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5.5 Der Personenkraftwagen

5.5.2 Die Verfügbarkeit und Nutzung eines Autos

Als Voraussetzung für die Teilnahme am Straßenverkehr als Autofahrer oder Mitfahrer muss zu-nächst ein Pkw potenziell verfügbar sein, was dann gegeben ist, wenn mindestens ein Pkw (bzw.

ein Führerscheinbesitzer) dem Haushalt anhört.361 Im Zuge der Durchsetzung des Autos als Indi-vidualverkehrsmittel ist in vergangenen Jahrzehnten auch der Anteil der Führerscheininhaber unter den älteren Menschen stetig angestiegen. Während Mitte der 70er Jahre nur etwa jeder sechste über 65-Jährige im Besitz einer Fahrerlaubnis war, wuchs dieser Anteil bis 1994 auf ca.

ein Drittel an. Zu dieser Zeit hatten bereits 87 % der 30-Jährigen einen Führerschein, so dass im Jahr 2000 über die Hälfte der über 65-jährigen Senioren ein Auto fahren dürfen. Dabei waren es lange Zeit nur Männer, die einen Führerschein erworben haben; bei Frauen setzte dieser Trend in nennenswertem Umfang erst in den 50er Jahren ein.362

Ebenso hat auch der Motorisierungsgrad seit den 60er Jahren in der Gesamtbevölkerung stark zugenommen, wovon auch ältere Menschen nicht ausgeschlossen waren.363 Allein in dem Zeitraum von 1990 bis 1996 stieg der gesamte Kraftfahrzeugbestand bei-spielsweise in der Stadt Braunschweig um 13 %, im Landkreis Peine erhöhte er sich sogar um 29 %.364 Zum Zeitpunkt der Befra-gung besitzt etwa jeder zweite Bundesbürger einen Pkw, in Nie-dersachsen liegt diese Zahl leicht über dem Bundesdurchschnitt (Tab. 5.1). Die städtische Bevölkerung in Braunschweig weist

359 vgl. Deutscher Bundestag 1994, S. 380; WZB 1994, S. 28; WEISS 1993, S. 98f.

MONHEIM (1985, S. 347) gibt zu bedenken, dass bei Autofahrern zu beobachtende höhere Mobilitätsraten bisweilen die Folge von Substitutionsvorgängen (Autofahrer übernehmen sonst anderen Familienmitgliedern obliegende Tätigkeiten) oder von Serviceverpflichtungen (die Mutter als „Taxifahrer“ der Kinder) sind.

360 vgl. FUHRICH 1989b, S. 164f.; MOLLENKOPF u. a. 1996, S. 40; WZB 1994, S. 66; SEIFERT 1993, S. 102f.

361 vgl. NESTMANN 1988, S. 102

362 vgl. Deutscher Bundestag 1994, S. 380 u. S. 476; MATHEY 1991, S. 608; MOLLENKOPF u. a. 1996, S. 25

363 vgl. WEISS 1991, S. 67

364 vgl. Stadt BS 1997, S. 90

Stand 31.12.1996 Pkw je 1.000 Einwohner Stadt Braunschweig 495,2 Landkreis Peine 543,5 Land Niedersachsen 516,3

Deutschland 500,5

Tab. 5.1: Pkw-Bestand

(Quelle: NLS u. a.

1998, S. 22 u. S. 71)

des einen unterdurchschnittlichen Motorisierungsgrad auf, während die Bewohner des Land-kreises Peine überdurchschnittlich oft über ein Auto verfügen.

Die Zunahme des allgemeinen Motorisierungsgrades der Bevölkerung ist, wie auch in anderen Ländern Westeuropas, eng verbunden mit der steigenden Motorisierung der älteren Einwohner.365 So spielte bei der Untersuchung von KUTTER 1969 in Braunschweig der Pkw-Besitz in Rentner-haushalten noch keine Rolle,366 während Anfang der 90er Jahre fast die Hälfte aller Haushalte über 65-jähriger Menschen über mindestens ein Auto verfügt. Dieser Wert liegt jedoch immer noch unter dem aller Privathaushalte, die zu über zwei Drittel einen Pkw besitzen.367

Demgegenüber war der Motorisierungsstand der in Braunschweig und Peine befragten Senio-renkreisbesucher recht niedrig, da sie nur zu 22,6 % angaben, ein Auto zu besitzen. Dabei waren den Daten in Tab. 5.1 entsprechend die Peiner Probanden mit 25,3 % öfter motorisiert als die Braunschweiger (20,2 %). Wie nicht anders zu erwarten, befinden sich unter den jüngeren Senio-ren mehr Autobesitzer als in den höheSenio-ren Altersklassen. Die jungen Alten verfügen etwa zehn-mal öfter über ein Auto als die Hochbetagten (Tab. 5.2), wobei der Anteil der Autobesitzer vor allem zwischen den Betagten und den Hochbetagten stark abfällt. Auffällig ist hier zudem, dass die aus Peine stammenden Hochbetagten immerhin noch zu 7,0 % über einen Pkw verfügen gegenüber nur 4,5 % der hochbetagten Braunschweiger.

