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4. Diskussion

4.2 Kritik der Ergebnisse

4.2.1 Überleben der Versuchstiere

Die Überlebensgrafik der vorliegenden Arbeit zeigt einen statistisch signifikanten Überle-bensvorteil der mit Tacrolimus therapierten Versuchsgruppe. Dies lässt den Schluss zu, dass die Tacrolimus-Therapie effektiver als die Cyclosporin-Therapie das Transplantatüberleben verlängert. Auffällig ist jedoch die große Variabilität des mittleren Überlebens von 86,4 Ta-gen in der mit Tacrolimus therapierten Versuchsgruppe. Dies ist vermutlich auf die kleine Versuchstierzahl zurückführbar, welche eine Kompensierung von einzelnen Versuchsausrei-ßern erschwert. Die große Variabilität in der Tacrolimus-Gruppe findet jedoch weit jenseits der maximal erreichten Überlebensdauer in der Cyclosporin-Gruppe statt, da das zuerst ver-storbene Versuchstier der Tacrolimus-Gruppe mit 83 überlebten postoperativen Tagen länger als die Tiere überlebt hat, abgesehen von Tier 60709 aus der Cyclosporin-Gruppe, welches am postoperativen Tag 84 getötet wurde. Alle Versuchstiere, sowohl die mit Cyclosporin als auch die mit Tacrolimus therapierten Tiere, entwickelten letztlich Zeichen akuter oder chronischer Abstoßungsreaktionen. Dies konnte mit korrelierenden Röntgenbil-dern, Histologien und den Ergebnissen der bronchoalveolären Lavage gezeigt werden. Aus-schlaggebend für die Diagnose Abstoßung und die nachfolgende Tötung der Tiere waren vor-rangig die Röntgen-Thoraxaufnahmen zum Todeszeitpunkt.

Allerdings war neben den objektiven Befunden, und hier vor allem neben der vollständigen röntgenologischen Verschattung des Transplantates bei gleichzeitigem Ausschluss einer In-fektion als Ursache hierfür, auch der klinische Zustand des Tieres maßgeblich, dessen Beur-teilung eine subjektive Komponente hat. Wenn die Verschattung der linken Thoraxseite nach dem Röntgenscore (siehe Anhang 6.1) Grad L3-L4 entsprach, wurde in Kombination mit der klinischen Verschlechterung, häufiges Husten, mangelnder Appetit und zunehmende Somno-lenz des betroffenen Versuchstieres, klinisch die Diagnose Abstoßung gestellt und damit die Indikation zur Tötung des Tieres. Eine Ausnahme von dieser Regelung ist Tier 64608 aus der Tacrolimus-Gruppe, welches bei einer sehr ausgeprägten klinischen Symptomatik aus tier-schutzrechtlichen Gründen schon bei einer mit L2 bewerteten Röntgen-Aufnahme getötet werden musste. Nach dem Zusammentragen aller am lebenden Tier erhebbaren Befunde ent-schied folglich der Untersucher, zu welchem Zeitpunkt das Versuchstier getötet wurde. Diese elektive Tötung der Versuchstiere ist, wie schon im Kapitel „ Diagnostik der Abstoßungsreak-tion“ beschrieben, bei der Bewertung der Überlebenszeit und dem zu diesem Zeitpunkt diag-nostizierten Grad der Abstoßung problematisch. Ein zu spätes Töten der Tiere bei einer

Transplantatabstoßung führt zur Erschwerung der histologischen Beurteilung der Präparate bei unspezifischen Endzuständen.

Durch die Entwicklung des genannten Röntgenscores wurde versucht die Objektivität bei der Tötungsindikation zu erhöhen. Zum anderen wird die Ungenauigkeit seitens der Untersucher-abhängigkeit durch die pathologische Befundung der Autopsieproben relativiert, denn letzt-lich wurde bei allen Versuchstieren in den Autopsiematerialien eine Abstoßung diagnostiziert.

Der unterschiedliche histologische Abstoßungsgrad ist sicherlich auf die Untersucherabhän-gigkeit zurückzuführen, wobei jedoch nicht der Grad der Abstoßung, sondern der Nachweis der Abstoßung entscheidend ist.

Ein weitere Aspekt, der das genannte Problem entschärft, ist der sehr ausgeprägte Überle-bensvorteil der Tacrolimus-Tiere, die alle, bis auf das zuerst verstorbene Tacrolimus-Tier, länger überlebten als die Cyclosporin-Tiere. Eine objektivere Entscheidung auf Grund von vom Untersucher unabhängigeren Kriterien, wie beispielsweise von häufigeren Lungenbiop-sien, hätte möglicherweise die Überlebenskurven beider Versuchsgruppen angeglichen, aber doch nicht diesen signifikanten Überlebensunterschied nivellieren können. Außerdem ist dar-auf hinzuweisen, dass eine objektivere Definition des Versuchsendpunktes mit den im Rah-men eines Tierversuches einsetzbaren Untersuchungsmethoden nicht möglich war.

