutzer verloren.412 Dies bestätigt sich auch bei den befragten Senioren, da diejenigen unter ihnen, die über kein Auto verfügten, mit 53,7 % (BS 71,7 %; PE 24,7 %) zu einem deutlich größeren Anteil mindestens einmal in der Woche auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgriffen als die Autobesitzer mit nur 17,1 % (BS 26,7 %; PE 5,4 %); Letztere fuhren zum überwiegenden Teil (48,0 % sowohl in BS als auch PE) seltener als einmal im Monat mit Bus oder Bahn. Des Weiteren wirkt sich auch bei den Proban-den ohne eigenes Auto die eventuelle Gelegenheit, von jemand anderem gefahren zu werProban-den, klar auf die Nutzungshäufigkeit des ÖPNV aus. Nichtmotorisierte Probanden, die auch auf keine Fahrgelegenheit zurückgreifen konnten, gehören zu 68,3 % (BS 78,1 %; PE 29,2 %) zu den min-destens wöchentlichen ÖPNV-Nutzern. Dieser Anteil geht bei denjenigen, die wenigstens manchmal eine Fahrgelegenheit hatten, auf 50,3 % (BS 71,6 %; PE 26,2 %) zurück, und die stän-dig über eine Fahrgelegenheit verfügenden Senioren fuhren nur noch zu 39,8 % (BS 63,9 %; PE 19,2 %) einmal in der Woche oder öfter mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei nimmt allerdings nicht etwa der Anteil der Nichtbenutzer entsprechend zu, sondern vor allem der Anteil der mo-natlichen oder selteneren ÖPNV-Nutzer wird größer; das heißt, dass auch die nichtmotorisierten, aber über eine Fahrgelegenheit verfügenden Senioren nicht gänzlich auf die Benutzung öffent-licher Verkehrsmittel verzichten.

In Hinsicht auf die meist auf das Stadtzentrum bzw. Ober- und Mittelzentren ausgerichteten Liniennetze des ÖPNV ist weiterhin eine nach den Wohnquartieren der Senioren differenzierte Betrachtung der Nutzungshäufigkeit von Interesse. Die Wohnorte der Probanden aus dem Braun-schweiger Stadtgebiet wurden hierzu nach den statistischen Bezirken zu drei ringförmigen Ge-bieten zusammengefasst (Abb. 5.4). Der innere Kreis (I) umfasst dabei alle Bezirke des Stadt-kerns und der Stadtkernrandzone, also den angrenzenden Stadtvierteln im Bereich des Wilhelminischen Ringes (stat. Bez. 01-17). Im mittleren Ring (II) sind die Stadtteile enthalten, die den Randbereich des städtischen Verschmelzungsbereichs darstellen und die zum Stadtkern eine verkehrsgünstige Lage haben (stat. Bez. 18-32, 36, 37, 42-44, 48, 49, 51-55). Den äußersten Ring (III) bilden schließlich eine Reihe von Außenbezirken, in denen sich einzeln gelegene Ort-schaften mit teilweise ländlichem Charakter befinden (stat. Bez. 33-35, 38-41, 45-47, 50, 56-74).

412 vgl. VOIGT 1989, S. 21f.

Entsprechend dieser Gruppierung sind in dem Diagramm in Abb. 5.4 die Häufigkeiten der ÖPNV-Nutzung der Braunschweiger Probanden dargestellt. Hierbei wird offensichtlich, dass die Nutzungshäufigkeit nach außen hin abnimmt. Während im Bereich des Stadtkerns und des Wil-helminischen Ringes 56,2 % mehrmals in der Woche mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs waren, traf dies auf die Probanden aus dem mittleren Ringes schon etwas weniger oft zu (54,7 %). Deutlich seltener benutzten allerdings die Bewohner der Außenbezirke den ÖPNV: nur 29,0 % taten dies mehrmals wöchentlich. Vor allem der Anteil der Senioren, die Bus und Bahn seltener als einmal im Monat in Anspruch nahmen, ist in diesen Bezirken ausgesprochen hoch (32,3 %), und auch die Nicht-Nutzer öffentlicher Verkehrsangebote sind hier mit 9,4 % öfter ver-treten als in den beiden anderen Bereichen (jeweils 6,6 %).

Für die Peiner Probanden war diesbezüglich nur ein Vergleich zwischen den einzelnen Ge-meinden des Landkreises Peine möglich. Wie Abb. 5.5 veranschaulicht, bestehen doch auch auf dieser Ebene durchaus Unterschiede. Erwartungsgemäß wurden öffentliche Verkehrsmittel mit Abstand am häufigsten in der Kreisstadt selbst von den befragten Senioren in Anspruch genom-men; dort gibt es sogar, anders als in den restlichen sieben Gemeinden, einen geringen Anteil täglicher Nutzer (0,4 %). Insgesamt gehörten 32,2 % der in der Stadt Peine wohnhaften Probanden mindestens einmal in der Woche zu den ÖPNV-Nutzern. Den nächst größeren Anteil wöchentlicher Nutzer hat mit 18,6 % die Gemeinde Hohenhameln im Südwesten der Kreisstadt, gefolgt von Vechelde (11,3 %), Wendeburg (9,9 %), Ilsede (9,8 %), Lahstedt (8,6 %), Lengede (7,4 %), und zuletzt Edemissen mit lediglich 2,6 %. Insge-samt geht aus der Abbildung hervor, dass die Probanden aus dem Süd-westen des Landkreises öfter die Dienste des öffentlichen Personen-nahverkehrs in Anspruch nahmen als die Senioren aus den nördlichen Teilen des Landkreises. Insbesondere Senioren, die mehrmals in der Woche mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln unterwegs waren, kommen in den Gemeinden Hohenhameln, Ilsede und Lahstedt vergleichsweise oft vor, während dies in Edemissen nur auf wenige und in Wendeburg auf gar

einmal

Abb. 5.4: ÖPNV-Nutzungshäufigkeit in der Stadt Braunschweig nach Stadt-regionen

Abb. 5.5: ÖPNV-Nutzungshäufigkeit im Landkreis Peine nach Gemeinden

keine Probanden zutrifft. Dies erklärt sich unter anderem dadurch, dass infolge der naturräumlich begründeten dichteren Besiedlung des südlichen Kreisgebietes (siehe 3.1.3) diese Gemeinden verkehrstechnisch enger miteinander verflochten sind und, nicht zuletzt wegen der größeren Zahl der Nachfrager, auch der ÖPNV ein dichteres Netz aufweist.