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Tachymetrische Verfahren ohne unmittelbare Signalisierungsmöglichkeit am Objekt

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 81-85)

5 Methoden der Bauaufnahme

5.2 Tachymetrische Bauaufnahmemethoden

5.2.2 Tachymetrische Verfahren ohne unmittelbare Signalisierungsmöglichkeit am Objekt

Nicht immer sind alle Bereiche eines Bauaufnahmeobjekts für Messungen direkt zugänglich. Vielfach sind Bauwerke so hoch, dass sie weder im Handaufmaß zu erfassen sind noch mit tachymetrischen Verfahren gearbeitet werden kann, die zur Punktsignalisierung am Bauwerk einen Reflektor benötigen.

Manche Objekte sind aus Sicherheitsgründen überhaupt nicht zu betreten. Um dennoch eine Vermessung als Grundlage für die Modellbildung in der Bauaufnahme ausführen zu können, sind berührungslos arbeitende Messverfahren einzusetzen. Neben den photogrammetrischen Methoden können tachymetrisch arbeitende Verfahren zur geometrischen Modellierung verwendet werden. Hierbei sind an erster Stelle die Messkonzepte zu nennen, die sich der modernen, reflektorlos arbeitenden Tachymeter bedienen oder eine Kombination aus elektronischem Handentfernungsmesser mit Theodolit anwenden.

Zur Entfernungsmessung wird das vom Gerät ausgesendete Messsignal direkt von der Objektoberfläche reflektiert, ein spezieller Reflektor ist für die Reflexion des Signals nicht notwendig. Nach der Reflexion an der Objektoberfläche muss die Signalstärke noch so groß sein, dass der Entfernungsmesser das empfangene Signal auswerten kann. Abhängig von dem Material, der Struktur und der Neigung der Oberfläche sind Streuverluste während der Reflexion zu verzeichnen, die unter Umständen die Streckenmessung scheitern lassen können.

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Sind reflektorlos messende Tachymeter generell wie klassische Tachymeter einzusetzen, so werden durch den Verzicht auf einen Reflektor neue Möglichkeiten eröffnet, die aber besondere Vorgehensweisen bei der Messanordnung erfordern.

Punkte auf stetigen Oberflächen lassen sich in der Regel im Rahmen der vom Hersteller angegebenen Messgenauigkeiten erfassen, wobei Einflüsse durch das Oberflächenmaterial besonders auf die Reichweite zu verzeichnen sind [RUNNE, 1993]. Wird auf zum Zielstrahl geneigte Oberflächen gemessen, verursacht die ellipsenförmige Ausdehnung des Messstrahles systematische Streckenfehler (Abb. 5.10a).

Diese treten insbesondere dann auf, wenn eine Dejustierung zwischen der Sendeachse des Messsignals und der optischen des Tachymeters vorliegt. Beispielsweise kann dieser Einfluss für das nach dem Impulsverfahren arbeitende Rec Elta RL bis zu 2 cm annehmen und ist nur durch Messung in zwei Lagen zu eliminieren [KÖHLER, 1994]. Besonders während der Messung von sprunghaften Änderungen der Ober-fläche wie z.B. Ecken oder Kanten können sowohl systematische (Abb. 5.10b, 5.10c) wie grobe Fehler (Abb. 5.10d) auftreten.

a) Sende-Ellipse b) negative Kante c) positive Kante d) hintereinander liegende Punkte

Abb. 5.10: Reflexion des Messsignals reflektorlos arbeitender Tachymeter

Durch die flächenhafte Ausdehnung des Messsignals (Abb. 5.10) wird nicht die Strecke direkt zur ange-zielten Ecke bestimmt, sondern der auf der gesamten Fläche reflektierte Messstrahl wird ausgewertet.

Wie den Abbildungen 5.10b und 5.10c zu entnehmen ist, werden die Strecke zu negativen Kanten zu lang ermittelt und die zu positiven Kanten zu kurz [KÖHLER, 1994]. Da für die reflektorlose Streckenmessung sowohl Impulsmessverfahren wie Phasenvergleichsverfahren angewendet werden, sind unterschiedliche Auswirkung für das Ergebnis der Messung je nach Messverfahren und Softwareprogrammen zu erwarten.

Die Auswirkungen von Messungen auf Kanten oder geneigte Flächen sind bei nach dem Impuls-messverfahren arbeitenden Geräten in der Vergangenheit untersucht und nachgewiesen worden [KEHNE, 1989; RUNNE, 1993; KÖHLER, 1994]. Nach F. Kern [KERN, 2001] sind beim Impulsmessverfahren größere Einflüsse zu beobachten als beim Phasenvergleichsverfahren, bei dem die durch Kanten verursachten Fehlereinflüsse innerhalb der Messgenauigkeit der Geräte liegen16. Um diesen systematischen Fehlerein-fluss von vornherein zu vermeiden, lassen sich zwei Strategien anwenden. Zum einen kann bei vielen Tachymetern die Streckenmessung von der Winkelmessung getrennt ausgelöst werden. Dadurch wird ermöglicht, dass die Ecke direkt anzuzielen ist, die Winkelmessung auf den Eckpunkt ausgelöst wird und anschließend die Streckenmessung ein wenig neben der Ecke vorgenommen wird (Abb. 5.11).

