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Datenstrukturierung und Präsentation in Geographischen Informationssystemen (GIS) Die Verknüpfung von geometrischen Daten mit Sachinformationen kann – wie in den vorangegangenen

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 67-72)

4 Grundlagen der Erfassung, Modellierung und Darstellung

4.2 Koordinatensysteme und Bezugsflächen

4.3.4 Datenstrukturierung und Präsentation in Geographischen Informationssystemen (GIS) Die Verknüpfung von geometrischen Daten mit Sachinformationen kann – wie in den vorangegangenen

Kapiteln erläutert – sowohl mit 3D-CAD-Modellen als auch mit animierten Visualisierung z.B. durch VRML-Modelle realisiert werden. Innerhalb der CAD-Systeme stehen dabei die Komponenten zur Konstruktion und Visualisierung im Vordergrund, durch die das CAD-System in Kombination mit den ergänzenden Sachdaten zum umfassenden Planungswerkzeug wird [BILL,1999a]. Mit animierten VRML-Visualisierungen erfolgt der Zugang zu den ergänzenden Daten über ein anschauliches 3D-Modell.

Abb. 4.23: Objektgeometrie und Sachdaten

Bei den Geographischen Informationssystemen dagegen wird die zentrale Stellung von den Sachdaten eingenommen, die erfasst, verarbeitet, verwaltet und analysiert werden müssen. Diese Daten werden über den geometrischen Raumbezug miteinander in Beziehung gesetzt (Abb. 4.23) und durch eine karto-graphische Darstellung visualisiert. Dabei ist die Präsentation notwendiges Hilfsmittel zur Darstellung der ausgeführten Datenanalysen und damit von untergeordneter Bedeutung gegenüber den Sachdaten.

Geographische Informationssysteme sind vorwiegend als Analysewerkzeuge einzustufen [BILL, 1999a]. 4.3.4.1 Grundlegende Prinzipien Geographischer Informationssysteme

Im Zentrum der Modellierung steht das in der Datenbank gespeicherte Objekt, das durch seine Geometrie, die Topologie zu den Nachbarelementen, die mit ihm verbundenen thematischen Daten sowie durch seine Beziehungen zu anderen selbständigen Objekten charakterisiert wird (Abb. 4.24).

4.3 Datenstrukturierung und -darstellung 67

Diese objektbezogenen Arbeitsweise bedeutet, dass die Datenerfassung für Geographische Informations-systeme nicht grafisch orientiert in Form von Punkten, Linien oder Flächen erfolgen darf, sondern dass während der Modellierung selbständige Objekte gebildet werden müssen45, mit denen die weiteren inhalt-lichen Sachdaten verbunden werden können. Sofern möglich sollte auch die inhaltliche Modellierung der ergänzenden Sachinformationen bereits während der Erfassung erfolgen.

Abb. 4.24: GIS-Objekt [verändert nach: BILL, 1999a]

Mit dem Objekt können inhaltliche Attribute unterschiedlichster Form (Text, Zeichnungen, Pläne, Bilder, etc.) verbunden werden. Dabei beschränkt sich die Strukturierung im Datenmodell nicht auf die direkte Zuordnung im Sinne eines Wegweisers vom Objekt auf die Daten und umgekehrt von den Daten zum Objekt. Mit den erfassten Daten soll eine über die direkten Beziehungen hinausgehende Analyse durch-zuführen sein. Um eine umfassende Auswertung der Sachdaten vornehmen zu können, müssen die thema-tischen Informationen durch einen so genannten Objektartenkatalog strukturiert werden46 (Abb. 4.25).

Diese strukturelle Modellierung muss entsprechend den fachspezifischen Nutzungsanforderungen erfo-lgen, weil hierbei die wesentlichen Grundlagen für spätere Analysemöglichkeiten gelegt werden. Objekt-beziehungen die innerhalb des strukturellen Datenmodells nicht vorgesehen sind, können auch später generell nicht analysiert werden. Demnach muss vorbereitend zu jeder Erfassung für ein Geographisches Informationssystem eine fachliche Einteilung der Objektarten einschließlich ihrer Attribute vorgenommen werden.

Abb. 4.25: Objektartenkatalog

45Die Objektbildung von unstrukturierten Daten wie z.B. analogen Karten kann in einem zweiten Arbeitsschritt erfolgen, wobei z.T. unterstützende automatische Algorithmen eingesetzt werden können.

46Eine ähnliche Strukturierung muss auch für die dreidimensionalen Datenmodelle (vgl. Kap. 4.3.3, '3D-Visualisierungen und Animationen') vorgenommen werden.

