• Keine Ergebnisse gefunden

1. Einleitung

1.4 Toleranzinduktion

Neben der Behandlung der Abstoßung nach Lungentransplantation, ist die Entstehung von Toleranz ein entscheidender Forschungsaspekt. Der Begriff Toleranz bezeichnet die langfris-tige Akzeptanz von Spendergewebe im Empfängerorganismus ohne jeglichen Bedarf an Im-munsuppressiva. Ein Patient, der unter medikamentöser Immunsuppression ein Spenderorgan nicht abstößt, kann demnach nicht als tolerant angesehen werden. Die immunologische Ab-wehrreaktion seines Organismus wird nur unterdrückt. Das Spendergewebe wird jedoch im-mer noch als MHC-inkompatibles Transplantat von den Lymphozyten erkannt. Ziel der Tole-ranzinduktion ist es, dass der Empfängerorganismus die spenderspezifischen Antigene wie körpereigene Antigene interpretiert und auch ohne Immunsuppression keine Abstoßungsreak-tion auslöst. Man gliedert die immunologische Toleranz in die zentrale Toleranz und die peri-phere Toleranz.

1.4.1 Zentrale Toleranz

Zentrale Toleranz kann durch die Etablierung eines so genannten lymphohämatopoetischen Makrochimärismus durch Empfängerkondition und Spenderknochenmark Kotransplantation induziert werden. Der Mechanismus ist hierbei vergleichbar der Entwicklung von Toleranz gegenüber Autoantigenen. Die Beobachtung, dass Fremdantigene vom Immunsystem als sol-che erkannt und gezielt angegriffen werden, während die Eigenantigene des Organismus tole-riert werden, führte schon in den 50 er Jahren zu einem Erklärungsmodell, das auf dem Phä-nomen der klonalen Deletion beruht. Klonale Deletion bedeutet, dass selbstreaktive Lympho-zyten schon während ihres Reifungsprozesses erkannt und über die Einleitung einer Apopto-sereaktion zerstört werden38 39. Wenn frühzeitig durch geeignete Induktionsprotokolle Spen-derantigene im Thymus präsentiert werden, können diese schon bei der Lymphozyten-Reifung Klone, die gegen Spenderantigen gerichtet sind, mit Hilfe von klonaler Deletion ab-fangen. Die Injektion von unreifen, naiven dendritischen Zellen des Spenders konnte bei

Ver-suchstiermodellen mit Nagern eine Toleranz induzieren. Dieses Versuchskonzept konnte je-doch bisher nicht auf entsprechende Großtier- oder gar Patientenstudien übertragen werden40.

1.4.2 Lympho-hämatopoetischer Chimärismus

Es werden mehrere Formen von Chimärismus unterteilt, zum einen der Mikrochimärismus und zum anderen der Makrochimärismus, der seinerseits in den vollständigen Chimärismus und den gemischten Chimärismus eingeordnet werden kann. Mikrochimärismus und gemisch-ter Chimärismus bedeuten, dass Spender und Empfängerzellen koexistieren. Den Mikrochi-märismus kann man wahrscheinlich nach jeglicher Form von Transplantation beobachten. Die Anzahl der Spenderzellen ist allerdings sehr gering und kann nur mit sehr sensitiven Untersu-chungsmethoden gemessen werden und seine immunologische Bedeutung ist vermutlich ge-ring41. Als vollständigen Chimärismus bezeichnet man die Ersetzung der Empfängerleukozy-ten durch SpenderleukozyEmpfängerleukozy-ten nach myeloablativer Konditionierung und nachfolgender allo-gener Knochenmarkübertragung42. Ein Phänomen, welches einen echten Chimärismus be-schreibt, ist 1945 erstmals von Owen an dizygoten Kälberzwillingen beobachtet worden. Über eine gemeinsame Plazenta wurden Blutzellen ausgetauscht und im Kreislauf des jeweiligen Zwillings nachgewiesen43. Als gemischter Chimärismus wird die Koexistenz von Spender und Empfängerlymphozyten mit einem Anteil von Spenderlymphozyten von 5-95% bezeich-net. Gemischter Chimärismus entsteht nach Knochenmarktransplantation und vorangegange-ner non myeloablativer Konditionierung44. Nach der Entdeckung des lymphohämatopoeti-schen Chimärismus in den 40er Jahren wurde die Theorie von Toleranzinduktion durch Chi-märismus bei der Knochenmarktransplantation entwickelt45. Der Zusammenhang zwischen Toleranz und Chimärismus wird ganz ähnlich erklärt wie die natürliche Toleranz gegenüber Eigenantigenen. Über den Mechanismus der intrathymalen klonalen Deletion, bei der autore-aktive T-Zell-Klone schon im Reifungsprozess herausgefiltert und zerstört werden46, werden Lymphozyten, die gegen Eigenantigene gerichtet sind, physisch zerstört. Eine hohe HLA-Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger ist jedoch Voraussetzung, da ansonsten eine