Die geschlechtsspezifische Betrachtung der Autobesitzer bestätigt, dass es sich hier vorwie-gend um Männer handelt. Während lediglich 14,3 % (BS 12,6 %; PE 16,3 %) der befragten Frauen angaben, ein Auto zu besitzen, traf dies auf 64,3 % (BS 57,8 %; PE 72,4 %) der männli-chen Probanden zu. Den Zahlen in Tab. 5.2 ist ferner zu entnehmen, dass der Rückgang des Autobesitzes mit zunehmendem Alter Frauen weit gravierender betrifft als Männer, die auch im höchsten Alter noch zu 27,3 % ein eigenes Auto zur Verfügung haben. Dies gilt insbesondere für die hochbetagten Autobesitzer aus Peine, von denen sogar 36,8 % ein Auto haben (BS 20,0 %).368

Diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern bleiben auch bestehen, wenn man zudem die frühere Berufstätigkeit berücksichtigt. Denn obwohl die Beamten mit 68,8 % am häufigsten über einen Pkw verfügen, trifft dies auf die weiblichen Beamten nur in 43,5 % der Fälle zu, auf die männlichen hingegen zu 82,9 %. Mit insgesamt 36,7 % verfügen Selbstständige am zweithäufig-sten über ein Auto, wobei dies für 80,0 % der selbstständigen Männer gegenüber nur noch 23,5 % der Frauen gilt. Auch Angestellte können mit 32,7 % (Frauen 23,5 %; Männer 66,7 %) recht häu-fig auf dieses Verkehrsmittel zurückgreifen. Deutlich seltener ist das bei Arbeitern der Fall, von denen 27,5 % (Frauen 12,4 %; Männer 55,5 %) ein Auto besitzen. Mit nur 9,2 % am schlechtesten mit einem eigenen Pkw ausgestattet sind allerdings die Hausfrauen.

365 vgl. Stat. Bundesamt 1994, S. 67f.

Im Vergleich zu den Ländern der Europäischen Gemeinschaft liegt der Motorisierungsgrad der deutschen Senioren im Mittelfeld.

366 vgl. KUTTER 1972, S. 90, Fußnote 103.

Auch bei den Untersuchungen von KRÜGER (1982b, S. 109) und HEUWINKEL (1981, S. 118) verfügten nur wenige der älteren Probanden über ein Auto.

367 vgl. Stat. Bundesamt 1992, S. 172; FELSCHER u. a. 1995, S. 41, Übersicht 4.2

Die Rentnerhaushalte in der ehemaligen DDR konnten die früheren Defizite noch nicht vollständig ausgleichen und besitzen nach wie vor nur relativ selten ein Auto (vgl. Stat. Bundesamt 1992, S. 173; MOLLENKOPF u. a.

1996, S. 23).

368 Ähnliche Ergebnisse in Bezug auf das Alter und Geschlecht autofahrender Senioren wurden auch bei den Untersuchungen von MOLLENKOPF u. a. (1996), ASAM u. a. (1990) und ROMSA (1986) gewonnen.

Autobesitzer Frauen Männer Gesamt unter 65 Jahre 41,2 % 87,5 % 55,8 % 65 – 74 Jahre 21,6 % 75,8 % 31,5 % 75 – 79 Jahre 11,2 % 63,6 % 18,8 % 80 Jahre und älter 2,5 % 27,3 % 5,6 %

Gesamt 14,3 % 64,3 % 22,6 %

Tab. 5.2: Die Autobesitzer nach Alter und Geschlecht

Größere Auswirkung auf die individuelle Mobilität hat jedoch die Tatsache, ob verfügbare Pkw von den Senioren auch selbsttätig gefahren werden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass lediglich knapp die Hälfte der Führerscheininhaber zu den aktiven Autofahrern zu rechnen ist.369 So werden bei dieser Untersuchung die vorhandenen Autos von 84,8 % der Autobesitzer (BS 85,6 %; PE 84,0 %) auch noch selbst gefahren, was auch in den höheren Altersgruppen nur wenig nachlässt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die meisten Senioren von ihrem Pkw tren-nen, wenn sie ihn nicht mehr benutzen. Nur wenige behalten ihn, um beispielsweise eine gute Ausgangssituation dafür zu schaffen, von jemand anderem, etwa einem Bekannten oder Nach-barn, gefahren zu werden, ohne dass dieser selbst ein Auto haben muss (siehe 5.5.4). Ähnliche Zusammenhänge haben vermutlich auch Einfluss darauf, dass weibliche Autobesitzer nur zu 77,4 % auch zu den aktiven Autofahrern gehören gegenüber 92,9 % der männlichen Autobesitzer, da es sich bei dem vorhandenen Pkw offensichtlich um das „Familienauto“ handelt, das zumeist vom Ehemann gefahren wird.

