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Die Taxonomie von Anderson und Krathwohl 1. Intention und Struktur der Taxonomie

Mit der Taxonomy for learning teaching and assessing von Anderson und Krathwohl steht ein theoretisches Gerüst zur Verfügung, mit dessen Hilfe das Anforderungsni-veau von Lernergebnissen in einer zweidimensionalen Taxonomie abgebildet werden kann.41 Aus der Unzufriedenheit amerikanischer Lehrer, die wenig mit den vorgege-benen Zielformulierungen in Lehrplänen anfangen konnten, leiteten Anderson und Krathwohl die Notwendigkeit ab, diese curricularen Vorgaben verständlicher zu ges-talten.42

„What can teachers do when confronted with what they believe to be an exceedingly large number of vague objectives? To deal with the vast number of objectives, they need to organize them in some way. To deal with the problem of vagueness, they need to make the objectives more precise. In a nutshell, then, these teachers need an organizing framework that increases precision and, most important, promotes understanding.”43

Das Hauptanliegen für die Entwicklung dieser Arbeitshilfe für Lehrende bestand in der Initiierung von Klärungsprozessen bei der Zielformulierung für Unterricht mit dem Ziel besserer Verständlichkeit. Der Begriff learning objective wird von Anderson und Krathwohl in einem breiten Sinn didaktischer Intentionen verwendet:

„Throughout this volume we use the term objectives to refere to intended student learning outcomes. Thus, objectives, curriculum standards, and learning goals all refer to intended student learning.”44

Folgende Leitfragen sind mit der Entwicklung ihrer Taxonomie verbunden:

“1. What is important for students to learn in the limited school and classroom time available? (the learning question)

2. How does one plan and deliver instruction that will result in high levels of learning for large numbers of students? (the instruction question)

3. How does one select ore design assessment instruments and

40 Wagner, 2004, S. 3

41 vgl. Anderson /Krathwohl, 2001

42 vgl. Anderson / Krathwohl, 2001, S. 3 f.

43 Anderson / Krathwohl, 2001, S. 4

44 Anderson / Krathwohl, 2001, S. 3

procedures that provide accurate information about how well students are learning? (the assessment question)

4. How does one ensure that objectives, instruction are consistent with one another? (the alignment question)“ 45

Bei der von Anderson und Krathwohl entwickelten Taxonomie handelt es sich um ein zweidimensionales Kategoriensystem. Eine Dimension wird dabei von einem taxo-nomischen Kontinuum kognitiver Prozesse gebildet.

„Kognition ist ein allgemeiner Begriff für die Prozesse des Erkennens und Formen des Wissens. Dazu gehören Aufmerksamkeit, Erinnern, Planen, Entscheiden, Problemlösen und Mitteilen von Ideen.“46

Kognition ist zentraler Gegenstand der kognitiven Psychologie, die auf der Annahme basiert, dass es die kognitiven Prozesse und Strukturen eines Menschen sind, die einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten und Erleben ausüben und unter ande-rem festlegen, wie ein Individuum erlebt und sich verhält.

Das verwendete Kontinuum der kognitiven Prozesse basiert auf der erstmals im Jahr 1956 von Bloom herausgegebenen Veröffentlichung „The Taxonomy of Educational Objectives, The Classification of Educational Goals, Handbook I: Cognitive Domai-ne“. Vor dem Hintergrund ihrer Analyse verschiedener Untersuchungen zur Relevanz der hierin beschrieben Taxonomie in Bezug auf die Curriculumentwicklung weltweit und in den USA der vergangenen 40 Jahren kommen Anderson und Krathwohl zu dem Schluss, dass die Bedeutung dieses theoretischen Rahmens nach wie vor un-gebrochen ist.47

Blooms Taxonomie ist in die Kategorien: Wissen, Verstehen, Anwenden, Analysie-ren, Synthese und Evaluation gegliedert.48 Der taxonomische Aufbau impliziert dabei die Vorstellung, dass Kategorien höherer Stufen, die Beherrschung der jeweils nied-rigeren einschließen, es sich somit um eine kumulative Hierarchie handelt. Nachfol-gende Untersuchungen haben die Annahme vom taxonomischen Aufbau kognitiver Lernziele zwar gestützt, die Kategorie „Wissen“ im Sinne von „Erinnern“ als Basiska-tegorie erwies sich jedoch als kognitionspsychologisch nicht haltbar.49 Infolgedessen führen Anderson und Krathwohl anstelle dieser Kategorie eine eigene Dimension unterschiedlicher Wissensarten ein, die sich als faktisches, konzeptuelles, prozedura-les und metakognitives Wissen entfaltet. Die Grundidee der kumulativen Hierarchie

45 Anderson / Krathwohl, 2001, S. 6

46 Zimbardo, 1995, S. 392

47 z. B. von Chung, 1994; Lewy and Bathory, 1994; Postlethwaite, 1994; Anderson / Sosniak, 1994; Kridle 2000.