Die eigentliche Speicherung und Verwaltung der Daten erfolgt in einer separaten Datenbank. Auf diese Daten kann im Rahmen der Analysefunktionen jederzeit zurückgegriffen werden, wobei die Anwen-dungsprogramme zwar die Daten zur Analyse verwenden, dabei aber den Datenbestand nicht verändern.

Durch die Abkopplung der Abfragefunktion vom eigentlichen Datenbestand ist eine hohe Datensicherheit herzustellen. Den einzelnen Nutzern können verschiedene Teilbereiche des Datenmaterials zur Auswer-tung überlassen werden, dabei wird auch oft von einer 'individuellen Sicht' des Nutzer auf das Daten-material gesprochen.

Durch die individuelle, der Fragestellung entsprechenden Datenauswertung ist es möglich, mit dem selben Datenmaterial während der Analyse ganz unterschiedliche Aussagen abzuleiten und diese mit anschließender Visualisierung als thematische Karte darzustellen. Es entsteht damit kein statischer Plan, der einmal erstellt nicht mehr verändert werden kann. Auch ist dies nicht mit dem Layerprinzip in CAD-Programmen zu vergleichen, da dort zwar verschiedene Elemente auf den unterschiedlichen Layern durch Ein- und Ausblenden visualisiert werden können, aber dieses nur auf der Basis einer festen Zuordnung zu den einzelnen Bearbeitungsebenen geschehen kann. Innerhalb der GIS-Analysen ist dagegen eine dyna-mische Veränderung der Planinhalte möglich. So lässt sich z.B. der Baubestand einer Stadt in der ersten Darstellung nach dem Baualter strukturieren, oder in einer weiteren Analyse können die baufälligen Gebäude präsentiert werden. Die Leistungsfähigkeit der GIS-Programme wird aber erst dann ausge-schöpft, wenn verknüpfte Analysen durch so genannte Verschneidungen ausgeführt werden. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn die Verteilung aller baufälligen Gebäude, die älter als 100 Jahre sind und unter Denkmalschutz stehen, über ein gesamtes Stadtgebiet visualisiert werden soll. Dieses kleine Beispiel kann verdeutlichen, dass die drei unterschiedlichen Datensätze – über das Baualter, über den Erhaltungs-zustand und über die Denkmaleigenschaft –, sofern sie in einer Datenbank gemeinsam verwaltet werden, durch die Analyse eine neue Information höherer Qualität bereitstellen können.

Aufgrund der breiten Verbreitung von GIS-Systemen für diverse Planungsaufgaben stehen sehr viele der kommerziellen GIS-Programme [z.B. ARCINFO, 2001; ARCVIEW, 2001; GEOMEDIA, 2001; MAPINFO, 2001;

SMALLWORLD, 2001], aber auch individuelle Eigenentwicklungen [z.B. BROVELLI, MAURINO, 2000] für die Anwendung in Bauaufnahme, Denkmalpflege, Archäologie etc. zur Verfügung47. Innerhalb der GIS-Programme ist keine 3D-Modellierung möglich, alle Daten werden im so genannten 2,5-D-Modus verwaltet. Dabei werden zu den Grundrisskoordinaten ergänzend die Höhen gespeichert, sodass zwar dreidimensionale Daten vorliegen, diese aber nicht als 3D-Volumenmodelle visualisiert werden können48. 4.3.4.2 Anwendungspotenziale Geographischer Informationssysteme

GIS-Systeme eignen sich besonders zur Strukturierung, Verwaltung, Analyse und Darstellung von Daten-sätzen, die eine Vielzahl unterschiedlichster Informationen beinhalten und überwiegend in einem zweidi-mensionalen räumlichen Bezug zueinander stehen. Hier sind an erster Stelle alle Inventari-sierungsaufgaben im Bereich von Denkmalpflege und Archäologie zu nennen, besonders dann, wenn großräumige Fragestellungen untersucht werden sollen.

Um das Potenzial der GIS-Systeme hierbei wirklich nutzen zu können, ist gegenüber den konventionellen Visualisierungen in Form von analogen Plänen eine grundsätzlich andere Arbeitsweise zu entwickeln.

Hierbei steht der Plan nicht mehr als abschließendes Resultat am Ende der Bauaufnahme (Abb. 4.26a), sondern ist Teil des gesamten Erkenntnisprozesses, in dessen Verlauf sich die Ergebnisse, wie auch das prinzipielle Vorgehen ändern können (Abb. 4.26b) [vgl. LAGERQVIST, 1996].