Da die Strecke direkt neben der Ecke je nach Einfallswinkel des Messstrahles nur gering von der gesuch-ten Entfernung abweicht (s ≈ s') und der hierdurch verursachte Messfehler vielfach innerhalb der gefor-derten Streckenmessgenauigkeit liegt, kann durch diese Art der Entfernungsmessung ein Fehlereinfluss von Ecken und Kanten auf das Ergebnis vermieden werden.

16Untersucht wurde das Lasermeter Disto GSI der Firma Leica; prinzipiell sind auch bei nach dem Phasenvergleichsverfahren arbeitenden Geräten (wie z.B. das Disto und die reflektorlosen Tachymeter der Firma Leica) größere, von Kanten verursachte Fehler nicht auszuschließen.

a) Winkelmessung direkt zum Objektpunkt b) exzentrische Streckenmessung

Abb. 5.11: Getrennte Messung von Richtungen und Strecken bei Ecken und Kanten

Werden die Messergebnisse in einem CAD-System weiterverarbeitet, besteht weiterhin die Möglichkeit, Messpunkte mit ausreichend Abstand zu den Kanten direkt auf den Flächen zu messen und anschließend die Kanten durch Schnittberechnungen von benachbarten Flächen zu berechnen (vgl. Abb. 5.14). Diese Methode ist nur dann einzusetzen, wenn es sich bei den Flächen um mathematisch zu beschreibende Oberflächen handelt, deren berechneter Schnittpunkt tatsächlich die zu bestimmende Kante mit der notwendigen Genauigkeit repräsentiert.

Neben den durch Kanten verursachten systematischen Fehlereinflüssen sind auch grobe Fehler an Ecken und Kanten zu beobachten. Diese treten immer dann auf, wenn nicht die Strecke zur anvisierten Kante gemessen wird, sondern der Messstrahl an einem vor oder hinter dem zu messenden Punkt liegenden Objekt reflektiert wird (Abb. 5.10d). Sicher lassen sich diese groben Fehler aber nur eliminieren, wenn die tachymetrischen Daten direkt in einem CAD-Programm dargestellt werden und so eine Aussage über die Plausibilität der Messung sofort am Bildschirm getroffen werden kann17. Eine Analyse über grobe Fehler kann auch nach Abschluss der vor Ort ausgeführten Geometrieerfassung vorgenommen werden, indem z.B. alle Punkte einer Wand innerhalb einer bestimmten Toleranz auf ihre Zugehörigkeit zur Wandebene getestet werden18.

Besonders bei niedrigen Ansprüchen an die Genauigkeit kann auf die Möglichkeiten der Schnittbe-rechnung mit Bezugsflächen zurückgegriffen werden. Hierbei wird die das Objekt repräsentierende Bezugsfläche durch tachymetrische Messungen bestimmt. Der allgemeine Vorgang der Abbildung auf Bezugsflächen ist in Kapitel 4.2.2, 'Abbildung auf Bezugsflächen' beschrieben worden. Dort wurde als Beispiel für eine vereinfachte Objekterfassung unter Verwendung von Schnittberechnungen mit Bezugs-körpern eine lotrecht stehenden Ebene behandelt (Abb. 4.8). Durch die Verwendung von reflektorlos arbeitenden Tachymetern können aber auch beliebig im Raum liegenden Bezugsflächen (in der Regel Ebenen) in ihrer Geometrie erfasst und als Bezugsfläche für die Schnittberechnung mit der durch Vertikal- und Horizontalrichtung definierten Zielgeraden verwendet werden. Mit dieser Strategie lassen sich auch stark gegliederte Bauwerke wirtschaftlich erfassen, da oftmals größere Bereiche einer gemein-samen Ebene zugeordnet werden können. Beispielsweise kann die Ansicht einer sonst unzugänglichen Dachgaube durch dieses Vorgehen einfach erstellt werden, indem für jede Gaube wenige Punkte zur Ebenendefinition mit reflektorloser Messung bestimmt werden und die feinteilige Struktur durch ausschließliche Winkelmessung aufgenommen wird.