Vgl. Anderson / Krathwohl, 2001, XXI.

48 vgl. Bloom, 1972, S. 71 ff.

49 vgl. Kreitzer / Madaus, 1994

kognitiver Prozesse wird von den Autoren weiterverfolgt und in die Kategorien: re-member, understand, apply, analyse, evaluate und create differenziert.50

Der Nutzen einer solchen Kategorisierung von Lernzielen ist aus Sicht von Anderson und Krathwohl breit gefächert. Zum einen bewirkt eine konkretere Klärung der inten-dierten Lernergebnisse die verstärkte Berücksichtigung der Lernperspektive, zum anderen trägt diese Klärung zum breiteren Einsatz von Gestaltungsmöglichkeiten des Unterrichts bei. Neben einer rein sprachlichen Formulierungshilfe biete die Verwen-dung der Taxonomie auch einen Klärungsprozess über die Konsistenz des Zusam-menhangs zwischen intendiertem Kognitionsprozess und der Art des Wissens. Dar-über hinaus ermöglicht die Kategorisierung von Lernzielen eine Überprüfung für den Grad der Konsistenz zwischen Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht.

Im Ganzen wird eine Präzisierung der Lernzielformulierung erreicht, die deren Kom-munikation verbessert.51

Abb. 9: Die Dimensionen der Lernzieltaxonomie von Anderson und Krathwohl52

In ihrer Klassifikation kognitiver Prozesse gehen Anderson und Krathwohl grundsätz-lich davon aus, dass Nachhaltigkeit und Transferierbarkeit des Gelernten zwei

50 vgl. Franke, 2005, S. 12 f.

51 vgl. Anderson / Krathwohl, 2001, S. 34 ff.

52 vgl. Anderson / Krathwohl, 2001, S. 1

kognitive Prozesse

Arten des Wissens

besonders wichtige Zieldimensionen für die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen darstellen.

„Two of the most important educational goals are to promote retention and to promote transfer (which, when it occurs, indicates meaningful learning.”53 Mehr oder weniger lange Nachhaltigkeit des gelernten Wissens kann dabei durch Prozesse des Erinnerns beschrieben werden.

„Retention is the ability to remember material at some later time in much the same way as it was presented during instruction.“54

Lernziele, die auf das Erinnern des Gelernten gerichtet sind, zeichnen sich dadurch aus, dass sie leicht zu formulieren und zu überprüfen sind. Ziele, die eine Transfe-rierbarkeit des Wissens intendieren, sind dagegen schwerer sprachlich zu präzisieren und ihre Erreichung erfordern kompliziertere Überprüfungsmethoden.

Die Bedeutung solcher Lernprozesse wird von Anderson und Krathwohl jedoch da-hingehend betont, dass sie auf die Anwendbarkeit des Gelernten gerichtet sind. Sie werden als meaningful learning bezeichnet und in den Kontext konstruktivistischer Didaktik gestellt.55

„Meaningful learning provides students with the knowledge und cognitive process they need for successful problem solving. ... A focus on meaningful learning is consistent with the view of learning as knowledge construction, in which students seek to make sense of there experiences”56

Vor diesem Hintergrund gliedern Anderson und Krathwohl kognitive Prozesse unter den Aspekten Nachhaltigkeit und Transferierbarkeit von Gelerntem in ihrer Taxono-mie in zwei Bereiche: Nachhaltigkeit wird mit der Kategorie „remember“ und Transfe-rierbarkeit mit den fünf übrigen Kategorien understand, apply, analyse, evaluate und create erreicht.57

5.4.2 Die Dimension der kognitiven Prozesse

Im Modellprojekt „Entwicklung und Erprobung eines integrierten Leistungspunktesys-tems in der Weiterentwicklung modularisierter Studiengänge am Beispiel der Ingeni-eurwissenschaften“58 wurden die Kategorien der Taxonomie von Anderson und Krathwohl ins Deutsche übersetzt. Im Folgenden werden sie im Einzelnen erläutert

53 Anderson / Krathwohl, 2001, S. 63

54 Anderson / Krathwohl, 2001, S. 63

55 meaningful learning = sinnhaftes Lernen, bedeutungsvolles Lernen (Übersetzung der Autorin)

56 Anderson / Krathwohl, 2001, S. 65

57 vgl. Anderson / Krathwohl, 2001, S. 70

58 vgl. Wagner, 2004

und anhand von Pflegeausbildungsrelevanten kognitiven Anforderungen in diesen Lernbereich veranschaulichend transferiert.