Auffällig bei dem postoperativen Verlauf der Cyclosporin-Tiere ist das gehäufte Auftreten einer akuten Abstoßungsreaktion in den ersten 27 Tagen. Bei vier von fünf Cyclosporin-Tieren musste am postoperativen Tag 7 eine akute Abstoßungsreaktion therapiert werden. Bei den Tacrolimus-Tieren hatten im Gegensatz hierzu nur zwei von fünf Tieren eine akute Ab-stoßungsreaktion in den ersten 27 Tagen. Dieses Ergebnis ist ähnlich den Ergebnissen anderer Vergleichsstudien zwischen Cyclosporin und Tacrolimus. In einer klinischen Studie wurden beide Calcineurininhibitoren jeweils in Kombination mit Mycophenolat mofetil und Steroiden miteinander verglichen. Zum einen wurde hierbei in Übereinstimmung mit der vorliegenden Studie eine geringere Anzahl an akuten Abstoßungen in der Tacrolimus-Versuchsgruppe re-gistriert und zum anderen war bei den Tacrolimus-Patienten seltener eine Therapie von sol-chen Abstoßungsepisoden erforderlich150. Allerdings waren die unterschiedlichen Häufungen von akuter Abstoßung in der beschriebenen Patientenstudie nicht signifikant. Die Anzahl von therapiebedürftigen, frühakuten Abstoßungsreaktionen ist insofern von Bedeutung, als sie einen Risikofaktor für weitere akute Abstoßungsreaktionen, zusätzlich aber auch einen

Risi-kofaktor für ein Bronchiolitis obliterans Syndrom darstellt151. Es wird auch eine Form von frühakuter Abstoßung beschrieben, die nicht steroidsensitiv ist und somit ein erheblich schlechteres Outcome hat152. Die akuten Abstoßungen in der vorliegenden Arbeit ließen sich jedoch alle mit Prednisolon therapieren und die Versuchstiere erholten sich in der Regel nach etwa drei Tagen. Neun von zehn Versuchstieren zeigten am postoperativen Tag 27 einen gu-ten Lungenzustand, was an den Röntgenbildern ersichtlich wurde.

In einer Studie, in der ein Wechsel von Cyclosporin zu Tacrolimus untersucht wurde, konnte gezeigt werden, dass auch eine schon begonnene chronische Abstoßungsreaktion klinisch stabilisiert bzw. sogar gebessert werden konnte153. Diese Ergebnisse stimmen mit einer weite-ren Studie überein, die ebenfalls einen positiven Effekt hinsichtlich des Bronchiolitis oblite-rans Syndroms bei einem Wechsel von Cyclosporin zu Tacrolimus beschreibt154. Diese beiden Studien zeigen so wie auch weitere Studien, dass das Bronchiolitis obliterans Syndrom nicht nur indirekt infolge der Verringerung von akuten Abstoßungsreaktionen mit Hilfe von Tacro-limus verhindert wird155, sondern dass dieses auch direkt durch Tacrolimus gebessert bzw. im Voranschreiten eingedämmt wird. Die beiden genannten Studien untersuchen jedoch nur ei-nen Therapiewechsel und nicht eine Primärtherapie mit Tacrolimus, wie es dem Ansatz der vorliegenden Arbeit entspricht. Es stellt sich die Frage, ob in Anbetracht des Vorteils eines Therapiewechsels von Cyclosporin zu Tacrolimus bei Abstoßungsreaktionen nicht gleich eine Primärtherapie mit Tacrolimus sinnvoll wäre. Bei der vorliegenden Arbeit wurde eine primäre Tacrolimus-Therapie durchgeführt, aber der direkte Einfluss auf ein Bronchiolitis obliterans Syndrom konnte nicht eindeutig gezeigt werden, da die meisten Versuchstiere schwere akute Abstoßungsreaktionen entwickelten, bevor ein Bronchiolitis obliterans Syndrom zur Ausbil-dung kommen konnte. Allerdings muss der günstige Einfluss von Tacrolimus auf die Ent-wicklung akuter Abstoßungsepisoden als Hinweis auf einen wahrscheinlich ebenso günstigen Einfluss auf den Verlauf chronischer Abstoßungsprozesse gesehen werden.