Von E. Hansen ist der Bauaufnahmeplan als Niederschrift der persönlichen Beobachtungen des Bauauf-nehmenden bezeichnet worden [HANSEN, 2001] und stellt damit das Resultat der Untersuchungen dar. Für das Arbeiten mit GIS-Systemen darf mit Abschluss der Datenerfassung in keinem Fall das Ende des Bearbeitungsprozesses erreicht sein. Vielmehr beginnt zu diesem Zeitpunkt die eigentliche Arbeit, die darin besteht, aus dem Datenmaterial quantitative und qualitative Informationen abzuleiten. Dies ist nur

47Für die Anwendung in der Archäologie hat K. Gourad eine ausführliche GIS-Umfrage und Nutzungsanalyse durchgeführt [GOURAD, 1999]. Eine aktuelle, allgemeine Übersicht der auf dem Markt befindlichen GIS-Programme kann dem jährlich erscheinenden 'GIS-Report' entnommen werden [GIS-REPORT, 2001].

48Auf die Entwicklung von 3D-Informationssystemen ist im Kap. 4.3.3, '3D-Visualisierungen und Animationen' eingegangen worden.

4.3 Datenstrukturierung und -darstellung 69

möglich, indem Hypothesen formuliert werden, die wiederum in analysierende Abfragen zu konvertieren sind. Als Zwischenergebnis im Auswerteablauf entstehen durch die Analysen Visualisierungen, mit denen die Hypothesen zu überprüfen, anzunehmen, zu verwerfen oder zu verbessern sind.

a) konventionelle Bauaufnahme b) unter Einsatz von GIS

Abb. 4.26: Arbeitsablauf Bauaufnahme [verändert nach LAGERQVIST, 1996]

Es entsteht ein Auswertekreislauf vom Datenmaterial über die Hypothese, deren Analyse und Visua-lisierung zurück zum Datenmaterial. E. Hansen hat seine Untersuchungen an einem einzigen Stein eines Tempels ausgeführt. In Verlauf seiner Überlegungen während der Erfassung des Steins hat sich sicher ein dem Arbeitsablauf von GIS-Systemen ähnlicher Erkenntnisprozess abgespielt, bevor er das Ergebnis in Form eines Bauaufnahmeplanes niedergelegt hat49. Der wesentliche Unterschied aber besteht in der Datenmenge. Ist diese gering und kann der Untersuchungsraum aufgrund seiner Größe noch unmittelbar erfasst werden, so besteht keine Veranlassung moderne Analyse- und Visualisierungsmethoden einzu-setzen. Stehen dagegen sehr viele Daten für eine Auswertung zur Verfügung, deren räumlicher Bezug zueinander entweder sehr groß und/oder sehr komplex strukturiert ist, stellen die Geographischen Infor-mationssysteme ein ideales Werkzeug dar, um aus den Daten Informationen ableiten und damit die fach-lichen Fragestellung bearbeiten zu können. Diese Abhängigkeit zwischen Datenmaterial und Auswerte-methode gilt nicht nur für die Informationsverwaltung in Geographischen Informationssystemen, sondern ebenso beim Einsatz von 3D-Modellen und Visualisierungen, sofern mit diesen ergänzende Attribute in einer Datenbank verbunden sind.

Werden Denkmalinventare mit Hilfe von GIS-Systemen erstellt, lassen sich alle Untersuchungen zur Denkmaltopographie und Denkmaltypologie sehr viel schneller und einfacher bearbeiten und vor allem anschaulicher präsentieren. Dabei ist für die topographischen Fragestellungen entscheidend, dass mit Hilfe der GIS-Programme räumliche Analysen über die Verteilung und die Beziehungen der Denkmale hervorragend bearbeitet werden können [vgl. z.B.BARTOLOTTA et al., 2000]. Im Rahmen der Denkmaltypologie eröffnet die Kombination von strukturierter Datenverarbeitung innerhalb einer Datenbank mit der Mög-lichkeit der räumlichen Analyse breite AnwendungsmögMög-lichkeiten für die GIS-Systeme. Hier ist an erster Stelle der einfache und schnelle Zugriff auf typologisch vergleichbare Objekte zu nennen, wodurch ein leistungsfähiges Werkzeug zur typologischen Einordnung neu erfasster Bauwerke bereitgestellt werden kann. Durch die vielfältigen Analysefunktionen und Visualisierungsmöglichkeiten sind GIS-Systeme auch in der täglichen Denkmalpflegepraxis als Arbeitswerkzeug zur Entscheidungsfindung effektiv einzu-setzen [KOBERMAIER, 1997].