So ergibt sich unter Einbeziehung des Familienstands, dass verheiratete Seniorenkreis-besucher sogar zur Hälfte im Besitz eines Autos sind (Tab. 5.3). Doch setzen sich von den auto-besitzenden Ehefrauen lediglich 65,0 % selbst an das

Steuer, wohingegen 94,8 % der Ehemänner dies tun. Am wenigsten motorisiert sind die verwitweten Probanden, wobei vornehmlich die Witwen ohne Auto sind.

Hierdurch wird offensichtlich, dass der Verlust des Ehe-partners für diese Senioren auch den Verlust des Fortbe-wegungsmittels Auto zur Folge hatte.370 Die Witwen

sind hiervon wiederum stärker betroffen, weil sie auch während ihrer Ehe kaum aktiv Auto ge-fahren sind und darüber hinaus die Höhe einer Witwenrente den Unterhalt eines Pkw nicht immer erlaubt (siehe 4.2). Generell verzichtet ein Großteil der alleinlebenden Senioren darauf, einen Pkw zu unterhalten, wobei auch hier wieder die alleinstehenden Frauen besonders hervor-zuheben sind. Dies mag ebenfalls aus finanziellen Gründen geschehen, oder es bestand im Laufe des Lebens niemals die Notwendigkeit für die Anschaffung.371 Auffällig sind indes die Anteile der Autobesitzer unter den geschiedenen Seniorenkreisbesuchern, die sich geschlechtsspezifisch kaum unterschieden; im Vergleich zu ihren Geschlechtsgenossen verfügen geschiedene Frauen relativ oft über einen Pkw, während die geschiedenen Männer vergleichsweise selten ein Auto haben.

In Anbetracht der Bedeutung eines Pkw für die individuelle Mobilität könnte dieses Ver-kehrsmittel gerade für Menschen, bei denen die Fortbewegung zu Fuß mit Schwierigkeiten ver-bunden ist, eine große Hilfe sein. Doch während 31,6 % der beschwerdefreien Probanden im Be-sitz eines Autos sind, können lediglich 18,5 % der ein wenig in ihrer Gehfähigkeit Eingeschränkten und sogar nur 11,2 % der stark Eingeschränkten auf ein derartiges Verkehrs-mittel zurückgreifen.372 Überdies fahren nur knapp drei Viertel der Autobesitzer mit starken Gehbeschwerden ihr Auto selbst. Autobesitzer mit geringen Gehbeschwerden zählen dagegen am häufigsten (87,2 %) zu den aktiven Fahrern.

Neben der auf Fahrzeugbesitz und selbstständiges Fahren bezogenen Verfügbarkeit eines Pkw stellt sich auch die Frage nach der Nutzungshäufigkeit des Autos durch ältere Menschen. 80,4 % (BS 82,9 %; PE 78,6 %) der befragten Senioren, die über ein Auto verfügen, fahren damit mehr-mals in der Woche, darunter sind 23,7 % (BS 26,2 %; PE 21,5 %), die ihr Auto sogar täglich in

369 vgl. MOLLENKOPF u. a. 1996, S. 35; SAUP 1993, S. 183; WINKLER 1970, S. 38 (nach MEUSEL 1996, S. 132, u.

MATHEY 1991, S. 607f.)

370 vgl. ASAM u. a. 1990, S. 104

371 vgl. Stat. Bundesamt 1992, S. 172f;BMFSFJ 1996a, S. 167f.; MOLLENKOPF u. a. 1996, S. 24

372 Auch ASAM u. a. (1990, S. 100) stellten diese Tendenz fest.

Autobesitzer Frauen Männer Gesamt

ledig 17,9 % 28,6 % 18,8 %

geschieden 27,8 % 27,3 % 27,7 % verheiratet 34,2 % 71,2 % 50,0 % verwitwet 8,0 % 43,3 % 9,7 % Tab. 5.3: Autobesitzer nach

Familienstand

Anspruch nehmen. Weitere 9,2 % (BS 8,4 %; PE 9,8 %) benutzen es durchschnittlich einmal wöchentlich, und nur 2,8 % (BS 2,7 %; PE 2,9 %) fahren damit lediglich einmal im Monat oder seltener.373 Dabei nutzen die selbst fahrenden Autobesitzer zu einem größeren Anteil ihr Fahr-zeug mehrmals wöchentlich als die nicht selbst fahrenden. Ebenso nehmen die männlichen Autobesitzer ihren Pkw durchschnittlich häufiger in Anspruch als die weiblichen, die nur zu 75,6 % an mehreren Tagen in der Woche fahren (gegenüber 85,7 % der Männer).