Neben den Vorteilen in Bezug auf die chronische und die akute Abstoßung wurde in einer klinischen Studie erarbeitet, dass der Wechsel zu Tacrolimus auch gastrointestinale Neben-wirkungen günstig beeinflusst. In der genannten Studie traten nach dem Wechsel von Cyc-losporin zu Tacrolimus weniger Fälle von Anorexie, Übelkeit und Erbrechen auf156. Insge-samt gibt es jedoch keine bedeutsamen Unterschiede hinsichtlich der Verträglichkeit und hin-sichtlich des Nebenwirkungsspektrums zwischen Tacrolimus und Cyclosporin97. In der vor-liegenden Arbeit konnten trotz der hoch dosierten Immunsuppression keine auffälligen Ne-benwirkungen der Calcineurininhibitoren beobachtet werden. Sowohl Cyclosporin als auch

Tacrolimus lösten bei keinem der Tiere schwere gastrointestinale, nephrologische oder neuro-logische Nebenwirkungen aus. Aber es konnte auch kein signifikanter Unterschied hinsicht-lich der Verträghinsicht-lichkeit der beiden Medikamente beobachtet werden. Trotz der publizierten Studien, welche die Vorteile einer Therapie mit Tacrolimus betonen, bevorzugen viele Trans-plantationszentren immer noch eine Primärtherapie mit Cyclosporin. Dies ist in erster Linie mit der fehlenden Zulassung von Tacrolimus für die primäre Therapie nach Lungentransplan-tation zu erklären. Zum anderen konnte die therapeutische Überlegenheit einer primären The-rapie mit Tacrolimus noch nicht bewiesen werden. Die Kosten der TheThe-rapie hingegen unter-scheiden sich nicht auffällig, wie im Folgenden erläutert wird. In einer Analyse zu den Kosten bei einem Wechsel der Immunsuppression von Cyclosporin zu Tacrolimus wurde errechnet, dass die 5-Jahres-Kosten um 5% anstiegen157. Allerdings sollte in Anbetracht der zahlreichen Studienergebnisse, die konform zur vorliegenden Arbeit eine Verringerung der Abstoßungs-reaktionen bei primärer Tacrolimus-Therapie beschreiben, der Kostenvorteil einer primären Cyclosporin-Therapie hinterfragt werden.

Im Gegensatz zu einer ähnlich angelegten Vergleichsstudie von Tacrolimus und Cyclosporin an Minipigs (Shoji und Mitarbeiter) konnte in der vorliegenden Studie jedoch keine Toleranz induziert werden. In jener Studie wurden jedoch wesentlich höhere Calcineurininhibitor-zielspiegel angestrebt, die auf Grund ihrer starken Toxizität nicht bei Menschen verabreicht werden dürften 133. Während in der vorliegenden Studie die Calcineurininhibitoren bereits hoch dosiert wurden (s.o.), lag der Zielwert der Studie von Shoji und Kollegen für Cyclospo-rin bei 400-800ng/ml und für Tacrolimus bei 35-50ng/ml. In der genannten Studie wurden wie in der vorliegenden Studie 24 Minipigs linksseitig orthotrop lungentransplantiert. Die Empfänger-Spender-Paarung war MHC I- und minor Antigen inkompatibel, aber MHC II kompatibel, was neben der höher dosierten Immunsuppression Ursache der gelungenen Tole-ranzinduktion sein kann. Denn schon in mehreren Veröffentlichungen konnte gezeigt werden, dass eine MHC II kompatible Empfänger -Spender -Paarung das Transplantatüberleben güns-tig beeinflusst158. Nachteilig an diesem Konzept ist jedoch, die nur begrenzt mögliche Über-tragbarkeit auf die klinische Situation. Bei dem Mangel an Spenderorganen und den begrenz-ten zeitlichen Vorgaben, kann eine entsprechende Abstimmung des Organs auf den Empfän-ger kaum realisiert werden. Außerdem sind die hohen Blutzielspiegel für Tacrolimus in der Studie von Shoji und Kollegen für die klinische Situation auf Grund der unerwünschten Ne-benwirkungen inakzeptabel. Die niedrigeren Zielspiegel in der vorliegenden Arbeit sind bes-ser auf die Klinik übertragbar als die in der Studie von Shoji et all angestrebten, aber

vermut-lich auch der Grund dafür, dass keine Toleranz induziert werden konnte. In einer randomisier-ten Patienrandomisier-tenstudie wurde die Ansicht vertrerandomisier-ten, dass initial eine möglichst niedrig dosierte Tacrolimus-Therapie vorgenommen werden sollte, da mit Hilfe von Studien belegt worden war, dass eine höher dosierte Tacrolimus-Therapie keine Überlebensvorteile birgt, sondern sogar auf Grund der Medikamentennebenwirkungen nachteilig sei159. Die „höhere“ Dosierung erreichte hierbei allerdings nicht das kritische Niveau der Studie von Shoji und Kollegen.