49Auch für den Bauaufnehmenden im Handaufmaß ist die ständige Überprüfung der Bewertungskriterien und Analyseergebnisse ein wesentlicher Beitrag zur Selbstkontrolle.

In der Archäologie können unter Verwendung von GIS-Systemen alle Ausgrabungsbefunde ein-schließlich der notwendigen Dokumentationen inventarisiert werden. Aufgrund der großen Anzahl und oftmals unstrukturierten Verteilung der vielen, auf den ersten Blick scheinbar unbedeutenden Kleinfunde stellt die Inventarisierung innerhalb eines GIS die einzige wirtschaftliche Möglichkeit dar, alle Funde sowohl inhaltlich als auch geographisch zu erfassen. Hierfür ist die sofortige Aufnahme aller wichtigen Informationen während der Ausgrabung notwendige Voraussetzung. Neben den dreidimensionalen Fund-koordinaten zählen eine erste Klassifizierung, die Beschreibungen der wichtigsten Charakteristika, eine fotografische Dokumentation und andere denkbare Angaben zu den objektbezogenen Informationen. Da die GIS-Systeme auch auf tragbaren Feldcomputern eingesetzt werden können und über Digitalkameras eine fotografische Online-Dokumentation möglich ist, sollte die Erfassung über ein GIS-System zum Standard jeder großen Ausgrabung gehören.

Auch wenn die GIS-Systeme noch nicht überall als tägliches Arbeitswerkzeug akzeptiert sind, lässt sich doch eine zunehmende Verbreitung sowohl zur Denkmalinventarisierung [z.B. BARTOLOTTA et al., 2000; DIA, 2001; KOBERMAIER, 1997] als auch in archäologischen Projekten [z.B. BÖHLER et al., 1997; ARCHÄOMAP, 2001;

WESTCOTT, BRANDON, 1999] feststellen.

Eine neue Qualität erhalten die GIS-Systeme durch die Verknüpfung der GIS-Funktionalität mit den Möglichkeiten des Internet [z.B. WEBKIS, 2001]. Durch diese so genannten WEB-GIS ist es möglich, möglichst vielen Nutzern den Zugang zu den Daten und Analysefunktionen zu gewähren oder bei großen internationalen Arbeitsgruppen ein verteiltes Arbeiten der einzelnen Projektpartner an ihren jeweiligen Standorten durchzuführen. Diese Art der Datenverarbeitung und -bereitstellung bieten sich für übergeord-nete Planungsdaten aus dem Denkmalpflegebereich an, die hierdurch möglichst einfach und schnell an der Planung beteiligten Personen und Institutionen zugänglich gemacht werden können. Doch auch zur Bearbeitung einzelner Projekte kann eine weltweite Verbreitung der Ergebnisse im Form eines WEB-GIS nützlich sein, weil hierdurch ein besonders schneller Wissenstransfer zu erreichen ist und eine optimale Rückkopplung mit dem interessierten Fachpublikum erzielt werden kann [vgl. CATAL HÖYÜK, 2001; GRÜN et al., 2000].

Eine besonders breite Anwendung erfahren die Geographische Informationssysteme als wesentliches Element von Facility Management Systemen. Die in diesem Bereich Gebäude-Informationssysteme genannten GIS-Programme stellen für die zu verwaltenden Gebäude den geometrischen Bestands-nachweis bereit, mit dem alle raumbezogenen Informationen eines Facility Management Systems verbunden werden können. Obwohl die GIS-Systeme schon lange in diesem Bereich eingesetzt werden, arbeiten nicht alle Facility Management Programme mit vollausgebauten GIS-Komponenten. Viele der auf dem Markt etablierten Facility Management Systeme sind aus CAD-Programmen heraus entwickelt worden und können deshalb nicht die volle Funktionalität üblicher GIS-Programme bezüglich Daten-verwaltung, Analyse und Visualisierung bieten [SCHÜRLE et al., 1998]. Trotzdem sollte der Einsatz von Facility Management Systemen zur Inventarisierung von Gebäudedaten auch in der Bauforschung, Denkmalpflege oder Archäologie erwogen werden, weil in diesen Programmen – im Gegensatz zu klassischen GIS-Systemen – eine raumbezogene Ordnungsstruktur leicht zu realisieren ist.

5.1 Handaufmaß 71

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 67-72)