„graft versus host“ Reaktion unweigerlich folgt47 48 49. Die Bestrahlung mit nachfolgender Knochenmarkstransplantation ist eine der gebräuchlichsten Methoden einen gemischten Chi-märismus zu generieren und somit die immunologische Abwehr des Empfängers zu überwin-den50. Ein interessantes Konzept zur Toleranzinduktion wurde 1989 von Sharabi und Sachs entwickelt51. Bei einem Tierversuch mit Mäusen wurden die peripheren T-Zellen zunächst mit Antikörpern gegen CD4+ und CD8+ depletiert. Darauf erfolgte eine Thymusbestrahlung mit 7 Gy und eine Ganzkörperbestrahlung mit 3 Gy. Anschließend verabreichte

Knochenmarkszel-len wurden von den Versuchstieren toleriert und ein Chimärismus von Spender und Empfän-gerzellen konnte nachgewiesen werden. Hauttransplantate vom gleichen Spender wurden dar-aufhin toleriert.

Solche Versuchsmodelle zur Transplantationstoleranz sind jedoch auf Grund der starken To-xizität der Induktionstherapie nicht auf den Menschen übertragbar52. Induktion von Trans-plantationstoleranz: Patienten mit einem Chimärismus können dennoch eine Abstoßung er-leiden, während bei Langzeitüberlebenden nach Transplantation nicht immer Chimärismus nachweisbar war53. Allerdings darf der Nachweis von sog. „passenger leucozytes“ Zellen aus dem soliden Spenderorgan, die im Empfängerorganismus über eine längere Zeit persistieren, nicht mit dem Phänomen des Chimärismus gleichgesetzt werden54.

1.4.3 Periphere Toleranz

Die Theorie, dass autoreaktive Lymphozyten durch klonale Deletion kontrolliert werden, kann nicht erklären, weshalb die Lymphozyten, die der klonalen Deletion entgangen sind, in der Peripherie keine autoreaktiven immunologischen Mechanismen auslösen. Daraus folgt, dass es auch in der Peripherie regulierende Vorgänge geben muss, die autoaggressive Immun-reaktionen unterdrücken können55. Für die periphere Toleranz sind einerseits regulatorische T-Zellen und andererseits kostimulatorische Mechanismen verantwortlich.

1.4.3.1 Phänotypische Charakterisierung von regulatorischen T-Zellen

Zur genaueren Untersuchung von regulatorischen T-Zellen müssen Merkmalsunterschiede zwischen Zellen mit regulatorischer Funktion und anderen T-Zell-Populationen definiert wer-den. Es wurden verschiedene T-Zellpopulationen wie zum Beispiel CD8+, CD4-8-, CD8+28 -mit Suppressorfunktion identifiziert, aber ein spezifischer Marker für regulatorische T-Zellen wurde noch nicht entdeckt56 57. In Studien erwies sich das Oberflächemolekül CD25, die α-Untereinheit des IL2 Rezeptors, als ein genauer Marker für regulatorische T-Zellen, welche die Aktivität von Effektorzellen supprimieren können58. In Versuchen in Mäusen wurde ge-zeigt, dass CD4+CD25+ Zellen als regulatorische Zellen fungieren und eine spenderspezifi-sche Toleranz nach einer Transplantation unterhalten können59. Auch im menschlichen Blut konnten solche Zellen mit regulatorischer Funktion nachgewiesen werden60 61 62. Die Er-kenntnis, dass das Oberflächenmolekül CD25 regulatorische T-Zellen charakterisiert, wider-spricht scheinbar Erkenntnissen, laut derer CD25+ Zellen als aktivierte Effektorzellen an Ab-stoßungsvorgängen beteiligt sind. Diese Kontroverse erklärt sich dadurch, dass IL2 als Boten-stoff für verschiedene Lymphozytensubpopulationen dient und ruhende Lymphozyten in

ei-nen aktivierten Zustand versetzt. Folglich tragen ruhende regulatorische T-Zellen aber auch aktivierte Effektorzellen den IL2 Rezeptor. Im Gegensatz zu den aktivierten Effektorzellen exprimieren die regulatorischen T-Zellen CD25 konstitutiv und in größerem Ausmaß. Effek-torzellen weisen nur als aktivierte Zellen, also kurzfristig und in geringerem Ausmaß CD25 als Oberflächenantigen auf63 64 65. Da CD25 auch ein Marker für aktivierte Lymphozyten ist, wurden gegen CD25 gerichtete Antikörper entwickelt, wie zum Beispiel Basiliximab und Daclizumab, die als Induktionstherapie bei solider Organtransplantation eingesetzt werden.