Auch in der hier beschriebenen Arbeit konnte keine Korrelation zwischen gemessenen Tacro-limusspiegeln und dem Transplantatüberleben gefunden werden.

4.2.2 Ergebnisse der Durchflusszytometrie

Bei durchflusszytometrischen Untersuchungen wurde bezüglich eines peripheren Spenderzellchimärismus kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Versuchsgruppen festgestellt, aber tendenziell schien der prozentuale Anteil von Spenderleukozyten im peripheren Blut bei den mit Tacrolimus therapierten Tieren größer zu sein. Ursache hierfür könnte die größere immunsuppressive Potenz von Tacrolimus sein. Da bei der Tacrolimus-Gruppe die gegen das Transplantat gerichteten Lymphozyten stärker supprimiert wurden, konnten die Spenderzellen im Empfänger länger verbleiben.

Bei mit Cyclosporin behandelten Tieren konnte ein frühzeitiger Abfall der CD4+ Zellen und ein gleichzeitiger Anstieg der CD8+ Zellen im peripheren Blut verzeichnet werden. Dieses Phänomen konnte hingegen bei der Tacrolimus-Gruppe nicht beobachtet werden. Dieser Un-terschied zwischen beiden Versuchspopulationen scheint unabhängig vom Grad der lympho-zytären Infiltration zu sein, die in den transbronchialen Biopsien gefunden worden sind. Mög-licherweise gibt es aber einen Zusammenhang zwischen dem schlechteren Transplantatüber-leben der Cyclosporin-Tiere und dem frühzeitigen Anstieg der CD8+ Zellen, da CD8+ Zellen als zytotoxische T-Zellen an Abstoßungsreaktionen maßgeblich beteiligt sind.

Eine genauere Untersuchung der CD4+CD25+ Zellen, einer Population, welche konzentriert regulatorische T-Zellen mit dem Potential zur Toleranzinduktion160 beinhaltet, wurde eben-falls vorgenommen. Es stellt sich die Frage, ob sich die größere Anzahl von CD4+ Zellen in der Tacrolimus-Gruppe durch eine größere CD4+CD25+ Zellpopulation erklären lässt. In der durchflusszytometrischen Untersuchung wurde festgestellt, dass unabhängig von der Thera-pieform und auch über die Zeit der medikamentösen Therapie hinaus die Prozentzahl von CD4+CD25+ Zellen zunahm. Die Interpretation dieses Ergebnisses fällt nicht leicht. Es könnte

gefolgert werden, dass CD4+CD25+ T-Zellen unabhängig von der immunsuppressiven Thera-pie von entscheidender Bedeutung für die immunologischen Veränderungen nach einer Transplantation sind. Diese Behauptung ist jedoch nur weiterführend unter der Prämisse, dass CD25+ regulatorische T-Zellen markiert. Allerdings ist CD25 kein spezifischer Marker für regulatorische T-Zellen, obgleich er der zurzeit bestmögliche ist. Das CD25-Molekül, die Alpha-Kette des IL-2-Rezeptors, ist nicht gleichzusetzen mit regulatorischer Aktivität, son-dern markiert auch aktivierte Effektorzellen. Um genauere Angaben machen zu können, müsste ein Untersuchungsmodell entwickelt werden, dass den Aktivitätszustand, bzw. die Funktion der regulatorischen Zellen misst161. CD4+CD25+ T-Zellen können zum einen durch die Vermittlung über definierte Liganden im Thymus neu entstehen bzw. aktiviert werden.

Zum andern können unter subimmunogenen Bedingungen in der Peripherie CD4+ Zellen in CD4+CD25+ Zellen umgewandelt werden. Die Aktivierung peripherer CD4+CD25+ Zellen ist vor allem mit TGF-β, welches in den Zellen den Transkriptionsfaktor Foxp3 freisetzt, auslös-bar. Der physiologische Ligand zur Freisetzung von Foxp3 ist noch nicht bekannt162 163. Al-lerdings ist die über CD4+CD25+ Zellen bewirkte Toleranz nicht irreversibel. Große Mengen von IL2 und auch anderen inflammatorischen Zytokinen können die Suppression durch die CD4+CD25+ Zellen aufheben164. Der in der vorliegenden Arbeit gemessene Zuwachs an CD4+CD25+ Zellen konnte auch bei vergleichbaren Studien gemessen werden165.