Eine klar absteigende Tendenz bei der Nut-zungshäufigkeit des Autos ist im Zusammen-hang mit dem Alter der Probanden zu erkennen (Abb. 5.2). Zwar ist in jeder Altersgruppe der Anteil der mehrmals wöchentlichen Nutzer am größten, doch sinkt er mit zunehmendem Alter ab. Insbesondere die tägliche Nutzung geht in den höheren Altersgruppen kontinuierlich zu-rück, während der Anteil der Probanden, die ihr Auto nur einmal im Monat oder seltener in Anspruch nehmen, weiter zunimmt.

Augen-fällig ist jedoch der leichte Anstieg der mehrmals wöchentlichen Nutzung bei den 65- bis 74-jährigen Probanden gegenüber der jüngsten Altersgruppe. Ein Grund hierfür besteht vermutlich darin, dass bei den jungen Alten teilweise noch berufliche Verpflichtungen bestehen, die eine häufigere Pkw-Nutzung erfordern, während diese Notwendigkeit nach dem 65. Lebensjahr weg-fällt und ein vorhandenes Auto zwar nicht mehr täglich, so aber noch öfter in der Woche für ver-schiedenste Unternehmungen genutzt wird.374

In Bezug auf die Gehbeschwerden der Befragten stellte sich heraus, dass stark beeinträchtigte Autobesitzer dieses Verkehrsmittel vergleichsweise selten einsetzen: Nur 71,8 % tun dies mehr als einmal in der Woche und 7,8 % nicht öfter als einmal monatlich. Dem gegenüber stehen die wenig oder gar nicht in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkten Probanden, die jeweils zu über 82 % ihr Auto mehrmals wöchentlich fahren. Interessant erwies sich jedoch die Differenzierung da-nach, ob das vorhandene Auto auch eigenhändig gefahren wird. Hierbei ergab sich, dass der An-teil der täglichen Nutzer bei den Befragten mit großen Gehbeschwerden, die ihren Pkw selbst lenken, sowohl gegenüber den weniger Beeinträchtigten als auch im Vergleich zu denjenigen, die auf einen Fahrer angewiesen sind, deutlich höher ist. Für diese Senioren stellt der eigene, selbst-tätig zu fahrende Pkw offenbar eine große Mobilitätshilfe dar, die auch täglich eingesetzt wird.

Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass der Großteil der ein Auto besitzenden Senioren damit weniger fährt, als sie es in jüngeren Jahren getan haben. Dabei verringert sich die durch-schnittliche jährliche Fahrleistung nicht nur infolge einer weniger häufigen Nutzung, sondern auch die bei einem Weg zurückgelegten Entfernungen werden kürzer. Obschon der weit überwie -gende Teil der Autos hierzulande ohnehin meist nur in einem Umkreis von etwa 10 km zum Ein-satz kommt, gewinnen bei älteren Menschen die Fahrten, die sich lediglich auf Nahziele im innerörtlichen Bereich beschränken, noch an Gewicht.375

373 Ähnliche Daten in Bezug auf die Nutzungshäufigkeit eines vorhandenen Pkw geben auch FELSCHER u. a. (1995, S. 47f.) und MOLLENKOPF u. a. (1996, S. 26f.) an.

374 Bei ihrer Untersuchung stellten MOLLENKOPF u. a. (1996, S. 27) mehr Zeit für Unternehmungen, gesundheitliche Gründe, große Entfernung zu Freunden und Verwandten und auch berufliche Gründe als Anlass für häufige Autonutzung heraus.

375 vgl. MOLLENKOPF u. a. 1996, S. 27ff.; SAUP 1993, S. 17;RISSER u. a. 1987, PASTALON 1979(beide nach SAUP 1993, S. 17); MATHEY 1991, S. 608; HOFMEISTER 1993, S. 121f.; HARTENSTEIN 1995, S. 19

0% 20% 40% 60% 80% 100%

<65 65 - 74 75 - 79 79<

Altersgruppen

täglich mehrmals wöchentlich einmal wöchentlich seltener

Abb. 5.2: Pkw-Nutzungshäufigkeit nach Alter