Die Messung reflektorlos arbeitender Entfernungsmesser wird generell durch einen sichtbaren Laserstrahl markiert. Entweder wird hierfür eine im sichtbaren Bereich liegende Trägerwelle zur Entfernungs-messung benutzt [z.B. LEICA, 2000] oder ein separater Signalisierungslaser wird zur Punktmarkierung einge-setzt [z.B. HUEP, 1995]. Die Kennzeichnung des gemessenen Punktes durch einen sichtbaren Laserpunkt

17vgl. Kap. 5.2.3, 'Online-Darstellung tachymetrischer Messungen'

18vgl. Fußnote 29

5.2 Tachymetrische Bauaufnahmemethoden 83

stellt für den praktischen Einsatz reflektorloser Entfernungsmessung eine wesentliche Erleichterung dar, sofern die Lichtverhältnisse die Sichtbarkeit des Laserpunktes nicht vereiteln19. Wird parallel zur Punkt-messung eine Punktskizze geführt, so ermöglicht erst die Signalisierung eine Verständigung zwischen allen Beteiligten über den zu messenden Punkt. Dies ist besonders dann wichtig, wenn die Bauaufnahme in interdisziplinär zusammengesetzten Bauaufnahmegruppen ausgeführt wird20.

Während einer Bauaufnahme kann es immer wieder vorkommen, dass Objektpunkte nicht mehr direkt durch das Fernrohr des Messgerätes zu beobachten sind, weil die Sicht zu steil nach oben oder unten verläuft. Trotzdem lassen sich die Punkte mit dem Tachymeter einstellen, wenn entweder ein Steil-sichtprisma verwendet wird oder der Zielpunkt durch den Laserstrahl sichtbar gemacht wird und hierdurch auf die Visur durch das Fernrohr verzichtet werden kann. Da bei dieser Arbeitsweise keine Kontrollmöglichkeit besteht, ob der am Objekt sichtbare Laserpunkt mit dem tatsächlich im Fernrohr eingestellten Messpunkt übereinstimmt, ist die Justierung des Laserstrahls besonders sorgfältig vorzu-nehmen und regelmäßig zu kontrollieren.

In Kombination mit einer motorisierten Steuerung ermöglicht ein Signalisierungslaser den Einsatz tachymetrischer Verfahren auch dort, wo durch unsichere Aufstellungsbedingungen unter normalen Messverhältnissen keine Messung möglich wäre [MOBI, 2000]. Dies ist immer dann der Fall, wenn z.B. ein schwankender Holzboden während der Messung nicht betreten werden kann. Hierbei erfolgt nach Aufstellen des Tachymeters die Messung durch eine Fernsteuerung des Gerätes, die Punktauswahl wird dann ausschließlich anhand des sichtbaren Signalisierungslasers vorgenommen.

Abb. 5.12: Abschattungsbereiche bei reflektorloser Messung

Neben den instrumentenbedingten Einflüssen auf die Geometrieerfassung unter Einsatz reflektorloser Tachymeter sind für eine erfolgreiche Anwendung dieser Methode auch die Auswirkungen zu berück-sichtigen, die im Zusammenhang mit der Punktauswahl am Objekt auftreten. Generell gilt hier wie bei allen Verfahren, dass die Festlegung der das Objekt repräsentierenden Messpunkte aus fachlichen Gesichtspunkten bezogen auf den Modellierungszweck erfolgen muss. Diese Auswahl ist aber auch mit dem notwendigen Fachwissen nicht immer zufriedenstellend zu lösen. Insbesondere bei steilen Sichten vom Instrumentenstandpunkt auf das Objekt ist es aus der Distanz nicht immer leicht zu erkennen, welcher Punkt für die Modellierung wichtig ist und somit erfasst werden soll. Zum einen treten bei in der Tiefe gegliederten Objekten Abschattungsbereiche auf, die überhaupt nicht zu vermessen sind (Abb. 5.12, links). Zum anderen bewirkt die große Entfernung zum Objekt eine schlechtere Erkennbarkeit von kleine-ren, aber unter Umständen wichtigen Objektdetails. Verstärkt wird dieser Effekt durch die perspek-tivischen Einflüsse, die eine Interpretation von hochliegenden Objektbereichen sehr erschweren. Mitunter ist es völlig unmöglich, z.B. die wichtigen Punkte für einen Erfassung in einer vertikalen Ansichtsebene auszuwählen. In diesen Fällen sollte zur gesicherten Erfassung auf das Konzept des verdichteten Bezugs-netzes zurückgegriffen werden. Hierbei sind alle die Punkte zu messen, die zweifelsfrei erkannt, anvisiert und vermessen werden können (Abb. 5.12, rechts). Die weitere Ausarbeitung des Bauaufnahmeplans kann darauf aufbauen im Handaufmaß oder durch portraitierende Ergänzungen erfolgen. Ist das

19Bei direkter Sonneneinstrahlung ist der Laserpunkt überhaupt nicht zu sehen, für Messungen im Außenbereich von Gebäuden sollte generell bedeckter Himmel vorherrschen.

20vgl. Kap. 6.2, 'Praktische Umsetzung einer methodenkombinierenden Bauaufnahmestrategie'

netz dicht genug angelegt worden, ist es leicht möglich, auf der Grundlage der geometrisch hoch genauen geodätischen Punktbestimmung einen inhaltlich wie geometrisch qualitativ hochwertigen Bauaufnahme-plan zu erstellen.

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 81-85)