Basiliximab ist ein gemischter Antikörper mit 75% humanem Anteil und 25% murinem An-teil, während bei Daclizumab der humane Anteil 90% und der murine Anteil 10% beträgt.

Diese Antikörper werden auch klinisch zur Induktionstherapie eingesetzt. Bei gleichbleiben-den Nebenwirkungen konnte in immunsuppressiven Protokollen mit CD25-Antikörpern die Zahl akuter Abstoßungen signifikant verringert werden66. Dies konnte auch an einer verglei-chenden Patientenstudie zur Induktionstherapie nach Lungentransplantation gezeigt werden67. Allerdings konnte auch mit CD25 Antikörpern keine bleibende Toleranz ausgelöst werden.

Unklar und derzeit noch Gegenstand vieler Forschungsprojekte ist die genaue Wirkungsweise der CD25+ Zellen. In einer Studie an Mäusen, bei der die Toleranzinduktion nach Hauttrans-plantation untersucht wurde, konnte gezeigt werden, dass IL10 und CTLA-4 vermutlich für die regulatorische Funktion von CD25+ Zellen erforderlich sind68. In einer Studie an humanen CD25+ Zellen wurde ebenfalls ein Zusammenhang zwischen regulatorischen T-Zellen und CTLA-4 und IL10 postuliert69. CTLA-4 ist Teil der kostimulatorischen Mechanismen der T-Zell-Aktivierung, die neben der Aktivität von regulatorischen T-Zellen für die Entwicklung einer peripheren Toleranz verantwortlich sind.

1.4.3.2 Bedeutung kostimulatorischer Signale für die periphere Toleranz

Wie in dem Absatz akute Abstoßung schon erwähnt wurde, sind zwei Schritte zur erfolgrei-chen T-Zell-Aktivierung nötig. Neben der Interaktion zwiserfolgrei-chen dem CD3 Antigen der T-Zelle und dem T-Zell Rezeptor der antigen-präsentierenden Zelle, muss auch die Kostimulierung über andere Signaltransduktionswege erfolgen. Falls die Kostimulierung unterbleibt, wird nur eine IL2 und IL4-Rezeptorexpression, aber keine Zellproliferation und keine IL2 Produktion ausgelöst. Durch die unvollständige Aktivierung von T-Zellen kann eine Anergie oder die Apoptose dieser Lymphozyten hervorgerufen werden70. Nicht alle kostimulatorischen Signale wurden bisher ermittelt. Bekannt ist die Interaktion zwischen CD154 und CD40, über die CD4-, CD8- Zellen, natürliche Killerzellen und eosinophile Granulozyten aktiviert werden können71. Ein weiterer kostimulatorischer Mechanismus ist die Anbindung des CD28 der

T-Zelle an das B7 Antigen der antigenpräsentierenden T-Zelle72. Es gibt verschiedene Methoden, die Kostimulierung der Lymphozyten zu unterbinden. Beispielsweise kann mit Hilfe von CTLA4 Ig73, welches die kostimulatorische Aktivierung über die CD28-B7 Interaktion hemmt, eine Toleranzinduktion ermöglicht werden74. Auch die Kombination einer Bestrah-lung und einer CTLA4 Ig Therapie mit einer auf Tacrolimus und Anti-Lymphozyten-Serum beruhenden Immunsuppression erwies sich in einer Studie als erfolgreich zur Ausbildung ei-nes stabilen Chimärismus, der zur Toleranzinduktion führen kann75. In verschiedenen Studien konnte auch gezeigt werden, dass IL10, TGF, Prostaglandin E-2 und Kortikosteroide MHC-II herunterregulieren und IL-10 die Expression des kostimulatorischen Rezeptors CD86 reduzie-ren können. Man muss jedoch beachten, dass die unvollständige T-Zell-Aktivierung mit Hilfe von sehr starker IL2 Zufuhr durchbrochen werden kann. Durch die Hemmung kostimulatori-scher Signaltransduktionswege kann nur eine instabile Toleranz entstehen. Derzeit ist kein Antikörper gegen bestimmte kostimulatorische Antigene bekannt, der eine stabile Toleranzin-duktion auslösen kann.